Beiträge von Rediviva Minervina

    Minervina empfand langsam ein unglaublich schlechtes Gefühl, welches sich ihrer bemächtigte. Sie könnte es kaum näher beschreiben, doch es war einfach schlecht. Ihr Bauch schmerzte wahnsinnig und lag ihre rechte Hand auf dem Herzen, so presste sie nun ihre linke gegen den Bauch. Die Ursache wusste sie leicht zu umschreiben, denn das Klagen der Klageweiber drückten sie unglaublich darnieder. Ihre Gedanken schwirrten wirr umher und sie konnte sie nicht mehr fassen. Sie sah nur verwischte, verschleierte Gesichter der Klageweiber, das Gesicht ihrer Tante und vermummte Gestalten vor ihrem Auge und diese Bilder flogen fortwährend durcheinander. Zugleich hörte sie nur Rufen ohne eine Reihenfolge, das Rauschen des Windes und ihr war, als hörte sie Schmerzschreie verschiedener Seelen. Und diese Tatsache ängstigte sie, denn sie glaubte sich allmählich verrückt oder verfolgt.


    Ihre Trauergewandung war schwer, vor allem lastete diese auf ihrer Seele. Sie blickte hilfesuchend um sich. Doch sie fand keine Hilfe, sie sah niemanden. Selbstverständlich sah sie die Gestalten, aber sie konnte sie nicht richtig wahrnehmen. Dann wandte sie ihren Blick wieder dem Scheiterhaufen wo, wo die Flammen bald ihre liebste Tante aufzehren sollten.

    Rediviva Minervina, die hier der Bestattung ihrer Tante zusehen musste, tat dies mit vollem Bewusstseiin. Sie war, als sie von dem Tode erfuhr, ohnmächtig zusammengesunken. Die Tage darauf hatte sie nicht mehr in Erinnerung, sie waren völlog dämmerig. Auch der gestrige Tag ist eher geisterhaft in ihrem Gedächtnis vorhanden und sie könnte nicht beschwören, dass sie das, was sie noch glaubte zu wissen, wirklich erlebt hatte. Als sie jedoch an diesem Morgen aufgewacht war, war sie hellwach. Sie wünschte sich so sehr, dass es anders wäre und auch die Bestattung im Dämmerzustand erleben könnte, aber dem war nicht so.
    Langsam ging sie so weit vorn, wie sie konnte, im Trauerzug mit. Sie fühlte sich fehl am Platze, als gehöre sie nicht zur Familie dazu. Ihre Familie war immer ihr Vater gewesen, nach seinem Tod wurde es seine engste Vertraute: Claudia. Und nun lag auch sie vor ihr. Von all den Anderen stand ihr nur noch Vitamalacus ein wenig näher, doch diesem stand eine Karriere beim Militär bevor und sie würde ihn nicht mehr sehr oft sehen. Nein, die dort liegende Tote war ihr die einzige, wirkliche Verwandte gewesen. Ihre Augen brannten. Minervina hatte schon so furchtbar viele Tränen vergossen, dass ihre Haut ganz wund wurde und auch die Kräuter nicht viel Linderung verschafften. Nun brannten auch die Augen, denn die Tränen wollten nicht mehr fließen. Ihr Herz war voller Schmerz und schien Zentner schwer zu wiegen.
    Allein der Gedanke, dass sie ihre geliebte Tante nicht mehr wiedersehen sollte, ließ sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Die Vorstellung war einfach so unwirklich. Und sie gab sich gewissermaßen auch Schuld, denn wäre sie bei ihr geblieben - wer weiß? Vielleicht wäre sie nicht ermordert worden. Minervina nämlich wurde im Glauben gelassen, dass ihre Tante sich nicht das Leben hatte genommen. Ihre Hand krampfte sich über ihrer Brust in den Stoff und ins Fleisch, als sie an die Zukunft dachte. Sie konnte sich keine Zukunft vorstellen - wie sollte sie werden? Wie, ohne jemanden der ihr den Weg zeigte? Sie wollte zu Claudia, wollte ihr das Gesicht, die Wange, die Stirn streicheln und ihr liebe Worte zum Abschied sagen. Aber das würde kaum gebilligt werden. Sie wollte Trost. Doch wo fand sie ihn?
    Ein lautes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle und der Weg vor ihr verschwamm. Teilnahmslos wohnte sie den weiteren Vorgängen bei und bekam kein Wort von der Rede ihres Onkels mit. Sie spürte wie wieder Dunkelheit über sie kommen wollte. Eine erlösende Dunkelheit, die ihr helfen wollte, über alles hinwegzukommen. Jene Dunkelheit die einen Menschen dann ergriff, wenn die Ereignisse nicht mehr verarbeitet werden können. Mit zitternder Hand fasste sie an ihrem Nachbarn halt und gebrochen folgte sie, ohne zu wissen wieviel Zeit verstrichen war, wieder ihrer Tante.

    Minervina hatte es ebenfalls auf die Straßen gezogen. Sie wollte noch ein wenig in Rom bleiben und dann nach Möglichkeit irgendeine Art der Abgeschiedenheit suchen. Für gewöhnlich müsste sie mit ihrem Onkel nach Mantua zurückkehren, doch ein volles Castellum erschien ihr als überhaupt nicht erstrebenswert. Vor Allem nicht jetzt. Vor wenigen Tagen hatte sie ihre über alles geliebte Tante zu Grabe getragen, die letzte Vertraute ihres Vaters und auch die ihr am Nahesten stehende Verwandte. Sie hatte niemals viel gelacht, doch seit der Nachricht von diesem Todesfall brachte sie nicht einmal ein schmales Lächeln zustande. Sie hatte es sich zwar vorgenommen, doch sie musste sich nicht darum bemühen. Ihr Gegenüber konnte sich noch so sehr bemühen, sie hatte jede Freude verloren. Mit Claudia war der letzte Halt in diesem Leben gegangen und jetzt war sie eine leere Hülle, die für die Ehre der Familie weiterlebte.


    Sie war in dunkelblaue Gewandung gekleidet, sowohl Tunika als auch Palla. Es waren schwere und sehr teure Stoffe, die sie völlig verhüllten. Die Palla trug sie um das Haupt geschlungen und nur ihr Gesicht und ein wenig des Halses waren noch zu erkennen. Sie trug keinen Schmuck, dafür aber viel Kohlestift um ihre Augen herum. Es war allein durch ihr Auftreten leicht zu erkennen, dass sie reich und von Trauer zersetzt war. Machte sie sonst immer ein Geheimnis aus ihren Gefühlen und Gedanken, so sollte doch jeder bemerken wie sie nun dachte. Heute hatte sie nicht einmal vor Kriminellen Angst, die doch sonst meistens ihr Handeln bestimmten. Denn sie hatte schon lange nicht mehr das Haus ohne jede Begleitung verlassen. Heute schon. Ihr Gesicht war blass, daran hatte sie nichts ändern brauchen. Doch es war ausgeglichen blass und sie schien ihre Trauer ohne Tränen zu verleben.


    So also schlenderte die Tochter eines Patriziers und eine Plebejerin durch die Straßen. Genauso ungewöhnlich wie ihr Aussehen, ihre Herkunft und das alleinige Herumschlendern war, dass sie nicht einmal ein Ziel hatte. Sie musste einfach gehen, sei es, um ihren Schmerz durch Anstrengung zu verlieren. Alles was sie tat, wurde von ihr nicht lange bedacht. Sie aß, wenn man ihr etwas zu essen gab und schlief, wenn man sie zu Bett brachte. Sie begleitete jeden, wenn sie darum gebeten wurde und war zu allen Anlässen zugegen. Aber alles tat sie mit einer starken Unbeteiligung, die sie sich auch anmerken ließ. Nicht einmal die Tageszeit wüsste sie zu sagen, wenn man sie fragte. Nur, dass es wohl Tag war. Auch all die Menschen, die sie unhöflich anrempelten, nahm sie nicht wahr. Regte sie sich sonst sondersgleichen darüber auf und ließ sich zumeist in einer Sänfte tragen, ignorierte sie es nun völlig. Ihre Erscheinung war fast geisterhaft, so sehr schwebte sie durch die Menge.

    Erstmal sorry wegen meiner unentschuldigten Fehlzeit, aber mir gings nicht so ganz gut und jetzt bin ich nochma ne Woche weg. Prüfungsvorbereitungsfahrt -.-* (Keine Lust, aber ich quäl mich durch ^^)

    Zitat

    Original von Titus Helvetius Geminus
    Dachte sie? Öhm, ich hab nicht einmal im Hintergrund sie fragen gehört "Wer ist denn Tanja", Du? ;)


    Doch, hat sie! :D Ich bin mir ziemlich sicher dass ich das gerade heraushörte ^^


    Edit: Verdammt. Das nächste Mal den Thread zuende lesen :D Verdammt ^^ Genau in die gleiche Falle getappt und dann auch noch nachgeplappert.

    Sie umschloss Albinas Hand leicht mit ihren Fingern, um anzudeuten, dass sie ihren Beistand mitbekam und ihr, möglicherweise, sogar auch dankbar dafür war. Mühsam kämpfte sie die Tränen wieder hinunter. Sie wollte nicht weinen, vor Allem nicht hier und nicht jetzt. Vor Albina würde sie vielleicht einmal über alles Sprechen, was ihr nun durch den Kopf ging und möglicherweise auch einmal vor Lana - aber nicht vor beiden und nicht in Anwesenheit von Cato. Es wäre eine solche Katastrophe wenn irgendjemand ihren hysterischen Anfall noch mitbekommen würde, außer den hier Anwesenden. Sie ließ gravitas und dignitas vollkommen außer Acht. Sie schluckte den schweren Kloß in ihrer Kehle wieder hinab. Sie deutete mit einem leichten Rucken ihrer 'Albina-Hand' in Richtung Cato an, dass er verschwinden möge - auch wenn ihre Andeutung alles andere als eine klare Weisung war.


    Sie sah mit einem Seitenblick zu ihrer Leibsklavin, die ihr sowohl ans Herz gewachsen war, als auch zu Leibe gerückt. Sie hatte nur zur Hälfte verstanden, was diese sagte. Die Sätze waren zu lang und drangen ihr nicht völlig ins Bewusstsein. Aber der Bitte kam sie nicht nach. Mit der anderen Hand, in welcher die Kugeln lagen, fuhr sie sich zwar an den Mund, ohne dabei aber die Kugeln in diesen zu nehmen. Sie öffnete die Faust einen kleinen Spalt um anzutäuschen, dass sie Lanas Bitte nachkam, ließ diese dann aber samt Inhalt wieder sinken. Wer wusste schon, was diese Kräuter bewirkten. Sie wollte jetzt nicht von ihren Gedanken wegbewegt würden. Vermutlich sollte das Kraut sie beruhigen und in den Schlaf geleiten. Sie schloss ihre Augen wieder. Sie glaubte langsam zu wissen, was heute in ihr gestorben war. Die Kindheit.

    Selbstverständlich bemerkte Minervina auch von Lanas Eintreten nichts. Wie könnte sie bei deren geschmeidigen Bewegungen etwas mitbekommen, wenn sie ohnmächtig war und sie schon bei Bewusstsein Schwierigkeiten hatte? Erst als das kalte Tuch ihre Stirn kühlte und leichte Rinnsäle an den Schläfen Minervinas herabliefen, wurde ihr bewusst, dass sie schlief. Es war dieser Zustand, in welchem man zwar nicht wach ist, aber weiß, dass man jederzeit aufwachen kann. Vermutlich kannte jeder diesen aus eigener Erfahrung. Ihre Hand, noch immer von Albina gehalten, zuckte einmal kurz zusammen, während sich auch die Augen einen Spalt öffneten, was ein Verrutschen der Blätter mit sich zog. Sie sah die Wand über sich im Licht der flackernden Öllampen und stellte sich als erstes die Frage, wie sie wohl hierhergekommen war.


    Kurz blickte sie mit nur halbgeöffneten Augen neben sich, wo sie Lana knien, Albina sitzen und etwas weiter entfernt Cato stehen sah. Ihr Kopf schmerzte und sie fasste keinen einzigen normalen Gedanken. Die irgendwo auf ihren Brauen klebenden Blätter ignorierte sie, ja, nahm sie nicht einmal war. Ihre Sinne waren ganz woanders. Sie war bewusstlos geworden. Anders konnte sie sich gar nicht erklären, dass alle um sie herum standen und sie hier erwachte. Mit einem leisen Stöhnen schloss sie ihre Augen wieder, als ihr auch der Grund dafür einfiel. "Claudia." wisperte sie nur leise. Die Nachricht von ihrem plötzlichen Tod hatte sie so getroffen, genau. Alles trat ihr wieder so klar wie nie vor die Augen. Sie konnte es nicht verhindern, obwohl sie es noch so sehr wollte. Eine Träne stahl sich aus jedem ihrer Augen und bahnte sich entlang der Schläfen ihren Weg. Warm lief das salzige Wasser in ihr Haar und nach und nach flossen immer weitere Tränen. Sie wollte nicht, dass die Sklaven diese Schwäche sahen, selbst bei Albina war es ihr noch unangenehm. Ein Schluchzen rang sich aus ihrer Kehle und es war nur zu deutlich zu sehen, dass sie nach Beherrschung rang. Verkrampft biss sie sich auf die Lippe, der Schmerz wurde sogleich spürbar. Gerade vor Cato verlor sie ihr Gesicht. Aber andererseits? Was zählte das überhaupt? Nun hatte sie auch noch die engste Vertraute ihres Vaters verloren.

    Hatte sie das Zimmer noch kurz zuvor auf beiden Beinen stehend verlassen, so wurde sie nun liegenderweise wieder zurückgebracht. Sie hätte nie erwartet, dass sie sich einmal von einem Sklaven würde tragen lassen, aber in ihrem jetzigen Zustand würde sie es ohnehin nicht erfahren. Als sie wieder auf ihrem Bett lag, machte sie noch immer keine Anstalten, wieder aufzuwachen. Über Albina indes, die sie ja begleitete, wäre sie sehr froh, wüsste sie davon. Sie hatte bislang kaum mit ihr Bekanntschaft gemacht, doch die wenigen Stunden hatten sie schon deutlich sympathisch gemacht.


    So lag die junge Herrin nun da. Schwach. Sie hasste schwache Menschen und nun lag sie selbst vollkommen hilflos da, niedergeworfen von dem Schock, dass sie ihre Tante verloren haben sollte. Ihr Gesicht, was ohnehin sehr hell war, wirkte nun deutlich blass. Besonders der starke Kontrast zu ihren dunkelbraunen Haaren hob das deutlich hervor.

    Minervina ahnte nicht im Geringsten, welches Drama um ihre Bewusstlosigkeit gemacht wurde. Wie denn auch? Mittlerweile auf dem Boden liegend und statt ihrer verstorbenen Tante selbst zum Mittelpunkt des Geschehens geworden bekam sie nicht viel mit. Die Dunkelheit im Raum machte die Ohnmacht wenigstens optisch weniger dramatisch, denn sie sah beinahe aus als ob sie einfach nur eingeschlafen wäre. Fast entspannt lag sie da, ihren Kopf seitlich geneigt, ein Arm auf dem Bauch, den anderen angewinkelt neben ihrem Kopf. Und doch wirkte es unheimlich, betrachtete man den Anlass dieser Zusammenkunft. Ihr Gesicht wirkte beinahe so blass, als habe sie sich entschlossen, ihrer liebsten Anverwandten ebenfalls zu folgen.


    Als Antoninus seine Stimme erhob, hörte sie dies sogar in den fernen Gefilden, in denen sie sich gerade befand. Aber nur ein weit entferntes Schreien, keines das sie wirklich erreichte. Obwohl der Streit zu ihrem Wohl entbrannt war. Wäre sie bei Sinnen, wäre nicht sie ohnmächtig, so würde sie nur den Kopf über die sinnlose Hysterie der Männer schütteln. Darüber, dass aus einer solchen Sache ein Streit entbrannte. Und wenn sie nun wach würde, würde sie diesen Streit vermutlich auch nicht wollen. Aber sie war nicht wach, sondern befand sich im Land der Träume, wenngleich sie traumlos war. Einfach nur Dunkelheit war da. Und der Geruch nach verbrannten Insekten, dem Öl und weit entferntes Stimmengewirr.

    Die Begeisterung der junge Zuschauerin lässt bei der Werbungslänge doch wieder zu wünschen übrig. Ist ja immer wieder interessant, was man über die liebe Prominenz Roms erfahren kann, aber dann soll dieser unverschämte Sender nicht eine zu lange Werbung einblenden. Insgeheim ist es eher so, dass sie völlig begierig ist, die Fortsetzung zu sehen, aber das würde sie vermutlich nicht einmal sich selbst eingestehen :D


    :D :dafuer:

    Minervina war der ungenierten Aufforderung sich zu setzen sofort nachgekommen. Sie hatte nicht einmal den Versuch unternommen, zu wiedersprechen. Etwas in ihr ward misstrauisch. Etwas mehr Freundlichkeit brachte Vitamalacus für gewöhnlich schon auf. Auch die Zurechtweisung von dem neuen Tiberius vorher, nahm sie etwas angekratzt zur Kenntnis. Die gesamte Ungeduldigkeit des Onkels erweckte scheinbar zu Recht ihr Misstrauen.
    Als dann endlich Albina eintrat, erhellte sich Vitamalacus Gesicht. Sie sah noch einmal zu Albina. Hatte sie etwas Besonderes getan? Hatte er für sie einen Mann gefunden und wollte dies nun verkünden? Etwas verwirrt nahm sie dann allerdings wahr, dass er auch sie zum Sitzen aufforderte. Wie meistens, wenn sie etwas aufgeregt war, hatte sie ihre Finger in den Stoff gegraben. Dann setzte Vitamalacus zum Reden an - endlich, dachte sie noch in diesem Moment.


    Die Worte waren so kurz und knapp. Sie drückten in dieser Knappheit allerdings alles aus, was es für ihn vermutlich zu sagen gab. Ihre Züge waren völlig entglitten, sie fühlte sich wie betäubt. Hatte sie es richtig gehört? Meinte er vielleicht jemand Anderes? Selbst ihre Hände hatten den Stoff wieder freigegeben. Fassungslos sah sie in die Richtung von Vitamalacus, ohne ihn dabei zu sehen. Der Blick endete irgendwo zwischen ihnen. Sie öffnete die Lippen, um etwas zu sagen, doch sie brachte kein Wort heraus. Die Kälte die bei Vitamalacus Worten mitschwang, beschäftigten sie nicht einmal, wie es vermutlich unter jedem anderen Umstand der Fall gewesen war. Claudia. Tiberia Claudia. Es gab nur eine, die sie kannte. Aber... Sie konnte es doch nicht sein? Das Landgut... Ihr Lächeln. Niemals hatte Minervina so zu jemanden aufgesehen, der lebte. Dann klärte sich ihr Blick wieder leicht und sie sah in Vitamalacus hartes Gesicht. Wieder versuchte sie den Mund zu öffnen, doch sie brachte nur ihren warmen Atem heraus.


    'Auch sie ist fort. Sie hat mich allein gelassen. Wie konnte das passieren?" waren die einzigen Gedanken, die ihr fortwährend durch den Kopf wirbelten, während ihr Blick wieder vor ihren Augen verschwamm. Es kam ihr vor, als säßen sie schon ewig her. Sie war sich sicher, dass man nun eine Stellungnahme von ihr verlangte, aber sie brachte keinen Ton über die blass gewordenen Lippen. Auch ihr Gesicht hatte jede Farbe verloren. Sie spürte langsam die drohende Ohnmacht, auch wenn sie nicht wusste, wie sie diese einsortieren sollte. Sie war noch nie ohnmächtig geworden. Aber darüber nachzudenken, brachte sie nicht fertig. Sie schaffte es nicht einmal, dagegen anzukämpfen. Sie sah stumpf auf ihre Hand, welche wie leblos auf dem Schoß lag. Claudia würde ihr nie wieder beistehen. Sie würde sie nie wieder etwas lehren. Es waren zuviele Gedanken, zuviele Gefühle. Sie wollte weinen, sie konnte nicht. Und so brach ihr Körpr letztlich unter der seelischen Belastung zusammen.
    Ihr Kopf sackte zur Seite und sie leblos in den Stuhl zurück, ohne jedoch von ihm zu fallen. Jedermanns Tod hätte sie vermutlich geweint, doch bei Claudia war nicht einmal mehr das möglich. Es war einfach zuviel. Sie fiel in eine tiefe Ohnmacht.

    Minervina, von ihren Gedanken aufgeschreckt, folgt dem Sklaven zum Tablinum ihres Onkels. Er hatte nach ihr rufen lassen und beinahe mit schlechtem Gewissen war sie dem Ruf sofort gefolgt. Sie betritt ohne Ankündigung den Raum von Vitamalacus und sieht sich um. Scheinbar war sie die einzige - ob er tatsächlich etwas mitbekommen hatte? Sie trat ein paar Schritte vor und blieb etwa zwei Schritte vor seinem Schreibtisch stehen. Ihre Hände hatte sie vor dem Bauch ineinander gelegt. Erwartungsvoll sagte sie: "Salve, Onkel. Du hast nach mir rufen lassen?" Man sah an ihrem flackernden Blick, dass etwas nicht stimmte. Sie rümpfte kurz die Nase. Roch es hier nicht verbrannt? Vermutlich bildete sie sich etwas ein. Oder ihr Onkel hatte irgendein Schriftstück verbrannt. War schließlich nichts besonderes. Sie würde es nachher auch tun müssen. Sie versuchte zu lächeln, doch dabei versagte sie kläglichst.

    Der Brief fand keinen einzigen weiteren Buchstaben mehr. Minervina hing mit ihrem Blick einfach irgendwo im nirgendwo und versuchte sich, wie so oft in der letzten Zeit, das Lächeln von Marcus ins Gedächtnis zu rufen. Auch er war damals noch jung gewesen, wohl etwa in jenem Alter, welches sie nun hatte. Wie er jetzt wohl aussah? Ob er sich stark verändert hatte? Sie wusste nicht, warum, doch ihr Herz pochte etwas stärker. Eigentlich war es ein Phantom, welches ihr Herz höher schlagen ließ. Zwei lächerliche Tage waren es gewesen, in denen sie Marcus begegnet war. Und diese zwei Tage lagen nun schon Jahre zurück. Jahre in denen sie am Tod ihres Vaters zu nagen hatte, Jahre in denen sie nach Italia zog, in Achaia studierte. Und doch hatten sich in dieser Zeit Gefühle entwickelt. Sie hatte oft an ihn denken müssen, allein schon deshalb, weil sie Angst hatte. Angst vor dem, was sie gemeinsam erlebten. Als sie einen Mord beobachteten und sie sich deshalb wieder trennten, weshalb er nach Germanien ging. Und im Laufe dieser Zeit hatte sie begonnen zu fühlen.


    Da riss sie ein Türklopfen aus ihren Gedanken und sie schreckte zusammen und sah aus. Ein Sklave teilte ihr mit, dass Vitamalacus sie zu sehen wünschte. 'Seltsam', überlegte Minervina. 'Gerade jetzt, wo ich an Marcus denke. Es ist beinahe so, als ob er mich dabei ertappt hätte.' Und ertappt fühlte sie sich auch, als sie aufstand, um dem Sklaven zu folgen. >Tablinum<

    Mittlerweile hatte sich Minervina in Mantua eingelebt. Sie war sogar manchmal aus dem Castellum heraus gekommen, auch wenn sie ihr Vorhaben, außerhalb der Mauern einmal die Laute zu spielen, noch nicht in die Wirklichkeit umgesetzt hatte. Sie saß an ihrem Schreibtisch, welcher direkt unter dem Fenster stand. Vor ihr lag ein Pergament, auf welchem schon ein paar Worte geschrieben standen.


    Hallo, Marcus...
    ich musste dir einfach schreiben. Ich sollte das nicht, aber ich musste in der letzten Zeit viel an dich denken...


    Zweifelnd betrachtete Minervina diese Worte. Sie sollte nicht so gefühlvoll schreiben, nicht so voller Sehnsucht. Aber wie sollte sie es anders formulieren? Wem konnte sie überhaupt ihre eigentlichen Gedanken anvertrauen, wenn nicht ihm? Er war es doch, der sie immer wieder zum Nachdenken veranlasste. Doch was, wenn der Brief nicht ankam?


    Seufzend stützte sie ihren Kopf auf ihre beiden Hände und sah trübsinnig aus dem Fenster. Sie würde gerne mit ihm sprechen, aber ohne Brief und Geld würde es auch kein Gespräch geben. Sollte sie nach Germanien reisen? Ein spöttisches Lächeln. Was für ein wahnwitziger Gedanke. Als wenn Vitamalacus sie auch nur im Geringsten nach Germanien gehen lassen würde. Sie seufzte leis. "Oh Marcus... Was waren deine Abschiedsworte? Man sieht sich immer zweimal..."

    Minervina lächelte Albina nur leicht an. Sie wusste nicht einmal selbst, ob ihr Lächeln ehrlich oder gekünstelt war. Sie war heute ohnehin mehr eine Maske ihrer selbst, denn ein eigener Mensch. Ein Schatten ihrer trüben Gedanke. Aber wenigstens war ihr Lächeln verstehend. Sie würde nicht weiter nachboren, denn sie hätte es auch nicht gewollt. Und sie wollte es auch gar nicht. Sie konnte Albina nicht ausreichend einschätzen, um ihren Willen zu erkennen, deshalb schloss sie vorerst von sich auf sie.


    "Wollen wir vielleicht rein?" fragte sie nach kurzer Zeit des Schweigens. "Wir könnten ins Bad gehen und uns lieber etwas im warmen Wasser unterhalten. Mir.. Es wird doch schon recht frisch." erklärte sie mit einem leichten Lächeln. Eine zeitlang blieben sie noch im Peristyl, ehe sie ins Bad gingen, wo sich langsam das Schweigen löste und sie sich ein wenig unterhielten.


    Sim-Off:

    Ich hoffe du verstehst den raschen Abbruch, aber die Zeitebenen überschneiden sich einfach zu krass. Entschuldige bitte.

    Sim-Off:

    Auch hier: Verzeih den raschen Abbruch, aber die Zeitebenen verschieben sich momentan zum Weiterspielen zu extrem.


    Und sie fasste seine Frage auch als rein rhetorisch auf. Ihr Schweigen war ebenso rhetorisch. Als könnte er auf eine solche Frage überhaupt irgendeine Antwort erwarten. Sie würde kaum jemandem einfach so sagen, dass sie ihn gerne oder lieber als den und den mochte. Sie schloss rasch zu ihm auf, aber seine zornigen Züge entgingen ihm doch. Neben ihm herschlendernd setzte sie zu einer Antwort an. "Hm, ja. Opfer. Ich habe zur Minerva Medicae für deine Genesung gebetet." Zwar fiel die Antwort auf seine Frage recht knapp aus, aber er hatte auch keine unnötige Höflichkeit verlauten lassen. Gerade wollte sie sich etwas einfallen lassen, da hörte sie hinter sich laut ihren Namen gerufen.


    Es war ein Sklave der Villa Tiberia, der ihr anscheinend bis hierher gefolgt war. Er reichte ihr ein Wachstäfelchen und sie las die gravierte Schrift. Ihr Blick verfinsterte sich etwas und sie vergewisserte sich, dass Marcellus nichts von dieser peinlichen Botschaft sah. Sie beinhaltete nämlich, dass Vitamalacus sicher nicht begeistert davon wäre, dass sie alleine mit einem Mann durch die Stadt ginge und sie sich schnell aufmachen sollte, wieder daheim zu sein. Sonst würde diese Nachricht nämlich den Onkel ereilen. Sie wandte sich mit ihrem Kunstlächeln wieder dem Miles zu. "Hat mich sehr gefreut. Ich muss nun leider wirklich gehen. Ich würd mich freuen, wenn wir uns mal wieder sehen! Wann, das bestimmen die Götter." Sie zwinkerte ihm knapp zu und huschte dann beflügelten Schrittes nach Hause. Ihre Miene hatte wieder düstere Züge angenommen, nachdem sie sich von ihm abgewandt hatte.

    Nachdem sie die Begrüßung über sich ergehen lassen hatte und endlich ihr richtiges Zimmer beziehen konnte, atmete sie erleichtert auf. Für den restlichen Tag würde sie ihre Ruhe haben. Sie schritt durch die Tür und blickte sich um. Der Aufbau des Doppelzimmers war genauso wie das andere, doch die Einrichtung entschieden weniger karg und verbesserungswürdig. Hier würde es sich leben lassen. Auch wenn sie gewiss nicht für immer in Mantua bleiben würde. Es zog sie schon jetzt wieder gen Süden, aber zumindest eine kleine Zeit würde sie verweilen müssen. Sie griff wieder nach ihrer Laute und setzte sich aufs Bett. Ob sie wieder versuchen sollte, mit Marcus Kontakt aufzunehmen? Sie hatte vor knapp eineinhalb Jahren das letzte Mal von ihm Nachricht erhalten. Es interessierte sie, ob es ihm gut ging. Doch konnte sie ihn noch unter seiner alten Adresse erreichen?


    Zart ließ sie ihre Finger über die Saiten der Laute gleiten. Die Töne die nun im Raum standen, ließen sie andächtig ihre Augen schließen. Sie sollte wieder öfter spielen und hier bot es sich sogar an. Sie würde es wie Marcus machen. Hinaus ins Grüne und dort ein wenig spielen. Nur dass sie wohl kaum durch die Lande zöge. Dafür war ihr das bequeme Leben doch zu teuer und der Zorn von Vitamalacus zu gewiss.


    Bis zu jenem Tag, da wir uns wiedersehen,
    jenem schönen, lang ersehnten Tag,
    wird eine lange Zeit vergehen.
    Doch nach dieser Zeit, so sag,
    wirst du noch derselbe sein?
    So lebensfroh, charmant und geschwind,
    eben so, wie ich dich kenne und mag,
    durch die Lande ziehend wie der Wind.


    Ihre weiche Stimme, die eine seltene Sanftheit verkündete, erfüllte den Raum mit Wärme. Die leisen Klänge der Laute begleiteten das selbstgeschriebene Lied. Würde sie ihren wohl einzigen Freund wieder sehen, würde sie dann den Mut aufbringen ihm dies vorzusingen? Sie hatten zwei Tage gehabt, hatten zusammen gelacht und geweint. Ein Abenteuer durchlebt und gemeinsam gesungen. In diesen Stunden hatten sie sovieles durchlebt und gefühlt wie es andere in ein paar Monaten tun mochten. Ein Grund, weshalb sie ihn als Freund ansah. Sie sah zur Decke hinauf und stimmte eine andere Melodie an.


    Nach dieser langen Zeit, da fang ich an zu fragen,
    ob du dich gesehnt hast, ob du mich vermisst.
    Oder ob ich aus deinem Gedächtnis verschwand in all den Tagen,
    obwohl ich täglich betete, dass du mich nicht vergisst.
    Doch sei dir gewiss, ich trage dich wie stets bei mir,
    in meinem sehnsuchtsvollen Herzen, auf einem Stück Papier.
    Du wirst immer etwas Besonderes sein, immer ein Freund.


    Letzteren Satz flüsterte sie eher, denn dass sie ihn aussprach. Sie legte ihre Laute zur Seite und stand auf. Sie spürte wie ihre Worte in die Tat umschweiften und sie schwächten. Das durfte sie nicht riskieren. Vielleicht stellte sie ihn besser hin, als er eigentlich war. Aber sie wusste, sie täuschte sich nicht in ihm. Lanas Vermutung schoss ihr wieder durch den Kopf. Dass Marcus jemand anderes sei, als nur ein Freund. Aber sie selbst war nur 12 gewesen und es wäre töricht zu behaupten, sie würde ihn lieben. Vielleichht den Marcus, den sie in ihren Fantasien ausgemalt hatte, doch die Realität sah anders aus. Oder?

    Sim-Off:

    Ich kürz mal eben ab, weil ich sonst schlichtweg überfordert bin, ja? :)


    Während sie sinnierend von einer Ecke zur anderen ging und sich dabei ausmalte, wie sie die Räume gestalten würde, hörte sie überrascht ein Klopfen an der Tür. Ihre schlimmste schlechte Laune war mittlerweile verschwunden, aber sie hatte noch immer keine Lust auf großes Hin- und Her. Als sie die Tür öffnete und Cato ihr eröffnete, dass sie ihr falsches Zimmer bezogen hatte, musste sie leise lachen. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Ihr Lachen war allerdings keineswegs ironisch oder geladen. Sie war wirklich amüsiert über ihre Verblüffung bezüglich des kahlen Zimmers, was nicht einmal für sie gedacht war. "Danke, Cato." hatte sie geantwortet. "Ich werd mich dann gleich zu meinem Onkel begeben." verkündete sie und verließ dann das Zimmer. Nach der Begrüßung würde sie ja wohl hoffentlich ihr richtiges Zimmer beziehen.

    Bei der Begrüßung hatte Minervina nur leicht die Miene verzogen. Nein, die Reise war freilich nicht beschwerlich gewesen, die Ankunft hatte sie beinahe ihren letzten Nerv gekostet. Erst hatte sie sich schon im falschen Zimmer versucht einzurichten und vorher noch dieser freche Soldat. Die steile Falte auf ihrer Stirn, derer sie selbst gar nicht so bewusst war, zeigte deutlich ihr schlechtes Befinden an. Aber sie biss die Zähne zusammen und sagte nichts. Auch der Katze war Minervina nicht gewahr geworden, ehe dieser komische Mann sie begrüßte. Mit einem sanften Lächeln blickte sie zu Taranis, nebst Albina wohl der einzige Lichtblick in diesem Castellum. Dieses Lächeln glättete auch sogleich ihre angespannte Stirn, als sie Taranis auf sie und Albina, neben welcher sie stand, zukommen sah. Sie ging ein kleines Stück in die Hocke um dem Luchsjungen kurz über den Rücken zu streichen und erhob sich dann wieder.


    Ihr war durchaus aufgefallen, dass sie nicht mit gebührendem Respekt behandelt wurde. Natürlich fiel ihr das auf. Mit kühlem Blick beobachtete sie den Neuankömmling und nickte bei seiner Vorstellung. Sie kannte keinen Iuvenalis, aber das machte nichts. "Freut mich." erklärte sie steif. Sie klang gewollt nicht sonderlich freundlich. Auch war sie sehr froh darüber, dass ihr nomen gentile nicht genannt wurde, denn die lange dazugehörige Geschichte hatte sie mittlerweile satt.

    Minervina empfang unendliche Dankbarkeit, als sie endlich ihr Zimmer betrat. Es war karg eingerichtet. Und sogar für ihren sehr bescheidenen Geschmack zu karg. Sie rieb ihre Hände aneinander und sah sich einmal rund um. Besonders groß war es auch nicht. Aber was hatte sie eigentlich von einem Militärlager erwartet? Also den Karrierewechsel oder das Lebensende ihres Onkels würde sie nicht hier erwarten. Mit raschen Schritten näherte sie sich dem Bett und ließ sich darauf plumpsen. Sie verzog ihr Gesicht. Es war hart. Mit einem Seufzen erhob sie sich wieder. Wenigstens war ein hartes Nachtlager gut für einen gesunden Rücken. Woher sie diesen grenzenlosen Optimismus nahm, wusste sie selbst auch nicht recht.


    Ihre nächsten Schritte führten zum Fenster. Es bot sich wirklich keine schöne Aussicht. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, dieser Reise zuzustimmen? Es würde vermutlich so werden, wie Helvetius Marcellus es ihr prophezeiht hatte: Irrsinnig langweilig. Und zugleich wohl anstrengend, weil sie all die potentiellen Ehegatten vergraulen musste. Missmutig verzog sie das Gesicht und näherte sich wieder dem Bett, wo sie ihre Laute aufnahm. Was Lana hier wohl noch für Aufgaben erwarten würden? Zurechtmachen musste sie niemanden mehr. Im Lager aufhalten ziemte sich für Frauen nicht und was bot sich sonst an. Ihre Finger glitten einmal kurz über die Saiten.


    Gedanklich richtete sie sich schon etwas gemütlicher ein. Sollte sie ihr Bett wirklich im Fensterzimmer haben? Es wirkte so offen... Andererseits würde sie anders niemanden empfangen können, denn in ein Zimmer wo ihr Bett stand lud sie niemanden einfach so ein. Doch stellt sich dann wieder die Frage: Wen sollte sie hierher schon einladen? Das Vorzimmer war noch völlig leer. Vermutlich würde sie dort zwei Korbsessel und eine Kline platzieren. Und einen Tisch. Na, man würde sehen. Gedanklich begann sie schon, einen Plan zu zeichnen.