Beiträge von Vibius Valerius Victor

    Zitat

    Original von Titus Tiberius Flaccus
    Flaccus grüßte den Septemvir, den er manchmal schon in der Regia getroffen hatte.
    Valerius Victor! Ja, ich war auf dem Weg zu dir, da du mir als Mentor zugeteilt wurdest, was sich mit der Prüfung nun erledigt hat. Wir haben uns seitdem nicht mehr gesehen und ich möchte dir zu deiner Ernennung zum Sptemvir durch den Kaiser meine Glückwünsche ausrichten. Es ist richtig, Sacerdos Claudius sagte mir vor seiner Abreise, dass die Prüfung bereits bevorstünde. Es ist überraschend, aber ich will die Prüfung gern ablegen, denn in den vergangenen Wochen hatte ich die Zeit stets genutzt, um mich weiter auf meine Aufgaben vorzubereiten.
    Er folgte Victor, um die Aufgaben nun anzugehen.


    Victor dankt Flaccus für die Glückwunsche und sie biegen in einen Korridor ein, um die Prüfungsfragen zu holen.

    Vom Officium der Anmeldung aus schlägt Victor in Begleitung von Flaccus den Weg in das Officium eines Scriba ein, um dort die Prüfungsfragen für Flaccus abzuholen. Mit diesen im Gepäck suchen sie einen freien Raum und werden auch ziemlich schnell fündig.


    "Ich hoffe, der Sacerdos hat dich gut vorbereitet." In Erinnerung an seine eigene Prüfung fügt Vic grinsend hinzu: "Oder du dich selbst." Er legt die Wachstafel mit den Fragen auf den Tisch und zwei weitere für Flaccus Antworten dazu. "Mögen die Götter deinem Wissen freien Lauf lassen." Victor holt sich aus dem Regal eine Schriftrolle, deren Titel sich einigermaßen interessant anhört und setzt sich damit auf einen Stuhl.

    Ein erleichtertes Grinsen zieht sich über Vics Gesicht. "Ich habe die mir angeborene Würde, die ich immer mit mir herumtrage, da fällt so eine Beule gar nicht auf." Im Inneren hatte er befürchtet, dass ihr Bruder Constantius etwas mit ihrer Beule zu tun hat, denn immerhin konnten sie sich nicht sicher sein, dass er von seiner Zuschauerposition im Circus Maximus tatsächlich nichts gesehen hatte. Vic würde ihn zwar nicht so einschätzen, dass er seine Schwester schlägt, doch er weiß selbst, was in einer hitzigen Diskussion alles geschehen kann und Helenas Dickschädel macht es sicher nicht einfach, mit ihr zu diskutieren. Seine Miene wandelt sich zu einem abwesenden Ausdruck und sein Blick bleibt an Helenas blauen Augen hängen, zwei kleine Ozeane, unendlich tief und geheimnisvoll. Seine Finger gleiten sanft von ihrer Stirn über die Schläfe und über ihre Wange, bevor sie die Berührung aufgeben. Die andere Hand noch immer unter ihrem Kinn, beugt sich Vics Gesicht langsam zu ihr herunter.


    Wäre sie eine andere, in einer anderen Zeit, würde ihn nichts mehr aufhalten. Doch sie ist, wer sie ist, und der Tag ist genau der heutige. Victor hält in der Bewegung inne und auf seinem Gesicht spiegelt sich die Qual, die in seinem Inneren tobt. Er wendet sich ab und schüttelt langsam den Kopf. "Nein, es wäre keine gute Idee, die Ausbildung selbst zu übernehmen." murmelt er vor sich hin und bleibt einen Augenblick mit dem Rücken zu ihr stehen. Diese Frau bringt ihn um den Verstand und wenn er sich jetzt, hier in seinem Officium schon so vergisst, was sollte das erst später werden? Vic zwingt sich dazu, den Schreibtisch zu umrunden, weg von ihr, und sich hinzusetzen. Mit seinem Hinterteil auf dem Stuhl bleibt ihm keine andere Wahl, als sich zu beherrschen. Er trommelt mit den Fingern auf dem Tisch herum. "Wo waren wir?" Sein Blick gleitet zu seinem Weinbecher, dann zurück zu Helena. "Die Ausbildung, ja... ich werde schon jemanden finden, der dich ausbildet... wenn du das möchtest."

    Etwas erstaunt hört Victor die Stimme Helenas und dreht sich zu ihr um. Er verkneift sich ein Grinsen und antwortet stattdessen wieder nach vorne gewandt dem Redner. "Sollten die Götter den Handlungen des Senators zürnen, so wird auch er nicht mehr lange dort stehen, wo er heute steht oder zuvor stand. Aber darüber können wir nur spekulieren, ich zumindest habe ihn schon recht lange nicht mehr gesehen. Vom Volkstribun jedoch zu fordern, den Kaiser aufzusuchen scheint mir widersinnig, denn es war der Volkstribun, der den Senator vor Gericht verteidigt hat. Zumdem hat der Kaiser Senator Avarus wegen seiner Äußerungen mit der Nota Censoria belegt, er hat also bereits darauf reagiert."

    Von seinem neuen Arbeitsplatz in der Regia des Cultus Deorum aus hat es Vic noch näher zur Rostra, als vom Tempel des Mars Ultor. Die Nachricht, dass über eine Gerichtsentscheidung debattiert wird, hätte ihn kaum hierher geführt, doch anscheinend geht es nun auch noch um die Götter. Da dies ein heikles Thema ist, welches jedoch nicht unbedingt für die Rostra geeignet ist, ist Victor also doch noch gekommen, um zu hören, was die Redner zu sagen haben. Als er ankommt geht es zwar schon wieder nur noch ums Volk, doch nachdem er schon einmal da ist, bleibt er vorerst.

    Mit einem Ruck schiebt Victor den Stuhl zurück und steht auf. Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, hält er es nicht lange auf einem Stuhl sitzend aus. Er geht zu dem Regal mit der Marsstatuette und betrachtet das Abbild des Gottes nachdenklich. "Die Sacerdotes, welche Schüler unterrichten sind in Rom mal wieder sehr ausgedünnt. Nicht alle Sacerdotes bilden aus. Viele haben mehr als genug mit ihren eigentlichen Aufgaben zu tun." Er dreht sich um und lehnt sich an das Regal. "Am liebsten wäre mir die Sacerdos Didia Fausta, aber sie befindet sich auf einer Expedition zur Venusinsel. Decima Alessa wüsste ich noch, aber dafür müsstest du nach Hispania reisen." Nach einem freudlosen Lachen schüttelt er den Kopf. "Ansonsten sind ein Haufen Sacerdotes in Germania. Wenn du also Rom nicht verlassen willst, dann wird es mit einer Ausbildung bei den Sacerdotes Veneris recht schlecht aussehen." Die Flaminca Minervae kommt Vic in den Sinn, doch diese ist in Hispania und keiner weiß, wann sie wieder zurück kommt. "Vielleicht würd ich es selbst übernehmen." Wahrscheinlich keine gute Idee, aber eine bessere fällt ihm dann auch nicht ein.


    Er betrachtet Helena aufmerksam und überlegt sich, wie es wohl wäre, wenn er sie jeden Tag sehen würde, ganz ohne Hintergedanken. Dabei fällt ihm der Fleck auf ihrer Stirn auf. Er zieht die Augenbrauen zusammen und tritt zu ihr hin. Ohne groß darüber nachzudenken, legt er die Hand unter ihr Kinn und hebt ihren Kopf an, so dass sie ihn ansehen muss. Mit der anderen berührt er vorsichtig ihre Stirn. Es sieht aus, als hätte ihr jemand seine Rückhand über die Stirn gezogen. "Wer war das?"

    Weit kommt er jedoch nicht, denn Victor läuft ihm auf dem Weg über den Weg. "Salve, Tiberius! Kommst du wegen der Prüfung? Warte einen Augenblick." Victor klopft bei Mercurinus an, öffnet die Tür und steckt seinen Kopf in das Officium. "Salve, Mercurinus! Ich brauch eine Kopie der Liste der ausbildenden Sacerdotes in Rom, leg sie mir ins Büro, wenn du sie hast."


    Nachdem das getan ist, wendet sich Vic wieder Flaccus zu. "So, du hast Glück, ich hab gerade eh nichts zu tun." Victor grinst ihm aufmunternd zu. Natürlich hat er etwas zu tun, aber er weiß selbst, wie schrecklich die lange Warterei vor einer Prüfung ist, daher schiebt er den Rest der Arbeit gerne nach hinten, vor allem, da es sowieso nur leidlicher Schriftkram ist. "Wenn du bereit bist, können wir also direkt die Prüfungsfragen abholen und einen freien Raum suchen. Der Sacerdos Claudius hatte soweit ich weiß alles schon vorbereitet."

    "Das Training soll nach den Spielen der jetzigen Aedile laufen, bei denen übrigens keine Wagenrennen stattfinden werden. Aber Senator Purgitus hat währenddessen erstmal genug zu tun und will sich hinterher dann wieder voll auf die Factioarbeit konzentrieren." Vic schaut durch den großen Raum und nickt nachdenklich. Bis auf seltene, langweilige Versammlungen wird der Raum fast nicht genutzt. "Wäre vielleicht mal eine Gelegenheit, die Mitglieder in Rom für ein soziales Ereignis an einen Tisch zu bekommen. Vor allem unsre Funktionnäre sieht man viel zu selten hier, aber mit der Aussicht auf den guten Falerner kommen sicher alle, hrhr."


    Die Frage nach den Ludi Apollinaris ist eine ziemlich gute Frage mit der sich Victor jedoch noch nicht auseinander gesetzt hat. "Wenn die nächsten Aedile die Ludi nicht übernehmen, dann werden die Kosten wohl von privaten Spendern oder schlimmstenfalls von den Collegien und damit vom Staat übernommen. Ausfallen werden sie schon nicht." In jedem Fall sieht sich Vic schon beim lectisternium, welches traditionell von den Septemviri übernommen wird. Bei den Pferdespielen würde er wohl im Namen der Veneta zugange sein, und das einzige, was er sich schenken würde, wären die ludi scaenici.

    Es ist doch immer das gleiche mit den Weibern. Erst bringen sie einen fast um den Verstand, fahren volle Geschütze auf um ihren Willen durchzusetzen, fahren noch mehr Geschütze auf, bis man endlich aufgibt, und dann wissen sie nichts mit ihrem Sieg anzufangen. Besteht wirklich die Möglichkeit, dass sie zuvor nichteinmal daran gedacht hat, dass es soweit kommen könnte? Vermutlich ist es so, und es bestätigt nur, dass sie in so etwas tatsächlich nicht geübt ist. Victor ewidert ihren Blick und versucht darin zu finden, was sie so anziehend macht. Es ist nicht nur ihr Äußeres, welches sie die meiste Zeit hinter ihrer Palla versteckt. Es ist die forsche Art, wie sie die Dinge angeht, ihr Auftreten im Circus Maximus und nun in seinem Officium, nicht sich billig anbiedernd und auch nicht aus einer thronenden Position herab wie eine Patrizierin, sondern ganz einfach so, wie sie ist, bedingungslos und ohne Fassade.


    "Wie Freunde." echot er langsam nickend und dabei sinnierend, was das bedeuten würde. In Rom gibt es keine Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau, schon gar nicht, wenn nicht beide verheiratet sind. Was sie auch tun, wo sie sich auch treffen würden, früher oder später würde es Gerüchte geben. Natürlich besteht für Victor jederzeit die Möglichkeit, sich bei ernsthaften Absichten von seiner Frau scheiden zu lassen, und eine Iulierin wäre nicht der schlechteste Grund, doch auf diesen Gedanken kommt er nicht einmal. Er hat so viel Zeit so weit weg von Violentilla verbracht, dass ihm diese Art der Ehe schon völlig normal vorkommt und es auch keinen Grund gäbe, dies zu ändern. "Du weißt, welche Konsequenz uns erwartet, wenn es darüber hinausgeht?" Natürlich würde sie es wissen, doch es ist ein lezter verzweifelter Versuch, sie davon abzubringen.

    Resignierend lässt Victor die Schultern sinken. Geschlagen von einer Frau, es ist unglaublich. Natürlich liegt es daran, dass er seine eigenen Worte selbst nicht glaubt und Helena im Grunde seines Herzens auch nicht davon überzeugen will, dennoch könnte er dies niemals irgendjemandem erzählen. Vor allem Sev dürfte es nie erfahren, sonst könnte er sich monate-, wenn nicht jahrelang, anhören, dass er sich von jeder Frau um den Finger wickeln lässt. Dies würde dann darauf hinauslaufen, dass Vic Helena nicht als 'jede Frau' bezeichnen lassen würde und in einer Prügelei enden, was am Ende dann wieder jeder wüsste. Er schaut Helena an und in seinem Blick liegt eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. Dennoch ringt er sich zu einem schiefen Lächeln durch. "Zum Glück hat mich der Kaiser zum Septemvir gemacht, als Politiker hätt ich wohl gnadenlos versagt."


    Vic schiebt seinen Becher von sich weg und ist unschlüssig, wie es nun weitergehen soll. "Wie soll das nun weitergehen?" Überzeugt von irgendetwas ist er noch lange nicht. Die ganze Sache kann kein gutes Ende nehmen.

    Das Gemurmel vom Patron ist kryptischer als ein Spruch von der Sibylle, aber genau so, wie die Priesterin keine weiteren Erklärungen zu ihren Worten abgibt, würde der Patron das vermutlich auch nicht tun. Da es sowieso nur Amatia betrifft, ist Vic auch nicht unbedingt dahinter her, herauszufinden, was er meint, denn er würde es wohl früh genug erfahren. Darum nickt er nur und hält seine Antwort kurz. "Gut."

    Vic prustet laut los und verschluckt sich fast an seinem Wein. Er hustet eine Weile und trinkt erstmal einen großen Schluck, nachdem er sich wieder beruhigt hat. "Dat is ein Witz oder? Du warst noch nie in deim Leben in nem Lupanar, Deci?" Grinsend schaut Vic zu Marcus, der zurückgrinsend nickt. "Und hast dir noch nie irgendwo ne Lupa aufgerissen?" Victor kann es nicht glauben. "Mann, Mann, Mann, Junge, wo ham se dich nur hinter Verschluss gehalten!? Sach bloß, sach bloß du hast noch nichtmal... ne oder? Ne, dat kann ja nich... Mann, da müssen wir ma ins Lupanar vom Bruder von meim Patron, da gibts erstklassige Schnecken und ne große Auswahl. Da findste bestimmt eine, die dir zusagt, ich zahls dir auch." Vic schüttelt den Kopf und trinkt noch einen Schluck Wein. "Junge, Junge, dat kann ja nich angehen. Wat hat ne Frau mit ner Lupa zu tun? Ich hab eine, aber die hockt in Malaca und dein Freund hat ganz Recht, die kost mich mehr, als alle Lupae im Monat zusammen." Er prostet Macrus grinsend zu. "Auf die leichten Mädels von Rom!"

    Victor klopft an die Tür von Octavianus Zimmer und tritt ein. Da Octavianus jedoch nicht da ist, dreht er sich wieder um und holt sich eine Wachstafel. Er kritzelt in bemüht leserlicher Schrift einige Zeilen darauf und legt sie auf den Tisch.


    Hoi Octavianus,


    Ich hab für dich ein Treffen mit Marcus Vinicius Lucianus in die Wege geleitet. Er wär prinzipiell bereit, dich als seinen Klienten aufzunehmen. Schau einfach bei ihm in der Casa Vinicia vorbei.
    Blamier uns nich, hrhr.


    Vic

    Es würde ihn wahnsinnig machen, dessen war sich Victor sicher. Zu wissen, dass sie ihn begehrt, zu wissen, dass er sie ebenfalls begehrt, doch diesem Begehren nicht nachgeben zu können, das würde ihn um den Verstand bringen. Einige verführerische Sekunden denkt er daran, alles zu ignorieren, wie bei Ambrosiana, dem Begehren nachzugeben. Doch es wäre nicht wie bei Ambrosiana, denn es wäre nicht nach einer Nacht vorbei, sie würden nicht beide nach Hause in ihr Eheleben zurückkehren. Helena hat kein Eheleben, in das sie zurückkehren würde, ihr Begehren würde nicht enden und damit auch nicht das seine. Es muss eine andere Lösung geben, eine rationale Lösung. Er müsste sie davon abbringen, ihn zu begehren. "Es schmeichelt mir, dass du mich magst, Helena, doch uns verbindet nicht viel mehr, als die Fahrt auf einer Quadriga und unsere Factiozugehörigkeit." Er glaubt selbst nicht, was er sagt, doch vielleicht würde sie es tun. "Du kennst mich kaum, ebensowenig wie ich dich. Das, was du von mir kennst, das meiste davon ist nur gezwungen. Ich wurde als Peregrinus geboren und war es mein halbes Leben lang. Das Bürgerrecht habe ich mir bei der Ala erkämpft, damit es meine Kinder später mal einfacher haben. Dieses wunderbare Hochlatein, das ich den lieben langen Tag von mir gebe, hat mir meine Ausbilderin Tiberia Claudia, ihres Zeichens Flaminca Minervae, aufgezwungen. Es mag für den Dienst im Cultus Deorum eine Notwendigkeit sein, doch sobald ich durch die Tür der Casa Valeria gehe, stecke ich es mir dahin, wo die Sonne nie scheint. Ich hasse es, eine Toga zu tragen, und meine Abende verbringe ich am liebsten mit einer Lupa, viel Wein oder einer Räuchermischung, die es in sich hat. Das blaue Auge nach der Fahrt im Circus Maximus, das war kein Unfall, ich habe mich mit meinem Bruder geprügelt, und das ist nicht unbedingt eine Seltenheit. Ich bin wirklich kein Mann, der für eine Iulia gut wäre." Damit ist die Sache dann wohl erledigt. Victor überlegt noch, ein 'Du hast etwas besseres als mich verdient.' hinzuzufügen, aber es widerstrebt ihm, sich ganz so schlecht zu machen, denn eigentlich ist er voll und ganz von sich überzeugt. 8)


    Er holt einmal tief Luft und fährt in perfektem Hochlatein fort. "Wenn du dich in Ostia wohl fühlst, dann solltest du deine Aufgabe dort nicht aufgeben. Vielleicht vergehen die Träume von selbst. Wenn nicht, nun, dann hat es wenig Zweck sich dagegen zu stellen. Allein bist du im Dienst der Götter nie, denn sie sind immer bei dir. Alleingelassen bist du höchstens im Cultus Deorum." Dieses Gefühl kennt Victor nur allzu gut. "Aber ich werde dafür sorgen, dass dir auch das nicht passiert, wenn du dich für diesen Weg entscheidest."

    Es drängt Victor danach, Helena zu berühren, ihre Hand zu fassen, ihr Trost zu spenden für alles, was er ihr angetan hat, für das er nicht unbedingt die Schuld trägt, sich aber trotzdem schuldig fühlt. Doch seine Hände bleiben um den Becher liegen. Er hat Violentilla geliebt, vielleicht liebt er sie immer noch, doch sicher ist er da nicht. Seit über zehn Jahren hat er weder seine Frau, noch die Kinder, derentwegen er hauptsächlich zur Ala gegangen ist, gesehen. Ab und zu kommt ein Brief, meist recht neutral gehalten, und ab und zu schickt er neben dem Geld einen Brief zurück, ebenso neutral. Violentilla hat keinerlei Ambitionen in das große, dreckige Rom zu kommen und er hat keinerlei Ambitionen, zurück in die Provinz zu gehen, und so leben sie beide vor sich hin, verheiratet, aber doch jeder für sich. Bis auf den kleinen Zwischenfall mit Ambrosiana war Victor bisher treu gewesen, zumindest was Bürgerinnen angeht, eine Eigenschaft, die er sich aus seiner einfachen Herkunft bewahrt hat. Ambrosiana war mittlerweile fort, im Zuge des Sacerdotes-nach-Germania-Programms hatte sie sich freiwillig für Treverorum gemeldet, und Victor war wieder zu den Lupae zurückgekehrt.


    "Dieser Gedanke, dieser Wunsch wird dich nur unglücklich machen." Ebenso wie ihn. Wie könnte er ihr ohne ein Gefühl begegenen, wie könnte er ihr im Factiohaus jemals wieder in die Augen sehen, wenn er genau weiß, was zwischen ihnen steht? Viel einfacher wäre es dagegen zu wissen, dass sie einen anderen begehrt. Doch warum sollte er es einfacher haben, als sie? Und warum sollte sie es einfacher haben als er, der ebenfalls weiterhin mit dem Gedanken nur unglücklich sein würde?


    Als er das Schimmern in ihren Augen bemerkt, kommt sich Victor vor, wie ein Verbrecher. Nun greift er doch über den Tisch, der ihm unendlich groß vorkommt, und greift nach ihrer Hand, berührt sie für kurze Zeit, spürt die Wärme ihres Körpers, spürt, wie ihre Hand leicht zittert . Doch das, was er eigentlich sagen will, kommt ihm nicht über die Lippen. Stattdessen zieht er seine Hand wieder zurück und rettet sich auf seine offizielle Position. "Womöglich ist es Zeit für eine Änderung in deinem Leben. Wer wäre geeigneter als Venus, dir den Weg aus der Starre zu zeigen?"

    Die Röte auf ihren Wangen macht Helena nur noch attraktiver. Gleichzeitig ist Victor erleichtert, dass ihr die ganze Sache wenigstens peinlich ist, andernfalls wäre er nur noch verunsicherter gewesen und hätte sich darüber Gedanken machen müssen, ob sie nicht ganz andere Absichten als die offensichtlichen und hintergründigen verfolgt. Ihre Worte ziehen an ihm vorbei, die Folge jenes Nachmittags und der Wunsch, den man nicht haben darf, und hinterlassen einen merkwürdigen Nachgeschmack. Sein eigener Wunsch, den auch er nicht haben darf, wird ihm um so deutlicher und als hätte sie ihn in seinen eigenen Träumen ertappt, ist er es, der sich schuldig fühlt. Er hält seinen Becher in der Hand, vergisst den fast puren Wein darin, erwidert nur stumm ihren Blick und hört ihrer verzaubernden Stimme zu.


    Als sie endet nimmt er einen tiefen Schluck und spürt, wie der Wein seine Gedanken löst. "Viele Träume verkehren die Welt und deiner mag ein Spiegel sein. Im Traum bist du es, die den Betrug vollzieht, in dieser Welt bin ich es." Über seine Familie spricht Victor selten, doch er glaubt Helena Rechenschaft schuldig zu sein, bevor er sie noch tiefer in etwas hinein zieht, das kein gutes Ende nehmen kann. "Ich habe eine Frau, Helena, und Kinder. Weit fort, in Malaca, doch das macht sie nicht weniger existent. Dieser Nachmittag..." Er dreht unbewusst den Becher zwischen den Händen. Er hatte an jenem Abend noch eine ganze Weile über das Geschehene und über Sevs Worte nachgedacht. "... ich hätte es nicht soweit kommen lassen dürfen. Du bist eine wunderschöne Frau aus einem ehrbaren Haus. Allein dir das Gefühl zu geben, dass mehr zwischen uns sein könnte, als zwischen zwei halb fremden Menschen sein kann, sollte schon strafbar sein." Er atmet tief durch. Nach diesen Worten kann nichts mehr so sein, wie es vorher war, nur so, wie es sein sollte. Trotzdem kommt es Vic so vor, als wäre es so falsch, wie nur irgend etwas sein kann.


    Die aufkommende Stille zerrt an seinen Nerven, der Becher kratzt leise über den Tisch, als er ihn dreht. "Hast du schon einmal..." Victor bricht ab, fährt jedoch nach kurzem Zögern fort. "Hast du schon einmal darüber nachgedacht, in den Dienst der Götter zu treten? Ich denke, ich weiß, worauf du hinaus willst." Venus - in welchen Kult würde sie besser passen, diese Schönheit, die die Männer der Welt, die ihn, fast um den Verstand bringt? "Obwohl dies eine Geschichte aus der Welt der Griechen ist, diese Liebschaft existiert auch in vielen Köpfen der Bürger des Imperiums, fast entgegen der offiziellen Kultgemeinschaft, die damit nicht unbedingt etwas zu tun hat."

    "Gut, dann werde ich mich mal darum kümmern, dass hier noch alles ordnungsgemäß abgeschlossen wird. Wenn man den Tempelhelfern nicht dauernd auf die Finger schaut, machen die leider auch ständig irgendwas verkehrt. Gutes Personal ist einfach schwer zu finden heutzutage."


    Victor verabschiedet sich von dem Senator und geht dann in Richtung eines der Nebengebäude davon, um in der Tempelküche nach dem Rechten zu sehen.

    Vic überlegt, muss sich jedoch eingestehen, dass er keine Ahnung hat, wie alt Amatia genau ist. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin ja erst recht spät zu den Valeriern gestoßen. Aber unter 25 ist sie auf jeden Fall noch." Zumindest hofft er das und nimmt es auch stark an, denn sonst hätte der Sev sicher längst etwas unternommen. "Wüsstest du denn einen geeigneten Mann? Einen deiner Klienten vielleicht? Sie ist zwar sui iuris, aber ich denk schon, dass sie auf uns hören würde."

    Victors Augen weiten sich mit jedem Wort ein Stück und müsste man seinen Blick zeichnen, so würde er ein dickes Fragezeichen neben einem noch dickeren Ausrufezeichen abgeben. Allein die gedankliche Vorstellung des Traums, vor allem der Anfang mit der sich entkleidenden Helena, bewirkt, dass sich unter Vics Leibschurz etwas zu regen beginnt. Als sein alter Ego jedoch ins Spiel kommt, führt dies dazu, dass Vic sich entmündigt und in eine Position gedrängt fühlt, die er so nicht selbst herbeigeführt hat. Gegen Ende ihrer Schilderung folgt sein Blick Helenas Hand hin zu Mars und bleibt dort kleben. "Aha." ist alles, was er letztenendes zu sagen weiß. Er schaut die Statuette an, doch Mars bleibt stumm und ist ihm keine Hilfe. Victor nimmt den Becher vor sich und trinkt ihn in einem Zug leer. Er bedauert, die Mischung so schwach gemacht zu haben und greift direkt nach der Weinkanne um den Becher damit nochmal zu füllen. Des Anstands wegen und um Zeit zu schinden, schüttet er noch einen digitus Wasser dazu.


    Schließlich räuspert er sich. Das Beste ist es, die ganze Sache von der rein professionellen Seite aus aufzurollen, immerhin sind sie beide zwei erwachsene Menschen. "Die Götter erscheinen manchmal in seltsamen Gestalten." Er dreht den Becher in seiner Hand und nickt, so als müsste er sich selbst von seinen Worten überzeugen. "Weißt du, ich bin durch einen Traum zum Götterdienst gekommen. Ich war damals bei der Ala, wir hatten eine große Schlacht hinter uns." Die anschließende Siegesfeier mit zahllosen Mädchen und wildem Saufgelage lässt er mal besser aus. "In einem Traum bin ich Mars begegnet, wobei ich am Anfang noch gelgaubt hab, es sei Bacchus." Eine ziemlich peinliche Sache, aber nach ihrem Traum kann sich Vic dieses Geständnis vor ihr locker eingestehen. "Er sagte mir, ich solle in seinen Dienst treten und das hab ich dann auch getan." So einfach war das natürlich alles nicht gewesen, aber diese Aussage ist die Essenz des Entscheidungsprozesses, der damals abgelaufen ist. "Ich habe mir oft überlegt, ob die Freude darüber, die Schlacht überlebt zu haben in Verbindung mit dem vielen Wein mir nich einfach nur die Sinne verdreht hat, aber ich habe niemals bereut, dem Mars gefolgt zu sein und ich bin mir auch heute noch ziemlich sicher, dass er das genau so geplant hatte." Lange Rede, kurzer Sinn. "Wenn du also immer wieder einen Mann in deinen Träumen siehst und denkst, dass dies Mars ist, dann ist das sicher kein Zufall." Es hört sich schon viel besser an, von einem Mann und Mars zu reden, als von sich selbst. "Die Frage bleibt nur, was es bedeutet, dass du und er..." Es will Vic einfach nicht über die Lippen gehen. "Dass du in den Cultus Martialis eintreten sollst, wird es wohl eher nicht sein."