Beiträge von Vibius Valerius Victor

    "Auf die ein oder andere Weise, ja." Er zögert kurz, fährt dann aber doch mit seinen Bedenken fort. "Ich bin mir nur nicht sicher, was er von mir eher erwartet. Dass ich wie vor ihm meine Meinung sage und das Collegium und damit den halben Cultus Deorum etwas aufmische, oder dass ich dankbar für den Posten meinen Mund halte und mich damit zufrieden gebe."

    "Sach dat nich noch einmal!" Victor schlägt mit einer schnellen Bewegung den Arm seines Bruders mit der linken zur Seite. Mit einem mal entläd sich die gesamte Aggression, die sich während der 'würdevollen' Beherrschung in der letzten Zeit als Sacerdos und dann Septemvir aufgebaut hat. Natürlich trainiert Vic ab und an in den Thermen und ringt dort auch, doch niemals mit seiner gesamten Wut. Von jedem anderen hätte er sich wahrscheinlich als 'Priestermemme' betiteln lassen, es wäre ihm zum einen Ohr rein und zum anderen raus. Doch von Sev, mit dem er gemeinsam bei der Ala durch den Hades gegangen ist, lässt er sich das nicht bieten. Manchmal würde Victor die Götter, vor allem einen ganz speziellen, am liebsten dafür verfluchen, dass sie ihn in seinen Dienst geholt und nicht mehr daraus entlassen haben.


    Um dem zuvor zu kommen, dass Sev seine Worte nochmals wiederholt, holt Victor mit der Rechten aus und schlägt zu. Natürlich hat ein Septemvir nicht die geringste Chance gegen einen Praetorianer, doch daran denkt Vic in diesem Augenblick recht wenig bis gar nicht, sondern nur daran, seinem Bruder ein paar aufs Maul zu verpassen, damit dieser es nicht immer so weit aufreißt. 8)



    /edit: Rechtschreibung

    "Ou, ein Sohn von Onkel Sev? Dann biste also mein Cousin. Prost und Willkommen in Rom." Vic hebt seinen Becher und prostet Decius zu. Dann schüttet er etwas Wein auf den Boden um die Götter zu ehren und trinkt einen großen Schluck. Als Decius vom 'ehrenwerten Severus' zu reden beginnt, verschluckt sich Vic beinahe am Wein. Allerdings folgt die Erklärung dieses Umstandes sofort, denn es stellt sich heraus, dass Decius seinen Cousin schon ziemlich lange nicht mehr gesehen hat.


    "Jo, der ehrenwerte Severus ist wie gesagt in der Castra. Er ist bei den Praetorianern und kommt eher selten vorbei. Irgendwie trifft dat auf die meisten Bewohner dieser Casa zu. Unsre Schwester, die Amatia, arbeitet im Palast und hat da ein Zimmer. Unsre Brüder Al und Varus sind in Germania bei der Ala. Also Varus nich mehr." Ärger kommt in Victor hoch, doch er kämpft ihn mit einem Schluck Wein nieder. "Der Sohn von Sev, der Lati, der kommt, wann er grad Lust hat, wo er sich sonst rumtreibt will ich besser gar nicht wissen. Unser Cousin Octavianus war neulich mal da, er hat sich aber nu soweit ich weiß in Ostia beworben. Und dann bleiben nur noch die beiden Oppas, Flaccus und Saccus, die sind mehr hier, als einem lieb is."


    Vic schaut Decius an und hebt fragend die Brauen. "Du kannst natürlich hier wohnen, solang du in Rom bist, Platz is mehr als genug. Bist du nur auf der Durchreise, oder bleibst du ne Weile? Was machst du überhaupt so?"

    Vic funkelt seinen Bruder wütend an. "Sach ma, spinnst du jetzt oder wat? Ich würd eher sagen, du hörst nich, wat du da sachst. Die Leute in Lebensgefahr gebracht, Mann, wie oft biste schon durch den Circus geheizt? Du hörst dich ja an wie nen Mädchen, Junge, isset dat, was sie dir bei den Schwarzröcken beibringen? Wirst wohl langsam nen bisschen paranoid."


    Er tritt noch näher an Sev ran und schubst ihn mit der flachen Hand gegen den Brustpanzer. "Oder is dat der Neid, der da aus dir spricht? Weil du die ganze Zeit in der Castra hockst und keine mehr abbekommst?"

    Victor führt den Valerier und dessen Begleiter ins Atrium. Zumindest hatte Hulc zwischenzeitlich die alten Becher vom Tisch geräumt und war so schlau, auch ein paar frische da zu lassen. Vic deutet auf Klinen und setzt sich selbst ebenfalls hin. Er schenkt drei Becher Wein ein und verteilt sie.


    "Valerius Decius, hmm," überlegt Victor laut, muss jedoch wieder einmal feststellen, dass er diesen Namen noch nie gehört hat. "Wie bist du mit Sev verwandt?"

    Vic zieht eine Augenbraue nach oben und mustert den angeblichen Valerier. Sieht schon aus, als könnte er mit Sev verwandt sein, auch wenn er eine etwas merkwürdige Sprechweise an den Tag legt.


    "Ein Bote is hier nicht angekommen. Zumindest wüsste ich nix davon, aber das muss nicht unbedingt was heißen, unser Sklave taugt manchmal nich allzuviel." Er zuckt mit den Schultern. "Allerdings, als Valerius wirst du dich in Rom sicher nicht in ne billige Mietskaserne einnisten. Der Severus ist nicht da, er hat Dienst in der Castra. Drum bin ich der Herr im Haus, hrhr. Vibius Valerius Victor, Sevs Bruder." Sich Sevs Familie als dessen Bruder vorzustellen, kommt Vic immer etwas merkwürdig vor, da er keine Ahnung hat, wie eng diejenigen mit Sev aufgewachsen sind. "Also Adoptivbruder, wir ham uns in Hispania bei der Ala kennen gelernt. Jo, kommt erstma rein." Er weist ins Innere der Casa.

    "Salve, Patronus." begrüßt Victor den Patron. "Die Wahlkämpfe stehen bevor und ich wollte dich nur davon unterrichten, dass ich nun nicht kandidieren werde. Ich wurde auf Wunsch des Imperators ins Collegium der Septemviri berufen, was die Ausgangslage natürlich vollkommen ändert."

    Victor traut seinen Ohren kaum, als er im Atrium eine Glocke läuten hört, vor allem nicht, da es sich so anhört, als ob jemand direkt vor der Tür steht und rumklingelt, zu dieser späten Uhrzeit auch noch. Da er sowieso noch sauer ist über den Brief seines kleinen Bruders und die Tatsache, dass der unehrenhaft aus der Ala entlassen wurde, dauert es ihm zu lange, bis sich Hulc endlich an die Tür bequemt und geht kurzerhand selbst, um zu sehen, wer stört.


    Als er die Tür öffnet, bemerkt Vic, dass die Glocke irgendwie zum Haus gehört und er fragt sich, wie Hulc auf die Idee kommt, so ein Teil zu kaufen. Aber diese Frage muss warten, denn der Sklave schafft es ja nichtmal bis zur Tür. "Hoi." Er musstert die beiden Gestalten vor der Tür und den Wagen hinter ihnen. Für die neue Weinlieferung ist es ein bisschen zu spät. "Wer seid ihr?"

    "Wat? Seit wann tutn Pluto kochen?" Vic schaut seinen Bruder merkwürdig an, schüttelt aber den Kopf. Wenn hier einer den Plan von den Göttern hat, dann er, aber um Plutos Küche gehts sowieso nicht.
    "Hör ma, Junge, lass bloß die Finger von ihr. Dat is nich irgend nen billiges Flittchen von den Mercati, dat is ne ehrbare Römerin." Es hat Victor überhaupt nicht gefallen, wie sein Bruder Helena nachgeschaut hat, und seine Worte über den 'heißen Feger' verstärken Vics Ärger noch. "Ich sachs dir, wenn du sie ins Unglück stürzt, dann gnaden dir die Götter, Mann!" Er hebt drohend seine Faust. Seit der Fahrt mit Helena auf dem Wagen, seit sie sich so eng an ihn herangedrückt hat, braucht er ein Ventil um seine überschüssigen Emotionen irgendwo zu entladen, und Sev mit seinen dummen Sprüchen kommt ihm da gerade recht.


    Aus der Faust löst sich ein Zeigefinger und dieser neigt sich in Severus Richtung. "Und wer hier wann ne Runde aufm Wagen dreht, dat bestimmst du schon lange nich, Junge. Ich bin hier der Vicarius Principis und wenn ich Interessenten zeig, was es heißt, auf nem Streitwagen zu stehen, dann haste da nich dran rumzumeckern. Der Hermes is doch kein Anfänger, der den Wagen an die Wand fährt, nur weil er nen Mitfahrer drauf hat." Er macht einen Schritt auf Sev zu und kneift die Augen ein Stück weit zusammen. "Und was Helena angeht, die war bei mir so sicher, wie in Ceres' Schoß. Glaubste ich kann nen Wagen nich mehr lenken, nur weil sich ne Frau an mich drückt, oder wat?"

    Es ist fast dunkel, als Vic am Abend nach Hause kommt. Im Atrium brennen lauter Öllampen und zu Vics Verwunderung sitzen die beiden Oppas auf den Klinen im Atrium.


    "Bingo!"
    "Wat sind dat denn wieder für versaute Wörter? Was machtn ihr da?"
    "Nix, wir würfeln."
    "Jo, klar. Und wo sind die Würfel?"

    Flaccus blickt mit einem extremen Grinsen auf. "Dü gübts hür nüch! Gnihihi!"
    "Wat? Sachtma, seid ihr besoffen?"
    "Also ich sicher nich, hrhr."


    Vic wirft einen genauen Blick auf Flaccus, der sich schwer zurücksinken lässt und ein belustigtes "Huiiii..." von sich gibt. Dann schaut er böse seinen Oppa an. "Mann, Saccus, ich hab dir doch gesacht, du sollst den Flaccus nich abfüllen."
    "Wat kann ich dafür, wenn der säuft, wie nen Loch?"
    "Mann, Mann, Mann, nix als Ärger mit dem Sauhaufen hier. Wo isn der Hulc?"
    "Ders inner Küüche un kocht.."
    "Ououou, los Oppa, schnapp dir den Flaccus und bring den in euer Zimmer. Und dann lässte mir meine Ruhe heut abend, ich hab echt die Schnauze voll von eurem dauernden Mist hier."
    "Mann, Mann, Mann, nichma nen Spaß darf man sich machen... Junge, werd erstma so alt wie wir, dann wirste schon sehen, wie dat is... Komm, Flaccus, mach dich nich so schwer, deim Enkel is ne Laus über die Leber gelaufen..."
    Saccus steht auf und schnappt sich Flaccus. Nur der Umstand, dass der noch leichter ist, als er selbst, führt dazu, dass er es schafft, den alten Mann stützend aus dem Atrium zu führen.


    "Boah!" Vic lässt sich auf seine Kline fallen und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Irgendwann werden ihn diese zwei Oppas noch ins Grab bringen. Er will zu der Weinkanne greifen, als ihm ein Brief auf dem Tisch auffällt. Da der nicht gesiegelt ist, öffnet er ihn kurzerhand. "Flavus Valerius Severus... sowieso nie da... ou, vom Al... 'Hoi Bruderherz', na dat fasst mich doch auch mit ein." Er fängt an, den Brief zu lesen. "Hrhr, Vexillarius, dat is was... nen echter Valerius eben, der Junge... Varus... hmm... wat? Unehrenhaft entlassen?" Vic schaut sich die Zeile nochmal an. Doch die Worte ändern sich nicht. "Boah, dat gibts ja wohl nich... is denn der bescheuert, oder wat? Der soll sich nur ma hier blicken lassen, wenn ich den zwischen die Finger bekomm, dann wird er aber grün und blau geschlagen... unehrenhaft entlassen... aus der Ala! ... wer sind wir denn?" Er schmeißt den Brief auf den Tisch und greift nach der Kanne. Die Becher sind jedoch alle schon dreckig. "Hulc, bring mir nen Becher, aber nen bisschen flott!" Verärgert schüttelt Victor den Kopf und haut die Kanne auf den Tisch. "Bin ich vielleicht der einzige, der hier noch normal is, oder wat?"

    Vic lässt seinen Bruder keine Sekunde aus den Augen. Er kennt Sev lang genug, um zu wissen, dass der sich erstmal auf jede Frau stürzt, die bei Drei noch nicht auf den Bäumen ist. Tief in seinem Inneren ärgert Vic das in diesem Moment tierisch, denn im Gegensatz zu ihm ist Severus noch nicht verheiratet und kann sich dieses Recht getrost raus nehmen, wann immer es ihm passt. Bei einer anderen Frau wäre es Vic wahrscheinlich sogar egal, aber nicht bei Helena, die ihm noch kurz zuvor so nahe gewesen ist.


    "Nen Augenblick Zeit hab ich sicher." Er nickt Sev zu und schaut an ihm vorbei zum Trainer der Wagenlenker. "Callidus, kannst du unsere Gäste bitte rüber ins Factiohaus bringen und dafür sorgen, dass sie etwas zu Trinken bekommen?" Und zu den beiden Iuliern gewendet. "Ihr entschuldigt mich kurz? Es wird sicher nicht lange dauern." Dafür würde er schon selbst sorgen. Das einzige, was er sich überhaupt vorstellen kann, worüber Sev mit ihm dringend reden müsste, das wäre über irgendwas mit Amatia. Am Ende hat das Mädel schon wieder einen Kerl angeschleppt, den sie heiraten will.


    Campus Callidus steht von dem Hocker auf, auf welchem er gerade sitzt und tritt zu der kleinen Gruppe hin. "Sicher kann ich das machen." Er bleibt abwartend stehen um Helena und Constantius zum Factiohaus zu begleiten.

    Vic ignoriert Sevs sauertöpfischen Blick und schiebt ihn darauf, dass sein Bruder wohl gerade mal wieder vom langweiligen Kasernendienst in der Castra kommt. Seit er bei den Praetorianern ist, gehts einfach bergab mit dem Jungen. Trotzdem könnte er sich wenigstens dann zurückhalten, wenn Victor gerade dabei ist, Factio-Pionierarbeit zu leisten.


    "Joah, das Training läuft gut. Diokles ist noch in der Schonphase nach den Spielen in Germanien, aber Hermes hat heut ein paar fantastische Kurven hingelegt." Am liebsten würde Vic direkt damit weitermachen davon zu erzählen, wie sich Helena mit Wagenlenkern auskennt, was für eine Wahnsinns-Frau sie ist und was für fantastische Kurven er mit ihr hingelegt hat. Nachdem jetzt aber die möglichen neuen Factiomitglieder noch dabei sind, hält er sich damit noch zurück und zwingt sich zu einem neutralen Gesicht. 8)


    "Wir gehn dann wieder rüber ins Factiohaus, noch was trinken. Wenn du den Dreck wieder los bist, kannste ja nachkommen."

    Etwas zu lange als dass es nicht auffallen würde, blickt Victor nur die Tür an, dort, wo kurz zuvor noch Helenas Gesicht zu sehen war. 'Mann, Mann, Mann!' schießt es ihm durch den Kopf, dann dreht er sich um, deutet auf den Aufenthaltsraum und geht voran. Er nimmt jedoch nicht die Tür mit dem aufgemalten Helm, sondern eine daneben. Sie gelangen in einen kleinen Raum, in welchem Wasser und Tücher zur Reinigung bereitstehen. Natürlich geht es bei den beiden Männern etwas schneller, denn auf dieser Seite des Korridors verzichtet man darauf, seine Frisur ausgiebig herzurichten.


    Darum treten sie auch vor Helena schon in den Aufenthaltsraum und treffen dort auf Campus Calidus, Rothar, Dareios und zu Vics Erstaunen auf Severus.
    "Hoi." begrüßt Vic seinen Bruder. "Was machst du denn hier? Hast du schon wieder frei?" Er mustert die Praetorianeruniform. "Oder bist du etwa dienstlich hier?" Er schaut zu Constantius und fängt ohne auf eine Antwort zu warten, schon mal mit der Vorstellung an. "Das ist mein Bruder Severus, ebenfalls aktives Factiomitglied. Sev, das ist Caius Iulius Constantius. Er und seine Schwester interessieren sich für die Veneta, darum hab ich sie ein wenig herumgeführt." In eben diesem Augenblick betritt auch Helena den Raum und Vic setzt die Vorstellung nahtlos fort. "Iulia Helena, mein Bruder Severus."

    Victor reicht die beiden Helme an Hermes weiter und nickt Constantius zu. "Es war mir eine Ehre." Mehr Worte braucht es nicht, denn alles, was er weiter sagen würde, könnte zu viel davon verraten, was er denkt. Er wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn und überlegt, ob er schon jemals irgendwo im Circus Maximus einen Spiegel gesichtet hat. "Es gibt im Inneren des Circus Waschgelegenheiten, um sich etwas den Staub abzuwaschen. Weißt du, ob es irgendwo einen Spiegel gibt, Hermes?" Der junge auriga nickt. "Im Raum des Medicus gibts einen. Nicht sonderlich groß, aber besser als nichts."


    Da der Wunsch einer Frau in Rom noch immer den Weg der Männer diktiert, schlägt die kleine Besuchergruppe den Weg ins Innere des Circus ein, nachdem sie sich von Hermes verabschiedet hat, der sich noch um die Tiere kümmern will. Vic führt die beiden Iulier durch einen kurzen Gang, in dem es weniger nach Pferd und Stall riecht. Er klopft an eine Tür, öffnet sie und wirft einen kurzen Blick in den Raum dahinter. "Der Medicus ist selten da, wenn nicht ein großes Rennen ansteht." Er öffnet die Tür weiter, weist in den Raum hinein und wendet sich zu Helena. "Neben der Liege findest du eine Waschschüssel, dort hängt auch der Spiegel. Wir werden direkt schräg gegenüber sein, im Aufenthaltsraum der aurigae." Er deutet auf eine Tür, auf welche ein blauer Helm aufgemalt ist. Zu gern würde er lieber mit Helena in dem Raum verschwinden, doch diesen Gedanken verdrängt er, noch bevor er richtig aufkeimt.

    Wie üblich folgt Victor dem Sklaven und wartet. Er schaut sich neugierig um, ob sich schon was verändert hat, seit der Patron unter der Sandale einer Frau steht. Aber grobe Anzeichen dafür finden sich nicht, und für subtile Hinweise ist Vic zu unaufmerksam.

    Vom Namen her ist Victor immer der Sieger. Um die Geburt seines Vaters herum hatte das Imperium einen Sieg errungen und die Kunde davon erreichte Malaca genau am neunten Tag danach. Vics Oppa Saccus hatte es gefallen, seinen Sohn zu Ehren dieses Ereignisses Victor zu nennen, denn es war bereits der achte Sohn gewesen, und Saccus war bis zum Tag der Namensgebung noch kein Name eingefallen, der ihm recht gewesen wäre. Vics Eltern dann hatte es gefallen, den Namen direkt an ihren ersten Sohn weiter zu geben und so steht Vic nun sein Leben lang als victor da, obs passt oder nicht. "Der auriga gewinnt niemals für sich allein. Er erringt den Sieg für seine Factio, für sein Land, für seine Fans oder..." ... für die Gunst einer schönen Frau... "...oder für seinen Mitfahrer."


    Dass sie ihren Blick nicht abwendet, dass sie die nicht ausgesprochene Frage mit dem Glühen in ihren Augen beantwortet, bringt letztendlich doch die Gewissheit, dass nichts, was geschehen ist, dem Zufall überlassen war. Victor drängt es, noch etwas zu sagen, doch die Stimmen der Stallburschen sind schon zu hören, so wendet er sich nur zu den Pferden um, ergreift die Zügel und bringt die Tiere quer vor den carceres zum stehen. Anschließend dreht er sich wieder zu Helena. "Und so hört es auf, ganz unspektakulär." Mit einem Schritt ist er an ihr vorbei und springt vom Wagen hinunter, um ihr unten dann die Hand zu reichen und vom Wagen zu helfen.

    "Hrhr." Vic schaut seinem Bruder nach, dann fällt sein Blick auf den guten Wein, den Sev zurück gelassen hat. Die Amphore ist noch halb voll. Er beugt sich vor, um sich nochmal einzuschenken und wird sich des erwartungsvollen Blicks von Razor bewusst. "Vergiss et, Töle, dat is Qualitätswein." Der Hund winselt wehleidig, legt aber seinen Kopf wieder auf die Pfoten und döst weiter. Victor schenkt sich ein, lehnt sich zufrieden auf der Kline zurück und lässt sich ein paar Dinge durch den Kopf gehen, die im Cultus Deorum zu erledigen wären.

    Die Pferde ziehen die Quadriga aus der Kurve hinaus auf die Gerade und nichts ist geschehen. Bedauern oder Erleichterung durchströmt Vic, vielleicht auch beides. Am Ende ist doch alles nur Zufall gewesen, nicht Berechnung, und jede Absicht, die er Helena nur zu gerne unterstellt hätte, grenzt an eine Beleidigung ihrer Unschuld. Er treibt die Pferde noch einmal über die Gerade und dreht seinen Kopf für einen Augenblick zur Seite. "Ich lass sie auslaufen!" Das Ziel kommt näher und noch bevor sie in die konkave Kurve einfahren, bremst Vic das Gespann langsam ab. Natürlich hat die Quadriga noch immer genug Geschwindigkeit um sich in die Seite zu legen, doch die Fliehkraft wirkt schon weniger auf die Fahrer ein.


    Auf der Geraden zieht Victor die Zügel an und treibt die Pferde abwechselnd nach rechts und links und bringt so den Wagen zum Schlingern. Bis zur Kurve sind die Tiere bereits in einen leichten Trab gefallen. Vic lässt die Zügel los und dreht sich zu Helena um. Auf seinem Gesicht liegt ein breites Grinsen und nichts an seiner nun wieder ganz lässigen Haltung lässt auf die Gedanken der zurückliegenden Fahrt und den Zwiespalt in Victor schließen. "Veneta Victrix! Die Siegerin des Rennens heißt Iulia Helena!" Nur der Blick seiner Augen, die suchend die Augen seines Gegenübers sondieren, mag darauf schließen lassen, dass mehr in ihm vorgeht, als er zugeben würde. "Ein prickelndes Gefühl, nicht wahr?" Die Pferde traben auch ohne Führung in die Kurve hinein, viel Auswahlmöglichkeiten bieten sich ihnen nicht.

    Die Kurve bringt die Gewissheit. Es war keine Ausnahme und kein Versehen gewesen, so, wie sich die Iulierin auch nun an seinen Körper presst, liegt mehr dahinter, als die Angst, vom Wagen zu fallen. Viel mehr. Noch während der Wagen die Kurve nimmt, sinkt Vic immer tiefer in einen Zwiespalt hinein. Er ist ein verheirateter Mann, und auch, wenn seine Frau weit weg ist und er sie seit Jahren nicht mehr gesehen hat, ein Verhältnis mit einer ehrbaren römischen Frau ist und bleibt ein Verbrechen, egal, ob sie es ebenfalls will oder nicht. Schon bei Ambrosiana hat er sich geschworen, dass es eine einmalige Sache sein würde. Aber was nützen all diese Überlegungen, wenn sich eine Frau an seinen Körper presst, wenn das Fleisch willig und der Wille schwach ist? Nichts. Vics Atem geht schneller, der Körper reagiert, die Konzentration sinkt herab. Gerade im richtigen Moment löst sich Helena und der Wagen geht zurück in die Gerade. Der magische Augenblick ist vorbei, und Victor steht im selben Dilemma wie zuvor. Es dauert noch ein paar Sekunden, bis er wieder ganz im Hier und Jetzt ist. Die Zielgerade rückt verlockend näher und er spielt mit dem Gedanken, mit der Runde die ganze Fahrt zu beenden. Es war von Anfang an verkehrt gewesen, eine Frau mit auf die Bahn zu nehmen, so etwas kann nur Unglück bringen.


    Doch die Quadriga rast über das Ziel und verlangsamt nur unmerklich vor der konkaven Kurve. Für einen Augenblick hält Vic die Luft an, doch die Kurve geht vorüber, wie zuvor schon. Die Pferde schnauben und ziehen nach links, der Wagen neigt sich zur Seite, und die beiden Fahrer lehnen sich in die Kurve, ohne, dass sich ihre Körper nahe kommen. Die folgende Gerade erscheint Victor so uninteressant, wie noch nie, die Pferde rasen fast ohne sein Zutun dahin, der Rausch der Geschwindigkeit wird bedeutungslos in Erwartung des Rauschs der in der Kurve folgen würde.

    Die Kurve war überstanden und Vics Befürchtungen hatten sich nicht bewahrheitet. Natürlich nicht. Helena weiß sicher ebensogut wie er, wo ihr Bruder steht und dass eine Frau auf einer Quadriga schon genug des Guten ist. Trotzdem kommt ihm die Bahn viel länger vor als sonst, wenn er versucht, seinen Bruder von der Bahn abzudrängen. Der Staub wirbelt um die Pferde herum auf, der Wagen schiebt sich vorwärts und die Kurve kommt unaufhaltsam näher und in jeder Sekunde denkt Vic nur daran, was Helena tun würde. Vielleicht war die erste Kurve für sie nur überraschend gekommen und sie hatte den Halt verloren. Das ist sogar wahrscheinlich, immerhin war es ihre erste Kurve bei ihrer ersten Wagenfahrt gewesen.


    Also lässt Vic die Kurve doch wieder etwas lockerer auf sich zukommen. Er geht etwas in die Knie und stemmt die Beine gegen den Boden. Diesmal kündigt der die Umrundung nur mit dem Wort "Kurve!" an, dann zieht die Quadriga auch schon um eben jene. Fast vergisst Victor sich zur Seite zu lehnen, doch bevor die Fliehkraft ihm merklich zu schaffen macht, lehnt er sich zur Innenbahn hin.