Vic schaut Hungaricus entsetzt an. So hat er das überhaupt nicht gemeint. Er atmet kurz durch um seine Stimme zu festigen.
"Ich bitte dich um Gerechtigkeit."
Vic schaut Hungaricus entsetzt an. So hat er das überhaupt nicht gemeint. Er atmet kurz durch um seine Stimme zu festigen.
"Ich bitte dich um Gerechtigkeit."
Vic schaut recht verlegen drein.
"Ich wollte nur... keine Unannehmlichkeiten haben."
Victor nickt zufrieden. "Gut, dann beginne das Opfer jetzt."
Er selbst tritt einen Schritt zur Seite, so, dass ihn Tacitus zwar noch sehen, er ihn jedoch nicht weiter stören würde.
"Ich gebe dir dafür, was du verlangst. Aber es muss geschehen, bevor mein Bruder nach Rom zurückkehrt und davon etwas erfährt"
Victor setzt zum Reden an, überlegt es sich dann jedoch anders. Wer weiß, für wen der Sklave noch die Ohren stellt. Vic steht auf, geht zu Hungaricus hin und flüstert ihm etwas ins Ohr.
Vic grinst ihr hinterher und schaut dann zu den Discipuli. "Das war die Sacerdos Dianae Decima Aemilia. Ihr habt ja gehört, weswegen sie hier war. Aber bevor wir näher darauf eingehen, will ich noch das Thema Opferung abschließen."
Er setzt sich wieder hin und fährt im Text fort.
"Nach der Litatio folgt das Bankett. Da die vollständige Verbrennung eines Opfertieres die seltene Ausnahme ist, nehmen normalerweise auch die Menschen daran teil.
Die Einzelteile des Opfertieres werden in den Tempelküchen oder eigens herangeschafften Kesseln gekocht. Die der Gottheit bestimmten Stücke werden dabei separat gekocht. Dies sind die lebensnotwendigen Teile, die ''vitalia'': die Leber, die Galle, die Lunge, das Bauchfell, das Herz, ganz allgemein die inneren Organe. Dazu können sogenannte Erhöhungen, 'augmenta', oder in spezielle Heiligtümern Vermehrungen, 'magmenta' kommen.
Dann, manchmal erst Stunden nach der Tötung des Tieres, speisen die beteiligten Götter zuerst. An manchen Feiertagen dürfen in der Zeit zwischen dem Herausschneiden der Innereien und der Darbringung der gekochten Innereien an die Götter auch profane Handlungen, Rechtsprozesse und dergleichen stattfinden.
Die Speisung erfolgt nach der Hierarchie. Die Götter kommen dabei natürlich zuerst. Die gekochten Einzelteile werden auf dem Altar verbrannt und so in die göttliche Welt überführt. Für den den Menschen bestimmten Anteil gibt es drei Möglichkeiten: Die erste ist die sogenannte cena recta, die richtige Mahlzeit. Die am Opfer Partizipierenden setzen sich zusammen, essen, trinken und feiern. Die zweite Möglichkeit stellen die sportulae dar. Anteile des Opfers werden in kleine Körbe, die so genanten sportulae abgefüllt und den Teilnehmern mitgegeben. Die Größe der Körbe kann dabei variieren und hängt meist vom sozialen Stand ab. Die dritte Möglichkeit, welche auch mit den beiden vorigen kombiniert werden kann, ist der Verkauf von Opferfleisch. Opferanteile werden gegen Geld abgegeben, was bei großen, öffentlichen Opfern wegen der Beteiligung der breiten Bevölkerung der Normalfall ist.
Und mit dem Fest geht das Opfer dann in den weltlichen Bereich über. Für die Tempelangehörigen bleibt dann nur noch das Aufräumen am Ende. Und damit sind wir auch am Ende der Unterrichtseinheit. Fragen zum Opferablauf?"
Vic schaut ihn an, fast etwas verzweifelt.
"Was verlangst du von mir? Sag, was es ist. Aber tue, worum ich dich bitte..."
Genau das, was Vic jetzt braucht.
"Es tut mir leid." Er trinkt einen großen Schluck und hält sich am Becher fest, während er fortfährt.
"Ich redete mit ihm, wie ein guter Römer das tut. Erst schien er alles einzusehen, doch er nahm es auf die leichte Schulter. Je mehr wir redeten, desto uneinsichtiger und aggressiver wurde er. Ich musste ihn wieder gehen lassen. Und er grinste mich an. Ich stand in meiner Casa wie ein Idiot. Und dieses Schwein grinste mich an, als er von unserem Grundstück ging. Da sagte ich zu meinen beiden Hunden: Für Gerechtigkeit müssen wir zu Praefectus Vinicius."
Vic hat sich lange überlegt, was er sagen soll. Und wie er es sagen soll. Als er nun aber vor dem Praefectus steht, hat er schon wieder alles vergessen. Also fängt er einfach mal frei heraus an.
"Ich glaube an Rom. Ich habe in Rom mein Glück gemacht. Wir Valerier haben unsere Schwester Amatia nach der römischen Tradition aufgezogen. Wir ließen ihr viele Freiheiten, aber lehrten sie, ihrer Familie niemals Schande zu machen. Sie fand einen Verehrer, aber... keinen wahren Römer. Sie ging mit ihm zu den Spielen. Wir haben es hingenommen. Anschließend nahm er sie jedoch mit in eine Taverne. Er gab ihr Wein zu trinken und dann.. hat er versucht sie zu küssen. Sie wehrte sich und hat ihre Ehre behalten. Da hat er sich genommen, was er wollte. Wie von einer Sklavin! Er küsste sie auf den Mund und sie konnte nichts dagegen tun. Aber ich werde etwas dagegen tun. Warum werde ich etwas dagegen tun? Sie ist das Licht unseres Lebens. Sie ist ein schönes Mädchen. Sie darf nicht entehrt werden!"
Vic muss sich erstmal setzen. Der Ärger kommt schon wieder in ihm hoch. Ungefragt lässt er sich in dem Stuhl vor Hungaricus Schreibtisch nieder.
Vic folgt dem Ianitor bis in das Büro des Hausherrn.
"Salve Praefectus, möge Mars mit dir sein."
Vic mustert das Kerlchen.
"Hoi, möge Mars mit dir sein. Ich bin Vibius Valerius Victor, Ich würd gern den Praefectus Praetorio Vinicius Hungaricus sprechen."
Lang hat Vic gezögert den Patron aufzusuchen. Doch heute ist der Tag, an dem die Weinlieferung gekommen ist. Und das hat ihn wieder dran erinnert, dass er noch hier vorbei muss, denn der Vorfall war auch an einem Tag mit Weinlieferung gewesen. Eigentlich hat Vic auch gedacht, das würde sich vielleicht so klären, doch je mehr Zeit verstrichen ist, desto mehr musste er daran denken. Die Sache muss aus der Welt geschafft werden - noch bevor Sev wieder zurück nach Rom kommt und irgendwas davon mitbekommt.
Und darum ist er heute hier. Obwohl er nicht allzuviel von dem Patron hält. Der Sev hatte diese ganze Klientengeschichte angeleiert und vordergründig hört sich das ja auch ganz gut an. Aber Fakt ist doch, dass so ein Patron ziemlich unnütz ist, Rabatt im Lupanar von seinem Bruder gibts ja doch keinen. Allerdings hat es natürlich was, Klient vom Praefectus Praetorio zu sein und vielleicht wäre er ja doch zu was nütze.
Victor klopft an die Tür.
"Na wir werden uns beeilen und um Vollständigkeit bemühen."
Vic kann ebenfall kaum einschätzen, wie lange das Inspizieren der Tempel dauern würde. Er kennt sich in Rom immer noch mehr schlecht als recht aus, auch wenn er es mittlerweile schon geschafft hat, alle größeren Tempel des Mars zu besuchen.
"In Ordung, dann bis zum nächsten Opfer. Ich werd da sein, oder vorbei schaun, hrhr."
"Stimmt, Tacitus war der Saturnalienkönig." Vic erinnert sich noch besonders gut an die Saturnalien. Aurelia Deandra hatte da mit ihm geredet und er war noch Tage später deswegen bester Laune gewesen.
"Ist gut, ich sammel die Sachen ein und bringe sie dann im Diana-Tempel vorbei. Gibts eine Frist? Und soll außer Name, Ort und Zustand des Tempels noch irgendwas auf der Liste stehen?"
Elende Bürokratie, wer ist nur wieder auf diese Idee gekommen. Tempelinventur, sowas kann auch nur jemandem einfallen, der zu wenig zu tun hat.
"Wanns dir passt, ich bin immer bereit." Perfekt, das Date steht.
Er lauscht Aemilia, schaut dann zu den Discipuli und zurück zu der Sacerdos. "Jo, das hab ich sogar gelesen. Und mit den Mars-Tempeln hab ich auch schon angefangen, hrhr. Was könnten wir noch übernehmen? Also, ich würde sagen der Grac..., der Flavius kann die Iupiter-Tempel inspizieren, dann kennt er die wenigstens schon alle, wenn er mal Sacerdos Dialis wird. Und Scaurus, hmm, habt ihr schon jemanden für die Apollon-Tempel? Die Merkur-Tempel macht sicher Iulius Imperiosus, oder? Dann könnte Tacitus vielleicht die Saturn-Tempel übernehmen, wenn sich sonst keiner findet. Die Saturn-Priester sind ja sowieso ziemlich unterbesetzt."
Vic grinst, als er Aemilia sieht. Da die Schüler noch dabei sind, das neue Wissen auf ihren Tafeln zu notieren und darüber zu meditieren, steht er auf. Wenn Aemilia in den Unterricht kommt, dann muss es etwas wichtiges geben.
"Wir machen ein paar Minuten Pause." Er tritt zu der Sacerdos. "Salve Amilia. Kommst du für ein Mars-Opfer vorbei? Oder welche Gottheit ist heute dran? Wir sind gerade bei der Opfertheorie, aber danach hätt ich Zeit."
Victor nickt. "Ja, praktische Übungen gehören auch dazu. Aber damit die nicht gleich schief gehen, müsst ihr euch ersteinmal der Theorie widmen.
Also weiter im Programm. Die Eingeweide liegen jetzt also bereit, Zeit für die Eingeweideschau. Dabei wird überprüft, ob das äußerlich fehlerfreie Tier auch innerlich in Ordnung ist oder nicht. Im Moment der Konsekration, der Tötung, in welchem das Tier aus dem menschlichen Bereich in den Bereich der Gottheit überführt wird, macht dieser seinen Willen deutlich. Seine Ablehnung zeigt sich dabei in krankhaften Veränderungen der Innereien bis hin zum Fehlen eines Organs, im schlimmsten Fall des Herzens. Die Interpreation nimmt übrigens der Opferherr selbst vor, nur bei öffentlich wichtigen Opfern ist ein Haruspex dabei.
Die Annahme des Opfers wird durch den Ausspruch ''Litatio!'' verkündet. Scheitert sie, gibt es zwei Möglichkeiten, fortzufahren. Die erste ist, das Opfer abzubrechen. Es ist dann wohl nicht der richtige Zeitpunkt oder Anlass für die Annahme des Opfers durch die Gottheit. Die zweite Möglichkeit besteht darin, das Opfer so lange zu wiederholen, also so lange weitere Tiere zu schlachten, bis die Gottheit das Opfer annimt, das nennt man usque at litationem."
Er schaut die Schüler wieder Fragend an, ob es noch Fragen gibt.
Vic hört dem Gespräch zu, schweift in Gedanken jedoch schon in den Stall hinüber. Dort stehen nicht nur die besten Rennpferde des Imperiums, dort warten auch die kühlsten Quadrigae, ausgerüstet mit den heißesten Sachen, von denen Mann nur träumt: ABS - das antiochische Beschleunigungs System, welches dafür sorgt, dass der Wagen am Start schneller ins Rollen kommt und das, wie sich herausgestellt hat, der ASR - Antriebs Schlupf Regelung - weit überlegen ist, da nicht nur das Durchdrehen der Räder auf glatter Fahrbahn verhindert wird, sondern die Drehung gleichzeitig vorteilhaft genutzt wird; BKV - Bremskraftverstärker - aus Aegyptus, auch wenn Vic nicht weiß, wozu die Wägen überhaupt Bremsen sollten. Aber wenns dann um so besser funktionniert, wenn es denn doch mal sein muss, dann ist das natürlich von Vorteil; OHC -obenliegende Nockenwellen - woher die Abkürzung kommt, weiß Vic nicht, aber sicher aus dem Griechischen. Und die neuen ESP - die Extra-Stabilisierungs-Plaketten - sind ebenfalls schon getestet worden und hatten dazu geführt, dass die Wägen problemlos durch den sogenannten Elchtest kommen, ein Test, bei dem diese komischen nordischen Tiere auf die Rennbahn losgelassen werden und die Fahrer dann geschickt ausweichen müssen.
Schon bei dem Gedanken an diese Gespanne wird Vic ganz anders.
"Salve, Praetor." grüßt Vic artig weiter. Er ist eindeutig im Vorteil in dieser Factio. Lauter berühmte Leute, die man eh kennt, hrhr.
"Ich bin Vibius Valerius Victor, Sacerdos Martialis." Er schaut zu Aeilia. "Ich denke, Vinicius Hungaricus wird sicher auch noch kommen. Meinen Bruder Severus muss ich leider entschuldigen. Er ist für die Sicherheit der Kaiserin auf deren Reise zuständig und kann daher nicht kommen."
"Beides ist möglich. Der Weihrauch hat ganz allgemein die Funktion, den Gott auf das kommende Opfer aufmerksam zu machen. Das ist sozusagen ein überirdisches Räuspern. Für die irdischen Anwesenden dient er gleichzeitig, wie die Belgeitmusik der Tibia, dazu, sich ganz auf das Opfer zu konzentrieren und den Raum des Opfers als heilig zu deklarieren."
Da Vic sowieso schon wieder am Reden ist, fährt er gleich mit dem Opfervorgang fort.
"Nach dem Voropfer zieht die kleine oder auch größere Prozession zum Altar vor dem Tempel. Hier kann bei großen Opfern eine symbolische Reinigung der Teilnehmer durch das Besprengen mit Wasser stattfinden. Der Kopf, manchmal auch der Rücken des Opfertieres, welches am Altar bereit stehen sollte, wird mit der mola salsa bestrichen. Die mola salsa ist eine Mischung aus Salzlake und Speltschrot, welche einmal im Jahr von den Vestalinnen hergestellt und an die Priesterschaften ausgegeben wird.
Dann tritt der Opferleiter, das ist meist der, welcher die Kosten für das Opfer trägt, an das Tier. Er streicht ihm mit dem Opfermesser, dem culter über den Rücken und gibt somit das Zeichen zum Beginn des Opfers. Der Schlächter, ein sogenanngter victimarius aus den Reihen der Popae, fragt: 'Agene?', 'soll ich handeln?'. Die Antwort, das 'Age!' des Opferleiters ist das Signal zur Tötung.
Nun geht alles sehr schnell. Bei einem großen Tier wie einem Rind oder Stier werden die Sehnen der Hinterbeine mit einer Axt durchgehackt oder es wird mit einem Schlag auf den Kopf betäubt, damit es nicht durchgeht. Bei kleinen Tieren reicht das normale Festhalten. Der Victimarius schneidet mit einem kräftigen Schnitt die Kehle des Tieres auf, dieses bricht zusammen und blutet aus. Ein beherzter Schnitt öffnet anschließend den Bauchraum und die Eingeweide, die vitalia werden in bereitgehaltene Spendenschalen, paterae, gelegt.
Fragen?"
Doch, Vic ist sich ganz sicher, für die nächsten Discipuli würde er es aufschreiben.