»Ich war jung und brauchte das Geld!« kam es spontan hervor und dann lachte er fröhlich auf, denn dies war im allgemeinen der nicht ganz ernst gemeinte Spruch von Menschen, welche sich in jungen Jahren für die Aktmalerei auszogen.
Doch dann wurde Gabriel ernster. Ihm war auf gefallen, dass Medeia geschickt von einem Thema abgelenkt hatte. Ein Thema, was sie beschäftigte und ihn nun auch immer mehr. Er versuchte mehr dahinter zu schauen, was sie vielleicht meinen konnte. Und er versuchte zu verstehen, was sie damit meinte, dass, wenn er von ihr und ihm jemanden erzählte, sie damit entehren konnte. Ja, er sah es ein und verstand, auch wenn es ihn ein wenig schmerzte, hatte er doch wieder das Gefühl, kein ehrbarer Mann in den Augen der Gesellschaft zu sein und ihr damit schaden konnte ...
Und es ärgerte ihn, dass er sie wohl irgendwie zuerst falsch verstanden und einen Fehler gemacht hatte.
Denn auch wenn Medeia es geschickt beherrschte, nichts von ihrem wahren Ich preiszugeben, hatte Gabriel das Gefühl, dass sie irgendwie nicht ganz aufrichtig war. Er hatte sie beobachtet, wie sie von der Kliene aufgestanden war, sich streckte und dann wegdrehte, um nach der erloschenen Öllampe zu greifen. Und irgendwie wirkte sie, obwohl es vielleicht auch nur Gabriels Einbildung war, besorgt und nachdenklich.
Denn schon immer hatte Gabriel die Menschen studiert, in dem er genau beobachtete und nicht nur auf den Tonfall ihrer Worte achtete, sondern auch auf ihre Bewegungen und das Mienenspiel. Zwar konnte er eben ihr Gesicht nicht sehen, aber vielleicht sprach auch nur ihre ganze Körperhaltung. Oder es war einfach ein Gefühl.
Doch bevor er erneut darauf einging, wollte er ihr ihre Frage beantworten, welche sie als letztes gestellt hatte:
»Du hast mich nicht beleidigt, was meinen ehemaligen "Beruf" angeht. Es hört sich ja auch seltsam an, wenn man von sich so hochtrabend spricht ...« Er grinste breit.
Dann lehnte er sich zurück und sein Blick ruhte weiter gelassen auf dem von Medeia. Er seufzte kurz und holte dann mit folgenden Worten aus: »Mein Großvater, sowie auch mein Vater verstanden sich vorzüglich in diesem Geschäft. Beide hatten klein angefangen und beherrschten hervorragend den Taschendiebstahl. Und sie lehrten mir dieses Handwerk auch. Mit einer Strohpuppe, an der kleine Beutel hingen, sowie kleine blecherne Schellen lernte ich mich so geschickt zu bewegen, dass ich die Beutel an mich nehmen konnte, ohne das eine Schelle sich bewegte. Denn dies war immer ein Zeichen, das man nicht gut genug war. Und ich lernte es von klein auf. Doch mein Grossvater und mein Vater wollten mehr, als nur den Menschen auf der Strasse das Geld zu stehlen.
Naja, und so kam es, dass sie sich verzwickte Pläne ausdachten, wie sie an wertvolle Dinge in den Villen kamen, späten diese und die Umgebung aus und so entwickelte sich unsere Familie zu einer kleinen Diebesbande, welche an Fassaden hochkletterte und die Reichen von ihren überflüssigen Dingen befreiten!« Gabriel grinste breit und schelmisch.
Er würde Medeia später noch einmal auf das andere Thema ansprechen. Er hatte seinen Weinkelch geleert und merkte, dass er nun auch genug hatte und so wanderte sein Blick über die kleinen Köstlichkeiten auf dem Tisch, doch er hatte eigentlich genug davon gekostet.
Und die Lerche war schon längst verstummt.