Herophilos von Samothrake
http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Wie üblich gab es aber keine Fragen, sodass der Philologe fortfuhr:
"Dann kommen wir nun kurz zur Pneuma-Lehre:
Das Pneuma ist der Vitalstoff Luft, der unseren Körper durchzieht und sich vom Lebenspneuma bis zum Seelenpneuma zeigt. Als Lebenspneuma, das im Herzen seinen Sitz hat, als psychisches Pneuma des Gehirns und als physisches Pneuma der Leber.
Es ist abzugrenzen vom Blut, das hauptsächlich dem Nahrungstransport dient.
Das ursprüngliche Pneuma wird bei jedem Atemzug aufgenommen. Über die Lunge gelangt es dann in die linke Herzkammer. Dort schürt es das Feuer, welches das Blut im Herzen erhitzt. Dort wird der Grundstoff des Pneumas in das rauchige Pneuma zootikon umgewandelt. Ein Teil davon gelangt über die Lunge wieder nach außen.
Das Pneuma zootikon liefert jedoch auch den Grundstoff des Pneuma psychikon - Seelenpneuma -, das im Gehirn zum Seelenpneuma umgearbeitet wird. Dieses Pneuma hat seinen Sitz dabei in den Höhlen des Gehirns, den Ventrikeln."
Er legte die Rolle beiseite und ließ sich die nächste bringen - es ging zügig weiter!
"Damit kennen wir nun die Grundlagen des Körperaufbaus und können uns fragen, wie Krankheiten entstehen:
Schon die Philosophen vor Sokrates sahen in der Gesundheit die Harmonie des Körpers und das Gleichgewicht der Strömungen. Auch in der Viersäftelehre ist dies Grund und Quell der Gesundheit und der Krankheit. Sind die vier Säfte in einem Gleichgewicht, einem Zustand der Harmonie, der sogenannten Synkrasie oder auch Eukrasie, so ist der Körper und der Mensch gesund. Überwiegt jedoch einer der Säfte, so liegt ein Ungleichgewicht im Körper vor, eine schlichte Mischung, die Diskrasie.
Diesem Ungleichgewicht heißt es mit dem ärztlichen Wirken entgegenzusetzen und wieder die Harmonie der Säfte zu erwirken. Zuerst müssen wir jedoch die vier Elemente ärztlichen Handelns verfolgen, die Hippokrates bereits lehrte:
Die Beobachtung, das Einbeziehen mündlicher und schriftlicher Überlieferungen, die Prognose und die Therapie
Beginnen wir aber mit der Beobachtung:
Hippokrates schreibt in seinen Epidemien: „Folgendes waren die Grundlagen unseres Urteils bei Erkrankungen; wir berücksichtigen: Die gemeinsame Natur aller Menschen und die eigentümliche Konstitution jedes Einzelnen, die Krankheit, den Kranken, die Verordnungen, den Arzt, der vorordnet- denn daraus schließen wir auf günstigeren oder schwierigeren Fortgang-, die Einflüsse des Klimas in ihrer Gesundheit, Ausdrucksweise, Verhalten, Schweigen...Verschlimmerungen, Abgänge, Harn, Auswurf, Erbrechen; Schweiß, Frösteln, Kälte, Husten, Niesen, Schlucken. Auf diesen Symptomen muss man erschließen, was durch sie folgt.“
Wir müssen hier also eine Reihe von Fragen stellen, um umfassende Kenntnis über den Kranken und seine Kontexte zu gewinnen:
Zuerst die Krankengeschichte des Patienten: An welchen Krankheiten litt er schon einmal? Gibt es Beschwerden, die immer wieder auftraten? Seit wann hat er die Beschwerden? In welcher Form äußern sie sich?
Sodann sind die klimatischen Bedingungen nicht zu vergessen: Wie ist das Klima an seinem Wohnort? Lebt er auf dem Land oder in der Stadt? Lebt er in einer Insula oder in einer Villa? Lebt er an einem Sumpf oder am Meer?
Auch die Lebensumstände, in denen der Kranke sich befindet: Welcher Arbeit geht er nach? Fragen über seine Familienverhältnisse sind auch nicht verkehrt und nach den Belastungen, die er täglich ausgesetzt ist.
Schließlich ist der Patient natürlich auch zu untersuchen: Welche Symptome äußert er? Wie ist seine Hautfarbe? Blass, Rot oder zeigt sie Veränderungen in ihrer Struktur?
Für letzteres sind wiederum drei Techniken anzuwenden:
1. Die Inspektion: Das Auge erkennt die Zeichen der Krankheit
2. Die Palpation: Was das Auge nicht erkennt, ertastet die Hand
3. Die Auskultation: Der Patient wird leicht geschüttelt, um die Säfte hörbar zu machen.
Somit sind Augen, Hände und Ohren die wichtigen Instrumente der Beobachtung.
Weiter wichtig ist in diesem Zusammenhang:
1. Der Puls: Wie zeigt er sich? Schnell, langsam, unregelmäßig?
2. Der Urin: Welche Konsistenz hat der Urin? Klar und gelb, wie es sein sollte? Oder dunkel? Oder voller fester Elemente? Welchen Geruch hat er? Übermäßig bitter? Oder eher viel zu süß?
Gerade beim Urin gibt es einen Test, den ich noch gerne an dieser Stelle erwähnen will. Es gibt eine Krankheit, die sich oftmals in übermäßigem Schwitzen, großem Durst und schließlich der Bewusstlosigkeit des Patienten äußert. Unbehandelt führt diese zum Tod.
Um herauszufinden, ob der Patient an dieser Krankheit leidet, nimmt man etwas von seinem Urin. Schließlich stellt man diesen zu Bienen. Fangen die Bienen an, diesen Urin zu trinken, kann man sicher sein, dass es sich um die Krankheit handelt, da der Urin übermäßig süß, wie bei Honig ist (Diabetes Mellitus).
Sodann folgt der zweite Schritt: Die Beurteilung anhand mündlicher und schriftlicher Überlieferungen und Erfahrungen der bisherigen empirischen Medizin.
Zuerst ist hier natürlich zu fragen: Kam die Krankheit in der Form schon einmal vor? Welche Erfahrung hatte die Medizin mit dieser?
Greift auf eure Erfahrungen zurück und auf die Erfahrungen älterer Mediziner. Oftmals kann dort noch die Lösung für die Prognose des Patienten und die Möglichkeit der Therapie gefunden werden.
Dieser Prozess ist jedoch oftmals schon mit der Prognose in Zusammenhang zu bringen, denn der Schritt vom eigenen Wissen über die Krankheit und dem Verlauf der Krankheit ist nur ein sehr kleiner.
Zu dieser kommen wir nun: Auf Basis der Erfahrung ist die Prognose zu erstellen:
Sie antwortet auf die Fragen: Wie wird die Krankheit verlaufen? Was charakterisiert sie und wie wird die Krankheit sehr wahrscheinlich ausgehen?
Denn nicht am Namen der Krankheit oder an der Ursache ist der Patient interessiert - Nein, er möchte wissen, wie lange er unter der Krankheit zu leiden hat, ob er gesunden wird oder sterben muss!
Im Verlauf einer Krankheit wird es bei fast allen Patienten eine sogenannte Krisis geben. Die Krisis ist der Höhepunkt eines Krankheitsverlaufs. Dies ist die entscheidende Phase der Krankheit. Hier entscheidet sich, ob der Patient mit Hilfe des Arztes oder der Heilkraft der Natur die Krankheit überwinden kann.
Bei bestimmten Krankheitsverläufen ist dies vom Beginn der Krankheit an vorbestimmt. So gelten der 4., 7., 11., 14., 20., 34., 40. und der 60. Tag als besonders kritisch in Hippokrates’ verfasstem Prognosticon."