Beiträge von Narrator Aegypti

    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Als die Studenten an diesem Tag den Hörsaal betraten, lag auf dem langgestreckten Pult etwas, das von einer Decke verdeckt war. Herophilos war heute - anders als bei den letzten Vorlesungen - offenbar ein bisschen aufgeregt. Der Gnorimos hatte auch keine Schriftrolle vorbereitet, wie es schien, denn der Philologe stand direkt vor dem Tisch, als er begann:
    "Wir werden heute dort weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben. Wir sprachen von den drei Formen der Therapie - der Diätik, der Chirurgie und der medikamentösen Behandlung. Für alle drei sind anatomische Kenntnisse von Bedeutung:


    Denn um zu verstehen, wie die vier Säfte und das Pneuma im menschlichen Körper wirken, ist es bereits notwendig, diesen Körper genau zu studieren: Möchte ich zur Ader lassen, muss ich wissen, an welchen Stellen dies nützlich ist. Möchte ich chirurgisch tätig werden, liegt die Notwendigkeit den Körper, in den ich einwirke, zu kennen auf der Hand. Aber auch der Diätiker wird um die menschliche Anatomie nicht herumkommen, denn schon der erste Schritt des menschlichen Handelns - die Beobachtung - setzt voraus, dass wir Veränderungen erkennen.


    Ich werde also nun nach der Theorie zur Anatomie kommen. Sie beschäftigt sich einerseits mit dem Aufbau des menschlichen Körpers - also der topographischen Lage der Organe, Muskeln und Knochen - zum anderen mit deren Zusammenwirken. So können wir verstehen lernen, wie ein Muskel funktioniert, aber auch, welche Nerven welche Partien des Körpers kontrollieren."




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg "Das ist bedauerlich. Auch wenn Hippokrates noch stark zwischen den Chirurgen und den Allgemeinärzten differenziert und noch heute viele entweder das eine oder das andere betreiben, muss jeder Arzt Kenntnisse in beiden Bereichen besitzen."
    kommentierte er die fehlende chirurgische Ausbildung der jungen Frau.
    "Wir werden natürlich nicht alles behandeln können, aber ich kann euch zum einen Literatur empfehlen, um euch später selbst weiterzubilden. Zum anderen werde ich euch zeigen, wie man eine Sektion durchführt, sodass ihr die Theorie auch selbst in die Praxis umsetzen könnt."
    Ausbildung zur Selbstbildung - ein Prinzip, das Herophilos für einen Wissenschaftler für unerlässlich hielt.
    "Ich werde die Vorlesung für heute beenden. Dann sehen wir uns morgen. Bis dahin lest die ersten Kapitel in den Anatomischen Untersuchungen des Herophilos von Chalkedon. Ihr findet das Buch in mehrfacher Ausführung in der Bibliothek."
    Er winkte die wissbegierige Studentin zu seinem Pult herab.
    "Wenn du konkrete Fragen hast, können wir diese gern noch einen Moment diskutieren."




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Endlich meldete sich einer der Studenten - das Mädchen, das ihm so bekannt vorkam! Ihre Frage bezog sich aber nicht direkt auf den Stoff, sondern eher darauf, was man noch alles lernen konnte. Scheinbar hatte er sich bei dem bisher Gesagten klar genug ausgedrückt...
    "Wir werden in der Tat morgen eine Sektion durchführen, um die Anatomie des Menschen anhand dem tierischen Abbild kennen zu lernen. Wir können uns dabei gern in besonderer Weise dem Schädel zuwenden. Auch kann ich demonstrieren, wie eine Operation in diesen Bereichen funktioniert."
    Immerhin hatte sie nach seinem Fachgebiet gefragt, was ihm natürlich sehr schmeichelte.
    "Eine echte Operation werden wir dagegen kaum durchführen können - es sei denn, es findet sich zufällig ein Patient, welcher genau solcher Therapien bedarf. Interessiert dich ein spezieller Eingriff oder ist es eher ein allgemeines Interesse an der obersten Extremität, das dich leitet?"




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Noch immer schwieg das Auditorium, sodass es direkt weitergehen konnte:
    "Als vierter Schritt endlich folgt die Therapie:
    Auf Grundlage von Beobachtung und Erfahrung ist, sofern die Prognose es nicht ohnehin für hoffnungslos erklärt, eine genaue Therapie zu entwickeln. Sie kann durch einen Ernährungs- und Lebensplan (Diätisch), durch Pflanzen (Medikamentös) oder mittels des Messers (Chirurgisch) erfolgen.
    Diese Maßnahmen zielen darauf, den Körper wieder in die Harmonielage der Säfte zurückzuführen. Nicht selten versucht man, den Körper zu einer Coctio zu veranlassen, um die Säfte wieder loszuwerden. Daraus resultiert das typische Fieber und die Rötung. Gelingt es dem Körper nicht, die Säfte zu beseitigen, können diese sich als Geschwüre im ganzen Körper ausbreiten - die Metastasen.


    Um den Körper also zu unterstützen, gibt es verschiedene Maßnahmen:
    Erstens: Das Beseitigen des überschüssigen Saftes.
    Sogenannte evakuierende Maßnahmen sollen dies erreichen, indem der zu starke Saft aus dem Körper abgeführt wird, sodass der Körper sich danach wieder erholen kann.


    Solche Maßnahmen sind:
    - Schröpfen mittels der Schröpfköpfe
    - Abführen und Erbrechen durch Einsatz von Brech- und Abführmittel
    - Harnablass durch Förderung der Harnentleerung
    - Schwitzen
    - Niesen


    Zweitens: Diaita - Diät - und Medikation
    Das einfache und doch wirksame Konzept in der Diaiti Medikation zielt auf dem Prinzip des contraria contrariis. Das Gegenteil der Disharmonie führt somit zu dem Gleichgewicht zurück, da beides sich gegenseitig ausschließt.


    Die Diätetik ist neben der Chirurgie die erste Wahl in der Therapie. Sie umfasste jedoch nicht nur einen Ernährungsplan zu erstellen, der auf die Diskrasie ausgerichtet war, sondern auf fast alle Bereiche des Lebens. Eine Ordnung des Lebens, die Ennomia, soll wiederhergestellt werden. Zu regeln sind dabei die sex res non naturales Licht und Luft, Speise und Trank, Arbeit und Ruhe, Schlafen und Wachen, Ausscheidungen und Absonderungen und die Zustände des Gemütes.
    Denn eine Beschränkung auf die res naturales, das heißt die Säfte, die Elemente und die Konstitution wäre für die Therapie ungenügend.


    Drittens: Die Chirurgie
    Manche Krankheiten sind durch die Diati und durch Pflanzenmittel nicht mehr zu heilen. Hier muss nun das Messer des Chirurgen zum Einsatz kommen. Ein solcher Eingriff ist jedoch immer mit großem Risiko verbunden und in einigen Fällen auch mit tödlichem Verlauf. Es gibt viele Operationen, die heutzutage getätigt werden. Am Auge, in den Eingeweiden bis hin zu Operationen am Schädel und dem Gehirn."

    Damit war er dort angekommen, wo sein Fachgebiet lag. Ehe er aber näher darauf eingehen wollte, gab er nochmals Gelegenheit, Fragen zu stellen.




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Wie üblich gab es aber keine Fragen, sodass der Philologe fortfuhr:
    "Dann kommen wir nun kurz zur Pneuma-Lehre:
    Das Pneuma ist der Vitalstoff Luft, der unseren Körper durchzieht und sich vom Lebenspneuma bis zum Seelenpneuma zeigt. Als Lebenspneuma, das im Herzen seinen Sitz hat, als psychisches Pneuma des Gehirns und als physisches Pneuma der Leber.
    Es ist abzugrenzen vom Blut, das hauptsächlich dem Nahrungstransport dient.


    Das ursprüngliche Pneuma wird bei jedem Atemzug aufgenommen. Über die Lunge gelangt es dann in die linke Herzkammer. Dort schürt es das Feuer, welches das Blut im Herzen erhitzt. Dort wird der Grundstoff des Pneumas in das rauchige Pneuma zootikon umgewandelt. Ein Teil davon gelangt über die Lunge wieder nach außen.


    Das Pneuma zootikon liefert jedoch auch den Grundstoff des Pneuma psychikon - Seelenpneuma -, das im Gehirn zum Seelenpneuma umgearbeitet wird. Dieses Pneuma hat seinen Sitz dabei in den Höhlen des Gehirns, den Ventrikeln."
    Er legte die Rolle beiseite und ließ sich die nächste bringen - es ging zügig weiter!
    "Damit kennen wir nun die Grundlagen des Körperaufbaus und können uns fragen, wie Krankheiten entstehen:


    Schon die Philosophen vor Sokrates sahen in der Gesundheit die Harmonie des Körpers und das Gleichgewicht der Strömungen. Auch in der Viersäftelehre ist dies Grund und Quell der Gesundheit und der Krankheit. Sind die vier Säfte in einem Gleichgewicht, einem Zustand der Harmonie, der sogenannten Synkrasie oder auch Eukrasie, so ist der Körper und der Mensch gesund. Überwiegt jedoch einer der Säfte, so liegt ein Ungleichgewicht im Körper vor, eine schlichte Mischung, die Diskrasie.


    Diesem Ungleichgewicht heißt es mit dem ärztlichen Wirken entgegenzusetzen und wieder die Harmonie der Säfte zu erwirken. Zuerst müssen wir jedoch die vier Elemente ärztlichen Handelns verfolgen, die Hippokrates bereits lehrte:
    Die Beobachtung, das Einbeziehen mündlicher und schriftlicher Überlieferungen, die Prognose und die Therapie


    Beginnen wir aber mit der Beobachtung:
    Hippokrates schreibt in seinen Epidemien: „Folgendes waren die Grundlagen unseres Urteils bei Erkrankungen; wir berücksichtigen: Die gemeinsame Natur aller Menschen und die eigentümliche Konstitution jedes Einzelnen, die Krankheit, den Kranken, die Verordnungen, den Arzt, der vorordnet- denn daraus schließen wir auf günstigeren oder schwierigeren Fortgang-, die Einflüsse des Klimas in ihrer Gesundheit, Ausdrucksweise, Verhalten, Schweigen...Verschlimmerungen, Abgänge, Harn, Auswurf, Erbrechen; Schweiß, Frösteln, Kälte, Husten, Niesen, Schlucken. Auf diesen Symptomen muss man erschließen, was durch sie folgt.“


    Wir müssen hier also eine Reihe von Fragen stellen, um umfassende Kenntnis über den Kranken und seine Kontexte zu gewinnen:
    Zuerst die Krankengeschichte des Patienten: An welchen Krankheiten litt er schon einmal? Gibt es Beschwerden, die immer wieder auftraten? Seit wann hat er die Beschwerden? In welcher Form äußern sie sich?
    Sodann sind die klimatischen Bedingungen nicht zu vergessen: Wie ist das Klima an seinem Wohnort? Lebt er auf dem Land oder in der Stadt? Lebt er in einer Insula oder in einer Villa? Lebt er an einem Sumpf oder am Meer?
    Auch die Lebensumstände, in denen der Kranke sich befindet: Welcher Arbeit geht er nach? Fragen über seine Familienverhältnisse sind auch nicht verkehrt und nach den Belastungen, die er täglich ausgesetzt ist.
    Schließlich ist der Patient natürlich auch zu untersuchen: Welche Symptome äußert er? Wie ist seine Hautfarbe? Blass, Rot oder zeigt sie Veränderungen in ihrer Struktur?


    Für letzteres sind wiederum drei Techniken anzuwenden:
    1. Die Inspektion: Das Auge erkennt die Zeichen der Krankheit
    2. Die Palpation: Was das Auge nicht erkennt, ertastet die Hand
    3. Die Auskultation: Der Patient wird leicht geschüttelt, um die Säfte hörbar zu machen.


    Somit sind Augen, Hände und Ohren die wichtigen Instrumente der Beobachtung.


    Weiter wichtig ist in diesem Zusammenhang:
    1. Der Puls: Wie zeigt er sich? Schnell, langsam, unregelmäßig?


    2. Der Urin: Welche Konsistenz hat der Urin? Klar und gelb, wie es sein sollte? Oder dunkel? Oder voller fester Elemente? Welchen Geruch hat er? Übermäßig bitter? Oder eher viel zu süß?
    Gerade beim Urin gibt es einen Test, den ich noch gerne an dieser Stelle erwähnen will. Es gibt eine Krankheit, die sich oftmals in übermäßigem Schwitzen, großem Durst und schließlich der Bewusstlosigkeit des Patienten äußert. Unbehandelt führt diese zum Tod.
    Um herauszufinden, ob der Patient an dieser Krankheit leidet, nimmt man etwas von seinem Urin. Schließlich stellt man diesen zu Bienen. Fangen die Bienen an, diesen Urin zu trinken, kann man sicher sein, dass es sich um die Krankheit handelt, da der Urin übermäßig süß, wie bei Honig ist (Diabetes Mellitus).


    Sodann folgt der zweite Schritt: Die Beurteilung anhand mündlicher und schriftlicher Überlieferungen und Erfahrungen der bisherigen empirischen Medizin.
    Zuerst ist hier natürlich zu fragen: Kam die Krankheit in der Form schon einmal vor? Welche Erfahrung hatte die Medizin mit dieser?


    Greift auf eure Erfahrungen zurück und auf die Erfahrungen älterer Mediziner. Oftmals kann dort noch die Lösung für die Prognose des Patienten und die Möglichkeit der Therapie gefunden werden.
    Dieser Prozess ist jedoch oftmals schon mit der Prognose in Zusammenhang zu bringen, denn der Schritt vom eigenen Wissen über die Krankheit und dem Verlauf der Krankheit ist nur ein sehr kleiner.


    Zu dieser kommen wir nun: Auf Basis der Erfahrung ist die Prognose zu erstellen:
    Sie antwortet auf die Fragen: Wie wird die Krankheit verlaufen? Was charakterisiert sie und wie wird die Krankheit sehr wahrscheinlich ausgehen?
    Denn nicht am Namen der Krankheit oder an der Ursache ist der Patient interessiert - Nein, er möchte wissen, wie lange er unter der Krankheit zu leiden hat, ob er gesunden wird oder sterben muss!


    Im Verlauf einer Krankheit wird es bei fast allen Patienten eine sogenannte Krisis geben. Die Krisis ist der Höhepunkt eines Krankheitsverlaufs. Dies ist die entscheidende Phase der Krankheit. Hier entscheidet sich, ob der Patient mit Hilfe des Arztes oder der Heilkraft der Natur die Krankheit überwinden kann.
    Bei bestimmten Krankheitsverläufen ist dies vom Beginn der Krankheit an vorbestimmt. So gelten der 4., 7., 11., 14., 20., 34., 40. und der 60. Tag als besonders kritisch in Hippokrates’ verfasstem Prognosticon."




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Am nächsten Tag stand Herophilos wieder zur gewohnten Zeit an der gewohnten Stelle im Vorlesungssaal. Ohne einen Gruß begann er zu reden, nachdem der Gnorimos ihm die entsprechenden Unterlagen aufs Pult gelegt hatte:
    "Nach den theoretischen Grundlagen und Richtungen wollen wir uns heute endlich mit den Grundlagen der Therapie befassen: mit der Humoralpathologie - der Viersäftelehre - , der Pneumalehre und den Prognosen und Therapien."
    Er sah kurz auf seine Unterlagen.
    "Wie ich schon erzählt habe, ist Empedokles die Grundlage für die heute übliche Viersäftelehre. Empedokles vertrat die Ansicht, dass der Kosmos auf vier Elementen aufgebaut ist: Feuer, Luft, Erde und Wasser. Die führte zu der Ausbildung des Viererschemas.


    Verschiedenste philosophische Strömungen fügten der Elementelehre noch verschiedene andere Aspekte hinzu, aber immer vier in der Zahl. Wichtig für die Vier Säfte Lehre sind die Eigenschaften Warm, Trocken, Kalt, Feucht.


    So zeichnen die Elemente jeweils zwei dieser Eigenschaften aus:
    Feuer: Warm und Trocken
    Wasser: Kalt und Feucht
    Erde: Kalt und Trocken
    Luft: Warm und Feucht


    In der Medizin wurden der Elementelehre die vier wichtigen Körpersäfte hinzugefügt. Die Säfte wurden den Elementen zugeordnet, da ihre Eigenschaften mit ihnen übereinstimmten:
    Feuer: gelbe Galle - Cholera
    Wasser: Schleim - Phlegma
    Erde: Schwarze Galle - Melancholera
    Luft: Blut - Haima


    Daraus folgend können wir den vier Säften auch verschiedene Eigenschaften zuordnen:
    Gelbe Galle: Warm und Trocken
    Schleim: Kalt und Feucht
    Schwarze Galle: Kalt und Trocken
    Blut: Warm und Feucht


    Die vier Säfte werden in den vier Wichtigen Organen des Körpers zugeordnet: dem Gehirn, der Leber, der Milz und dem Herzen."
    Er blickte wieder auf und hob den Zeigefinger.
    "Nun stellt sich die Frage, wie diese Säfte entstehen:


    Grundlage für die vier Säfte sind die Speisen, die wir zu uns nehmen. Diese werden in den Körper und den Darm aufgenommen und dort durch Pepsis (Dauung), beziehungsweise durch Coctio (Kochung) in seine verwertbaren und die nicht verwertbaren Bestandteile aufgetrennt.


    Die nicht verwertbaren Teile werden der Milz zugeführt. Sie bildet die schwarze Galle aus diesem Teil.
    Der verwertbare Nahrungsbrei wird dann vom Darm aus der Leber zugeführt. Aus dem Nahrungsbrei entsteht in der Leber schließlich das Blut und als Überschuss die gelbe Galle.
    Das Blut wird nun von der Leber ins Herz transportiert. Das Herz ist in zwei Kammern aufgeteilt - die linke und die rechte Kammer. In der linken Kammer herrscht ein ständiges Feuer, das ständig durch das zugeführte Pneuma angeheizt wird. Im Herzen wird es über das Feuer in der linken Herzkammer erhitzt. Dabei tritt die Hitze über die Herzporen zwischen den beiden Kammern über. Somit erhält das Blut dort seine endgültige Form und wird von dort in die Peripherie des Körpers gebracht, wo es dann versickert. Das Blut muss ständig von der Leber nachproduziert werden.
    Das Gehirn bildet schließlich den kalten und feuchten Schleim.


    Die Pepsis wird wiederum in drei Stadien aufgeteilt, die sogenannte Digestionslehre:
    Die erste Digestion vollzieht sich im Magen. Dort wird der Nahrungsbrei, chylus, in minderwertige Teile und die reinen Teile getrennt. Die minderwertigen Teile werden in Milz als schwarze Galle aufgearbeitet und dann über Magen und Darm zur Ausscheidung gebracht.
    Die zweite Digestion findet in der Leber statt. Dort wird aus dem reinen chylus das Blut, gelbe und schwarze Galle gebildet. Der Rest wird über den Harn ausgeschieden.
    Die dritte Digestion erfolgt in allen Teilen des Körpers. Das Blut in der Körperperipherie wird aufgebraucht und die Abfallbestandteile gelangen über den Schweiß aus dem Körper.


    Grob zusammengefasst kann man dem Viererschema jetzt auch die Organe hinzufügen:
    Das Herz ist mit dem Blut verbunden und daher warm und feucht; dem Element Luft verwandt
    Die Leber mit der Gelben Galle, also Warm und Trocken und mit dem Feuer asoziiert.
    Das Gehirn produziert den Schleim, ist Kalt und Feucht wie das Wasser
    Die Milz hängt mit der Schwarzen Galle zusammen, daher mit Kalt und Trocken und der Erde verbunden.


    Als letztes kann man dem Schema noch vier verschiedene Temperamente hinzufügen. Jeder der vier Säfte und ein Überwiegen dieses Saftes führen zu bestimmten Charaktereigenschaften:
    Bei dem Choleriker ist die gelbe Galle im Überschuss vorhanden. Der Choleriker ist aufbrausend, jähzornig und heftig in seinem Wesen.
    Der Melancholiker zeigt ein trauriges Wesen, eine getrübte Gemütsverfassung, Verstimmung bis hin zum Wahn. Bei ihm ist die schwarze Galle dominant.
    Der Sanguiniker, der oft überreizt, sehr erregt, aber auch heiter ist, hat zuviel des Blutsaftes in sich.
    Der Phlegmatiker wird in seinem Verhalten und seinem Wesen langsamer, zögerlicher und wird oft als oberflächlich eingeschätzt. Ihm ist zuviel Schleim inne.


    Somit hätten wir das Schema im Großen und Ganzen zusammen:
    Das Herz: Blut; Warm und Feucht; Feuer; der Sanguiniker
    Die Leber: Gelbe Galle; Warm und Trocken; der Choleriker
    Das Gehirn: Schleim; Kalt und Feucht; der Phlegmatiker
    Die Milz: Schwarze Galle; Kalt und Trocken; der Melancholiker

    Dieser Teil der Vorlesung war relativ lang, dafür aber recht übersichtlich, wie der Philologe befand. Deshalb gab er auch nicht sehr viel Zeit, um an dieser Stelle Fragen zu stellen.




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg
    "Seit und neben Hippokrates gibt es aber selbstverständlich zahlreiche weitere Schulen der Heilkunde. Manche waren und sind einflussreicher, manche nur eine kleinere, regional begrenzte Gruppe. Deshalb werde ich hier eine kleine Auswahl nennen, um euch einen Eindruck von der Vielzahl der medizinischen Wege zu geben:


    Beginnen wir mit den Dogmatikern, die am nächsten an Hippokrates sind - nämlich seine direkten Nachfolger. Sie galten stets als Imitatoren der großen Vorbilder. Sie wandten das Wissen ihrer Vorgänger an und auch nur so. Sie waren eher als reine Handwerker zu betrachten. Doch unter den Dogmatikern gab es durchaus größere Geister, die selbst in der Lage waren, der Wissenschaft der Medizin noch etwas hinzuzufügen.
    Zwei wichtige Vertreter waren Diokles aus Karystos und Praxagoras aus Kos:
    Diokles war ein Forscher der Anatomie des Menschen und viele seiner Studien gingen in diese Richtung. Für ihn war das Herz das wichtigste Organ im Körper und auch Grund für alle Geisteskrankheiten. Er heißt, er hätte das erste Kräuterbuch geschrieben, neben anderen Schriften, wie über die Augenkrankheit. Er gilt außerdem als der Schüler des Aristoteles, der ebenfalls schon, wie ich bereits erläutert habe, das Herz als wichtigstes Organ gesehen hat.
    Praxagoras aus Kos war gewissermaßen ein Landsmann des großen Hippokrates. Praxagoras beschäftigte sich intensiv mit der Pulslehre und setzte darin als erster griechischer Arzt die Basis für unser heutiges Wissen darüber.


    Eine weitere, gerade an diesem Ort wichtige Schule ist die Schule von Alexandria. Wie ihr wisst, wanderte das geistige Zentrum des Hellenentums vor etwa vierhundert Jahren hierher, nach Alexandria. Bis heute strahlen die Namen Euklid und Archimedes über dieser Stätte der Wissenschaft.
    Medizinisch taten sich hier insbesondere die Anatomen hervor. Hier wurden wohl die ersten Sektionen an menschlichen Leichen durchgeführt und wichtige Gelehrte prägten die Medizin von hier aus dauerhaft.
    Beispielhaft stehen hierfür Herophilos und Praxagoras:
    Herophilos lebte vor etwa vierhundert Jahren hier und zählt ebenfalls zu den Anhängern des Hippokrates. Bedingt durch seine Forschungen tendierte er später jedoch auch zu den skeptischen Philosophen. Durch Herophilos hat die Medizin große anatomische Kenntnisse gewonnen. Genau beschreibt er das Auge, das Gehirn mit den Hohlräumen [Ventrikel] und den Gehirnhäuten, die Gefäßsysteme des Körpers, die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. Er gab auch einen Teil des Darmes den Namen, der er heute auch noch hat, Duodenum- der Zwölffingerdarm. Es heißt, dass Herophilos auch Vivisektionen, das heißt das anatomische Forschen und Sezieren am lebenden Menschen, durchgeführt hat. Doch belegt ist dies nicht.
    Als Schüler des Dogmatikers Praxagoras verfolgte er auch die Pulslehre. Durch genaues Beobachten mit der Wasseruhr forschte er an der Lehre. Auch unterschied Herophilos zwischen zwei unterschiedlichen Lähmungen, Lähmungen der Bewegung und Ausfall sensiblen Reizen gegenüber. Er verfolgte zwar die Säftelehre, doch hinderte ihn sein Skeptizismus nicht, die Theorie durch Experimente belegt oder widerlegt zu sehen. In seiner praktischen Tätigkeit griff er aber durchaus auf die „Götterhände“ und den Aderlass zurück.
    Auf ihn geht der Spruch zurück: Der beste Arzt ist derjenige, der das Mögliche vom Unmöglichen unterscheiden kann!"

    Er blickte in die Reihen - seine Augen leuchteten und man konnte sehen, dass Herophilos seinen Namensvetter verehrte.
    "Der zweite große Alexandriner, Erasistratos von Julis auf Keos, ein Zeitgenosse des Herophilos, schrieb wohl an die 62 Bücher. Auch er war Anatom, der wie Herophilos unterschiedliche Lähmungen erklärte, den Aufbau des Gehirns, des Herzens und der Gefäße beschrieb. So sah er in dem Herzen den Ausgang aller Flüssigkeitsbewegungen.
    Auch die „unmerkliche Transpiration“ geht auf Erasistratos zurück. Damit beschrieb Erasistratos das Phänomen, dass von allen lebendigen Wesen weniger ausgeschieden, als aufgenommen wird. Mit der unmerklichen Transpiration verschwindet ein Teil der Stoffe. Er fand auch heraus, dass bei der Bauchwassersucht die Leber hart wird und dass bei Wasseransammlungen in der Bauchhöhle die Leber mitverantwortlich ist.
    Durch seine Forschungen wandte er sich schließlich von der Humoralpathologie ab und der Solidarpathologie zu. So beruhte seine Theorie auf der des Demokrit und der Lehre über das Pneuma. Er glaubte, dass die Atome im Körper durch die äußere Luft, die in den Adern zirkuliert, belebt werden. Krankheit und Gesundheit beruhen darauf, wie gut die Luft durch die Adern strömen kann. Kommt es zu einem lokalen Blutandrang, wurde der Luftstrom gestört und der Mensch krank. Therapeutisch gesehen war Erasistratos jedoch gegen Aderlass und das Verabreichen vieler Kräuter und Heilmittel.
    Es gab und gibt heute immer noch Anhänger seiner Schule, die große Verbreiterung in dem griechischen, aber auch römischen Raum fand."

    Er rollte die Rolle ein wenig weiter und machte dadurch eine kurze Pause.
    "Ebenfalls hier in Alexandria entstand die sogenannte Schule der Empiriker.
    Vor ungefähr dreihundert Jahren entwickelte sich in Alexandria eine weitere medizinische Schule, die Schule der Empiriker. Sie lehnten die philosophischen Spekulationen und die wissenschaftlichen Experimente ihrer Vorgänger ab, sondern leiteten und leiten bis heute alles aus ihren eigenen Beobachtungen der Kranken ab und bestreiten, dass es möglich wäre, von der Anatomie und den damit verbundenen Spekulationen auf die praktische Tätigkeit am Kranken Rückschlüsse ziehen zu können - welch engstirnige Meinung!"

    Er lächelte abschätzig - als Anatom hielt er seinen Fachbereich selbstverständlich für einen zentralen Bestandteil der Heilkunst!
    "Aus den Beobachtungen, der Überlieferung fremder Beobachtungen, den Erfahrungen und dem daraus gefolgerten Zustand des Patienten bestimmten sie die Therapie.
    In ihrem strikten Dogmatismus, Dogmen abzulehnen, gerieten sie logischerweise selbst in eine Sackgasse und verloren an Bedeutung. Was sie der Medizin jedoch hinterließen, war eine ausgefeilte Lehre der Symptome sowie Fortschritte in der Chirurgie.
    Untrennbar sind mit dieser Schule bis heute die Namen Philinos von Kos - Kos ist offenbar eine ständig sprudelnde Quelle von Ärzten - , Pyrrhon von Elis, Serapion von Alexandria und Glaucias von Tarent.


    Die nächste wichtige Schule wären die Methodiker. Sie basieren auf den naturphilosophischen Erkenntnissen der Vorsokratiker und entstanden erst vor etwa zweihundert Jahren. Ihre Großen wirkten daher bis in jüngste Zeit, man denke an Themisos von Laodikeia oder Thessalos von Tralleis, mit dem ich selbst noch das zweifelhafte Vergnügen hatte.


    Auch die Methodiker haben ihre Basis in der Atomlehre des Demokrit, den ich schon bei den Philosophen erwähnte. Alles, auch alle nicht materiellen Dinge, besteht aus kleinen, dicht gelagerten, unveränderlichen und unsichtbaren Teilchen, den Atomen. Alle Veränderung und letztendlich auch das Vergehen beruhten auf Umlagerung dieser Atome. Asklepiades von Bithynien versuchte diese Lehre als erster in die Medizin zu integrieren. Durch ihn entwickelten die Methodiker das Krankheitskonzept aus der Disharmonie der Atome bestand.
    Themison von Laodikeia - mein Vater hörte ihn noch persönlich - entwickelte daraus eine Krankheitstheorie, die auf eine Störung der Körperporen beruhte. Er unterschied dabei in drei Zustände:
    Den status laxus - den schlaffen Zustand - , der zur vermehrten Sekretion von Körperflüssigkeiten führt, der sogenannten Hypersekretion.
    Den status strictus als Gegenteil, als erhöhter Spannungszustand, der das Ausscheiden der Säfte verhindert, was zur einer Hyposekretion führt.
    Zuletzt den status mixtus, einen Mischzustand beider Zustände.
    Somit sind alle Krankheitsformen auf diese drei Zustände zurückzuführen. Der Theorie nach, braucht der Medicus auch keine weiteren Kenntnisse, wie die Anatomie des Menschen. In seiner Therapie kamen vorwiegend Medikationen zur Anwendung, die laxierend oder relaxierend wirkten.
    Thessalos ging noch einige radikalere Schritte als seine Vorgänger. Für ihn war alles uninteressant und unwichtig, was nicht seiner Theorie folgte. Andere Erkenntnisse und Krankheitslehren wurden von ihm ignoriert oder als dogmatisch abgelehnt. Er holte sich seine Schüler aus den niederen Schichten und machte sie innerhalb kürzester Zeit zu Ärzten. Grundlage war das einfache System der Methodiker. Mehr brauchte ein Arzt nicht zu wissen."

    Er sah streng in die Runde.
    "Es versteht sich von selbst, dass eine solch reduktionistische und platte Lehre keinen vernünftigen Iatros überzeugen kann. Dennoch nenne ich sie, um euch davor zu warnen, solltet ihr je einem von ihnen begegnen.


    Wenden wir uns aber nun lieber der letzten Schule zu, den Pneumatikern. Ihre Schule entstand vor etwas zweihundert Jahren und war sehr an die Lehre der Stoa angelehnt. Nach den Pneumatikern war den Körper beherrschendes Element das pneuma. Wenn auch die Lehre der Pneumatiker allesamt die Auffassung mit dem pneuma gemeinsam hatte, war sie wohl die einzige Schule, die eine große Mischung vieler Anhänger anderer Schulen aufwies. Unter den Pneumatiker konnten Eklektiker gefunden werden, die aus allen medizinischen Systemen der Antike schöpften, aber auch Anhänger des Hippokrates.


    Wichtige Vertreter der Pneumatiker waren:
    Athenaios von Attaleia, der diese Schule gewissermaßen begründete. Er war ein Schüler des stoischen Philosophen Poseidonios von Apameia und vertrat als erster die Ansicht, dass das pneuma den ganzen Körper durchströmt und seine Funktion beherrscht, also auch Krankheit und Gesundheit bestimmt. Seine Therapie beruhte auf der Qualitätenlehre und einer Diätetik. Seine Behandlung kann man auch als contraria contrariis bezeichnen, eine gegengesteuerte Behandlung.
    Als zweiten Vertreter möchte ich Aretaios von Kappadokien nennen, der auch an diesem ehrenwerten Institut lehrt. Er ist ein großer Bewunderer des Hippokrates und imitiert sogar dessen ionischen Dialekt, was es für manchen etwas sperrig macht, seine vielen Bücher zu lesen. Dennoch hat er wichtiges zu Chirurgie, Ätiologie und einer Reihe von Krankheiten publiziert."

    Er seufzte - dieses sehr theoretische Kapitel war nun auch endlich geschafft:
    "Zusammenfassen lassen sich die Schulen also folgendermaßen:
    Die Dogmatiker waren die Nachfolger des Hippokrates, die zwar seine Krankheitslehre verfolgten, jedoch seltenst eigene Beiträge der Medizin geben konnte, da sie mehr Handwerker ihrer Kunst waren. Doch die Pulslehre beginnt bei ihnen.
    Die Schule von Alexandria brachte uns großes Wissen in der Anatomie, die Pulslehre wurde erweitert und die Lehre der Solidarpathologie.
    Die Empiriker lehnten die experimentelle Forschung ab und griffen nur auf Beobachtungen und den Beobachtungen ihrer Vorgänger zurück, um zu Heilen.
    Die Methodiker glaubten an die drei unterschiedliche Zustände der Körperporen. Daraus entsteht Krankheit oder Gesundheit. Ihrer Meinung nach brauchte ein Medicus nicht mehr zu wissen.
    Die Pneumatiker kamen aus verschiedenen Schulen, hatte jedoch die Lehre um die Luft im Körper, das Pneuma gemeinsam."

    Er hob seine Rolle mit dem Vorlesungstext hoch und reichte sie dem Gnorimos.
    "Ich denke, das genügt für heute. Wir sehen uns morgen in aller Frühe, um endlich zu den theoretischen Grundlagen von Krankheit und Gesundheit zu kommen."

    Sim-Off:

    Bin jetzt für 2-3 Wochen im Urlaub. Ich kann noch nicht sagen, ob ich Internet habe und evtl. ein paar Postings schaffe. Sonst ist jetzt eben Pause ;)




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Noch einmal fixierte Herophilos die Eingetretene. Irgendwie kam ihm das Gesicht bekannt vor, aber woher?
    Egal, zuerst einmal musste er seine Vorlesung fortführen:
    "Womöglich ist euch auch der Eid des Hippokrates bereits begegnet, der wohl in jüngerer Zeit dem Corpus Hippocraticus hinzugefügt wurde. Er lautet wie folgt:
    Ich schwöre bei Apollon, dem Arzte, bei Asklepios, Hygieia und Panakeia und bei allen Göttern und Göttinnen, indem ich sie zu Zeugen mache, dass ich diesen meinen Eid und diese meine Verpflichtung erfüllen werde nach Vermögen und Verständnis, nämlich denjenigen, welcher mich in dieser Kunst unterwiesen hat, meinen Eltern gleich zu achten, sein Lebensschicksal zu teilen, ihm auf Verlangen dasjenige, dessen er bedarf, zu gewähren, das von ihm stammende Geschlecht gleich meinen männlichen Geschwistern zu halten, sie diese Kunst, wenn sie dieselbe erlernen wollen, ohne Entgelt und ohne Schein zu lehren und die Vorschriften, Kollegien und den ganzen übrigen Lernstoff meinen Söhnen sowohl wie denen meines Lehrers und den Schülern, welche eingetragen und verpflichtet sind nach ärztlichem Gesetze, mitzuteilen, sonst aber niemand.


    Diätetische Maßnahmen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken nach meinem Vermögen und Verständnisse, drohen ihnen aber Fährnis und Schaden, so werde ich sie davor zu bewahren suchen. Auch werde ich keinem, und sei es auf Bitten, ein tödliches Mittel verabreichen, noch einen solchen Rat erteilen, desgleichen werde ich keiner Frau ein abtreibendes Zäpfchen geben. Lauter und fromm will ich mein Leben gestalten und meine Kunst ausüben. Auch will ich bei Gott keinen Steinschnitt machen, sondern ich werde sogar diese chirurgische Verrichtung denjenigen überlassen, in deren Beruf sie fällt.


    In alle Häuser aber, in wie viele ich auch gehen mag, will ich kommen zu Nutz und Frommen der Patienten, mich fernhaltend von jederlei vorsätzlichem und Schaden bringendem Unrechte, insbesondere aber von geschlechtlichem Verkehr mit Männern und Weibern, Freien und Sklaven. Was ich aber während der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im gewöhnlichen Leben erfahre, das will ich, soweit es außerhalb nicht weitererzählt werden soll, verschweigen, in dem ich derartiges für ein Geheimnis ansehe.


    Wenn ich nun diesen Eid erfülle, ohne ihn zu brechen, dann möge mir ein glückliches Leben und eine glückliche Kunstausübung beschieden sein und ich bei allen Menschen für immer in Ehren stehen, wenn ich ihn aber übertrete und meineidig werde, möge das Gegenteil geschehen!


    Viele Schüler des Hippokrates pflegen diesen Eid abzulegen, doch gibt es gewisse Zweifel, ob der Eid tatsächlich von ihrem großen Meister stammt, wie besonders in Italia behauptet wird. Gerade die kritische Wissenschaft hier in Alexandria stellt die Frage, ob die Inhalte des Eides nicht vielmehr pythagoreischen Ursprungs sind - immerhin wird manches, was der Eid verbietet, auch von Hippokratikern angewendet.


    Ob ihr ihn schwören wollt, bleibt insofern euch selbst überlassen. Bedeutsam ist dieser Text jedoch allemal, denn er beinhaltet durchaus die wichtigsten ethischen Grundsätze ärztlicher Praxis, die ihr euch zu Herzen nehmen und respektieren solltet. Hortet nicht das Wissen, welches ihr gesammelt hat, sondern lehrt sie die Wissbegierigen. Richtet euer Handeln rein dem Wohle des Patienten aus und lasst euch nicht vom Schein des Goldes glänzen. Auch solltet ihr die Geheimnisse eurer Patienten gut in euch verschließen und nicht nach außen dringen lassen. Und euer Verhalten sollte anderen moralisch zum Vorbild werden!"
    Wieder machte der Iatros eine kurze Pause, ehe er zum Abschluss dieses Kapitels ansetzte:
    "Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die hippokratische Schule wandte sich von der theurgischen Heilmethode ab. Sie beruht nun auf genauer Beobachtung und alten Erfahrungen mit Krankheiten. Nicht nach übernatürlichen Erklärungen, sondern nach wissenschaftlichen Gründen soll gesucht werden. Hippokrates leistete damit Pionierarbeit in der Medizin.


    Zentral sind nicht zuletzt die vier Elemente der Behandlung:
    1. Genaue Beobachtung, die Anamnese
    2. Zurückgreifen auf Erfahrungen
    3. Die Prognose
    4. Die Therapie"




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Offensichtlich nahm Herophilos keine Notiz von der jungen Frau, die sich in seine Vorlesung schlich. Stattdessen begann er ungerührt mit dem nächsten Kapitel:
    "Nachdem die theoretischen Grundlagen gelegt sind, wollen wir, bevor wir die Humoralpathologie genauer betrachten, noch ein weiteres, wichtiges Feld der Grundlagen aller medizinischen Wissenschaften betrachten: ihre Geschichte und ihren Schulen."
    Er legte die erste Schriftfrolle beiseite und der Gnorimos reichte ihm die nächste.
    "In jeder Wissenschaft gibt es verschiedene Lehrmeinungen, die zu verschiedenen Schlüssen führen und das Fach deshalb in verschiedene Richtungen weiterentwickeln. Die wohl bedeutendste aller medizinischen Schulen ist die des Hippokrates, die sich von der theurgischen Medizin - den mythologischen Vorstellungen über Krankheit und Heilung, wie sie etwa die Asklepeien pflegen - abwandte.


    Begründer dieser wissenschaftlichen Vorstellung von Heilkunst war Hippokrates von Kós:
    Er entstammte sehr wahrscheinlich einer alten Familie, den Asklepiaden, Familien die in der Tradition des Kultes von Asklepios standen. Geboren in der 78. Olympiade [um 460 v. Chr.] auf Kós wurde er früh von seiner Familie in die Kunst des Heilens eingeweiht, vermutlich in einem Tempel des Asklepios. Danach zog er als Wanderarzt durch Griechenland und Kleinasien, wo er sich schnell einen Namen machte. In Kós gründete er schließlich seine berühmte Medizinschule, die bis heute noch auf uns wirkt.


    Bei seiner Tätigkeit wandte Hippokrates sich von der Medizin ab, die auf magischen Ritualen und rein religiösen Bräuchen beruhte und viele Scharlatane hervorgebracht hatte. Die Leiden der Menschen müssen tatkräftig mit der Diätetik, Heilmitteln und notfalls auch dem Messer vom Menschen genommen werden. Gebete und Weihrauch können den Heilprozess unterstützen und auch ein Opfer an Asklepios wird bei einer Krankheit helfen. Doch Hippokrates erkannte auch, dass der Körper und die Menschen mehr brauchen. Aus der Magie um das Heilen wurde die Wissenschaft des Heilens. Beobachtungen und Erfahrungen mit dem Umgang von Krankheiten sollten an die Schüler weitergegeben und erforscht werden. Der Arzt sollte zusammen mit dem Kranken gegen das Leiden kämpfen.


    Er hinterließ auch erste Schriften, die von seinen Schülern gepflegt und weiterentwickelt wurden. So entstand eben hier in Alexandria eine Sammlung von Schriften der hippokratischen Schule, der heute als "Corpus Hippocraticus" bezeichnet wird und noch immer gelegentlich erweitert wird. Der Koordinator dieser Sammlungen war im übrigen Ptolemaios II. Philadelphikos, einem geborenen Landsmann von Hippokrates.
    Leider gingen die Originalschriften des Meisters allerdings beim Brand der Bibliothek verloren, sodass wir heute nur noch hier haben.
    Zu den wichtigsten Schriften, die uns von Hippokrates überliefert sind, gehören die Epidemiebücher, das Prognosticon und die chirurgischen Abhandlungen. Es ist auch wahrscheinlich, dass die Aphorismensammlung aus der Schule von Kós entstammt.
    Auch wenn wir heute nicht mehr wissen können, welche der Werke tatsächlich auf Hippokrates, dem Urvater der Medizin, zurückgehen, hat die Schule von Kós doch einen weiteren wichtigen Schritt getan. Die Medizin ist weg von der mündlichen Überlieferung gegangen und hin zu einer schreibenden Wissenschaft. Dazu ein Zitat aus einem der Werke, dem 3. Epidemiebuch:
    Für eine bedeutende Leistung in der Heilkunst halte ich die Fähigkeit, auch die schriftliche Überlieferung richtig zu beurteilen. Wer sie kennt und benützt, dürfte wohl in der Praxis kaum schwere Fehler begehen."

    Der Philologe sah auf, ob seine Studenten ihm noch folgten.
    "Wie schon erwähnt, zeigt sich ein Hauptmerkmal der hippokratischen Schule in der Abkehr von religiösen Überzeugungen und irrationalen Annahmen in der Medizin. Das beste Beispiel in der Änderung der Ansichten ist die Behandlung der ‚heiligen Krankheit’ [Epilepsie]. So sah Hippokrates in ihr nicht mehr eine Krankheit die von den Göttern geschickt wurde, sondern ein körperliches Leiden, welchem mit irdischen Mitteln begegnet werden kann.
    So schreibt Hippokrates im Buch der Aphorismen dazu:
    Mit der sogenannten heiligen Krankheit verhält es sich folgendermaßen. Sie scheint mir in keiner Beziehung einen mehr göttlichen Ursprung zu haben als die übrigen Krankheiten, auch nicht heiliger zu sein, sondern dieselbe Beschaffenheit zu besitzen, aus welcher heraus sie sich entwickelt, wie die übrigen Krankheiten. Die Menschen aber haben infolge ihrer Unerfahrenheit und Verwunderung geglaubt, ihre Beschaffenheit wie ihre Veranlassung seien etwas Göttliches, weil sie in keinem Punkte anderen Krankheiten gleicht.
    Ebenso: Ich bin der Ansicht, dass Menschen, die zuerst diese Krankheit für eine heilige ausgegeben haben, Leute gewesen sind, wie es solche auch heute gibt, nämlich Schwarzkünstler, Sühnepriester, Schwindler und Aufschneider, die so tun als wären sie gottesfürchtig und als wüssten sie mehr...
    Und schließlich: Schuld an diesem Leiden ist das Gehirn, wie auch an den anderen schwersten (Geistes-) Krankheiten.


    Aus diesen Schriften kann man erkennen, dass es der hippokratischen Medizin um einen neuen Ansatz in der Medizin ging uns zwar der empirischen Grundlage. Aus Beobachtung, Wissen und Erfahrungen wurden die Rückschlüsse auf die Krankheiten gezogen und nicht auf blinden Glauben oder reiner Spekulation heraus."
    Herophilos hoffte, dass seinen Hörern die Tragweite einer solchen Herangehensweise bewusst war - er ahnte wohl nicht, dass manche im Publikum größere Probleme mit der theurgischen Schule hatten...
    "Hippokrates benennt vier Elemente ärztlichen Handelns, die bis heute unsere Praxis bestimmen:


    1. Die genaue Beobachtung des Kranken. Welche Einflüsse der Umwelt, der Lebensumstände fließen in seinen Zustand mit hinein?
    2. Das Einbeziehen mündlicher und schriftlicher Überlieferungen und Erfahrungen der bisherigen empirischen Medizin. Kam die Krankheit in der Form schon einmal vor? Welche Erfahrung hatte die Medizin mit dieser?
    3. Das Erstellen einer Prognose aufgrund der bisherigen Erfahrungen. Wie wird die Krankheit verlaufen? Was charakterisiert sie und wie wird die Krankheit sehr wahrscheinlich ausgehen?
    4. Das Erstellen einer genauen Therapie, entweder durch einen Ernährungs- und Lebensplan - diätisch -, durch Pflanzen - medikamentös - oder mittels des Messers - chirurgisch. Auf Letztes sollte jedoch nur zurückgegriffen werden, wenn die ersten beiden Lösungen versagen.


    Fasst man diese vier Elemente zusammen, kann man von einer vollendeten Behandlung des Patienten im Sinne des Hippokrates sprechen. Alles zusammen bildet die ärztliche Kunst, die Techné. Nicht das Behandeln eines einzelnen kranken Organs steht im Vordergrund der hippokratischen Medizin, sondern die Behandlung des gesamten Körpers des Patienten."
    Offensichtlich hatte er (noch) nicht vor, seine Vorlesung mit den Akroaten zu diskutieren. Stattdessen machte er nur eine kleine Pause, um das Gesagte setzen zu lassen und seine Rolle weiterzurollen.




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg "Kommen wir nun zu den philosophischen Grundlagen der Medizin."
    leitete Herophilos das erste inhaltliche Kapitel seiner Vorlesung ein. Interessiert blickte er zur Decke, als würde dort ein Deus ex machina erscheinen.



    Die Grundlagen für unsere heutige physikalische Theorie, die Humoralpathologie oder Vier-Säfte-Lehre legte allerdings Empedokles von Agrigent, der von der 68. bis zur 85. Olympiade lebte [504-433 v.Chr.]. Anstatt wie Thales von einem einzelnen Ur-Element auszugehen, nahm er vier Elemente an: Feuer - Wasser - Luft - Erde. Aus ihnen besteht seiner Lehre nach jede Form und jedes Objekt.
    Die Eigenschaften dieser vier Elemente formieren sich aus jeweils zwei der vier gegensätzlichen Grundeigenschaften: heiß - kalt, feucht - trocken. Darüber hinaus verbindet er sie aber auch mit dem Makrokosmos, etwa mit einzelnen Göttern: Zeus steht für das Feuer, Nestis für das Wasser, Hades für die Erde und Hera für die Luft.


    Die mythologische Analogiebildung ist für die Medizin aber weniger folgenreich. Die Eigenschaften schon: Luft ist heiß und feucht, Feuer warm und trocken, Erde kalt und trocken, Wasser kalt und feucht.


    Diese Elementelehre klingt vielleicht jetzt sehr theoretisch, aber durch Beobachtungen ist dies gut nachzuvollziehen: Nehmt ein Glas mit Wasser. Welche Eigenschaften macht das Wasser aus? Es ist naß, also feucht. Die Kühle spricht von kalt. So kommt man auf die Kombination kalt und feucht. In analoger Weise lässt sich auch bei den übrigen Elementen vorgehen."
    Er blickte bedeutungsschwanger in die Runde.
    "Kommen wir, ehe wir die Adaption dieser Lehre für die Medizin betrachten, noch zu einigen weiteren Philosophen, die großen Einfluss auf unsere Wissenschaft ausgeübt haben:


    Zu nennen ist etwa der berühmte Mathematiker und Philosoph Pythagoras von Samos mit seiner Schule, den Pythagoreern. Besonders der Mystizismus des Pythagoras ist von uns für Bedeutung. Die Zahlenlehre beinflusst bis heute die Zählung der ‚kritischen’ Tage bei einem Krankheitsverlauf, was ich später noch genauer erläutern werde. Harmonie und Disharmonie wurde schon als Gesundheits- und Krankheitskonzept dieser Schule aufgegriffen. Wessen Körper in Harmonie und Ausgewogenheit war, der war auch gesund. Auch geht der hippokratische Eid, so wie er heute genannt wird, auf ihren Einfluss zurück. Doch dazu später bei der hippokratischen Schule etwas mehr dazu.


    Ebenso zu erwähnen ist Demokritos von Abdera, der auch eine medizinische Schule, die Methodiker, beeinflusste. Demokritos von Abdera vertrat die Ansicht, dass alle Stoffe auf sogenannten Atomen beruhen. Kleine Teilchen, die in ihrer Gesamtheit das große Ganze bilden. Auch in der Medizin hatte er schon einige Forschungen und Gedankenspekulationen betrieben. So war der Koitus des Mannes ein Anfall wie es sich bei der Heiligen Krankheit (Epilepsie) zu finden ist. Ein Teil wird aus dem Menschen heraus gerissen.


    Ebenso war Alkmaion von Kroton nicht nur Naturphilosoph, sondern auch ein sehr eifrig forschender Medicus. Ihm wird nachgesagt, dass er Menschen sezierte und wohl auch an lebenden Menschen Gehirnsektionen durchführte. Auch hat er Oparationen am Auge gewagt. Seiner Ansicht nach ist das Gehirn der Sitz jedes Wissens, Riechens, Sehens und Hörens und all diese Eindrücke führen zum Gehirn. Das Gehirn ist nicht nur eine Drüse, die den Schleim absondert. Auch Platon sollte dem Gehirn später eine solche Bedeutung zumessen."
    Wieder blickte er auf - wie mancher wusste, war er selbst ein Anatom, was ihn mit Alkmaion enger verband als womöglich mit den Pythagoreern.
    "Der Vollständigkeit halber sollen noch zwei Philosophen genannt werden, die bis heute zu den größten ihrer Zunft zählen und deren medizinische Impulse wir kurz würdigen wollen:


    Platon, der Schüler des Sokrates, war ein Zeitgenosse von Hippokrates, zu dem wir sehr bald kommen werden. Seine Werke handeln von Dialogen, die sein Lehrer Sokrates mit Freunden und Bekannten aus Athen führte. Seiner Meinung nach sitzt die Seele im Gehirn. Sie ist ihm zufolge in drei Teile gegliedert - der erkennende, der mutige und der begierige Teil.


    Aristoteles, sein Schüler, war ein Universalgenie. Von der Astronomie, der Naturphilosophie, der Moralphilosophie und der Seelenlehre, vor keinem Thema schreckte der Philosoph, der Alexander den Großen unterrichtete, zurück. Er verlegte die Seele ins Herz. Das Gehirn diente dem Kühlen der Säfte und war Sitz der Wahrnehmungsseele.


    Fassen wir zusammen:
    Die Humoralpathologie, zu der wir nun kommen werden, beruht auf den Lehren einiger vorsokratischen Philosophen. Besonders Empedokles aus Agrigent ist wegweisend für die hippokratische Medizin. Er entwickelte das System der Vier Elemente und der Qualitäten, warm, feucht, kalt und trocken, aus denen die Elemente aufgebaut sind. Diese Elementelehre kann man auch auf den Menschen anwenden, da er das Abbild des großen Kosmos ist. Somit war die Grundlage für die Vier Säfte Lehre geschaffen. "




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg "Kommen wir nun zu den philosophischen Grundlagen der Medizin."
    leitete Herophilos das erste inhaltliche Kapitel seiner Vorlesung ein. Interessiert blickte er zur Decke, als würde dort ein Deus ex machina erscheinen.
    "Jede Wissenschaft bedarf philosophischer Grundlagen, wie euch an diesem ehrwürdigen Ort besonders bewusst sein sollte. Wohl nirgendwo nämlich sind Medizin und Philosophie so eng verbunden wie in diesem Hort der Wissenschaft, wo kaum ein prägender Arzt nicht auch Grundlegendes zur allgemeinen Wissenschaft gesagt hat, besonders im Bereich der Mathematik.


    Nur ein geschulter und ein gebildeter Geist kann über die Grenzen des eigenen Handwerks Neues und Großes erreichen. Die Humoralpathologie, auf die ich noch genauer kommen werde, wäre ohne Empedokles ‚Vier Elemente’ Philosophie fast undenkbar. Viele der theoretischen Grundlagen der Medizin verdanken ihrer Entstehung den Naturphilosophen. Naturphilosophie ist im Grunde auch der Markstein unserer gesamten Wissenschaft.
    Um den weiteren Bezug zur Philosophie zu verstehen, muss man sich die Zusammenhänge der Welt verdeutlichen. Der Makrokosmos ist alles was uns umspannt - von den Steinen auf den Wegen bis hin zum Himmel, dem Kosmos und der Sonne. Und auch der Mensch ist ein Teil dieses Kosmos. Er bildet einen Mikrokosmos im großen Ganzen. Wer die Zusammensetzung des Kosmos entdeckt hat, hat auch die Natur des Menschen enthüllt.


    Aber kommen wir zu den philosophischen Grundlagen. Das Fundament der hippokratischen Medizin entstanden größtenteils in der Zeit vor Sokrates. Diese frühen Philosophen waren es, die sich zuerst die Frage stellten, woraus unsere Welt besteht. Als Antwort suchten sie nach einem Grundelement, aus dem alle Dinge bestehen - seien sie unbelebt wie ein Stein oder eben belebt wie der Mensch. Verschiedene Antworten wurden gefunden und einige strebten in die Richtung auf der unsere heutige Medizin aufgebaut ist.


    Wegweisend war dabei nicht zuletzt Thales von Milet, der vor etwa sechshundert Jahren in Milet in Asia lebte - zu seiner Zeit ein Zentrum der Wissenschaft wie heute das Museion von Alexandria. Wie seine zeitgenössischen Kollegen beobachtete er vor allem die Natur und erkannte immer mehr, dass sie nach Gesetzen und Regeln funktioniert, die Prognosen ermöglichen - so sagte er etwa eine Sonnenfinsternis voraus.
    Auf die Frage nach dem Grundstoff der Welt antwortete er, dass alles Sein auf dem Element Wasser beruhe. Ihm zufolge besteht alles aus einem Kreislauf, der durch ständige Bewegung des Wassers gekennzeichnet ist. Nur dieses Element, war seiner Meinung nach, so wandlungsfähig - vom Dampf bis zum Eis kann es ja immerhin jede Form einnehmen.


    Auch einige andere Philosophen der Zeit sahen den Ursprung alles Seins in den Elementen. Anaximenes von Milet bevorzugte die Luft. Herakleitos von Ephesos glaubte die Zusammensetzung der Welt in den Elementen Wasser, Erde und Feuer gefunden zu haben. Seinem Konzept nach bestand Gesundheit aus Harmonie all dieser drei Elemente. Herakleitos sah die Seele und ihren Ursprung in Ausdünstungen - was genau er damit meinte, ist umstritten. Aristoteles zumindest deutete es aber als das Feuer."
    Er sah prüfend in die Runde, ob seine Studenten mitgekommen waren.




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg "Die Asklepieien sind Tempelanlagen, ausgestattet mit Bädern, Unterkunftsstätten, teilweise mit Sportstätten und Theaterplätzen. All dies steht den Hilfesuchenden und Kranken in ihrer Genesung zur Verfügung. Besonders wichtig in den Tempelanlagen sind die Liegehallen, in denen der heilende Tempelschlaf vollzogen wird. Bei Erfolg wird natürlich eine Spende und somit eine Bezahlung erwartet.


    Was jedoch macht die Medizin des Asklepiaden aus?"
    Fragend blickte der Philologe in die Runde - beantwortete die Frage dann aber doch selbst:
    Ihre Handlungen beziehen sich auf psyche und soma - Seele und Körper.
    Zuerst befragen die Priester die Kranken ausführlich - die Anamnese. Dann vermitteln sie zwischen den Kranken und dem Gott, helfen ihnen bei Gebeten und Opferungen an Asklepios und auch an dessen Töchter und Söhne, Hygieia, Panakeia, Machaon, Podaleiros und Telesphoros. Die Heiler des Kultes vollziehen jedoch auch andere heilende Mittel, etwa Bäder. Ihre Kentnissen beruhen auf Erfahrung und anderen Heilerfolgen, so dass sie nicht mit den magischen, abergläubischen und dämonischen Heilpraktiken früherer Zeiten und andere Länder zu vergleichen sind.
    Das wichtigste Element der Asklepiadenkultes ist allerdings der Tempelschlaf, enkoimesis genannt. Dazu legen sich die Kranken in die Liegehalle und warten darauf, dass ihnen der Gott Asklepios im Traum erscheint und ihnen die Anordnungen zur Heilung verkündet. Diese Träume werden dann von den Priesterärzten interpretiert und die Therapie, sofern es keine Wunderheilung im Traum war, ausgeführt."

    Er blickte auf und betrachtete die Studenten. Dann beugte er sich wieder über sein Buch:
    Ein Beispiel für einen solchen Traum möchte ich Euch schildern:
    Euphanes von Epidaouros, ein Knabe. Dieser war steinleidend und schlief im Heiltraum. Da träumte ihm, der Gott trete vor ihn und sage: Was willst Du mir geben, wenn ich Dich gesund mache? Er habe gesagt: 10 (Drachmen). Da habe der Gott gelacht und gesagt, er werde ihn erlösen. Als es Tag geworden, kam er gesund heraus.


    Solche Wunderheilungen werden von der Priesterschaft oftmals auf Steintafeln verewigt, sodass die Asklepeien ihren Besuchern Belege ihrer Wirksamkeit zeigen können. Ebenso beliebt sind Votivgaben, die häufig das erkrankte, respektive geheilte Körperteil abbilden."
    Der Gnorimos zog die Papyrusrolle ein Stück weiter und wickelte.
    "So weit zu Asklepios, dem mystischen Vater unserer Wissenschaft!"




    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Einen Moment schien der Philologe seine Unterlagen überfliegen zu müssen, bevor er beginnen konnte. Dann nickte er zufrieden und legte die Hand auf den Text.


    "Am Anfang jeder Wissenschaft steht das Bewusstsein über ihre Wurzeln. Der Mythos berichtet uns von Asklepios, dem Gott der Heilkunst. Er selbst war demzufolge ein Sohn des Apollon und der Coronis. Nachdem die Mutter seinen Vater betrogen hatte, tötete der Gott der Heilkunst Coronis und gab den unschuldigen Asklepios an den Zentauren Cheiron, der ihn die Heilkunst lehrte.
    Der Ruhm des Asklepios mehrte sich in den Jahren seines Wirkens. Und sein Ruhm war nicht unbegründet, denn es hieß von ihm, dass er sogar die Toten wieder ins Leben zurückholen konnte. Hades, der sich um seine Toten betrogen sah, fand das verständlicherweise nicht sehr amüsant. Auf sein Bestreben hin, streckte Zeus Asklepios mit einem Blitz nieder. Doch das Wissen über die Heilkunst sollte von uns Sterblichen weitergereicht werden und auch Asklepios hilft uns, von seinem Sternenbild Ophiuchus aus, unserem Streben dem Leid zu entkommen.
    Zu erwähnen ist außerdem noch, dass vor der Zeit der Verehrung des Asklepios, dem Gott Apoll die Eigenschaften eines Heilgottes zugeschrieben wurden. Doch nachdem Asklepios diese Aufgabe übernahm, wurde hauptsächlich Asklepios in Zeiten der Krankheit um Rat und Hilfe gebeten.


    Kennzeichnend für den Heilkult des Asklepios ist die Annahme, dass Krankheit und Gesundheit dem göttlichen Einfluss unterliegt. Nur mit Hilfe des Priesterarztes und des Gottes selber ist es den Menschen möglich, wieder zu gesunden und zu genesen. Orte solcher Heilungen sind die Asklepeien, die es an verschiedenen Orten gibt - bis hin nach Rom, das ich vor Jahren selbst besuchte."
    Der Philologe blickte stolz in die Runde - er war weit gereist und hatte in Rom seine Studien als Gladiatorenarzt vertieft. Aber das wussten vielleicht manche seiner Bewunderer bereits.
    "Asklepios hat jedoch auch seinerseits Kinder, die die Griechen verehren:
    Hygieia, was soviel wie Gesundheit bedeutet, ist die Tochter des Asklepios. Sie steht für Gesundheit und die Abwehr der Krankheiten durch eine gesunde Art zu Leben. Ihr heiliges Tier ist die Schlange. Hygieia wurde auch manchmal als Agathe Theos bezeichnet, die in Rom als Bona Dea verehrt wird. Die Hygiene bedeutet eine Lebensführung, die ganz der Gesundheit verschrieben ist, von der richtigen Ernährung bis hin zu den äußeren Lebensumständen.


    Panakeia war die Personifikation des Heilens und Tochter des Asklepios und Salus. Die Heilung der Panakeia fand durch Heilpflanzen statt. Die nach ihr benannte Pflanze, Panazee, gilt als Heilmittel gegen alle Krankheiten. Sie ist jedoch genauso mysteriös wie Ambrosia, die Frucht der Götter.


    Machaon und Podaleiros waren beide die Söhne von Asklepios. Sie fanden ihre Erwähnung schon in Homers Ilias, wo sie den Zug der Griechen nach Troja begleiteten. Sie wirkten dort als die Ärzte der Griechen und ihrer Mitstreiter. Als Machaon in der Schlacht verletzt wird, läßt ihn der kretische Herrscher vom Schlachtfeld tragen mit den Worten: 'Denn ein Arzt ist höher denn viele andre zu achten, Pfeile herauszuschneiden und lindernde Kräuter zu streuen.'"




    Der Schreiberling nickte zu den Angaben. Herberge in Iuliopolis... da gab es mehrere, was für Postzustellungen jetzt nicht unbedingt hilfreich war. Aber das Museion wiederum, das kannte jeder Alexandriner. Und wohl auch sonst jeder gebildete Bürger der Welt, der auch nur ein bisschen mehr von der Welt kannte als den Fleck Erde, auf dem er gerade stand.
    “Der Vetter des Schwagers meiner Frau arbeitet im Museion als Schreiber“, erzählte der Schreiberling frei heraus. “Philoktetes heißt er. Vielleicht ist er ja gerade auch da. Ich denke, wenn deine Angaben so alle korrekt sind, kann er dich bestimmt vorläufig auf die Liste der Akroatoi setzen und dich dort einquartieren. Dann ist das ja nur eine Formsache.“


    Sim-Off:

    Ich nehme an, du willst den Test zur Ephebia dann SimOff direkt ablegen, richtig?

    Herophilos von Samothrake

    http://www.imperiumromanum.net…/ava_galerie/Grieche1.jpg Das Iatreion war eigentlich weniger ein Vorlesungsbau als ein Krankenhaus auf dem Gelände des Museion. Allerdings gab es hier deutlich mehr Möglichkeiten als in den Hörsälen, was gerade bei der Ausbildung von Medizinern sehr nützlich war. So auch bei Herophilos von Samothrake, der erst vor kurzem einen Ruf ans Museion erhalten hatte, nachdem er über mehrere Jahre Leibarzt des Königs von Armenia gewesen war. Heute würde er allerdings nicht so sehr sein Fachgebiet, die Chirurgie, sondern eine allgemeine Einführung in die Lehre der Heilkunst geben.


    Dennoch war ihm sein Ruf vorausgeeilt, sodass es recht voll war, als er den Raum betrat, in dem er seine Vorlesung halten wollte.
    "Chairete, Akroatoi und Gasthörer,
    ich freue mich, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Es ist gut, wieder hier in Alexandria am Museion zu sein. Und ich freue mich selbstverständlich auch, euch in die hohe Kunst der Medizin einzuweihen."

    Er blickte zufrieden in die Runde.
    "Ich werde euch in die verschiedenen Bereiche der Heilkunst einführen, begonnen bei ihrer Geschichte, über theoretische Grundlagen bis hin zur Humoralpathologie und der Anatomie. Darüber hinaus werden wir gemeinsam mit einigen Gnorimoi auch praktische Übungen absolvieren, um euch auch das Handwerkszeug zu vermitteln, das ein guter Arzt benötigt. Dennoch wird vieles offen bleiben - um ein guter Iatros zu werden, bedarf es vieler Jahre der Übung, des Lernens von erfahrenen Kollegen, aber auch des Studiums und der Erfahrung. Jeder Weg beginnt jedoch mit einem einzigen Schritt. Beginnen also auch wir diesen Kurs."
    Herophilos trat an das Lesepult und ein Gnorimos trat heran und reichte ihm eine Schriftrolle.




    “Kappadokien, hm...“, machte der Schreiberling und versuchte dabei, sich nicht anmerken zu lassen, dass er keine Ahnung hatte, wo das lag. Irgendwo im Norden, aber wo genau...?
    “Sebaste ist auch eine Polis, oder? Dann hast du die Ephebia da also schon durchlaufen, als du... ähm... also in deiner Jugend. Ja? Dann geht es quasi nur um die Umschreibung, richtig?“ fragte der Schreiberling nochmal etwas konkreter nach. Diese Listenübertragungen machte er ja durchaus öfter, mit dem Papyruskram beschäftigte sich der Gymnasiarchos selten selbst.
    “Weil dann geht das ganz fix. Wenn du mir sagst, wo du wohnst, sag ich's nachher dem Gymnasiarchos und wir stellen dir die Urkunde direkt zu, wenn sie dann fertig ist. Dann musst du hier jetzt nicht unnütz rumstehen und warten.“

    Auf einem reich belegten Brötchen herumkauend und offenbar verdutzt, jemanden hier vorzufinden, kam ein Schreiberling des Weges. Kurz hielt er beim Kauen vor Überraschung inne, ehe er dann doch schnell fertig kaute und schluckte. “Oh, khaire. Wartest du schon lange? Wir machen grade Mittag.... Du willst zum Gymnasiarchos? Der ist grad nicht da.“
    Offenbar hin und her gerissen zwischen dem Mann vor der Stege und seinem schmackhaften Brötchen blickte der Schreiberling kurz hin und her. Dann allerdings entschied er sich doch einstweilen für seinen Dienst und verzichtete auf einen weiteren Bissen.

    IM NAMEN DER HEILIGEN BRUDERSCHAFT DER MUSEN UND DES APOLLON ZU ALEXANDRIA
    findet folgender KURS statt


    Medizin




    Bemerkungen:


    In diesem Kurs wird die Heilkunst gelehrt, namentlich die Humoralpathologie mit ihren astrologischen Einwirkungen, aber auch die Anatomie, die am Museion traditionell besonders gepflegt wird.





    ANGEMELDETE TEILNEHMER:
    Lucius Petronius Crispus
    Severin aus Sebaste
    Plinia Chrysogona


    Sim-Off:

    Hier kann ein Kurs zur antiken Medizin abgelegt werden, der auf der Vorlesung des Apollonius von Samothrake beruht.
    Aus diesem Grund kostet er keine Gebühr. Anmeldungen dazu bitte per PN an Lucius Petronius Crispus, der den Kurs via NSC abhält!

    Aristobulos von Tyrus

    http://www.imperiumromanum.net…isc/ava_galerie/Sulla.jpg "Die absolute Krone wäre wohl der 4. Lehrsatz, den ich noch gar nicht intensiver behandelt habe. Wer kann erraten, was er zu bedeuten hat?
    Was schmerzt, spürt man nicht ununterbrochen im Fleisch; vielmehr ist der größte Schmerz nur von kurzer Dauer; der Schmerz aber, der die Lust im Fleisch kaum übersteigt, dauert nicht viele Tage lang. Lange andauernde Krankheiten gewähren mehr Lust im Fleisch als Schmerz."

    Ein schlanker Akroat meldete sich, fuhr sich nervös durchs Haar und begann zu erklären:
    "Nun, dies ist zweifelsohne eine wahrhaft therapeutische Maßnahme zum Trost für den Kranken, nämlich die simple Einsicht, dass lang andauernder Schmerz niemals so heftig sein kann wie kurz dauernder. Dies soll unsere Furcht vor der Krankheit relativieren und uns damit auch im Übel Lust gewinnen lehren."
    Aristobulos sah sehr zufrieden aus.
    "Das ist in der Tat die korrekte Antwort. Ich denke, ihr sehe somit, dass ihr einiges gelernt habt und entlasse euch mit dem 10. Lehrsatz des großen Epikur, der noch einmal die Aspekte seiner Lehre trefflich zusammenfasst:
    Wenn das, was die Lustempfindungen der Unersättlichen hervorruft, die Ängste des Nachdenkens über die Himmelserscheinungen, den Tod und die Schmerzen auflöste und außerdem die Grenze der Begierden und der Schmerzen zeigte, dann hätten wir überhaupt keinen Anlass, sie zu tadeln, wenn sie von überall her von Lustempfindungen erfüllt wären und von nirgendwo her Schmerzhaftes oder Leidbringendes erführen, was ja das Übel ist.
    Mit dieser Einsicht geht hinaus in diese zufällige, doch trotzdem sehr schöne Welt! Genießt das Leben, ob es Leid oder Freude bringen mag und zieht die größte Lust daraus!"

    Wie zur Bestätigung klopfte er mit seinem Gehstock auf die steinernen Fließen der Stoa und nickte entschlossen. Die Vorlesung war beendet. Während die Akroaten sich langsam erhoben und die Stoa verließen, rief er ihnen noch nach:
    "Und bereitet auch mir die Lust, meine Prüfung vollzählig zu bestehen!"




    Aristobulos von Tyrus

    http://www.imperiumromanum.net…isc/ava_galerie/Sulla.jpg Der Philosoph nickte zufrieden, als der junge Grieche die Sätze fehlerfrei rezitierte. Als dann der dickliche Rhomäer nachfragte, legte er dagegen kurz die Stirn in Falten.
    "Richtig. Tugenden sind Konventionen, die keineswegs erhaben sind über die Fragen der Nützlichkeit und der Läufe der Geschichte. Was gestern als Tugend galt, kann heute unnütz und damit unklug sein. Was morgen notwendig ist, mag heute keine Rolle spielen. Für uns Epikureer ist es deshalb wichtig, jene Norm und jede Tugend daraufhin zu prüfen, ob ihre Einhaltung uns langfristig Lust oder Schmerz bringen wird. Dabei ist natürlich auch zu bedenken, dass andere uns mit demselben Maß messen werden, mit dem wir messen - auch das ist zu berücksichtigen. Insofern ergibt sich trotz der Relativität aller Normen die Einsicht, die Epikur im 5. Lehrsatz formuliert. Zur Erinnerung noch einmal:
    Es ist nicht möglich, lustvoll zu leben, ohne vernünftig, anständig und gerecht zu leben, und auch nicht vernünftig, anständig und gerecht, ohne lustvoll zu leben. Wem dies aber nicht möglich ist, der kann auch nicht lustvoll leben.
    Der Unterschied zu denen, die sich unreflektiert irgendwelchen Konventionen unterwerfen, soll der Weise aber aus Einsicht in den Lustgewinn, den er aus vernünftigem, anständigem und gerechtem Lebensstil zieht, so handeln. Und stets abwägen, was es in der konkreten Lage heißt, vernünftig, anständig und gerecht zu handeln."

    Wieder gab Aristobulos durch eine kleine Pause Gelegenheit, das Gehörte noch einmal zu durchdenken. Dann setzte er erneut an:
    "Doch wollen wir uns zum Abschluss dieser Lektion nicht nur auf das konzentrieren, was Epikur zerschlägt und als philosophisches Geschwätz enthüllt, obwohl er selbst schon sagt: Der Reichtum unserer Natur ist begrenzt und leicht zu erwerben; aber der Reichtum an wertlosen Meinungen weitet sich aus ins Unendliche."
    Wissend lächelte der Alte.
    "Denn statt sich in Gespinste von Göttern, der Politik oder dem Philosophieren über Gerechtigkeit und Tugenden zu verlieren, empfielt Epikur uns etwas ganz anderes: Vor allem, was die Weisheit für die Glückseligkeit des ganzen Lebens bereitstellt, ist der Gewinn der Freundschaft das bei weitem Wichtigste., 27. Lehrsatz. Die Freundschaft ist es, die uns größte Sicherheit gibt und damit ein steter Quell neuer Lust ist. Sagen wir es mit den Worten Epikurs aus seinem 28. Lehrsatz: Dieselbe Erkenntnis brachte uns die Gewissheit, dass nichts Furchtbares ewig oder lange Zeit dauert, und ließ uns erkennen, dass die Sicherheit gerade unter schwierigen Bedingungen vor allem durch Freundschaft gewährleistet ist.
    Als letzter Rat, den ich euch in dieser Vorlesung mit auf den Weg geben möchte, soll also dies stehen: Denkt über die physikalischen, kanonistischen, theologischen und ethischen Ratschläge Epikurs nach und wägt ab, ob ihr euer Leben an ihnen ausrichten wollt. Doch unabhängig vom Ergebnis dieser Überlegungen kann es niemals ein Fehler sein, sich gute Freunde zu suchen, denn sie sind Quell beständiger Lust - selbst wenn ihr es vorzieht, euch in anderen Bereichen mit unnötigem Schmerz zu quälen!"

    Aristobulos holte tief Luft.
    "Gibt es noch Fragen zur Ethik des Epikur?"