Eine kleine Tabula hing am Eingang, die nach nichts aussah, aber einen bedeutenden Inhalt hatte.
OPLY PZA KHZ CLYIPUKBUNZOHB KLY YLILSSLU
AYLMMLU MPUKLU QLKLU AHN UHJO CVSSTVUK ZAHAA.
Eine kleine Tabula hing am Eingang, die nach nichts aussah, aber einen bedeutenden Inhalt hatte.
OPLY PZA KHZ CLYIPUKBUNZOHB KLY YLILSSLU
AYLMMLU MPUKLU QLKLU AHN UHJO CVSSTVUK ZAHAA.
Quintos Alexandraeos
Quintos, der uneheliche Sohn eines römischen Centurio und einer Griechin, lebte seit langer Zeit schon in Alexandria. Er wohnte in einem kleinen Haus nicht weit vom Mouseion. Er sah die Legionäre kommen und begann sich zu ärgern. Er ärgerte sich über die Besetzung Alexandrias und die Eingliederung in das römische Imperium. Er betrachtete die Römer misstrauisch. So versteckte er ein Schwert unter seinem Hemd. Er wollte nur sichergehen.
Die Soldaten gingen geradewegs auf sein Haus zu, das ein einer Straßenecke stand. Bildete er sich das nur ein? Wollten sie was von ihm?
Er bekam Angst. Vor dem was geschehen war und dem was passieren könnte. Er entsperrte seine Tür, öffnete sie und rannte in Todesangst davon.
Hoffe, jetzt ist Amun zufrieden und wird dem Narrator nicht mehr zürnen.
Eine der größten Orakelstätten der Mittelmeerwelt, auf der selben Stufe mit Delphi oder Cumae, ist das Orakel des Amun, welcher den Griechen als Zeus und den Römern als Jupiter gilt. Das ursprüngliche Berberheiligtum an der Oase Siwa mitten in der Wüste berät wohl seit Jahrtausenden Pharaonen, Könige, Kaiser und einfache Reisende mit seinen weisen Entschlüssen. Das erste Mal wird das Orakel durch Herodot im 5. Jahrhundert erwähnt und war den Ägyptern, Persern und Griechen bekannt.
Das Orakel gibt keine Sprüche ab, sondern liefert nur "Ja" und "Nein"-Antworten, die durch eine bewegliche Statue des Gottes an die Fragenden übermittelt werden. Für eine gewisse Geldsumme bieten die Priester allerdings auch Sprüche an, die der Gott ihnen zuträgt. Zahlreiche Geschichten, Legenden und Andekdoten ranken sich um das Orakel. Den persischen Großkönig Kyros wurde sein Untergang prophezeit und eine persische Armee, die das Orakel für den Spruch strafen wollte, wurde durch einen von Amun gesandten Sandsturm vernichtet. Kimon, der Sohn Mithridates des Jüngeren, des Tyrannen von Athen, schickte eine Delegation in seinem Auftrag zum Orakel. Das Orakel schwieg jedoch. Erst zuhause erkannte die Delegation, weswegen der Gott ihnen die Antwort verweigerte: Kimos war inzwischen gestorben.
Die berühmteste Geschichte ist aber wohl die, wie Alexander das Orakel aufsuchte und der Gott ihn als seinen Sohn annahm. Als Alexander zu seinen Begleitern zurück kehrte, meinte er, dass der Gott ihm genau das prophezeiht habe, was er, Alexander, wollte.
Mitten im Niemandsland, umgeben von wilden und unbeherrschten Stämmen jenseits der eigentlichen Grenzen des Reiches, liegt die Handelsstadt Berenike, die südlichste Stadt Ägyptens und der südlichste Vorposten römischer Macht in Afrika. Die Stadt wurde von König Ptolemaios II. als Handelsstadt gegründet. Die Lage an der "Narrenbucht" mit den davor gelagerten Inseln prädestinierte den Ort für eine Stadtgründung. Allerdings verhinderten die ewigen Bürgerkriege des späteren ptolemäischen Reiches den Aufschwung des neuen Handelszentrums, was sich erst in römischer Zeit ändern sollte.
Heute ist Berenike eine große und reiche Stadt, die in vielerlei Hinsicht ihrem Vorbild Alexandria gleicht, aber von einem ganz unterschiedlichen Menschenschlag bewohnt ist: Äthiopier, Araber, Juden und Inder dominieren neben den Griechen das Stadtbild. Sie untersteht einem eigenen Reichspräfekten, dem praefectus montis berenicae.
Hier landen die im gesamten Reich heiß begehrten Waren und Güter aus Afrika, Arabien und Asien, bevor sie per Landweg zum Nil und den Märkten in Alexandria und Rom gebracht werden. Berenike verbindet das Reich mit den fernen Hafenstädten Indiens, Indonesiens, Indochinas, Chinas und Madagaskars und schließt Rom an den weiträumigen Handelsraum des Indischen Ozeans an, über dem dank des Geheimnisses der Monsumwinde seit Urzeiten Gewürze, Öle, Hölzer, Stoffe, Sklaven und wilde Tiere schnell und sicher transportiert werden. Noch kontrollieren die alten Handelsvölker der Araber und Inder den Ozean, aber langsam streckt auch Rom seine Arme in diesen Kultur- und Handelsraum aus.
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Thukydides nahm das Geld entgegen und zählte es sofort sorgfältig nach.
“300, ganz genau, ich danke dir.
Seit vorsichtig. Es ist ein Weibchen, aber auch die können gefährlich werden, wenn man sie übermäßig reizt.
Die Haut muss regelmäßig feucht gehalten werden und schützt es vor der Mittagssonne.
Ihr solltet rasch aufbrechen.“
Nach diesen schwierigen Verhandlungen würde er froh sein, wenn der Rhomäer mit seinen bewaffneten und bedrohlichen Begleitern wieder verschwunden war.
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Das Geschäft war besiegelt und Thukydides folgte dem Rhomäer zu dessen Pferd.
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Thukydides lächelte gequält.
“Es gibt keinen Grund ungehalten zu sein. Ihr seid doch hier um ein Geschäft zu machen und nicht um Krieg zu führen.“
Er seufzte.
“Also gut, 300.“
Er streckte dem Rhomäer die Hand hin, um das Geschäft per Handschlag zu besiegeln.
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Sofort rückten Thukydides’ Handlanger ihrerseits näher an ihren Herrn heran. Es waren grimmige Kerle und die Hälfte von ihnen hatte plötzlich Knüppel in der Hand.
Thukydides machte eine beschwichtigende Handbewegung in Richtung seiner Männer.
“Ruhig, es ist nichts geschehen, ich bin mir sicher es war nur ein Scherz.“
Er sah dem Rhomäer fest in die Augen.
“Nicht wahr, ein Scherz?! 200 sind zu wenig. Aber ich möchte nicht gierig erscheinen. Sagen wir 450, mmh?“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
“Vorsicht Herr, sie kann schnappen!“, rief Thukydides, als der Rhomäer doch recht dicht an das Hippopotamus herantrat. Wenn dem Mann etwas zustieß, bevor er sein Geld hatte, dann würde er wahrscheinlich gar keines sehen, so fürchtete er.
Als die Frage nach dem Preis kam spielte er den Abwägenden, dabei hatte er sich natürlich schon lange ganz genau überlegt, wie viel er fordern wollte. Der Eparchos, für den das Niluspferd bestimmt war, musste fast unvorstellbar reich sein. Natürlich witterte Thukydides hier ein gutes Geschäft.
“Also... du siehst ja selbst; es ist ein großes und ganz besonders wertvolles Tier. Die Jagd nach ihm war gefahrvoll und schwer. Aber natürlich ist es mir eine ganz besondere Ehre, dem verehrungswürdigen Eparchos ein solch prachtvolles Tier verkaufen zu dürfen...
500 römische Sesterzen!“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Thukydides reckte die Hände die Luft.
“Aber ja doch! Sieh nur, seine Augen sind lebhaft und seine Haut makellos. In der Hitze des Tages sind diese Tiere immer sehr ruhig, denn sie sind vor allem in der Nacht aktiv. Aber sei unbesorgt, es ist ein Prachtexemplar. Kein Besseres könntest du bekommen. Die Götter sind meine Zeugen, es ist sein Geld wert. Schau nur, wie es lustig mit den Ohren wackelt, ein sicheres Zeichen das es wohlauf ist und ganz gesund, daran besteht kein Zweifel.“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Thukydides trat dem Rhomäer und seinen Männern entgegen. Er war nicht alleine; ein gutes Duzend seiner Handlanger begleitete ihn.
Er lächelte.
“Ich grüße dich und hoffe, du und deine Männer haben eine angenehme Nacht in unserer schönen Stadt verbracht.“
Er lächelte noch mehr... ein wenig anzüglich.
“Ja, meine Lieferanten haben es heute früh gebracht. Bitte, schau es dir ruhig an.“
Er ging voraus, zu einem Pferch, wo das Hippopotamus eingesperrt war.
“Sieh' selbst, es ist ein prachtvolles Tier, habe ich nicht Recht? Es ist sein Geld wert, ganz sicher, der Eparchos wird sehr zufrieden mit dir sein, wenn du es ihm bringst.“
Das 'prachtvolle Tier' lag im Schatten eines fadenscheinigen, mit Palmwedeln gedeckten Unterstandes und döste vor sich hin. Man hatte das um sein Maul gebundene Seil entfernt, dass um den Hals jedoch nicht. Es wirkte ein wenig schläfrig, fast schon phlegmatisch...
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Bilder/Hippopotamus.png]
Der nächste Tag war tatsächlich noch jung, als ein Boot mit der trägen Strömung des Flusses den Nilus herab kam und nicht weit vom Anwesen des Wildtierhändlers an einer Anlegestelle festmachte. Ein Duzend Männer in langen Gewändern führten mit vielen Rufen und großen Gesten ein gewaltiges Tier von Bord. Das riesige Maul der Bestie war mit einem kräftigen Strick umwickelt und ein weiterer war um den kurzen Hals gelegt. Daran zogen vier der Männer und fast schon lammfromm folgte ihnen das Untier, die staubige Straße entlang, bis zu Thukydides’ Anwesen.
Das Hippopotamus war da!
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Thukydides machte ein noch viel unglücklicheres Gesicht. Er fürchtete wohl, dieser hochnäsige Rhomäer wolle ihn betrügen. Den Eparchos möglicherweise zu verärgern, dass wollte er aber auch nicht riskieren. Also schluckte er seinen Protest herunter und brummte missmutig:
“Also gut, morgen. Seid gegen Mittag hier, dann wird das Tier auch da sein.“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
Thukydides machte kein sehr glückliches Gesicht.
“Natürlich wird es das, sei unbesorgt. Aber versteh', ich muss doch diejenigen entlohnen, die es mir bringen. Es sind ungeduldige Männer, die unverzüglich Geld sehen wollen. Ich kann sie nicht lange hinhalten und vertrösten. Es sind ungehobelte Leute, mit denen man nicht vernünftig verhandeln kann, so wie mit mir.“
Er tat fast so, als hätte er keine müde Kupfermünze im Haus und begann zu feilschen: “Eine Vorauszahlung, mmh? ¼ des Preises?“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
“Ein Hippopotamus, ja, dass kann ich. Hier in Aegyptus kennt man diese Tiere seit Menschengedenken. Sie leben im Fluss und am Moerissee gibt es sie auch. Von dort lasse ich eines hierher bringen.
Morgen soll es hier eintreffen, wenn es die Götter wollen.“
Er rieb sich die Hände.
“Ich habe sofort meine guten Verbindungen genutzt, nachdem ich erfahren habe, dass der Eparchos ein solches Tier zu kaufen wünscht. Mir sind Unkosten entstanden… ich hoffe auf die Großzügigkeit des Eparchos, auch wenn es mir natürlich eine Ehre ist, ihm dienlich zu sein...“
Im Namen des alexandrinischen Volkes ernenne ich den Athener ANTIGONOS ATHENAIOS zum POLITES ALEXANDRINOS Er besitzt damit das volle aktive und passive Bürgerrecht der Stadt.
Ptolemaios Nearchoi
Im Namen des alexandrinischen Volkes ernenne ich den Italier EUCRATIDES CETHEGUS zum POLITES ALEXANDRINOS Er besitzt damit das volle aktive und passive Bürgerrecht der Stadt.
Ptolemaios Nearchoi
“Bitte einen Moment warten, 'err.“, antwortete der Angesprochene in gebrochenem Latein.
Er lief in das Innere des Anwesens und es dauerte nicht lange, bis Thukydides selbst erschien. Er war groß gewachsen, hatte einen kahl rasierten Schädel und war auf griechische Art gekleidet, obwohl seiner ganzen Erscheinung doch etwas sehr ägyptisches anhaftete.
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/ThukydidesNSC.png]
“Salve mein Herr.“, begrüßte er den Duplicarius selbstbewusst, aber auch mit dem nötigen Respekt, der im Umgang mit römischen Soldaten immer ratsam war. “Seid ihr die Männer des hochehrenwerten Eparchos, die mir bereits angekündigt wurden?“
[Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Bilder/Hippopotamus.png]
Am Rande der uralten Stadt Memphis, nicht weit vom Flussufer entfernt und an einer auf einem niedrigen Damm entlang führenden Straße, befand sich ein von Mauern umgebenes Anwesen. Man hätte es für einen wohlanständigen Gutshof halten können und bei näherer Betrachtung aufgrund der umfangreichen Stallungen vielleicht auch eine Viehzucht vermutet, aber dass stimmte nicht. In Wahrheit war dieses Anwesen ein Handelshof, aber die Waren, mit denen hier gehandelt wurden, waren nicht Weizen, Weihrauch, edle Stoffe oder wertvolle Erze, nein, es waren lebende Tiere.
Das Anwesen, mit dem zentralen Vorhof, dem dahinter liegenden Wohnhaus, den kleineren, gedrungenen Unterkünften der einfachen Bediensteten, den vielen Ställen und den ummauerten Pferchen – alles mit Lehmziegeln errichtet, wie man es in dieser Gegend seit Menschengedenken tat – all das gehörte einem Mann namens Thukydides.
Thukydides war von Geburt her Ägypter, hatte sich aber bereits vor langer Zeit einen griechischen Namen zugelegt und mochte es auch gar nicht, wenn man ihn an seine einfache, kleinbäuerliche und unterprivilegierte Herkunft erinnerte. Bereits in seiner Jugend war er mit Gerissenheit und mit Glück der bitteren Armut seines Elternhauses entronnen. Später war er als Sklavenhändler zu bescheidenem Wohlstand gekommen und hatte sich dann auf den Handel mit wilden Tieren verlegt. Dieses Geschäft war riskant, versprach aber auch verlockende Gewinne. Die Abnehmer waren oft weit entfernt und viele der Tiere verendeten auf dem Weg zu ihrem Bestimmungsort. Doch wenn sie überlebten und das Geschäft abgeschlossen werden konnte, erhielt Thukydides viele Münzen aus Silber und Gold.
Hier in Memphis kaufte er die Tiere von den Jägern, die den Nilus hinauf aus dem Süden kamen. Auf seinem Anwesen verbrachten sie dann zumeist einige Wochen, bis sie sich von der bisherigen Reise erholt hatten. Dann ließ er sie nach Alexandria oder Heraklion bringen, wo sie auf Schiffe geladen wurden und von dort aus, über das Meer nach Pathara, Tyrus, Piraeus, Leptis Magna, Narbo Martius, Tarraco, Tarentium, Syracusae, oder, und vor allem, Ostia gelangten. Manche Tiere fanden auch Abnehmer in Alexandria, oder im mondänen Kanopus, was den Seeweg ersparte, das Risiko minderte, aber auch ebenso den Gewinn. Viele seiner Tiere endeten bei Venationes – Tierhetzen – in den Amphitheatern der großen Städte des römischen Reiches. Manche wurde auch als exzentrische Haustiere und zur Belustigung ihrer Eigentümer und ihrer Gäste gehalten.
Thukydides handelte vor allem mit Krokodilen, aber auch mit Löwen, Hyänen und Antilopen. Vor ein paar Tagen hatte ein Bote ihm jedoch eine ganz spezielle Bestellung ins Haus gebracht. Er sollte ein 'Kind der Thoëris' beschaffen, ein Niluspferd, oder Hippopotamus, wie es in der Sprache der Rhomäer hieß und der Auftraggeber war niemand geringeres als der Statthalter des Landes, der in Alexandria residierende Eparchos...