Beiträge von Narrator Aegypti

    Unterhalb der Ehrentribüne des Präfekten nahm wie am Tag zuvor wieder der Ausrufer seinen Platz ein. Diesmal kam er jedoch nicht alleine, sondern in Begleitung von zehn Legionären aus Nikopolis. Jeder der Soldaten hatte eine große Holztafel dabei, ähnlich hoch wie ein scutum aber quadratisch.
    Auf jeder der Tafeln war eine Quadriga aufgemalt und außerdem der Name eines der Rennteilnehmer – oder besser gesagt, eine Abkürzung davon. 'DOM.SP.' stand somit für Dominator Spectatorum oder 'H.T.' für Halil Torkebal. Die Ränder der Holztafeln waren bunt bemalt und zeigten die Farben der römischen Factiones: Purpur für die Factio Purpurea, Weiß für die Albata, Rot für die Russata, Goldgelb für die Aurata, Grün für die Praesina und Blau für die Veneta. Die Tafel für Lipodoros von Damman hatte einen Rand in Weiß und Rot, den Farben von Tylus. Die unabhängigen Wagenlenker vertraten keine Farben und darum waren die Ränder ihrer Tafeln auch unbemalt.
    Während des Rennens würden die Soldaten sich dann immer in der Reihenfolge aufstellen, die der Reihenfolge der Gespanne im Rennen entsprach, so dass auch das weniger kundige Publikum sehen konnte, wer gerade führte, auf dem zweiten Platz lag oder aber auf dem letzten.


    Ein letztes Mal vor dem Start des Rennens verkündete der Ausrufer die Namen der Teilnehmer. Jedes mal hielt ein Legionär die entsprechende Tafel hoch.


    “Plinius.“ Ein Soldat hielt diese Tafel in die Höhe: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/Plinius_PRAE.gif]


    “Fortunatus.“ Diese Tafel wurde gezeigt: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/Fortunatus_ALB.gif]


    “Halil Torkebal.“ Das war seine Tafel: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/HalilTorkebal_RUS.gif]


    “Hakor.“ Für Hakor stand diese: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/Hakor_neutral.gif]


    “Dominator Spectatorum.“ Ein Soldat hielt diese Tafel in die Höhe: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/DominatorSpectatorum_PUR.gif]


    “Quintus Arius.“ Und der nächste diese: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/QuintusArius_AUR.gif]


    “Mehaf.“ Der Mann mit Mehafs Tafel reckte diese in die Luft: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/Mehaf_neutral.gif]


    “Rothar.“ So sah Rothars Tafel aus: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/Rothar_VEN.gif]


    “Alexandros.“ Die Tafel des Thracers: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/AlexandrosSerdica_neutral.gif]


    “Lipodoros.“ Und schließlich die Tafel des Mannes aus Tylus: [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Wagenrennen/LipodorosDamman_TYL.gif]



    Den Aurigae wurde nun angezeigt, dass sie sich für den Start des Rennens bereit machen sollten.





    Sim-Off:

    Während des Rennens werden die kleinen Grafiken immer die Reihenfolge im Feld zeigen, damit man auf einen Blick sehen kann wie es in der jeweiligen Runde gerade steht.


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    “Wer wird denn so trotzig sein? Gefällt dir Gelon etwa besser als ich?“

    [Blockierte Grafik: http://www.sai.uni-heidelberg.de/~harm/ImperiumRomanum/Alexandria_et_Aegyptus/IotapeNSC.png]


    Aber der Wirt war wieder auf den Hinterhof hinausgegangen um sein blutiges Tagwerk zu beenden.
    Statt seiner brachte Iotape die zweite Kanne an den Tisch der beiden Soldaten.


    Sie sprach mit leiser, dunkler Stimme:
    “Na Jungs, durstig heute? Gelon hat mir gesagt das ihr noch eine zweite Kanne wollt? Cyprischer Wein, mmh?!“


    Iotape stellte die Kanne auf den Tisch und sah die beiden erwartungsvoll an.

    In der Zwischenzeit führten die Aurigae ihre Gespanne in die voneinander abgetrennten Pferche, aus denen sie starten würden.


    Über die beste Startposition gab es durchaus unterschiedliche Meinungen. Gewöhnlich sah man eine der Mittleren Boxen als bevorteilt an. Aber es gab auch Wagenlenker, die einen Startplatz am Rande bevorzugten, weil sie damit hofften dem Gerangel der ersten ein bis zwei stadien zu entgehen.


    Bei diesem Rennen hatte das Los entschieden. Es hatte Plinius auf Startplatz I gesetzt, aus der Perspektive der Rennteilnehmer ganzen außen links. Fortunatus stand auf Platz II rechts neben ihm. Dann folgten Halil Torkebal auf III und Hakor auf IIII. Dominator Spectatorum bildete zusammen mit Quintus Arius auf den Plätzen V und VI die vermeintlich begünstigte Mitte des Startfeldes. Dann kamen Mehaf auf Startplatz VII und Rothar auf VIII. Auf der rechten Seite erwarteten schließlich Alexandros der Thracer auf Platz VIIII und Lipodoros der Tyluser auf Platz X den Start.

    Der dritte Tag der Feiern war angebrochen. Er würde den Höhepunkt des Festes sehen, nämlich das große und am Vortag ausgiebig angekündigte Wagenrennen.


    Bereits am frühen Morgen strebten die ersten Besucher zum Hippodrom. Davor boten Buchmacher in gedämpftem Tonfall noch eine schnelle Wette an und jeder von ihnen versprach mit arglosem Augenaufschlag die beste Quote von allen. Viel lauter waren dagegen die derben Weiber vom Lande, die ihre gerösteten Sperlinge am Spieß oder getrockneten Datteln feil boten. Es gab nicht weniger als sieben Bucklige die Talismane anboten und drei von ihnen hatten sogar echte Buckel. Dann waren da noch rund ein Duzend bettelnde Blinde und ebenso viele Krüppel, denen ein Bein oder Arm fehlte. Einer von ihnen hatte sogar beide Beine eingebüßt und nur noch einen Arm. Er hatte auch den größten Erfolg bei den Zuschauern, die nun in immer größerer Zahl zu den Eingängen der Rennbahn drängten.


    Plötzlich gab es vor einem der Eingänge ein kurzes Durcheinander. Ein Mann drängte nicht hinein, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Im nächsten Augenblick hatte ihn die Menge auch schon wieder verschluckt.
    “He, man hat mich bestohlen! Mein ganzes Geld... haltet den Dieb!“, rief einer, aber da war es schon viel zu spät und der Missetäter über alle Berge.

    Im weiteren Verlauf des Tages wurden noch ein paar Ansprachen gehalten, interessante Gespräche geführt, ein paar unvermeidliche Danksagungen an die Götter gesprochen und vor allem noch viel gefeiert, gegessen und getrunken.



    Die Buchmacher hatten an diesem Tag Hochkonjunktur. Zwar war es ihnen untersagt, innerhalb des Hippodroms ihren Geschäften nachzugehen, aber das ließ sich kaum kontrollieren und vor der Rennbahn blühte das Wettgeschäft ohnehin.
    Ein Favorit war bei diesem Teilnehmerfeld schnell ausgemacht: Die Quoten für Dominator Spectatorum waren mit Abstand am schlechtesten, denn er war der einzige Teilnehmer, der bereits ein großes Rennen gewonnen hatte.
    Alle anderen römischen Gespanne lagen mehr oder minder gleichauf, obwohl sie teilweise doch recht unterschiedliche Erfolge aufweisen konnten. Aber scheinbar traute man in Ägypten jedem römischen Gespann einen vorderen Platz zu. Denn immerhin betrieben die römischen Factiones auch den größten Aufwand, was Material, Übungsmöglichkeiten und Vorbereitung anging.
    Das tylusische Gespann war den Wettern ein Rätsel. Einige schworen darauf, dass der Tyluser im Hippodrom von Alexandria viel besser als die Römer zurecht kommen würde, Andere trauten dem Orientalen grundsätzlich nichts zu und wieder Andere behaupteten, der Mann könne wahre Wunderdinge bei seinen Pferden bewirken und sie ganz sicher zum Sieg beflügeln.
    Den Thracer Alexandros kannte niemand und kaum einer wettete auf ihn. Seine Quoten waren die höchsten.
    Was nun die beiden Ägypter anging, so glaubten die Kenner trotz ihres Heimvorteils nicht an ihren Sieg. Aber gar nicht so Wenige setzten ihr Geld aus Sympathie auf die heimischen Teilnehmer. Häufig waren das in diesen Fällen nur kleine Geldbeträge, aber es genügte, dass ihre Quoten mit denen des Tylusers Lipodoros in etwa gleichauf lagen.


    Doch es waren alles nur Wetten. Die Wahrheit würde sich am nächsten Tag auf der Rennbahn erweisen...

    ...denn es kamen noch zwei 'Lokalmatadoren' und der Ausrufer war keineswegs vollkommen neutral.


    “Zum Schluss... und in der Hoffnung das die Götter sie morgen beflügeln werden... habe ich die Ehre zwei Einheimische anzukündigen. Zwei Männer, die voller Stolz ihre Heimat beim morgigen Rennen vertreten werden.
    Tragt sie mit eurem Jubel nach vorne!
    Begrüßt Mehaf, aus dem immergrünen Land am See Moeris und Hakor aus dem schönen Naukratis!“

    “Die Farben der rhomäischen Factio Veneta vertritt Rothar! Ein zweiter Platz steht bei ihm zu Buche und außerdem ein vierter, erst kürzlich errungen bei einem Rennen im rhomäischen Germanien.“

    “Plinius tritt für die rhomäischen Factio Praesina an. Im vergangenen Jahr erreichte er bei den Ludi Martiales in Rom einen ehrenvollen dritten Platz. “

    “Aus dem fernen Land Tylus kommt Lipodoros zu uns. Er stammt aus der Stadt Damman, wo er bei einem Rennen für junge Wagenlenker schon einmal Dritter geworden ist.“

    “Für die rhomäischen Factio Purpurea geht ihr bester Mann an den Start. Seine Name ist in der ganzen Welt bekannt: Dominator Spectatorum!
    Drei Mal konnte er bereits den Sieg erringen und dazu fünf zweite Plätze, einen dritten und zwei vierte.“

    Erneut brandete empörtes Murmeln bei einigen der Männer auf. „Unverschämt.“, blaffte einer der Männer vernehmlich. Doch Jochebeds Augen funkelten gewitzt und ein Lächeln stahl sich auf seine schmalen Lippen unter dem dichten weißen Bart. Er breitete die Arme aus. „Aber Chaver, warum sagst Du das nicht gleich?“ Er lachte als ob ein Missverständnis nur zwischen zwei guten, alten Freunden ausgebrochen war und nun belegt werden könnte. „Du kommst also um von uns die Tafeln beschreiben zu lassen. Wenn dem so ist, natürlich. Da wollen wir uns nicht sträuben, mein Freund. Setzt Dich doch wieder.“ Jochebed deutete (scheinbar) freundlich auf den Stuhl, wo Timokrates eben noch gesessen hat. Es glitzerte jedoch weiter hin in den Augen des alten Mann gerissen. „Gut, dann wollen wir doch mal mit dem produktiven Teil beginnen, statt uns wie Kinder um den heißen süßen Brei herum zu drücken.“ Die beiden Männer an seiner Seite glucksten wieder vergnügt. Einige der Männer im Rat schienen jedoch nicht derart begeistert zu sein. „Erster Vorschlag: Die Administration des Delta liegt in den Händen des Sanhedrin. Wir fertigen eine Liste mit den jeweiligen Männern an, die in die Verwaltung für unser Viertel berufen werden sollen. Diese schicken wir der Verwaltung der Polis. Einverstanden?“

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    Gelon brummte nur etwas Unverständliches zur Antwort. Er war auf keinen Streit mit den beiden Römern aus, denn ein Nicht-Römer konnte dabei nur den Kürzeren ziehen, wie er nur zu gut wusste. Vor allem wenn es sich bei den Römern auch noch um zwei Soldaten der hiesigen Legion handelte. Die hier stationierten Legionäre waren schließlich seine wichtigsten Kunden.
    Darum sagte er nichts. Stattdessen brachte er eine Kanne Wein und zwei Becher. Er stellte alles auf dem Tisch der beiden Soldaten ab und nahm das Geld.


    “Wohl bekommts!“, sagte er und dann begab er sich wieder in den hinteren Teil der Schankstube.

    Am zweiten Tag gab es ein paar kleinere Rennen im Hippodrom. Die Teilnehmer kamen ausnahmslos aus der näheren Umgebung und waren bestenfalls Kennern der aegyptischen Rennsportszene namentlich bekannt.
    Der Höhepunkt dieses Tages war deshalb auch die feierliche Vorstellung der Teilnehmer des Hauptrennens, dass am nächsten, dem dritten Tag stattfinden sollte.


    Nacheinander sollte jeder der Teilnehmer eine langsame Ehrenrunde um die Rennbahn drehen und an ihrem Ende vor der Ehrentribüne anhalten, bis dort alle zehn Kontrahenten nebeneinander Aufstellung genommen hatten.


    Ein Ausrufer, der unterhalb der Ehrentribüne stand, würde dem Publikum jeden Teilnehmer mit lauter Stimme vorstellen.


    Das erste Gespann kam in das Hippodrom.


    “Halil Torkebal. Er geht für die rhomäische Factio Russata an den Start.“

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    Diese jungen römischen Soldaten wussten scheinbar nicht so genau was sie wollten. Der eine bestellte zwei Kannen, der andere nur einen Becher und meinte, dass er später vielleicht mehr wolle, was für Gelon ohnehin feststand, denn welcher Mann würde sich schon mit lediglich einem Becher Wein zufrieden geben.


    “Zwei Kannen mit zwei Bechern, kommt sofort.“, sagte er schließlich der Einfachheit halber. Auf dem Weg nach Hinten drehte er sich aber noch einmal um und meinte: “Und was getrunken wird muss auch bezahlt werden.“

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    Gelon machte nicht den Eindruck, als wolle er den Römern an die Gurgel gehen. Er kratzte sich stattdessen seinen schwarzen Bart. Zwar sprach er für einen Kilikier ein ganz passables Latein, aber es war natürlich nicht seine Muttersprache und darum missverstand er den Soldaten auch prompt.


    “Kosten? Eine Kanne aegyptischer Wein kostet drei As, der cyprische vier. Das ist nicht zu teuer und mein Wein ist sein Geld wert.“, versicherte er.
    “In eurem Lager kriegt ihr nicht so guten Wein und mehr bezahlen müsst ihr da auch.“

    Timokrates konnte sich der vollen Aufmerksamkeit der dreiundzwanzig Männer im Rat sicher sein. Denn nachdem die Wogen des Streites gelegt waren und Jochebed die Frage gestellt hatte, sahen alle Männer wieder aufmerksam zu Timokrates. Und seine Rede führte zu gänzlich unterschiedlichen Reaktionen bei den Männern. Die Ältesten unter ihnen verzogen empört ihr Gesicht, aber immer wieder schienen so manche der Männer durchaus von den Worten beeindruckt zu sein. Zumindest wollten diese es sich nicht mit Timokrates gleich verscherzen. Einer der jüngsten Männer, er war erst um die vierzig Lenze alt, sah eindringlich zu Jochebed. „Rabbi, wir sollten...“ Jochebed hob sein dürres Händlein und wischte jeden Einwand zur Seite. „Aber...“, setzte der 'junge' Mann noch mal an. Erneut winkte Jochebed ab und sah mit verengten Augen zu Timokrates. Jochebed, so kurios er wirkte und zerstreut er manches Mal war, war ein stolzer Mann. Früher noch mehr, dafür heute mit noch mehr Dickkopf gesegnet. „Mošæ betrat den Berg, um Rat bei Jahwe zu suchen. Du bist hierher gekommen. Du hast die Vorschläge offenbart. Ist es verwunderlich, wenn wir wissen möchten, was in Deinem Überraschungssack steckt? Wie sagt ihr Hellenen noch gerne? Wer kauft schon gerne die Katze im Sack.“ Jechobeds dünne Brauen zogen sich tatsächlich ärgerlich zusammen. Die beiden alten Männer an seiner Seite kicherten nicht mehr. Auch der Rest des Rates war nun verstummt und sahen auf Timokrates Rücken. „Aber bitte, Chaver. Die Tür steht Dir offen. Niemand hindert Dich zu gehen.“ Jochebed stützte sich auf seinem Gehstock an und sah intensiv auf Timokrates Rückseite. Jochebed bluffte auch, aber er hatte die Geduld von einem alten Mann. Wenn Timokrates jetzt gehen würde, dann wäre an einem anderen Tag noch die Gelegenheit die Gespräche fortzusetzen. Oder auch nicht. Dennoch war Jochebed etwas angespannt.