Beiträge von Octavia Margarita

    Am nächsten Tag erreichte eine Sklavin Margaritas Cubiculum und überbrachte ihr einen Brief. Als sie ihn gelesen hatte, musste sie sich ersteinmal setzen. Tränen liefen über ihre Wangen. Erinnerungen an ihren Onkel kamen ihr in den Sinn. Gute Erinnerungen an einen guten Menschen.
    Nach eine Weile stand sie auf und verließ das Zimmer. Sie wollte Mercator fragen, ob sie den Rest des Tages frei bekommen konnte.

    Auch Margarita erhob sich. Das Gespräch hatte sie ein wenig erstaunt, sie wusste nicht, dass man für solche Dinge wie Sklaven solch ein Vermögen ausgab. Doch Commodus und Felix waren beide Patrizier, und wahrscheinlich handelte es sich für sie nur um kleinere Beträge. Höflich verabschiedete sie sich von Senator Felix und folgte Commodus.

    Etwas unsichert lächelte Margarita auf Commodus' Zwinkern hin. Sie kam sich ein wenig fehl am Platz vor. Sie hatte sich noch nie mit den Eigenarten und Vorzügen von Sklaven beschäftigen müssen und dies war ihr auch recht. Sie wusste ungefähr, was ein guter Sklave wert war, doch mehr auch nicht. Sie trank einen Schluck und lauschte dann weiter dem Gespräch.

    Margaritas Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, als Felix den Fernhandel der Caecilier auf den Mercati Trajani erwähnt. Sie hatte keine gute Erinnerung daran, doch sie drängte die aufkeimenden Gedanken schnell wieder bei Seite. Dies war nicht der richtige Ort um darüber nachzudenken. Sie hielt ihre Mine so gut es ging ausdruckslos.

    Margarita nahm Platz auf einem der Korbstühle und beobachtete interessiert den Senator und Commodus. Noch immer grübelte sie darüber nach, wo sie den Santor schon einmal gesehen haben könnte, denn auf dem Bankett war er ihr nicht wirklich aufgefallen.

    Ein wenig verunsichert trat Margarita einen Schritt auf Commodus zu und blickte zu Senator Felix. Irgendetwas an seinem Gesicht verunsicherte sie, doch sie konnte sich nicht erklären, was es war. Vielleicht seine Augen, sein Blick.

    Geduldig wartete Margarita neben Commodus und beobachtete irritiert den Sklaven, der durch das ganze Haus brüllte. So etwas hatte sie noch in keinem Haushalt erlebt, doch wahrscheinlich ging das schneller, als wenn er selbst losging um den Besuch zu melden.

    Abwartend stand Margarita neben Commodus und erwiderte sein Lächeln. Sie kannte den Senator Secundus Flavius Felix nicht persönlich, erinnerte sich jedoch daran, seinen Namen auf der Gästeliste des kaiserlichen Banketts gelesen zu haben.

    Margarita zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn es ihr nicht so recht gelingen wollte. Sie würde Commodus heute überall hin folgen. Und das nicht nur, um nicht alleine zu sein. "Ja, gerne." Sie stand auf und schaute auf Commodus, der noch immer etwas tropfte. "Das mit dem Brunnen tut mir leid, Commodus. Ich wollte es nicht, es war nur... du... kannst du mir verzeihen?" Mit erleichtertem Blick sah sie Commodus Nicken.
    Gemeinsam verließen sie den kleinen Platz mit dem Brunnen und gingen zur Villa Flavia Felix.

    Sie spürte Commodus Arm um ihre Schultern und beruhigte sich ein bisschen. "Ich ließ vor Schreck eine der Amporen fallen und ein Flottenoffizier hörte dies und kam dazwischen. Ich glaube, ich kenne ihn irgendwoher, doch in all dem Durcheinander, ich habe noch nichteinmal seinen Namen mitbekommen, so dass ich ihm danken kann. Die Virgiles kamen dazu und umzingelten den Kerl. Ich wollte nur noch nach Hause." Unbewusst lehnte sie sich an Commodus an, sie bemerkte nicht, dass er noch nass war. "Ich bin so froh, dass die kaiserliche Familie momentan nicht in Rom ist. So habe ich nicht all zu viel zu tun. Denn noch nichteinmal bei der Arbeit kann ich mich ablenken und muss immer wieder an seinen Blick denken." Sie seufzte. "Und dann ist auch noch Onkel Anton gestorben. Ich habe ihn nicht mehr wiedergesehen, seit er aus Tylus zurück war." Wieder musste sie gegen die Tränen ankämpfen.

    Sie schaute zu Boden und begann unbewusst die Kordel ihres Gürtels zwischen den Fingern zu drehen. "In der letzte Woche war ich nach der Arbeit abends noch auf dem Markt." begann sie zögernd zu erzählen. "Ich habe Wein gekauft, einen ganz besonderen Wein." Sie erwähnte nicht, dass sie diesen Wein gekauft hatte, um ihn gemeinsam mit Commodus zu trinken. "Ich war schon auf dem Rückweg, ich ging durch eine weniger belebte Gasse, als..." Sie stockte und musste sich zwingen, weiterzusprechen. "Auf einmal stand dieser Kerl vor mir. Er schaute mich aus seinen irren Augen an und wollte, dass ich ihm die Amphoren gebe. Ich... ich habe ihm gesagt, er solle verschwinden, da zog er auf einmal ein Messer. Mitten in Rom. Er stieß mich gegen eine Hauswand und hielt mir das Messer an die Kehle." Ein Schauer lief ihr bei der Erinnerung über den Rücken und eine Träne rann aus Margaritas Auge. Mit einer schnellen Bewegung wischte sie diese weg. "Ich kann seinen Blick nicht mehr Vergessen, dieses irre Glühen in seinen Augen. Immer wieder sehe ich es vor mir, des Nachts in meinen Träumen und bei Tag fürchte ich jederzeit, dass er wieder vor mir stehen könnte..."

    "Ich... es..." Margarita stand da mit einem Gesichtsausdruck, als würde die Welt jeden Augenblick untergehen. Nur mit Mühe hielt sie die Tränen zurück. Die ganze Welt schien sich gegen sie verschworen zu haben und nichts war mehr so, wie es sein sollte. Und zu allemdem stand sie sich auch noch selbst im Weg. Und Lucius Aurelius Commodus stand tropfnass vor ihr. Zum Glück waren nicht viele Personen auf dem Platz und nur ein, zwei schauten neugierig, gingen dann jedoch weiter.
    Margarita ließ sich kraftlos wieder auf den Brunnenrand sinken. "Oh Commodus," ihre Stimme war leise. "es tut mir leid. Ich bin... nichts ist, wie es sein sollte."

    Sie schaute ihn erbost an. Wie konnte er nur so etwas sagen? Erst schlich er sich an sie heran, wie ein Verbrecher und nun das. Sie war kapp einem Irren entronnen, dann war auch noch Onkel Anton dahingeschieden und er bezeichnete sie als verschrecktes Huhn!
    "Was?" fragte sie laut und stand auf. Sie wollte seine Hand abschütteln und stieß sie Beiseite. Es lag mehr Kraft in dieser Bewegung, als sie beabsichtigt hatte und sie konnte nicht verhindern, Commodus Brust zu treffen. Er verlor das Gleichgewicht, kippte nach hinten. Margarita schlug vor Schreck die Hände vor den Mund.

    Er wollte sie besuchen. Für eine Moment zauberte dies ein Lächeln auf ihre Lippen, dann jedoch, auf seine Frage antwortend, legte sich wieder ein Schatten über ihr Gesicht. "Nein." sagte sie betrübt und spürte dabei seine Berührung auf ihrer Hand. Es kribbelte auf ihrer Haut, doch nicht unangenehm. "Ich habe ihn bei dem Triumphzug gesehen. Ich... denke zumindest, dass er es war. Er sah gut aus in seiner Paraderüstung, erinnerte mich an unseren Vater." Sie schaute nun wieder nach unten, beobachtete seinen Daumen. "Ich wollte ihn hinterher treffen, doch ich verlor ihn aus den Augen und dann zog seine Legion so schnell ab. Es gibt Gerüchte. In Germanien soll es schon wieder Spannungen geben. Ich hoffe, dass es ihm gut geht."

    "Es... es geht mir gut." sagte sie nun ein bisschen gefasster und brachte sogar halbwegs ein Lächeln zustande. "Ich bin nur... etwas erschrocken, nichts weiter." Es tat gut, Commodus Hand auf ihrer Schulter zu spüren und bereitwilig folgte sie ihm.
    An dem Brunnen setzten sie sich und Margarita benetzte ihr Gesicht mit etwas frischem Wasser. Sie schaute Commodus an, senkte dann jedoch ihren Blick. Sie wusste nicht, ob sie ihm von ihrem Erlebniss berichten sollte, oder vom Tod ihres Onkels. Was würde es ihn schon interessieren. Es war ihr unangenehm, dass sie sich selbst so hatte gehen lassen. Und noch unangenehmer, dass er sie so gesehen hatte. Sie fuhr mit ihrer Hand durch das Wasser und beobachtete die Bewegungen, die sie damit auf der Wasseroberfläche erzeugte. Dann blickte sie verlegen auf. "Ich wusste nicht, dass du in Rom bist."

    Auf einmal hatte Margarita das dumpfe Gefühl, dass sie verfolgt wurde. Sie spürte schon den Atem des Verfolgers in ihrem Nacken. Eiskalter Angstschweiß trat auf ihre Stirn und sie fing an leicht zu zittern. Sie sah genau Sicas bösen Blick und sein hämisches Grinsen vor sich. Sie schluckte schwer und vergewisserte sich, dass sie nicht wieder alleine in einer dunklen Gasse stand.
    Langsam drehte sie sich um. Direkt hinter ihr stand ein Mann und schaute sie an. Ein Schrei blieb ihr im Halse stecken, als sie ihm mir schreckensgeweiteten Augen ins Gesicht schaute. Es dauerte einige Sekunden, bis sie erkannte, dass es nicht Sica war. Erleichtert atmete sie aus und wurde sich dann auch der Tatsache bewusst, dass Commodus vor ihr stand.
    "Commodus." flüsterte sie, denn für mehr reichte ihr Atem nicht.

    Gedankenverloren ging Margarita durch die belebten Straßen Roms. All die Menschen, die an ihr vorbeiliefen, nahm sie nur als Schatten wahr, unbedeutende Schemen die kamen und gingen, so wie alles im Leben. Noch vor kurzem hatte sie ihr Onkel Anton in der Casa Octavia begrüßt und nun war sein Körper nur noch eine leblose Hülle und sein Geist bereitete sich darauf vor, in das ewige Elysium einzugehen. Sie würde ihn nicht wiedersehen in diesem Leben und dies war etwas, was eine tiefe Traurigkeit in ihr hervorrief. Wieder stiegen in ihr die Gedanken an das Ableben hoch, das Elysium, an den Vorfall auf dem Markt.
    Schaudernd drehte sie sich um, blickte unsicher durch die Menge, doch niemand achtete auf sie. Alle waren mit ihren eigenen Gedanken, Freuden und Sorgen beschäftigt. Das Leben nahm seinen Lauf, ging weiter wie eh und jeh, und nichts würde es daran hindern.
    Margarita bog in eine Straße mit vielen kleinen Läden ein. Sie brauchte eine neue Tunika, doch sie wollte es vermeiden, die Mercati Traiani aufzusuchen.

    Spät am Abend betrat Margarita vom Mercatus kommend ihr Cubiculum. Wortlos ist sie an den Palastwachen vorbeigeeilt und erst nun fielen ihr dir roten Flecken am Saum ihrer Tunika auf. Sie schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Langsam ließ sie sich an der Tür entlang nach unten gleiten bis sie auf dem Boden saß und schlug die Hände vors Gesicht. Eine Weile schluchzte sie leise, dann verstummte sie. Sie schaute auf, ließ ihren Kopf zurück an die Tür schlagen, ihre Hände sanken herab. Ihr Blick ging ins Leere, sie widerte sich selbst an. War sie wirklich so naiv gewesen zu glauben, dass sich alle Verbrecher an das Pomerium halten? War sie wirklich so dumm gewesen, zu glauben, dass das Leben endlos währt? Im Augenblick, da sie das Messer an ihrer Kehle verspürt hatte, da war es ihr nur natürlich erschienen zu sterben. Doch welch eine Furcht hatte sie im Nachhinein ergriffen.
    Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie schwor sich, nie wieder so dumm zu sein. Nie wieder so naiv. Und nie wieder auf der falschen Seite des Messers.

    Zitat

    Original von Marcus Didius Falco
    "Gut, Octavia Margarita." sagte der Optio, nachdem er seine Notizen vervollständigt hatte.


    "Du kannst dann deinen Weg fortsetzen, wie ich hoffe diesmal unbehelligt. Ein Amphore des Weines hast du zum Glück noch."


    Margarita nickte und murmelte noch ein "Danke.", bevor sie sich beeilte die Szenerie zu verlassen.
    Noch als sie einige Gassen weiter war, glaubte sie den vernichtenden Blick in ihrem Nacken zu spüren. Immer wieder drehte sie sich nervös um, zwang sich dazu, tief durchzuatmen. Erst als sie den Palast sah, fühlte sie sich wieder sicher.