Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus

    Hungi schmunzelte noch immer. Davon bin ich überzeugt, junger Ferrier.


    Da endlich kam auch ein Sklave daher, mit Wein, Wasser und zwei Bechern, die er sogleich befüllte und an den Gast und Hungi reichte.


    Sehr gut. Nachdem wir das besprochen haben, hätte ich noch eine Frage an dich: Wie sieht es derzeit in der Classis aus?

    Hungi unterdrückte ein Lachen, stattdessen schob sich ein Lächeln in seine Mundwinkel. Das Geschäftliche war also erledigt, jetzt kam sozusagen der gemütliche Teil. ;)


    Freut mich, daß er dir schmeckt. Ein kampanischer, Südhang, tolle Lage, vorzüglicher Boden. Leider schon ein wenig alt, aber das ist ja zu dieser Jahreszeit normal. Ich hege große Hoffnungen in den heurigen Jahrgang. Der Juni war feucht, aber jetzt im Juli schön heiß. Wenn es im August auch so bleibt, könnte ein großartiger Tropfen bald unsere Gaumen erfreuen.

    Hungi schmunzelte ob der Antwort des Ferriers.


    Verständlich, junger Freund.


    Er wartete noch zwei, drei Sekunden, dann erhob er erneut seine Stimme. Nun, ich wäre wohl sonderlich dumm, wenn ich dein Angebot nicht annehmen würde. Schon dein Vater hatte mich beeindruckt, ich bin sicher, der Sohn wird das auch.

    Das mag durchaus sein. Aber du bist Kommandeur der Classis, es wundert mich, daß du noch keinen Patron hast bzw. bisher ohne ausgekommen bist, und noch mehr, daß du mich als geeigneten Patron für dich auserwählt hast.


    Lass mich dir eine Frage stellen. Wie siehst du deine Zukunft? Ich gebe zu, die Frage ist ein wenig merkwürdig, aber für mich würde eine Antwort sehr interessieren.

    Uff, der zögerte wirklich nicht lange.


    Du bist der Sohn von Ferrius Magnus? Ich kannte deinen Vater, er war sehr engagiert in der Factio Veneta, damals, als sie noch politisch war und kein Rennstall.


    Du bittest um mein Patronat? Du weißt, daß ich bald nicht mehr Praefectus Praetorio bin und deswegen nur mehr einfacher Senator?

    Hungi grummelte, nörgelte und zeterte leise weiter, er war halt nicht einverstanden mit der jetzigen Praxis und überlegte schon, was man machen könnte deswegen. Viele, nette Ideen fielen ihm ein, einige waren eher schwer durchzusetzen (etwa die Möglichkeit einer Aberkennung, wenn der fragliche Jurist Hungis Meinung nach vollkommenen Blödsinn verzapfte), andere hingegen schon eher - ob ein Kolloquium und eine Dissertation ähnlich der der Academia Militaris zielführender wäre? Zumindest würden sich dann etliche es anders überlegen und nicht einfach so antreten.


    Aufgrund dieser Überlegungen dauerte es ein paar Momente, bis er die letzten Sätze Adrias realisiert, verstanden und überdacht hatte. Würd das nicht zuviel Aufwand sein? Es müsste immerhin genau Buch geführt werden, wer über was Bescheid weiß.

    Der Ianitor hatte Hungi von der Ankunft des Theodores berichtet, so machte sich Hungi auf den Weg ins Atrium. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, was der Ferrier von ihm wollen könnte, hatte er doch nie wirklich Kontakt gehabt zur Classis, aber er war neugierig und der Ferrier wird es ihm sicher sagen.


    Salve, Ferrius Theodores. Womit kann ich dir dienlich sein?

    Wenn er kein Jurist werden will, wozu braucht er dann den Cursus? antwortete Hungi noch immer hocherregt.


    Verstehst du nicht, selbst wenn er jetzt Zeit hat und intensiv lernt - was ich bezweifle in einer Legion - wird er nach der Prüfung alles vergessen und genauso viel Schmarrn zusammenbringen wie einer, der die Prüfung gar nicht absolviert hat. Oder willst du einen Medicus dich untersuchen lassen, der seit Jahren keine Behandlung mehr vorgenommen hatte? Einen Architekten ein Haus bauen lassen, der eine Baustelle vor Jahren das letze Mal von der Nähe gesehen hat? Natürlich nicht. Warum sollte ich das also für die Juristerei zulassen? Für eine Institution, die genausoviel Pflege benötigt? Genauso wie der Kaiserpalast wird das Römische Recht noch in Jahrhunderten bestehen, ich lasse nicht zu, daß das Fundament unseres Staates von Kurpfuschern beschädigt oder gar zerstört wird!

    Hungi schaute den Alten erstaunt an. Wollte ihm dieser von Traditionen erzählen und hatte selber aber keine Frau? Augustus würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon hören würde. Doch er überging dieses Thema nicht an, stattdessen kam er nicht umhin, eine andere Sache etwas belustigt anzusprechen.


    Du beweist eine interessante Wortwahl, wenn du die Politik als "Niedrigkeit" einschätzt, mal abgesehen davon, daß ich dieses Wort noch nicht einmal kenne. Doch entschuldige, ich habe dich unterbrochen. Du wolltest mir ja noch erzählen, warum genau du mich aufsuchst.

    Die Fragen, die sie Hungi stellte, wurden ihn immer lästiger. Er fühlte sich in die Enge gedrängt, warum genau konnte er nicht sagen, aber immer mehr drängte sich die Erinnerung an die Hochzeitsnacht in ihm auf, ihre Reaktion auf ihn damals nagte sehr an seinem Selbstbewußtsein.


    Nein, ich habe nichts an dir auszusetzen und ja, es ist deswegen. sprach er tonlos. Es war noch nicht einmal gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Doch vor den Kopf stoßen wollte er sie nicht. Etwas abrupt stellte er seinen Becher, der noch halb voll war, hin und stand auf.


    Ich denke, wir haben alles besprochen. Sichtlich unruhig wandte er sich zur Tür, drehte sich aber dann doch noch um. Wir... sehen uns. sagte er noch, dann verließ er den Raum.


    Draußen blieb er vor ihrer Tür noch kurz stehen, atmete erleichtert auf und ließ noch schnell das Gespräch Revue passieren. Jetzt war es soweit, er würde wohl ein paar der nächsten Nächte, so sie nicht Besuch bekam von ihrer Tante, ihr beiwohnen. Und er hoffte stark, daß es wirklich anders werden würde. Erst jetzt konnte er schmunzeln, als er sich wieder vergegenwärtigte, daß sie ihn praktisch angefleht hatte um eine Nacht mit ihm. Das hob sein Selbstbewußtsein und er fühlte sich sogleich wieder besser. Sicher wußte er, daß sie dies nicht ganz aus denselben Gründen tat, wie er es gern hätte, aber es war definitiv ein Anfang. Das Schmunzeln verbreiterte sich zu einem Lächeln, und er trat jetzt endgültig den Weg in sein Arbeitszimmer an, wo er zwar nicht weiterarbeiten würde (dafür war dieses Gespräch doch zu einprägend gewesen), aber er würde sich schon die Zeit angemessen vertreiben, und wenn er irgendein Spiel spielen würde, wie die Kinder auf den Straßen.

    Von ihren Ängsten kriegte Hungi naturgemäß überhaupt nichts mit, aber wie auch, selbst wenn er der sensibelste Mann der Erde gewesen wäre - was er nun ja wirklich nicht wahr - selbst dann könnte er nicht Gedanken lesen. Außerdem war er in diesem Moment doch ein bissl zu sehr mit sich selber beschäftigt. Erst als sie wieder ihre Worte an ihn richtete, fiel ihm auf, daß er das ganze Gespräch hindurch nicht wirkliche Eloquenz bewiesen hatte.


    Du hast recht. Ich hätte dich nicht so vernachlässigen sollen. Doch ich dachte, so wäre es dir lieber.


    Den Weinbecher, den er noch immer in der Hand hielt, schwenkte er ein wenig, so daß der Inhalt gleichmäßig seine Bahnen fuhr. In seinem Inneren war es heillos komplizierter.


    Sicher gehts beim nächsten Mal besser. sagte er jetzt eigentlich vollkommen unvermittelt.


    /edit: letztes Wort ausgewechselt.

    Doch weder das von ihr erwartete schallende Lachen noch die Zurechtweisung kam von seiner Seite. Hingegen registrierte er mit Erstaunen, daß seine Frau tatsächlich unsicher war und bei weitem nicht in jeder Lebenslage souverän. Nein das eigentlich erstaunte ihn nicht, jeder Mensch war einmal nicht ganz so selbstbeherrscht, viel eher verblüffte ihn, daß sie es so offen vor ihm zugab, und das so dermaßen, daß er einige Zeit brauchte, bis er ihre Sätze - oder eher Satzfetzen - richtig deutete. Vor allem der letzte Satz, der dauerte, bis bei Hungi der As fiel.


    Sie wollte also, daß er seine ehelichen Pflichten erfüllte. Schon seit längerem war auch er der Meinung, daß der jetzige Zustand eigentlich nicht weitergehen konnte, wenn er seinen erwünschten Erben bekommen sollte. Doch er verdrängte diesen Gedanken immer wieder, mal mit Arbeit, mal mit Vergnügungen jedweder Art, ob Wein, ob Freunde oder ob - ja auch - Frauen, anderen Frauen natürlich, sonst wär es ja nicht logisch.


    Die Situation in diesem Raum war eigentlich grotesk. Da saß seine Frau vor Hungi und bettelte ja schon fast darum, daß er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, und er? Er saß da und tat und sagte nichts. Er hatte allerdings auch keine Ahnung, was er sagen sollte. Denn etwas störte an diesem Bild und zwar die Pflicht, die Pflicht, der Ehemann in jeder Lebenslage zu sein, behagte ihm überhaupt nicht. Und genau das wollte sie aber, seine Pflicht. Ob aus dieser Pflicht Freude oder gar vollendeter Genuss entstammen würde, wagte er aufgrund seiner Erfahrungen in der gemeinsamen Hochzeitsnacht zu bezweifeln.


    Es verstrichen ein paar Momente, in der er nicht sprach, doch irgendwann mußte er etwas sagen, also sagte er: In Ordnung.

    Mit ihrem Bruder? Also jetzt brauchte er den Wein, und zwar dringend. Blind tastete er nach dem Becher, die Augen nicht von ihr ablassend, doch als er danebengriff, mußte er doch hinsehen. Der Ausdruck in seinen Augen änderte sich dabei aber nicht, viel eher verstärkte sich dieser noch um eine oder zwei Nuancen. Schnell nahm er den ersten Schluck, die zweite und auch die dritte folgten sogleich darauf. Und als sie das mit den Kindern ansprach, verschluckte er sich fast, räusperte sich, fasste sich aber dann wieder.


    Nein, er mußte sich nochmal räuspern, diesmal aber nicht aufgrund des Weines, sondern eher zur Überbrückung der Zeit. Deswegen also war Ursus so aufgeregt gewesen, wenn sie das gleiche mit ihm besprochen hatte.


    Ähm, ich dachte, du seist froh darüber, daß ich dich nicht anrühre.

    'Unsere Ehe?' echote es in Hungis Kopf, wenn auch mit einem fragenden Unterton. Also hatte doch er etwas angestellt, und nicht Ursus. Aber was? Er war sich keiner Schuld bewußt und lehnte sich etwas nach vorne, die Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ruhend und schaute sie tatsächlich noch fragender an als vorher.


    Als seine Frau dann weitersprach, bemerkte er dann zu seiner Erleichterung, daß es wohl kein besonderes Ereignis war, weswegen sie ihn hergeholt hatte, sondern eher der Zustand der Ehe. Das heißt, erleichtert war er doch nicht, wohl eher irritiert. Sein Blick wurde ernster, eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn. Hungi atmete laut ein und lehnte sich wieder im Sessel zurück, den ihm dargebotenen Wein ignorierend.


    Inwiefern?