Beiträge von Marcus Vinicius Hungaricus

    Es dauerte einige Zeit, bis der Sklave ihn durch die Gänge zum richtigen Triclinium führte. Und vermutlich würde es auch einige Zeit dauern, bis er, Hungi, sich in diesem Haus genau auskennen würde. Wahrscheinlich würde er in exakt jenem Zeitpunkt abberufen werden. Wenn ihm der Sinn nach dem ausgesuchten Interieur stehen würde, hätte er dieses schon längst anerkennend begutachtet. Doch in diesem Moment war ihm das mehr oder weniger gleich, denn dafür hatte er nachher noch genug Zeit. Zuerst stand das Gespräch mit seinem Vorgänger auf dem Plan.


    Senator Flavius. begrüßte er eben jenen, als er im Triclinium eintraf und auf ihn zuging. Wie geht es dir? Er war zwar nicht blind, sah er doch, daß der Flavier krank war, was auf eine merkwürdige Art und Weise wiederum gut war, denn sonst wäre Hungi sehr beleidigt gewesen, wenn der Flavier eine Krankheit nur vorgeschoben hätte, um ihn nicht persönlich bei seiner Ankunft am Hafen Tarracos begrüßen zu müssen.

    Hungi hatte gerade den Brief gelesen, den er von seinem Klienten Caecilius Metellus bekommen hatte. Schau schau, war er in Germania. Er rollte den Brief zusammen und gab ihn Ursus.


    Tu das. Und leg den Brief in mein Cubiculum, ich werde ihn später beantworten. gab er seinem Sklaven die Order und wandte sich dann an seinen Neffen. Was hältst du davon, wenn wir uns in der Zwischenzeit umsehen? Bis der Senator fertig ist, wird es vermutlich noch dauern.

    Ah, es wurden gar keine Wahlen abgehalten? Interessant... Das war es tatsächlich, denn eigentlich sollten ja Wahlen abgehalten werden. Oder etwa nicht? Es war doch ziemlich vonnöten, dieses Gesetz sich einmal anzuschauen.


    Welche Beförderungen ich durchführen werde, werden wir noch sehen. übersprang Hungi den Punkt und widmete sich eher dem nächsten bzw. letzten Satz, den der Comes gerade von sich gegeben hat. In zwei Wochen schon? Gibt es einen speziellen Grund?

    Na also, das hörte sich schon viel besser an. Valerius... Patuleius und Seius... gut. wiederholte er leise, um sich die Namen zu merken. Wann waren eigentlich die letzten Wahlen zur Curia? fragte er, bevor er es vergaß. In Gedanken notierte er sich auch seinen Vorsatz, sich das entsprechende Gesetz einmal zu Gemüte zu führen.


    Dann werde ich mit dem Procurator über die Finanzen der Provinz sprechen. Kommen wir zur Regio. Was gibt es hier zu berichten?

    Bona Dea, das war ein knapper Bericht. Hungi fühlte sich danach nur unwesentlich informierter als vorher.


    Welcher Duumvir ist dein Stellvertreter? Wer ist sonst noch in diesem Gremium vertreten? Wer gehört eher der konservativen Strömung an, wer ist deutlich liberaler? Was für Beförderungen stehen noch aus? Was war der nächste Punkt? Ahja, die Wirtschaft. Wie sieht das Budget der Provinz derzeit aus? Die Kriminalität sparte er aus, das war ohnehin ein Punkt, der gesondert diskutiert werden musste. Und wann soll dieses Stadtfest sein?

    Der genaue Krankheitsverlauf des Flavius tangierte Hungi nur peripher, und über die Einsetzung des Quästor zum Stellvertreter war er natürlich unterrichtet, hatte er das doch schon im Senat gehört. Annaeus Modestus, richtig? Ich entsinne mich. sprach er wie nebenbei, ohne jeglichen inneren Zwang, dieses Thema weiter ausführen zu wollen.


    Gut, dann bring mich auf den neuesten Stand. Politische Verhältnisse, Wirtschaft, Kriminalität, gesellschaftliches Leben, Zustand des Cultus Deorum, kurz alles. Fang am besten bei der Curia Provincialis an.

    Herein! sprach der neue Proconsul laut. Ah, der Comes Fabius. Sehr gut. Setz dich. sagte er, als der Comes hereinkam und wies ihm mit der Hand die Sitzgelegenheit direkt vor seinem Schreibtisch zu. Und nimm dir ruhig etwas zu trinken. Ich denke, das hier wird länger dauern.


    Er raschelte noch etwas mit seinen Papieren auf dem Schreibtisch herum, legte sie aber dann beiseite. Gut, gehen wir gleich in medias res. Du hast bei deiner Ankunft gesagt, daß der Senator Flavius Furianus durch seine Krankheit sehr stark eingeschränkt in seiner Amtsfähigkeit war. Berichte mir genaueres.

    Das erste, was er an diesem Tag anordnete war - außer die nur mehr wenigen persönlichen Sachen des vorigen Amtsinhabers von diesem Officium zum Senator zu schicken - die Aufstellung einer ordentlichen Kanne Wein (natürlich gemischt) mit dazugehörigem Becher und ein paar Happen zu essen.


    Das zweite war, dem Comes Fabius Rusticus ausrichten zu lassen, daß der Proconsul ein Gespräch mit ihm zu führen wünschte.

    Vom Hafen Tarracos her kommend wurde Hungi mitsamt seinem Neffen mittels Sänfte äußerst komfortabel transportiert. Dabei fand er auch die Muße, sich die Gegend näher anzusehen und sie mit Erinnerungen zu vergleichen, als er hier in seiner Funktion als Praefectus Praetorio den Kaiser begleitet hatte. Mit Wehmut dachte er an die Zeit vor seiner Hochzeit mit Livia zurück, die Verlobung wurde hier beschlossen und... naja, genug erinnert.


    Das Gebäude, das sich die Villa des Proconsuls schimpfte, war nicht von schlechten Eltern. Selbstverständlich nicht so groß wie der Kaiserpalast in Rom, aber aushalten ließ es sich hier allemal. Das dachte Hungi bereits, noch bevor er ins Innere des Hauses trat, nachdem er anklopfen ließ und er mit Begleitung vom Ianitor des Flavius ins Atrium gelassen wurde. Auch hier sah er sich um, seine Verlobte Licinia würde begeistert sein. Die Hochzeit hier auszurichten... beschweren würde sie sich nicht können.


    Ich möchte den Senator Flavius sprechen. richtete er dem Ianitor aus. Das hatte er sich zwar sicher schon denken können, aber bei Sklaven wusste man ja nie. Ich hoffe, er fühlt sich bereit, mich zu empfangen.

    Nicht nötig. antwortete der neue Proconsul auf das Angebot des Fabius bezüglich des Gepäcks. Mein Sklave wird sich darum kümmern. Es war ihm definitiv lieber, wenn Ursus sich um seine Sachen kümmerte als irgendein dahergelaufener Scriba.


    Allerdings ging er nicht gleich los zu den bereitgestellten Sänften, sondern nahm sich noch etwas Zeit, um sich die anwesenden Beamten der Stadt und der Regio vorstellen zu lassen. Es war nur ein kurze Vorstellungsrunde, doch Hungi ließ es sich nicht nehmen zu betonen, daß sie sich in den nächsten Tagen ohnehin noch ausführlich unterhalten werden. Schließlich wollte er sich so gut wie möglich einarbeiten, und da benötigte er nun einmal die Hilfe der Beamten. Als dies erledigt war, bestieg er mit seinem Neffen die Sänften und ließ sich zur Villa Proconsularis bringen.

    Keine Feier, kein Zeremoniell zu seinen Ehren. Ein wenig enttäuscht war Hungi schon. Nein, nicht heute. Ich bin froh, die Überfahrt überstanden zu haben und möchte den Reisestaub von meinen Kleidern abschütteln. Der Reisestaub war mangels Staub auf Schiff und Meer natürlich sinnbildlich zu sehen.


    So schlimm steht es also um die Gesundheit des Senators? Dann bin ich wohl keinen Moment zu früh gekommen. In diesem Fall werde ich wohl gleich zu ihm fahren. Mein Neffe Sabinus... er deutete auf einen jungen Mann, der in seiner Nähe stand, ... wird mich begleiten. Was das Stichwort für den Comes sein sollte, sich entweder dem Proconsul anzuschließen oder ihm zumindest den Weg dorthin zu zeigen.

    Noch während seine Sachen vom Schiff herunter verladen wurden, kamen die honores und wollten anscheinend doch vorgestellt werden. Gut, denn andernfalls hätte Hungi seine Sachen packen lassen und wäre grußlos zur Villa des Proconsuls gefahren.


    Duumvir. grüßte Hungi den Artorius. Ja, danke. Wir hatten sehr viel Glück mit dem Wetter. Auf eine längere Beschreibung, die ohnehin nur sehr blutleer geworden wäre, verzichtete der Senator, da er schon gleich dem Comes vorgestellt wurde.


    Comes Fabius. grüßte er auch den nächsten honor. Ich freue mich, hier zu sein. Es war ein erstes, allgemeines Beschnuppern des jeweils anderen, das war einem jeden hier klar. Sieht das Zeremoniell etwas vor? Andernfalls würde ich gerne mit Senator Flavius sprechen. Er sah sich etwas um. Ist Senator Flavius nicht hier? fragte er, da er seinen Vorgänger nicht sah.

    Nicht lange nach seiner Ankunft kam auch schon das hispanische Begrüßungskomitee. Hungi war gleich nach Anlegen des Schiffes an Land gegangen und nahm sich dabei vor, ein ordentliches Opfer zu spenden. An Land stand es sich halt doch angenehmer. Und so überwachte er das Überbringen seiner Habe an Land. Da ihn keiner ansprach und um seine Bekanntschaft suchte, ließ er die Leute mehr oder weniger links liegen, es wäre unter der Würde seiner Person und seines Amtes gewesen, wenn er auf die Leute zugehen würde.

    Sie hatten Glück gehabt mit dem Wetter. Sieht man davon ab, daß es drückend heiß war und die Sonne regelrecht auf das Meer niederstach. Diejenigen unter ihnen, namentlich eben die Sklaven, die gerade an Deck waren und die Schiffsbesatzung, die keinen Schutz vor der Sonne hatten, konnten teilweise einen Sonnenbrand bekommen. Hungi hingegen natürlich nicht, schon alleine deswegen nicht, weil er - so er an Deck war - sich immer vor der Sonne abschirmen ließ. Er mochte keine Seereisen, er hatte sie immer gehasst, und er war froh, daß er Neptun nicht unfreiwillig opfern mußte. Allerdings hatte er auch dafür Vorsorge getragen, denn Ursus, sein oberster Haus- und Hofsklave, der natürlich mitgenommen wurde, hatte die Anweisung, dem Consular nur leichtes Essen zu kredenzen, das nicht schwer im Magen lag. Und selbst da hat er seine Portionen nicht aufgegessen, wobei das allerdings nur wenig ausmachte. Er nutzte die Möglichkeit des Ausschlafens (wer wußte schon, wie sehr er in Hispania in seinem neuen Amt eingespannt werden würde), und am Tage tat er außer reden und lesen nichts. Vielleicht hier und da ein kleiner Spaziergang an Deck, wenn seine Muskeln nach Bewegung schrien. Dennoch war er unsagbar froh, als Tarraco endlich in Sichtweite kam. Innerlich dankte er allen Hauptgöttern für die ruhige Überfahrt und freute sich auf Erde unter seinen Füßen. Und auf richtiges Essen.

    Hmm, na gut. sprach er und ließ sich von seinem Sklaven einen Bogen Papyrus sowie stilus und Tinte geben. Eigentlich hatte er das so gedacht, daß er das nicht heute schreiben sollte, aber wenn schon sein Klient darauf bestand... soviel Zeit hatte er schon noch über.


    Empfehlungsschreiben


    Decimus Annaeus Varus hat im Dienste des Reiches stets seine Integrität und Loyalität sowohl gegenüber dem vorigen als auch dem jetzigen Kaiser bewiesen. Ich bin daher der festen Überzeugung, daß Annaeus Varus den Posten des Procurator Annonae gewissenhaft ausfüllen wird, so wie er es bis jetzt als Praefectus Vehiculorum der Provinz Italia getan hat.


    M. Vinicius Hungaricus
    Consular und Proconsul der Provinz Hispania


    Hungi überreichte seinem Klienten das Schreiben. Ich denke, das sollte reichen. Falls nicht, weißt du ja, wo du mich erreichen wirst. sagte er noch zu seinem Klienten, dann verabschiedete er diesen und ließ ihn durch einen Sklaven hinausbegleiten. Denn er hatte an diesem Tage noch einiges zu tun.


    Sim-Off:

    Sorry, aber ich muß jetzt los.