Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    Zum ersten Mal erlebte Menecrates eine umsichtige Stella, die abgeklärt wirkte und in sich ruhte. Vielleicht lag es daran, dass sie einen Ankerplatz gefunden hatte. Seinen Ärger konnte er dennoch nicht zur Seite schieben. Je öfter er mit den Auswüchsen eines falschen Frauenumgangs oder Frauenauftretens konfrontiert wurde, umso höher schaukelte er sich auf. Viel fehlte nicht mehr, dann würde er wieder vor den Senatoren stehen und sie auf ein Gesetz zum Schutz der Traditionen in Bezug auf die Frauen einschwören.

    Er brummte vor sich hin, als Stella erwähnte, er bräuchte sich vor ihr nicht beherrschen, während er weiterkaute. Sein eigener Anspruch lautete anders. Er wollte Vorbild sein und Ärger war nie ein guter Ratgeber. Umsicht, Disziplin und ein gezielter Vorstoß zur rechten Zeit versprachen die größeren Erfolge. Emotionen gehörten zur Persönlichkeit, er nickte, als Stella davon sprach. Trotzdem lag die Stärke eines Mannes auch darin, seine Emotionen zu herrschen und er hatte kurz die Kontrolle verloren. Sich in der Öffentlichkeit vorbildlich geben und zu Hause gehenlassen, kam für ihn nicht in Frage.


    Wieder nickte er, als sein MÜndel die Idee einer baldigen Besichtigung für gut befand.

    Die Cena währte noch geraume Zeit, in der nicht nur gegessen, sondern vor allem gesprochen wurde. Sie wollten nach vorn blicken, daher drehte es sich um Zukunftsthemen.

    Menecrates nickte zuweilen, schüttelte zwischendurch aber auch den Kopf. Allein diese Tatsache produzierte neues Amüsement, das er in sich verschloss, indem er die Kiefer aufeinanderpresste und die Mundwinkel kontrollierte. Er wüsste zu gern, warum ihn das Gespräch erheiterte und nahm sich vor, das im Verlauf der nächsten Treffen herauszufinden. Einen Verdacht hegte er: Seius Ravilla entsprach seiner Vorstellung von einem Beamten oder Magistraten, der nie Praxisluft geschnuppert hatte, nur vom Schreibtisch aus agierte und dessen Äußeres im wilden Gegensatz zu Einsatzorten wie der Subura oder dem Carcer stand.

    Der Claudier bemühte sich sehr, die neutrale Fassade zu bewahren, aber bei der Erwähnung von zusätzlichen Leibwächtern musste er einmal glucksen. Sogleich wurde er wieder ernst. Er schalt sich unprofessionell, albern und unwürdig für sein Amt.


    "Entschuldigung!", erwiderte er deswegen als erstes. Sein Gesicht nahm einen schuldbewussten Ausdruck an, der sich auflöste, sobald er weitersprach.

    "Das Anwesen der Gens zu durchsuchen, übernimmt der ermittelnde Offizier. Wenn ich sage, der ermittelnde Offizier leitet die Durchsuchung, dann beinhaltet das bei uns die praktische Tätigkeit. Mein Fehler." Wahrscheinlich musste er genauer formulieren, wenn er keine Militärangehörigen vor sich hatte. "Dir bleibt - so wie ich es gesagt habe - einzig die Befragung der Angehörigen. Sie gelten als über jeden Zweifel erhaben und sind ehrbare Leute. Zusätzliche Leibwächter werden also nicht nötig sein." Wieder wollte ein Mundwinkel nach oben abrutschen, aber er zwang ihn zurück.

    "Der leitende Offizier ist Cornicularius Purgitius Lurco. Ich empfehle ein Gespräch zur Abstimmung des Vorgehens." Er überlegte, ob dem Vigintivir die Castra als Ort der Kontaktaufnahme bekannt sein würde. Da er lieber nicht zu viel voraussetzen wollte, gab er weitere Hinweise.

    "Sobald es dir möglich ist, kontaktiere den Offizier in der Castra Praetoria. Wenn du bei der Wache sagt, zu wem du willst, wird man dich zum entsprechenden Officium leiten. Du kannst dich auch auf mich berufen." Eine Order würde der Wache vorliegen.

    Menecrates wollte nicht unhöflich erscheinen, trotzdem kam er verspätet zur Besprechung. Seine zügigen Schritte ließen erkennen, dass dahinter kein Vorsatz stand, sondern widrige Umstände.

    "Ich grüße dich, Praefectus! Danke für deine Geduld!" Er nahm Platz und sparte sich - wie immer - eine seichte Einführung, sondern kam sofort auf den Punkt.

    "Ich gehe davon aus, dass du bereits vom Kaiser wegen der Recherche in Bezug auf die Christen beauftragt worden bist." Er blickte fragend, erwartete allerdings keinen anders lautenden Bescheid. "Meine Einheit wurde ebenfalls vom Kaiser beauftragt, wenn auch dahingehend, vorliegende Gewalttaten restlos aufzuklären. Nun denke ich, beides spielt ineinander und wir sollten uns nicht nur abstimmen, sondern in diesem Bereich miteinander kooperieren. Separate oder parallel verlaufende Operation halte ich für weniger ergiebig. Was denkst du?" Menecrates wirkte ein wenig gehetzt. Sein Aufgabenpensum war enorm. Allein aus diesem Grund besaß er ein Interesse an einem effizienten Vorgehen.

    Wieder wartete eine für Menecrates knifflige Frage auf eine bestmögliche Antwort. Dabei hatte er sich dieses Ei selbst gelegt, denn ohne lautes Nachdenken gäbe es die Nachfrage nicht. Er blickte zu Optio Purgitius, bevor er - an den Kaiser gewandt - zur Erklärung ansetzte.

    "Ich hatte vorhin die problembelastete Situation erwähnt, in der ich mein Amt angetreten habe. Natürlich ging es da in erster Linie um unzählige Verbrechen, aber Teil dieser Situation ist auch das Empfinden vieler Soldaten der Cohortes Urbanae, von der Bevölkerung geringschätzig behandelt zu werden. Da ist die Rede von purem Hohn gewesen, von pöbelnden Sklaven und der gefühlten Adresse für jedermanns Unmut. Anfangs konnte ich dieses Empfinden meiner Soldaten kaum glauben, später auch teilweise nicht mehr hören." Er blickte einen Lidschlag lang erneut zu Purgitius. Sicherlich klang es nicht gut in dessen Ohren, wenn Menecrates der Klagen Leid war. Immerhin hatte er versprochen, der Einheit wieder zu Glanz und Respekt zu verhelfen. Der Blick nach vorn musste ihnen reichen, der zurück bremste aus.

    "Du selbst hast vorhin die Christenangelegenheit als Sache der Prätorianer bezeichnet. Gleichzeitig ermitteln wir auch in diese Richtung, dazu zwingen uns die Vorfälle. Ich strebe an dieser Stelle eine Kooperation zwischen den beiden Einheiten an, weil mir das als die effektivste Methode erscheint. Wenn jede Einheit ihr Wissen für sich behält, kann nur Murks rauskommen. Wir brauchen Ergebnisse und das möglichst schnell."

    Es gab einen weiteren Grund, aber den auszuformulieren, sparte er sich. Er kannte die Arbeitsweise der Prätorianer, denn während seines Consulats hatte er ständig mit ihnen zu tun. Mochten seine Männer von der Garde einiges übernehmen, Hauptsache nicht deren Arroganz.


    Menecrates nickte, denn es stand außer Frage, die Stadtverwaltung nicht gänzlich zu vernachlässigen. Gleichzeitig saßen dort fähige Männer, die verantwortungsbewusst und selbstständig handeln konnten.

    Menecrates registrierte, dass sich Seius bei seiner Antwort an Senator Annaeus erstmalig positionierte. Er sagte darauf nichts, merkte sich aber die Aussage. Warum sich der junge Mann anfangs nicht traute, dem Lager der Traditionalisten zuzuordnen, erschloss sich ihm nicht. Im Grunde blieb nur die Annahme, dass Seius Annaeus kannte und bewusst dieses Beispiel wählte, um entweder verstanden zu werden oder zu gefallen. Wieder bemerkte Menecrates, wie selten er noch einen Vertrauensvorschuss gab. Seius würde sich beweisen müssen, um sich Respekt beim Praefectus Urbi zu erarbeiten. Ihn überzeugten nur Taten. Behauptungen konnte jeder aufstellen.

    Nichts von dem, was Ravilla in Bezug auf Treue und Beliebigkeit äußerte, war falsch. Der junge Mann mühte sich und doch konnte er Menecrates nicht überzeugen. Sie drangen im Gespräch trotz aller Mühe nicht zu den Inhalten vor, die den Claudier interessierten.

    "Vielleicht ist heute kein guter Tag zum Diskutieren. Wir schleichen um den Brei und beäugen einander. Zugegeben, ICH beäuge, DU mühst dich. Belassen wir es dabei." Er lächelte abschließend und blickte zu den schweigenden Flaviern, um Seius zu signalisieren, dass er die Unterredung für beendet hielt. Der junge Mann konnte es nicht wissen, dass sich Menecrates für seine Verhältnisse über die Maßen gesprächig zeigte - es sei denn, Gracchus Minor hatte etwas durchblitzen lassen. Er kannte den Claudier von allen Anwesenden am Besten und wusste, in Gesellschaften galt der alte Mann als zurückgezogener Sonderling.

    Es plauderte sich angenehm mit dem Seius Ravilla, was für Menecrates eine neue Erkenntnis darstellte. Nach seiner ersten Einschätzung wich der Mann lieber direkten Fragen aus und wand sich. In der Villa Flavia baute sich daher Skepsis auf, während hier die Bedenken bröckelten. Menecrates registrierte dies, während er einen weiteren Schluck nahm und den Vigintivir über den Becherrand anschaute. Seine Stimmung heiterte sich auf, ohne dass der Claudier sagen konnte, was ihn dazu trieb. Dem Seius haftete etwas Spezielles an und Menecrates hätte zu gerne bei dessen Tätigkeit gelauscht, was aber die Breite seiner Aufgaben nicht zuließ. Er musste daher gleich zwei Annahmen seines Besuchers zerschlagen.

    Er stellte den Becher ab und erwiderte, ohne die Spur seines Amüsements verbergen zu können: "Das wurde meinen Worten nicht richtig entnommen." Damit Seius nicht annahm, er würde belächelt, mahnte sich Menecrates zu mehr Ernsthaftigkeit. "Ja, die Christen stellen aktuell das Thema Nummer eins dar, und ja, ich biete dir die Möglichkeit der Empfehlung über eine Befragung im Zusammenhang mit einer Durchsuchung." Sein rechter Mundwinkel entzog sich der Kontrolle und offenbarte wieder Amüsement, bevor er weitersprach. "Die Durchsuchung findet allerdings nicht bei Christen statt. So lauteten nicht meine Worte."


    Er atmete einmal durch und klärte auf. "Die Lage in Bezug auf die Christen ist brisant, daher kann ich dich nicht im ersten Schritt mit einem Christen als Versuchskaninchen konfrontieren. Auf dieses Klientel wirst du aber in deinem zweiten Fall stoßen, sofern du dich in deinem ersten empfiehlst. Dein erster Fall ist allerdings nicht minder brisant, aber das Klientel ist bedeutend einfacher. Nimm die Befragung trotzdem nicht auf die leichte Schulter!" Spätestens jetzt verzeichnete Menecrates' Gesicht keinerlei Belustigung mehr, denn sie erörterten Themen, die im weitesten Sinne genauso Roms Sicherheit betrafen.


    "Ich führe dich kurz in den Sachverhalt ein. Alle weiterführenden Fragen klärst du bitte mit dem ermittelnden Offizier, der die Durchsuchung leitet. Er vertritt meine prüfenden Augen und Ohren." Menecrates musste auch in diesem Punkt die Vorstellungen seines Gastes korrigieren.

    "Wir ermitteln in einer Brandserie, der verschiedene Betriebe und nicht zuletzt eine Urbanerstation in der Subura zum Opfer gefallen sind. Wir haben auch menschliche Opfer zu beklagen - Zivilisten wie Soldaten." Erstmalig im Gespräch versteinerten sich Menecrates' Gesichtszüge. Der Eindruck wich, als er weitersprach.

    "Einer der getöteten Zivilisten übte vor der Tat genau das Amt aus, das du im Augenblick bekleidest. Wir denken, er ist aufgrund seiner Tätigkeit und Observation gerichtet worden." Ein prüfender Blick vergewisserte sich der Reaktion des Tresvir auf die Worte.


    "Befragt werden soll eine Verwandte des Toten. Es gilt herauszufinden, wo er Niederschriften und Notizen aufbewahrte bzw. von welchen Orten er aus arbeitete. Weiter interessiert uns, ob er Andeutungen im Fall gemacht hat, ob es Kontaktpersonen gab, die ebenfalls befragt werden könnten usw. Es ist nicht auszuschließen, dass Römer, auch einflussreiche, Teil eines kriminellen Netzwerkes sind. Iulius Caesoninus, so ist sein Name, war dem auf der Spur."

    Der Name des urbanischen Ermittlers stand noch aus, aber vielleicht gab es zunächst Nachfragen.

    Wieder einmal kam Menecrates' bildhafte Vorstellungskraft zum tragen, als Seius von drei Kochlöffeln in einem Topf sprach. Ein kleines Glucksen verriet, dass er sich über die Schilderung amüsierte. Er stellte weiter fest, dass der Vigintivir von ihm keine gepolsterten Steine erwartete, sondern sich anbot, mittels Fleiß voranzukommen. Der Präfekt befand, er konnte mit dem jungen Mann etwas anfangen und entschloss sich zu mehr Gastfreundschaft.

    Im abseitigen Winkel des Raumes residierte ein Sekretär, der Protokolle anfertigte, aber auch für diverse kleine Handreichungen zuständig war. Menecrates winkte ihm, um für Erfrischungen zu sorgen. Es dauerte nur Augenblicke, bis eine Amphore mit Quellwasser und zwei Becher auf dem Tisch standen. Für das Einschenken musste jeder selbst Sorgen, was der Claudier sofort tat. In diesem Moment ließ sich das Getränk für Ravilla identifizieren. Nicht jeder mochte Wasser, aber Menecrates bot niemals Wein an.


    "Besondere Priorität kommt seit Jahren den Christen zu. Daran hat sich bis heute nichts geändert." Nach der Antwort auf die gestellte Frage überlegte Menecrates, wie er weiter vorgehen sollte. Nicht jeder Amtsinhaber bewies Geschick. Befugnisse allein sicherten nicht den Erfolg. Er wies einladend auf die Amphore und nahm selbst einen Schluck, während er überlegte.

    "Ich könnte mir einführend eine Befragung vorstellen, die parallel zu einer Durchsuchung erfolgt, und bei der du dein Geschick unter Beweis stellen kannst. Die Durchsuchung wird von Soldaten vorgenommen. Es kommt mir bei der Befragung nicht auf das Ergebnis an, denn das lässt sich nicht nach Wunsch präparieren, sondern auf dein Vorgehen, die Fragestellungen, die Analyse des Gehörten und die Ableitung von Nachfolgefragen. Wissen die Befragten nichts, was du allerdings als glaubhaft einschätzen müsstest, verliefe die Befragung dennoch erfolgreich und würde meine Einschätzung nicht schlecht ausfallen lassen.

    Bewährst du dich auf diesem ersten Einsatz, betraue ich dich mit einem separaten Fall." Menecrates wartete die Reaktion ab, bevor er fortfuhr.

    Wer Menecrates kannte, wusste dass ihn auch diese Antwort nicht zufriedenstellte. Mit dem Gensmotto Tapferkeit und Treue konnte man sowohl die Traditionalisten als auch die Veränderer unterstützen. Als Mann der klaren Worte bezog Menecrates stets inhaltlich und eindeutig Position, erwartete aber in gleichem Maße den ungetrübten Durchblick bei seinem Gegenüber. Die Strategie des Seius schien es allerdings zu sein, möglichst kompatibel für viele Fürsprecher zu bleiben und nur wenige zu verprellen. Die Situation ließ zwei Möglichkeiten zu: Entweder der Claudier vertiefte das Gespräch nicht weiter und zog sich zurück, oder er bohrte nach. Einen Versuch wagte er noch, von dem er sich allerdings nicht allzu viel erhoffte.


    Er wartete, bis Senator Annaeus seine Frage gestellt und die Antwort erhalten hatte.


    "Wenn du all jenen Männern deine Treue beweist, ungeachtet ihrer Ansichten und Positionen, einzig aus Dankbarkeit für die erhaltene Unterstützung, wird deine Position nichts anderes als eine beliebige sein. Beliebige Positionen drehen sich mit dem Wind und berücksichtigen in der Regel jene Wege, die am erfolgversprechendsten sind." Menecrates konnte sich reflektieren und bemerkte, dass er - im Gegensatz zu früher - längst nicht mehr Vertrauensvorschüsse vergab. Vor allem die lange Senatszugehörigkeit hatte ihn unerbittlich gemacht. Er kämpfte seit Jahren gegen Antitraditionalisten und Möchtegernweltverbesserer. Möglicherweise wurde er auch langsam alt und schrullig.

    Menecrates gab sich noch nicht zufrieden.

    "Gut, dieser Teil leuchtet mir ein. Um aber die Anfangsbuchstaben zu wissen, muss man den Wortlaut der Botschaft kennen. Wie kommt es, dass du den kennst? Wie hieß der noch einmal?" Er bestand aus Wörtern, die Menecrates nicht benutzte. Alleine der begriff 'Heiland', den er sich nur merken konnte, weil er Hei mit 'lustig' verband und dort das bekannte Wort 'Land' anfügte, stellte Nonsens für ihn dar.

    Er blieb in abwartender Haltung. Lurco hatte ihn noch nicht davon überzeugt, selbst kein Christ zu sein.

    Im ersten Moment fragte sich Menecrates, warum sein Gesprächspartner samt Sklave das Vorzimmer passieren konnten, ohne dass er ihm angemeldet wurde. Er spähte Richtung Tür, konnte aber nicht viel erkennen, weil die Gäste im Sichtfeld standen. "Ungelegen könnte man nicht sagen, wohl aber etwas spät", erwiderte Menecrates auf die Frage. Hätte er gewusst, dass der Vigintivir zunächst in der Castra nach ihm suchte, wäre er belustigt gewesen. Die Länge der Strecke - zumal in einer Sänfte zurückgelegt, bei der die Träger gewiss nicht rannten - erklärte die erhebliche Verspätung.

    "Na, dann wollen wir lieber gleich anfangen. Setz dich doch." Menecrates wies auf einen Stuhl. Dem Sklaven maß er keine Bedeutung bei. "Mich interessiert, ob du andere Schwerpunkte als deine Kollegen übernommen hast bzw. ob ihr überhaupt inhaltliche Trennungen vorgenommen habt. Vielleicht hast du ja auch Anliegen oder Vorstellungen. Der Letzte in deinem Amtsbereich kam sogar mit Forderungen." Menecrates schmunzelte. Er hatte sich damals mehr gewundert als aufgeregt, denn ob er diesen Forderungen nachkäme, wäre die nächste Frage.

    Menecrates bedankte sich mit einem freundlichen Nicken für Silanas Willkommensgruß und wandte sich anschließend dem von ihr erwähnten Tropf zu, der offensichtlich bereits länger wartete.

    "Was möchtest du denn von dem Senator?" Er legte den Kopf schief, stellte sich dümmlich, aber interessiert.

    Der Mann kannte Menecrates von Angesicht, wusste aber mit dessen Auftreten nicht umzugehen. Die Situation überforderte ihn. Er erwiderte zwar den Blickkontakt, fand aber keine Worte, während er sich den Nacken massierte und am Hinterkopf kratzte.

    "Ja, ich... ich glaube, es ist nicht so wichtig." Er stand hastig auf. "Ich komme morgen wieder!" Seine Schritte fielen groß aus, als er zur Porta strebte und den ihm folgenden Blicken entschwand.


    "Ja, so ist das. Geduld ist keine Tugend mehr heutzutage und ich muss jetzt auch weiter." Er erhob sich, sah Silana an, nickte ihr nochmals zu und beeilte sich, davonzukommen, bevor die schlagfertige Enkelin etwas erwidern konnte. Sein Weg führte ihn - in ebenfalls weiten Schritten - aus der Porta hinaus. Er hastete um die Hausecke herum und schüttete sich vor Lachen aus, während er auf Zehenspitzen in Richtung Hinterausgang hüpfte. Dort schlich er sich wieder in die Villa und lugte an geeigneter Position Richtung Atrium. So viel Spaß hatte er schon lange nicht mehr. Zum Glück sah ihn keiner seiner Soldaten und Offiziere. Er würde an Respekt einbüßen, das fürchtete er.

    Menecrates nickte zufrieden. "Ermittlungen brauchen Zeit. Manche Dinge klären sich erst nach Jahren und nur per Zufall. Wichtig ist, wie eine Zecke dranzubleiben." Er schmunzelte nun deutlicher, indem er den rechten Mundwinkel bevorzugt nach oben zog, was dem Gesicht einen listigen Ausdruck verlieh.

    Tatendurstig - zumal sich die Besprechung in die Länge zog - ließ er die flachen Hände auf die Tischplatte fallen. "So, und nun kommen wir zum ernsten Teil." Damit deutete er an, dass für ihn ab jetzt in besonderem Maße Tacheles gesprochen wurde.

    "Wieso kennst du dich mit den Hintergründen dieser Fischanhänger der Christen so gut aus?", konfrontierte er Purgitius ohne Vorwärmen. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte den Optio. Er wollte Purgitius signalisieren, dass er überzeugende Gründe erwartete und kein Rumgeeier.

    Menecrates beschlichen Zweifel, ob das Resümee gut ausfiel, daher wiegte er den Kopf. "Frag sie und kläre außerdem für dich oder deine Familie, wie sehr ihr den Traditionen verbunden seid. Letztendlich spielt das die entscheidende Rolle."

    Auch in Bezug auf die Bestattung fiel ihm im letzten Moment noch ein wichtiger Hinweis ein.

    "Tja, also wenn eine Familie da ist, kümmert sich diese in der Regel auch um die Bestattung. Ich persönlich wäre sonst in Sorge, ob die Manen des Toten womöglich keine Ruhe finden. Aber mir kommt noch ein anderer Gedanke." Er hob den Zeigefinger, es hätte auch eine Kerze zur Erleuchtung sein können. "Manche Römer", er hüstelte, "viele Römer gehören Bestattungsvereinen an. Es besteht daher die Möglichkeit, dass dein Verwandter bereits Vorsorge getroffen und sowohl Gelder angespart als auch Abläufe im Voraus geplant hat. Da würde ich mich zunächst erkundigen."

    Nachdem die beiden Sklaven Silana angekündigt hatten, flitzte der Ianitor persönlich zu Menecrates, um die Ankunft seiner Enkelin zu melden. Er hätte die Sklaven nicht gebraucht, schließlich diente er den Claudiern lange genug, um alle Familienmitglieder zu kennen, die jemals in Rom wohnten. Dadurch kam es, dass Silana eine verweiste Porta vorfand. Warum auch immer sie nicht weiterging, sondern sich hinsetzte, wusste nur sie selbst. Wahrscheinlich wieder einer ihrer Scherze.


    Der Römer indes grübelte, was die junge Frau neben ihm wollte. Er linste heimlich zu ihr, musste aber den Kopf mitdrehen, um sie halbwegs betrachten zu können. Verbergen konnte er sein Interesse deswegen nicht. Sie wirkte gut situiert und vom Auftreten her zu schließen, handelte es sich auch nicht um eine Hilfsbedürftige. Irgendetwas schien hier nicht zu stimmen. Der Klient hatte noch nie eine Frau unter dem Klientel des Claudius gesehen. Als Menecrates auf die Wartebänke zuschritt, blickte er unsicher zwischen seinem Patron und der jungen Frau hin und her. Er wartete schon länger als sie, aber bei den Vorsprachen ging es oftmals nicht der Reihe nach. Er klappte seinen Mund zum Gruß auf und anschließend wieder zu. Abwarten hieß die Devise.


    'Typisch Silana', dachte Menecrates, als er mit gespielt unbewegter Miene in die Vorhalle trat. Er ging auf die Wartebänke zu und setzte sich in die Lücke zwischen den beiden. "Muss man hier lange warten, bis jemand hereinruft?" Er blickte an die gegenüberliegende Wand, weil es ihm half, ernst zu bleiben. Innerlich jubelte er.

    Die Besprechung beanspruchte mehr Zeit, als Menecrates dachte, zumal sie gerade die Hälfte aller Themen angerissen hatten. Er erhob sich daher, lehnte sich vor und angelte nach der Wasseramphore. Becher standen auf dem Tisch verteilt, einer in der Nähe, also ließ er sich wieder zurückfallen. Während Lurco nochmals das Vorgehen im Fall Iulius Ceasoninus durchnahm, schenkte sich Menecrates ein. Mit einer Geste lud er den Optio dazu ein, es ihm gleichzutun, sofern dieser wollte.

    Beim Thema Wertschätzung unterließ Menecrates sämtliche Handgriffe. Er hörte zu, obwohl Lurco recht weit in die Vergangenheit zurückging, während der Präfekt aktuelle Ereignisse erwartet hatte. Menecrates wusste, dass der Optio gern redete und einmal in Fahrt, kam er nicht so schnell zu einem Ende. Zwischenzeitlich hörten sich die Ausführungen sogar wie Belehrungen an. Der Menge an Informationen war es geschuldet, dass sich Menecrates am Ende nicht mehr an alles erinnern konnte, was angesprochen wurde.

    Der Claudier stieß einmal die Luft aus und begann.

    "Möchtest du damit ausdrücken, dass du seit deinem Dienstanfang bis heute keinen einzigen Erfolg verbuchen kannst?" Menecrates blickte Lurco ernst an. "Willst du damit zum Ausdruck bringen, dass du ohne Leistung befördert worden bist?" Im Endeffekt lief es darauf hinaus. Der Präfekt stellte provokative Fragen, weil er beabsichtigte, dass Lurco nachdachte, dass er tiefer schaute und nicht nur an der Oberfläche kratzte.

    "Jetzt sage ich dir mal etwas. Solange DU glaubst, die Cohorten fahren keine Erfolge ein, wird das auch kein Bürger glauben. Ändere deine Wahrnehmung, dann wirst du anders wahrgenommen." Menecrates hatte mit dem Optio viel vor, aber dessen Selbsteinschätzung bzw. die der Einheit konnte er dabei nicht gebrauchen. Sie verhinderte gute Leistungen.


    "Möchtest du darauf etwas sagen? Es steht dir natürlich frei, aber ich möchte dich bitten, dich in allem etwas kürzer zu fassen. Derart lange Ausführungen kann sich kein Mensch merken. Also, ich jedenfalls nicht." An dieser Stelle zog sich Menecrates' rechter Mundwinkel in die Höhe - die Andeutung eines Lächelns.

    "Du kannst es natürlich auch wirken lassen und später darauf reagieren. In diesem Fall machen wir mit dem nächsten Thema weiter." Er wartete auf Lurcos Reaktion, während er ihn beioabchtete.

    Das Durcheinander in Menecrates' Kopf erhielt Zuwachs durch die Anmerkung des Kaisers, der Anhänger könnte auf eine Fischerfamilie hindeuten. Der Claudier musste sich schnellstens mit dem Milieu der Christen auseinandersetzen, obwohl er es verabscheute. Er begann, analytisch zu denken und entwickelte in Kürze einen Plan.

    "Es lässt sich leicht herausfinden, welche Bedeutung der aufgefundene Anhänger hat. Ich benötige dafür ein paar Prätorianer. Ich dirigiere sie nur von A nach B., auf etwas anderes müssten sie sich nicht einlassen." Er sah es als Gefälligkeit und würde dem Prätorianerpräfekt gewiss nicht die Autorität stehlen. Er brauchte die Uniformen, notfalls lieh er sich welche aus der Rüstkammer.

    'Zum Hades!', schimpfte er innerlich. 'Jetzt wäre Verus der Mann der Stunde!'

    Menecrates nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte und dass er sich die Aussage des Kaisers merkte, nach der die Christen bezahlen müssten, würde ihnen der Mord nachgewiesen werden.


    Zufrieden nickte er nochmals, als er bereits jetzt die Freigabe für den Baubeginn bekam. Die verstärkte Rekrutenwerbung müsste parallel mit dem Heranziehen oder Abwerben neuer Offiziere einhergehen. Den Vigiles würde er seine Hilfe anbieten, denn eine Aufstockung dieser Einheit lag in seinem Interesse. Die Prätorianer interessierten ihn nicht und sie würden aus seiner Einheit auch keinen Mann bekommen. Die sollten sich bei den Legionen umsehen.


    Die Frage nach der Stadtverwaltung würde kommen, aber Menecrates musste sich eingestehen, diesen Bereich seines Amtes gegenüber dem militärischen Bereich etwas zurückgestellt zu haben. Bei seinem zweiten Amtsantritt hatte er sowohl innerhalb der Einheit als auch in Bezug auf den Auftrag der Cohortes Urbanae mehr als genug zu tun bekommen.

    "Um ehrlich zu sein, lautete mein Plan, mich nach meiner Einsetzung in erster Linie um die Stadtverwaltung zu kümmern. Die Truppenführung wollte ich vornehmlich den hervorragenden Tribunen überlassen, aber es kam alles ganz anders. Das liegt nicht daran, dass die Stabsoffiziere weniger gut wären als ich dachte! Es liegt an der problembelasteten Situation, in der ich mein Amt angetreten habe, und die leider in immer neuen Facetten neue Herausforderungen für mich bereithält. Ich fürchte, ich werde mich erst in ausreichendem Maße der Verwaltung der Stadt widmen können, wenn wir Roms Viertel samt seiner Kriminellen besser unter Kontrolle haben. Ich hege die Hoffnung, diese Situation mit den neuen Stationes und den Aufstockungen erreichen zu können. Bis dahin fährt die Verwaltung mit geringsmöglicher Kraft." Er hob bedauernd die Hände, denn er konnte sich nicht zerreißen. Er musste sich weitgehend auf die Kompetenz der leitenden Beamten verlassen.

    "Die letzte von mir einberufene Besprechung liegt für jeden Bereich etwa einen Monat zurück. Da ich mich aber täglich in der Praefectura Urbis zur Nachmittagszeit aufhalte, gäbe es genügend Möglichkeiten, mich auf gravierende Engpässe bei der Nahrungsversorgung, größere Schäden an Bauwerken oder Straßen aufmerksam zu machen. Per heutigem Stand sehe ich keine Handlungsnotwendigkeit.

    Einzig beim Curator Aquarum ist aktuell ein Problem bekannt. Der Mann schwächelt aus gesundheitlichen Gründen. Ich hege Zweifel, ob der geplante Bau eines neuen Aquaedukt unter seiner Leitung bewerkstelligt werden kann. Ich sehe noch keinen sofortigen Handlungsbedarf, behalte die Situation aber im Auge."