Menecrates nickte, obwohl er es sehr viel lieber gesehen hätte, wenn Lepidus keine Reise gen Süden plante. Er sah angesichts des auffallend schlechten Gesundheitszustandes die Notwendigkeit ein. Alles andere wäre egoistisch gewesen. "Den Norden hätte ich versucht, dir auszureden." Angesichts des scheußlichen Wetters dort, zog man sich eher Knochenschmerzen zu, als dass man sie losbekam. Er schüttelte sich, als er an den germanischen Winter zurückdachte. Nicht einmal Frühjahr und Herbst begeisterten ihn.
Den Folgesatz verstand Menecrates nicht und entsprechend fragend blickte er Lepidus an. "Wie meinst du das? Gibt es Krankheiten, die Frauen übertragen?" Das Leben in jungen Jahren war bei seinem Freund von Frauen geprägt gewesen, dessen war sich Menecrates sicher. Da er selbst den Focus auf Karriere und weniger auf Vergnügen legte, gab es in seinem Leben nur eine begrenzte Anzahl von Frauen, die ihm - mit Ausnahme der beiden Ehefrauen - allesamt nicht einmal Kinder anhingen. Eine weitere Erklärung für eine marode Gesundheit böte ein übermäßiger Weingenuss und wenig Schlaf, allerdings gab es davon keine Gliederschmerzen, glaubte der Claudier.
Während er dem Rat folgte und sich für die Mischung aus Lemone und Granatapfel entschied, dachte Menecrates noch einmal über das Jenseits nach. Er fand es komisch, dass er sich gänzlich einsam sah. Versunken nahm er das Getränk entgegen, kehrte mit seiner Aufmerksamkeit zurück in das Atrium und stellte sich wegen der Worte, mit denen Lepidus den Saft beschrieb, auf eine neue Erfahrung ein.
Der Toast traf seine Zustimmung. "Ein guter Spruch! Weise bist du bereits geworden, ob auch ich, weiß ich nicht." Er hob den Becher und nippte vorsichtig. Durch die ungewohnte Säure stellten sich die kleinsten aller Härchen auf. Seine Stimme klang daher belegt, als er fortfuhr. "Mögest auch du stets einen Freund an deiner Seite haben!" Er äußerte nicht deswegen selbiges, weil es nach Lepidus' Trinkspruch nahelag, sondern wünschte es von Herzen. Nicht jeder, der auszog, fand einen Freund. Außerdem musste Freundschaft wachsen.
Er probierter erneut den Saft und nach dem dritten Schluck legten sich seine Härchen wieder hin. Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
"Die ganze Zeit grübele ich, warum ich mich auf der anderen Seite des Flusses alleine sehe, jetzt weiß ich, warum!" Seine Augen leuchteten und er lächelte. "Wir sind dann nicht mehr stofflich und deswegen kann ich die Geister der anderen nicht sehen, aber wir spüren uns. Wir sind zu dieser Zeit Kraftquellen ohne Substanz." Erleichtert und beglückt über diese plausible Erklärung nahm er einen großen Schluck, schüttelte sich anschließend und stellte den Becher lachend ab.
"Nicht schlecht!" Er spielte auf die Geschmackserfahrung an, wollte sich aber von nichts ablenken lassen, wenn Lepidus seine Frage nach dem Bild der Frau beantwortete.
Nichts von dem, was er hörte, missfiel ihm. Im Gegenteil: Sie teilten die gleichen Ansichten, was heutzutage keineswegs selbstverständlich war, nicht einmal in ihren Kreisen. Die Selbstverwirklichung einer Frau lag in der Familie und nicht in fragwürdigen Ämtern oder Positionen. In all den Rollen, die Lepidus aufführte und den Frauen zudachte, lag Wertschätzung - trotz dem Schelm in seinem Blick.
"Das wäre auch mein Idealbild und ja, es ist viel." Menecrates blieb ernst, obwohl er auch gerne schöne Körper betrachtete und den Blick auf eine weibliche Zierde nicht verschmähte. Eine Heilige müsste seine Gefährtin auf alle Fälle sein, vielleicht heutzutage keine Lupina mehr.
"Eine aufgeschlossene Bettgefährtin lässt sich zugegeben nicht einfordern", erwiderte er und jetzt musste er schmunzeln. "Leider auch nicht die Komplizin, aber bei allem anderen sehe ich Chancen. Was ich aber vor allem festschreiben möchte, wären ein Verbot zur Aufnahme von Klienten, von diversen unpassenden Tätigkeiten, sowie den Ausschluss bei bestimmten Titeln, wie dem des Ritters beispielsweise. Ich begreife nicht, warum das Absurde solcher Erhebungen bisher niemand aufgefallen ist." Er hob hilflos die Hände, ließ sie aber schnell wieder sinken, nachdem Lepidus eine Frage zu Menecrates' eigener Frau gestellt hatte.
"Meine Frau? Ich weiß noch ungefähr, wie sie aussah." Er lachte auf und verzog den Mund. "Kein Gesetz kann eine Frau an den Haushalt ihres Mannes binden, aber der Mann sollte sich ihrer nicht schämen müssen, ganz gleich, wo sie lebt und was sie tut." Vielleicht wäre es schlau gewesen, nicht an dieser Ehe festzuhalten, aber sich das heute zu fragen, brachte nichts. Er galt als verheiratet, wie es die Tradition forderte, es ergab sich nie anderes und irgendwann hatte er aufgegeben, auf ein persönliches Glück zu hoffen.