Beiträge von Herius Claudius Menecrates

    Ich nickte zustimmend zu den Worten des Centurio. Disziplin, die bessere Ausrüstung und ausgeklügelte Taktiken waren die Trümpfe der römischen Legionen.


    Lange, verdammt lange, dachte ich über seine nächsten Worte nach: Man solle immer das tun, an dem man Freude findet, das einen fordert. Genau das traf den Punkt. Im Grunde spielte es nur eine untergeordnete Rolle in welcher Truppengattung ich zukünftig dienen würde. Entscheidender war etwas ganz andres.
    Von Anfang an kam für mich nur die beste Legion des Imperiums in Frage. Ich wollte den qualifiziertesten Befehlshaber und daran hatte sich nichts geändert. Das betraf nicht nur den Legaten, sondern den gesamten Offiziersstab. Mein Urteil über die einzelnen Qualifikationen hatte ich ziemlich schnell gefällt.


    Ich drehte mich zu Vitulus um. Wusste ich doch, dass er wie immer hinter mir lief. Meine Augen suchten die seinen und ich war mir sicher, er wusste auch ohne Worte, was gerade in mir vorging. Hatten wir doch schon einmal über das Thema Qualifikationen gesprochen.


    Ich fühlte mich ziemlich zerrissen in diesem Moment, wollte ich doch unbedingt mit Vitulus zusammenbleiben, hatte ich doch außerdem gehört, dass wir bereits der Zenturie des Aurelius Commodus zugeordnet worden waren, gab es doch zusätzlich noch meine hohen Ansprüche und nicht zuletzt den Reiz der Reiterei, der aber keineswegs der entscheidende Faktor war.


    Vitulus, ich hätte mich so gerne mit ihm darüber unterhalten, aber um eine Antwort an den Centurio kam ich nicht drum herum.


    „Es ist nicht so, dass ich allein in der Reiterei meine Zukunft sehe. Sie hat ihren Reiz, das ist wahr, aber ich bin nicht Legionär geworden, um mich diesen Reizen und der Bequemlichkeit des Reitens hinzugeben.“
    Zu ernst war das Thema, als dass der Scherz wirklich gelang. Ich fuhr mir mit der Hand über das Kinn und wog gut die nächsten Worte ab.


    „Ich suche die Herausforderung, habe große Ziele und ebensolche Ansprüche. Allen Wünschen voran stelle ich den, dass ich unter dem fähigsten Offizier der Legio I dienen kann. Wenn du dieses Anliegen dem Legaten vorbringen würdest ... gern nehme ich jede seiner Entscheidungen daraufhin an.“


    Hinter mir lag eine unglaublich gute Grundausbildung, Aufbau- und Zusatztraining liefen derzeit ganz nach meinen Wünschen ab, ein extrem guter Übungsmarsch lag hinter mir und genau das Niveau wollte ich beibehalten.

    „Ich möchte dem nicht widersprechen. Nicht nur, weil es mir nicht zusteht, sondern vor allem, weil ich ähnlich denke. Auch ich habe mich mit dem römischen Heerwesen und der römischen Militärgeschichte auseinandergesetzt. Freilich nur im bescheidenem Rahmen, aber ausreichend, um die Bedeutung der Reiterei nicht zu verkennen. Unbestritten ist, dass die schwere Infanterie das Rückgrad der Legion ist. Die Reiterei dient ihrer Unterstützung und nicht umgedreht und dennoch…“


    Ich kratzte mir verlegen am Kopf und musste grinsen. Bei den Göttern, was ich hier für Gespräche führte… Da der Centurio aber offenbar zuhörte sprach ich schließlich weiter.


    „… bei allem Vorteil, den die schwere Infanterie bietet, erkenne ich durchaus auch Nachteile. Du selbst sprichst es an: Offene Feldschlachten auf möglichst freiem und ebenem Gelände, doch wer kann sich schon immer den Kampfplatz wunschgemäß aussuchen? Und sind es nicht gerade die Feinde des römischen Reiches, die frontlose Partisanenkämpfe und die Taktik des zerstreuten Gefechts bevorzugen? Mit der lockeren Schlachtordnung im Gegensatz zur Phalanx wird die Truppe – ist der Schlachtort einmal nicht auf freiem Gelände – einfach beweglicher. Davon einmal abgesehen sollte die römische Reiterei nie einer geschlossenen Phalanx der schweren römischen Infanterie gegenüberstehen.“


    Ich stockte mitten in meinen Ausführungen. Worauf wollte ich eigentlich hinaus? Im Grunde besaß ich nur theoretische Kenntnisse. Es war vermessen zu denken, in irgendeiner Weise mitreden zu können. Deswegen schloss ich einfach:


    „Nach wie vor sehe ich es als nützlich an, die Reiterei gezielter als bisher in die militärischen Taktiken mit einzubeziehen. Aber das sind nur die Gedanken eines einfachen Legionärs, der nicht einmal besonders lange bei der Truppe ist und ja, ich kann behaupten, sehr gut reiten zu können.“


    So ganz nebenbei registrierte ich die vom Centurio vor einiger Zeit benannten und nun nach und nach passierten Orientierungspunkte. Bald sollte der große einzeln stehende Baum ins Sichtfeld kommen. Dass ich Strecke zurücklegte, merkte ich während der Unterhaltung gar nicht.
    Eines stand fest, ich hatte wesentlich mehr Erfahrungen auf diesem Marsch gesammelt, als je zu erwarten gewesen wäre. Kein Vergleich zu meinem ersten Trainingsmarsch. Bald jedoch würde mich der Lageralltag mit seinem Arbeitsdienst wieder haben. Erstmalig stellte sich so etwas wie Bedauern bei mir ein. Hoffentlich ließ der nächste Übungsmarsch nicht allzulange auf sich warten.

    Als der Centurio zu seinen Erklärungen ansetzte, ahnte ich noch nicht, dass es eine extrem umfängliche Unterweisung über Bezugspunkte und Orientierungshilfen bei der Bestimmung der Himmels- und damit Marschrichtung werden würde. Interessiert hörte ich zu, folgte mit Blicken den jeweils von ihm benannten markanten Objekten und versuchte seine Überlegungen für die Fälle nachzuvollziehen, in denen erste Orientierungshilfen durch versperrte Sicht wegfielen oder gar in Feindgebiet weitere taktische Vorsichtsmaßnahmen die Situation verkomplizierten.


    Zunächst sprachlos aufgrund der unerwartet ausführlichen Einzelunterweisung stellte sich anschließend bei mir ein neues Bewusstsein darüber ein, welche Umsicht ein Befehlshaber walten lassen musste, worüber sich der ihm folgende Soldat in der Regel wenig Gedanken machte.


    Nach einigen schweigend zurückgelegten Schritten äußerte ich meine Gedanken.


    „Mir ist seit langem bewusst, welche unbestrittenen Vorteile berittene militärische Einheiten der schweren Fußtruppe bieten können. Die größere Beweglichkeit und besserer Übersicht über die jeweilige Lage, das Territorium und damit ihre Bedeutung als Spähtrupp sind das eine. Eine aus diesen Vorteilen resultierende flexiblere Kriegsführung das andere. Genau deswegen zieht es mich ja zur Reiterei.“


    Etwas betreten sah ich zu Boden und schwieg. Es stand mir nicht zu, zu fachsimpeln. Wer glaubte ich denn, wer ich war? Ein einfacher Legionär – nichts weiter.

    Hm, der Centurio besaß Witz und Verstand. Das gefiel mir. Ich musste schmunzeln.


    „Dann sollten wir uns einmal die Umgebung genauer ansehen und die annähernde Himmelsrichtung bestimmen. Leider hilft uns die Sonne dabei nicht. Das ist Pech, denn die würde uns mit ihrem Stand sofort den Hinweis darauf geben. Vielleicht verzieht sich nachher noch der Nebel, vorerst schlage ich vor, dass wir die Moosablagerungen an den Bäumen betrachten. Bei einem vorherrschenden Nordwestwind weist der stärkste Bewuchs, den Baumstamm in Gänze betrachtet, auf diese Himmelsrichtung hin.“


    Ich grinste, das hatte ich längst überprüft und blieb daher genauso gelassen wie der Centurio.

    „Herius Vesuvius Claudius mein Name. Über mehr kannst du auch nicht informiert sein, denn ich habe den Auftrag aus freien Stücken und völlig unentgeltlich übernommen. Eine Verwandte von mir hatte mich in der Curia angepriesen. Ich erledige die Arbeiten in meiner dienstfreien Zeit.“


    Ich grinste. Eigentlich kannte ich sie gar nicht, sie aber offenbar mich und meine Ausbildung als Architekt.

    „Hm, dann muss ich mich wohl doch an den Magistratus wenden.“


    Ich sah mich kurz um. Als Baugrund war offenbar einfacher gewachsener Boden zu berücksichtigen. Die genaue Beschaffenheit wäre noch interessant zu wissen.

    Mein Ziel war heute der Bauplatz des Amphitheaters. Mir fehlten für meine Arbeit wichtige Informationen, die ich mir umgehend beschaffen wollte. Ohne zu zögern sprach ich den die Arbeiten leitenden Unteroffizier an.


    „Salve Optio, ich soll für dieses Objekt die erforderlichen Bauzeichnungen und Berechnungen durchführen, brauche dazu die genauen Angaben über die Beschaffenheit des Bodengrundes. Ich nehme an, dass ich diese Auskünfte weniger in der Curia beim Magistratus als vielmehr hier beim Fachmann erhalten kann. Lässt sich diesbezüglich schon eine Aussage treffen oder kann ich damit rechnen, dass mir nach Abschluss der Arbeiten Informationen zukommen?“

    … und wer jetzt annahm, dass Abwärtslaufen oder für die Wagen -rollen leichter als der Aufstieg war, der sah sich bald getäuscht. Das Beständige Abbremsen stellte an die Marschierenden wie an die Lasttiere größte Anforderungen. Zwar beruhigte sich der Atem recht schnell nach dem anstrengenden Aufstieg, aber Muskeln und Sehnen standen unter Daueranspannung. Bald waren die Beine nur noch als dumpfe Muskel- und Knochenmasse zu spüren.


    Längst war die Mittagszeit überschritten, auf eine Pause wurde verzichtet. Trinken während des Laufens, mehr war nicht drin. An dieser Stelle lernte auch ich, ein reichhaltiges Frühstück zu schätzen.


    Plötzlich wurden Rufe in meinem Rücken laut. Der Karren eines nachfolgenden Contuberniums kam außer Kontrolle und rollte auf uns zu.


    „Nicht zur Seite springen. Zufassen!“


    Mit einem Sprung erfasste ich die durchhängenden Zügel des Maultieres, griff nach dem Wagen und versuchte mit meinem Gewicht, das Gefährt auszubremsen. Glücklicherweise halfen mir die Männer meiner Zeltgemeinschaft dabei. Langsam wurden wir eine richtig gute Gruppe. Die Erfahrungen auf einem solchen Marsch schweißten die Soldaten zusammen, ließen Freundschaften entwickeln, schufen Kameradschaft.


    Endlich war die Talsohle erreicht und der Fortlauf des Marsches versprach weniger anstrengend zu werden. Überrascht reagierte ich, als der Centurio, zum Reden aufgelegt, mich nach der Richtung fragte. Mit vielem hatte ich gerechnet, nur damit nicht.
    In Gedanken ging ich den Rückmarsch nochmals durch. Gestartet waren wir in der Nähe von Verona. Da wir die nach Süden verlaufende Straße Richtung Mantua anpeilten, sie aber noch nicht erreicht hatten, musste unsere augenblickliche Marschrichtung südwestlich sein, denn Verona lag ein Stück östlicher und natürlich ein ganzes Ende nördlicher als Mantua.


    „Sofern mich mein Orientierungssinn nicht täuscht, bewegen wir uns derzeit noch südwestlich, um hoffentlich recht bald auf die südlich führende Straße Richtung Mantua zu gelangen.“



    Sim-Off:

    Das war gut! Ich fühle mich echt gefordert.

    Die vor uns liegenden Nadelwälder brachten Vor- und Nachteile mit sich. Das Roden des Unterholzes, um den Weg freizuschlagen, denn einen solchen gab es hier noch nicht, entfiel fast vollständig. Dafür drang kaum Tageslicht auf den mit Nadeln übersäten Waldboden, der sich fast schon so angenehm wie ein Teppich unter den geschundenen Soldatenfüßen anfühlte.
    Schwierig wurde es für die Wagen, die mitunter nicht auf direktem Wege die vorgegebene Richtung beibehalten konnten, da ausgerechnet dort die Bäume zu dicht standen. Es verlangte einen guten Überblick und geschulte Orientierungsfähigkeiten des Befehlshabers, dass trotz der unzähligen Ausweichmanöver die grobe Richtung des Marsches beibehalten werden konnte.


    Wir folgten dem Centurio, der Rest orientierte sich an unserem Karren. Das nächste Gefährt bildete wiederum Orientierungshilfe für das nachfolgende und so schlängelte sich eine dichte Formation römischer Soldaten durch ein unwegsames Gebiet, das zuvor wohl noch nie eine Menschenseele erblickt hatte.


    Selbst wenn die Sicht eine bessere gewesen wäre, kaum ein Soldat hatte derzeit Sinn für irgendwelche urtümliche Naturschönheiten. Luftfeuchtigkeit, Schmutz und Schweiß vermengten sich zu einer schmierigen Schicht auf der Haut eines jedes Legionärs, die unzählige Mücken anlockten, welche bei dieser Witterung sich üblicherweise in Wäldern tummeln und die sich nun ausgehungert auf die Blutquelle Soldat stürzten.

    Ich sah, dass der Wagen innerhalb der Berghänge nur noch stückweise voran kam und holte mir nun alle Soldaten meiner Contubernia heran, um mit vereinten Kräften das Gefährt nach oben zu bugsieren. Steine und quer zum Hang verlaufende Wurzeln erschwerten diese Arbeit und machten aus der Notwendigkeit einen einzigen Kraftakt.


    „Männer, es hat keinen Sinn. Das ist eine Ausnahmesituation. Jeder greift zu seinem Schanzwerkzeug und Palisadenstangen. Nur Mühlstein und Zelt verbleiben auf dem Karren. Wir müssen das Gewicht reduzieren. Erreichen wir den Hügelkamm, könnt ihr die Schanzpfähle wieder ablegen. Pionierwerkzeug verbleibt weiter am Mann.“


    Nachdem die Soldaten … wenig begeistert, aber einsichtig … Werkzeug und Stangen aufgenommen hatten, erklomm das Maultier fast schneller den Hügel als die keuchenden Legionäre. Andere Zeltgemeinschaften verfolgten andere Strategien, schoben mit vereinten Kräften den schweren Karren, während ununterbrochen Hiebe auf den Rücken der Packtiere prasselten.
    Mir erschien unsere Lösung als die bessere, denn würde unser Packtier entkräftet zu Boden gehen, sich ein Bein brechen oder einfach tot umfallen, hätten wir ein viel größeres Problem. Wer sollte dann Zelt und Mühlstein tragen?

    Von nun an blieb ich vorsorglich hinter dem Gefährt und immer wenn es ins Stocken kommen wollte, schob ich unterstützend von hinten mit. Oft half allein dieser Schub, mitunter fuhr der Karren aber restlos fest und erneut musste die gesamte Zeltgemeinschaft anfassen, um die Räder frei zu bekommen.


    Während des Marsches, der in deutlich aufgelockerterer Form als üblich vonstatten ging, witzelte ich das eine oder andere Mal mit Vitulus rum. Wenn man wollte, konnte man allem und jedem etwas Komisches abgewinnen.


    „Also ich bereue nicht, zur Legion gegangen zu sein. Abwechslung wird uns hier genug geboten, selbst in der Wetterlage. Marsch Nummer eins unter sengender Sonne, Marsch Nummer zwei mutiert zur Wasserschlacht.“


    Es schmatzte als ich meine Caligae aus dem Boden zog. Gräser, die vom Schlamm niedergedrückt wurden, schlangen sich um meine Schuhe und wollten sie scheinbar für sich behalten. Dem ersten dummen Gedanken folgte schnell ein zweiter.


    „Gerade wird mir klar, welche Vorteile die Reiterei bietet. Da bleiben wenigstens die Füße trocken.“

    Der Optio zeigte sich zufrieden und so trat ich den Rückweg oder besser die Rückdurchquerung an. Im letzten Drittel traf ich die erste Soldaten, die mit ihrem Marschgepäck nicht besonders schnell vorankamen. Wenig später ging ich an Land.
    Ich gönnte mir einige Minuten der Verschnaufpause, griff mir dann mein Scutum und reihte ich mich in meine Contubernia ein, die auch schon zur Flussüberquerung schritt.


    So lange das Wasser nicht allzu tief war, kamen wir recht gut voran. Schwieriger wurde es in der Mitte des Flusses. Jeder Schritt kostete Kraft, denn der Körper musste das Wasser annähernd entgegen der Fließrichtung verdrängen. Das Seil leistete dabei erstaunliche Hilfe, wenn es auch nicht sonderlich angenehm war, permanent dagegen gedrückt zu werden.


    Nachdem die Flussmitte hinter uns lag, ging es wie erwartet leichter. Dennoch gelangte ich durchaus geschafft an das andere Ufer. Es war schließlich auch meine dritte Durchquerung gewesen. Die Arme waren mehr als lahm von Halten des Schildes mit all der Masse an Gewicht.


    Ich folgte dem Beispiel der anderen und legte meine Rüstung und Cingulum an und nahm Waffen und Schild auf. In einer Reihe traten wir an.

    Durch die anfänglichen Versuche hatten sich die Räder des Karren noch tiefer in den Schlamm gegraben. Nun fassten mehrere Soldaten zugleich an.


    „Einer geht vorn zum Maultier, zwei jeweils an die Räder, der Rest schiebt und wenn es geht nur auf das Kommando hin und nicht jeder, wann er denkt, dass es richtig ist.“


    Beim vierten Anlauf und unter Mithilfe einer anderen Contubernia gelang es schließlich, das Gefährt flott zu bekommen. Nun sahen wenigstens meine Kameraden, die nicht geschanzt hatten, genauso gut aus wie ich. Das war doch wieder einmal ein Grund zum Lachen. Anders als mit Humor konnte man die Bedingungen des Rückmarsches wohl auch nicht ertragen.

    Steile Hügellagen, dichte Waldgebiete… das klang alles andere als beruhigend. Da kam einiges auf uns zu. Hoffentlich würden die Achsen und Räder der Karren halten. Im Gleichschritt losmarschieren ging keine zehn Schritt, da bemerkte ich, dass unser Karren wie erwartete nicht vorwärts kam. Kraftvoll stemmte sich das Maultier in die Riemen, Wenig sanft prasselten die Hiebe des Trossknechtes auf dessen Rücken. Umsonst, der Karren steckte fest.


    Unschlüssig sah ich zu dem Centurio. Selbstständiges Handeln war selten beliebt, aber ohne Anschieben lief hier wohl nichts mehr.

    Zufrieden sah ich, dass einer der Probati bereits seine komplette Ausrüstung angelegt hatte. Seine Waffen lagen griffbereit. Aus ihm würde wohl doch noch ein rechter Legionär werden.


    „Wenn die Entlastung des Wagens nicht reicht, müssen zusätzlich die Palisadenstangen und das Schanzwerkzeug während des Rückmarsches getragen werden. Stellt euch schon mal darauf ein. Wo bleiben die anderen?“


    Ich wollte fertig werden. Das Verschwenden von Zeit nütze niemandem. Wo war bloß Flavian? Noch immer waren wir nicht vollzählig. Suchend ließ ich meinen Blick durch das komplette Lager schweifen. Die einzelnen Zeltgemeinschaften standen dicht beieinander, warten auf den Abmarschbefehl. Nirgends war ein einzelner Soldat zu sehen.

    Ich erwiderte den militärischen Gruß und machte mich sofort an die Umsetzung der Anordnung.


    „Brucetus, Parvus und ihr da drüben. Die komplette Kampfausrüstung anlegen und zum Appell bereithalten. Bis zum Kochgeschirr und auch dem letzten Getreidekorn möchte ich alles am Mann sehen. Das Maultier hat genügend Last mit dem wasserdurchtränkten Zelt, den Schanzpfählen, Schanzwerkzeug und dem Mühlstein.


    Vitulus,“ Ich senkte meine Stimme etwas. „Vermutlich kommen Knecht und Gespann nicht allein aus diesem Morast heraus in Fahrt. Ich werde deine Hilfe brauchen.“


    Mit einem aufmunternden Kopfnicken machte ich uns beiden Mut. Der Rückmarsch würde Kräfte kosten, so viel stand fest und womöglich bekam das Gespann durch den Probaten Flavius eine zusätzliche Last.

    Ich zurrte gerade das verstaute Schanzwerkzeug fest, als ich angesprochen wurde. Sofort nahm ich Haltung an.


    „Centurio. Ja, das ist mein Contubernium. Dass sich ein Soldat abgemeldet hätte, ist mir nicht bekannt, jedoch fiel mir nach dem Frühstück ein Probat auf, welcher offensichtlich gesundheitliche Probleme hatte. Es handelt sich um Corvius Flavian. Er war zum Bergen der Schanzpfähle eingeteilt.“


    Von allen Probati, die auf diesem Marsch teilgenommen hatte, war das wohl der letzte, der sich unerlaubt von der Truppe entfernen würde, dachte ich bei mir. Er musste wohl ernsthaft erkrankt sein, körperliche Erschöpfung allein kam nicht in Frage.

    Mit einem Grinsen quittierte ich die letzten Worte des Optios. Ich hatte mich bereits an den Drill gewöhnt. Problematisch für jeden Neueinsteiger, aber das lag hinter mir. Nach der Ausbildung in der Zeit als Probatius erschien mir jedes nachfolgende Training leichter. War wohl eine Art Gewöhnungseffekt. Vielleicht stieg auch die Kondition, vielleicht sank auch die Härte der Ausbildung. Wer weiß?


    Ich schlang mir das Tau um den Leib, um die Arme zum Schwimmen frei zu haben. Davon versprach ich mir ein schnelleres Überqueren des Flusses, als wenn ich zu Fuß marschieren würde. Der Widerstand, den mein Körper dabei in Gänze dem Wasser entgegensetzten würde, wäre ein viel größerer.
    Während der ersten Schritte ins Wasser hielt ich die Luft an. Es war verdammt kalt! Bloß nicht stehen bleiben, sondern immer in Bewegung, dachte ich. Bei den Kältegraden schrumpfte einfach alles. :D


    Mit kräftigen Arm- und Beinbewegungen ging es relativ schnell bis zu Mitte, dann wurde die Strömung stark und die Anstrengung groß. Es war wohl mehr der Wille als die Kraft, der mich über die Flussmitte hinwegbrachte. In Richtung Ufer ging es wieder einfacher, obwohl das Tau mich beständig zurückzuhalten schien. Dennoch, wenn auch ziemlich ausgepumpt von der ungewohnten Betätigung, stieg ich schließlich an Land und atmete erst einmal kurz durch. Dann suchte ich mir einen kräftigen Baum in der Nähe des Ufers, schlang das Tau darum, zog es straff bzw. versuchte es und befestigte es anschließend.


    Natürlich hing das Seil durch. Es war nass und damit schwer und nicht zuletzt lang. Ich war gespannt, ob der Optio eine Idee hatte, wie es trotz alldem noch mehr gestrafft werden konnte. Abwartend sah ich zum anderen Ufer. Falls es so in Ordnung war, würde ich zurückschwimmen bzw. mich diesmal durch die Flussmitte hangeln.

    Wir verstauten gerade die Ausrüstungsgegenstände unserer Zeltgemeinschaft, als mir einer der Probati auffiel, der nicht nur übermüdet, sondern vor allem ungesund aussah.


    „Lass gut sein. Ich mach das für dich mit.“


    Skeptisch sah ich ihm hinterher, als er anschließend weitere Aufgaben zugewiesen bekam.


    Ich gehörte zu den Männern, die Graben und Wall ebenerdig machen sollten. Bis auf das Haupttor bestanden die anderen Tore des Marschlagers aus versetzt angeordneten und vorgelagerten Wallabschnitten. Schweigend arbeiteten die Soldaten. So richtig Stimmung wollte nicht aufkommen, jeder schien mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein.


    Oder auch damit, die Militärschuhe aus dem schmatzenden Erdreich zu ziehen. Nachdem sowohl Wall als auch Spitzgraben verschwunden und der ursprüngliche Zustand des Feldes einigermaßen wiederhergestellt war, verstaute ich meinen Spaten auf unserem Maultier.


    An mir hinab sehend, stellte sich schon jetzt Vorfreue auf die Reinigung meiner Schuhe und Schutzausrüstung ein.

    Nachdem das Gespräch mit Vitulus verstummt war, fand ich dennoch keinen Schlaf in dieser Nacht. Zu vieles ging mir durch den Kopf. Das schwere Gewitter und dessen unklare Bedeutung schwangen nach. Nichts geschah sinnlos, alles kündete vom Willen der Götter.


    Lange bevor das Signal zum Aufstehen erklang war ich bereits auf den Beinen. Sah, obwohl es nicht meine Aufgabe war, nach dem Proviant, den Packtieren, dem Wall des Lager, nur um mich abzulenken. Ich grübelte darüber nach, was mir die Götter mit ihrem Zornesausbruch wohl sagen wollten, fand aber keine Erklärung.
    Was mich fast noch mehr verwunderte, war die Gleichgültigkeit mancher Soldaten. Wussten sie nicht um die Wichtigkeit der Religion oder war die Moral der Römer bereits schon so weit gesunken? War das der Grund, weswegen Juppiter zürnte? Dann tat er es zu Recht.


    Langsam kam Leben in das Marschlager und mir begegnete doch das eine oder andere unausgeschlafene Gesicht. Ich befasste mich alsbald mit dem Mahlen der Körner. Anstelle von Mehl erzielte ich Brei. Der Mühlstein war klamm und die Luftfeuchtigkeit tat ihr übriges.


    Ich aß ohne Appetit und fragte mich derweil, wie die schwer beladenen Wagen durch die Pampe bis zu einer befestigten Straße kommen sollten.

    Kaum hatte ich meinen Gedanken vorhin ausgesprochen, wurde mir klar, dass das nicht so einfach geht.


    „Um die Legio verlassen zu können, müssen wir einen offiziellen Antrag stellen, wobei wir nicht einmal einen triftigen Grund vorweisen können. Hast du schon mal nachgefragt?“


    Sim-Off:

    PN