Beiträge von Herius Claudius Menecrates

Noch ein Neuer, dachte ich bei mir. Das Lager glich langsam einem Ameisenhaufen.

"Welche Arbeit meint der Centurio?"

Fragend sah ich Vitulus an. Hatte ich einen Befehl verpasst?

Ich musste über Vitulus’ Worte grinsen. Anfangs hatte ich ja befürchtet, dass ich sang- und klanglos im Damespiel untergehen würde, weil ich keinen blassen Schimmer davon hatte. Dann leistete ich mir auch noch diesen blöden Aufmerksamkeitsfehler und dennoch stand ich nicht soo schlecht da. Wieder entschied ich mich sehr schnell für den nächsten Zug und schob den Stein von G5 auf H6.

„Jetzt bin ich wirklich gespannt, was du machst.“

Das klang nur interessiert, keineswegs hämisch, denn inzwischen betrachtete ich Vitulus fast schon als Freund.

Ich musste lachen.

„Stimmt, du hast Recht! Sie sind verwandt und kennen sich nicht. Große Klasse!“
Relativ schnell entschied ich mich zum nächsten Zug und setzte F4 auf G5.

„Mir fällt grade ein, es gibt ja mehr als nur die beiden Straßen. An der Principia gehen ja rechts und links Straßen bis hin zur Lagerumwehrung vorbei. Na ja, die Neuen werden es schon packen.“

Wie die Standweiber auf dem Markt gafften die Soldaten den Fremden an und rätselten über dessen Identität und den Grund seines Kommens.

"Ich gehe jede Wette ein, dass das ein Patrizier ist", flüsterte ich zu Vitulus.

Ich half beim Einladen und schob den Karren von hinten, um es dem vorn Laufenden zu erleichtern. Der Weg ins Lager streckte sich, aber schließlich hatte auch er ein Ende.

'Blöder Fehler', dachte ich. Einfach nicht aufgepasst und wer schläft, erlebt den nächsten Morgen nicht. Pech gehabt.

"Gut, dann setze ich jetzt von B2 über deinen Stein hinweg auf D4. Ich habe meinen Vorteil verschenkt und habe eben Pech gehabt. Dummheit muss bestraft werden."

Bei dieser ganzen Grübelei fiel mir gar nicht auf, was für ein Gerede im Hintergrund war. Verwundert drehte ich mich jetzt zu den neuen Rekruten um.

"Das Lager ist wie jedes andere aufgebaut. Es ist rechteckig, hat zwei Hauptstraßen, die Principia befinden sich im Zentrum, Kassernen, Valetudinaria, Horrea und Fabricae drum herum und es hat vier Tore."

"Vitulus, ich komme auf fünf Aurelier hier. Habe ich noch einen übersehen?"

Salvius hatte das Ergebnis unseres Feilschens ja bereits vermeldet, also verhielten er und ich uns ruhig. Wir fühlten uns nicht angesprochen.

Ich sah Vitulus auf mich zukommen und hörte seine Worte.

"Also, ich denke, die blauen Flecken würden sich optisch recht gut neben den roten Schürfwunden und den grünen Druckstellen von der Rüstung machen."

Dann wurde ich aber nachdenklich.

"Hm, kann man eigentlich mit einem Freund einen Kampf wie im Ernstfall simulieren? Ich bin bei dir doch sicher vollkommen abgebremst. Oder wir deuten nur an. Was meinst du?"

Ich erwiderte vielsagend und grinsend den Blick von Vitulus.

"Findest du nicht auch, dass es hier nur so vor Aureliern wimmelt? Lass uns mal durchzählen. Der Centurio und dessen Bruder, der Legionär. Moment, der andere Centurio ist ja auch ein Aurelier."

Grinsend griff ich mir an den Kopf.

„Wir sehen nach Brot und Käse“, rief Salvius Morena hinterher. Gemeinsam mit ihm trottete ich über den Markt.

Wir fanden nur einen einzigen Käsestand und die Händlerin ließ nicht mit sich reden. Von den drei Brotständen befragten wir nur zwei, denn am dritten standen bereits unsere Kameraden.
Anfangs führte Salvius alleine die Verhandlungen, aber beim der hübschen Händlerin an Stand zwei, kam ich ihm äußerst gern zu Hilfe.
Am Treffpunkt zurück gab er seine Meldung ab.

„Käse gibt es nur für 0,60 Sesterzen, aber bei Brot konnten wir eine Händlerin von 1,20 auf 1,0 runterhandeln. Wie war euer Preis?“ Fragend sah Salvius zu Morena.

Lag es an meiner schlechten Verfassung nach dem feuchtfröhlichen Abend oder daran, dass wir schon wieder mit Holzschwertern üben sollten? Ich merkte nur, ich hatte wenig Lust. Mit einiger Anstrengung gelang es mir, das nicht zu zeigen. Ich griff mir eines dieser Spielzeugschwerter und begann mit dem Training. Anfänglich etwas schleppend, später aber wohl aus Frust immer aggressiver und effektiver, stach ich auf den Holzpfahl ein. Immer an meine Deckung denkend, verging so die Zeit recht schnell und nun kam die Aufforderung gegen einen Kameraden zu kämpfen.

Die Frage war, suchte ich mir jetzt einen aus, den ich mochte, oder doch lieber jemand, den ich nicht leiden konnte?
Ich entschied mich für das Vergnügen und nicht für das Abreagieren von Antipathien. Einladend sah ich Vitulus an.

"Stimmt! So ruhig wie anfangs wird es nie wieder sein. Na gut, hat auch seine Vorteile. Erst jetzt fühlt man sich wie in einem richtigen Legionslager."

Ich überlegte. Gehe ich auf Vitulus' Angebot ein oder sichere ich ab? Ich entschied mich letztlich für Letzteres. Ob es der klügere Zug war würde sich später zeigen. F2 auf G3.

Noch bevor ich beim Haupttor ankam, musste ich mich übergeben. Eine elende Würgerei, aber danach ging es mir besser.

Ich hörte mir unseren Auftrag an. Fragen? Nein, die hatte ich nicht. Es würde sich schon ergeben, wie so viele Waren zum Lager gebracht werden sollen. Ich hatte außer meinen beiden Händen nichts dabei. Es gab keine Anweisung.

Zum Denken zu faul, grinste ich Vitulus an. Sein Gesichtsausdruck sagte mir, er hegte dieselben Gedanken. Wortlos stapfte ich den anderen hinterher.

Ich musste grinsen, als ich die Kommandos des Centurio hörte. Sie erinnerten mich an den Exerzierplatz.

„Klingelt das auch noch in deinen Ohren?“ Ich grinste Vitulus an.

Kaum war der Offizier mit seiner Centurie abgezogen, stürzten neue Leute ins Zimmer.

„Boah, was ist denn hier los?" Ich drehte mich um. "Ich kann mich gar nicht auf das Spiel konzentrieren. Vitulus, das nächste Mal sollten wir uns ein Plätzchen am Rande des Lagers suchen.“

Grübelnd saß ich über dem Spielbrett, dann fiel mir meine ausgewählte Taktik wieder ein. Ich wollte meinen Kameraden in Zugzwang bringen.

„Ich überspringe deinen Stein mit D2 und stehe nun auf F4. Jetzt bist du am Zug.“

Ohne Vitulus als Krückstock hätte ich den Weg zurück wohl nicht geschafft. Offenbar brauchte er mich aber ebenso als Stütze. Dummerweise war die Strecke fast doppelt so lang wie hinzu, denn der einst gerade Weg hatte sich in einen Schlängelpfad gewandlt. Wie das passieren konnte, keine Ahnung.

Im Lager angekommen, ließ ich mich in voller Montur auf mein Lager fallen und schlief sofort ein. Die Druckstellen am Morgen bemerkte ich kaum, denn ich hatte dann andere Sorgen.

"Vielleicht bin ich ja ein strategisches Naturtalent"

In Gedanken ging ich mehrere Möglichkeiten durch und entschied mich für die mir am effektivsten erscheinende.

"Ich ziehe von E3 nach F4."
Aus meiner Angriffspostition würde ich wohl nicht so schnell herauskommen...

Ein Lied lenkte mich dann plötzlich ab. Es klang bis in unser Zimmer. Ich zwinkerte Vitulus zu.

"Diesen Teil der Geschichte der Legion haben wir verpasst. Ärgert dich das ebenso wie mich? Das Lied sollten wir lernen. Wr kennen viel zu wenig Soldatenlieder. Das muss sich ändern. Außerdem muss das ein ganz neues sein."

Aufmerksam hörte ich auf den Text.

"Wenn du das sagst ... Bloß gut, dass wir mit der Legion nicht ohne Strategien in eine Schlacht gehen würden. Ich gehe hier auf Angriff ohne Plan, aber auch so lernt man.

Vielleicht sollten wir das Brett etwas leeren, damit es übersichtlicher wird. Ich setze C3 auf D4."

Appetitlos starrte ich auf mein Essen. Ich brachte es nicht über mich, etwas zu kosten. Eher würde sich der Teller noch mehr füllen, als dass ich etwas vertilgen konnte.
Schmerzend hielt ich meinen Kopf, als jemand rücksichtslos durch das Lager brüllte.

"Leise, wenn ich bitten darf und bloß keine Hektik.

Verdammt, der Wein muss schlecht gewesen sein. Mir ist speiübel und einen Tagesmarsch überlebe ich heute nicht."

Im Zeitlupentempo erhob ich mich, schickte einen leidvollen Blick zu Vitulus und schlich mit ihm Richtung Haupttor.