Beiträge von Decima Valeria

    Valeria hatte nun insgesamt vier Tage lang gewartet und gehofft, dass Maximian bald hier auftauchen würde. Bisher war sie immer enttäuscht worden.


    Morgens, wenn sie aufwachte, dachte sie an Maximian und wenn sie abends zu Bett ging, war er noch immer in ihrem Kopf. Zweimal hatte sie sich in den Schlaf geweint, weil sie sich einfach zu viele Gedanken um ihn gemacht hatte. Was war, wenn er inzwischen gar nicht mehr an sie dachte? Oder wenn ihm etwas passiert war?


    Doch diese Art der Gedanken waren nicht die einzigen, die die junge Decima plagte. Sie fragte sich auch, wie sie Maximian in die Augen sehen und um glaubhaft versichern konnte, dass ihr letzter Brief nur eine Verzweiflungstat gewesen war. Wie konnte sie es schaffen, ihm nicht von den letzten Worten ihrer Mutter zu erzählen, ehe sie starb? Was, wenn sie sich verhaspelte und ihr herausrutschte, dass sie eigentlich keine Decima war, sondern ein Niemand, ein Nichts? Meridius würde sehr zornig werden, wenn er das erfuhr. Und Maximian würde sie bestimmt der Lüge bezichtigen, wenn nicht sogar Schlimmeres.


    Nun saß sie hier wie an jedem Morgen auf der Kante ihres Bettes und hatte das Bild von Maximian im Kopf, das mit jedem Tag, der verstrich, undeutlicher wurde und mehr verblasste. Sie kämmte ihr blondes Haar, das seit dem letzten Treffen mit Maximian ein gutes Stück gewachsen war. Zuerst wollte sie es mit einem Band zusammenbinden, dann entschied sie sich dagegen und ließ es offen. Sie kleidete sich an und schlüpfte in die leichten Sandalen, dann wollte sie zum Altar gehen und beten, wie sie es jeden Tag getan hatte. Valeria hatte das Gefühl, dass alles leichter zu ertragen war, wenn sie betete.


    Sie wandte sich um und öffnete die Tür. Ob wohl jemand was von...? Valeria schüttelte den Kopf und schalt sich in Gedanken eine Närrin. Je öfter sie an Maximian dachte, desto enttäuschte würde sie sein, wenn er wieder und wieder nicht auftauchte. Sie schlüpfte durch die Tpr und begab sich zum Hausaltar.


    Dazu musste sie das Atrium durchlaufen, wo sie eine freudige Überraschung empfangen sollte.

    Valeria sah bestürzt drein. Maximian war nun schon so lange fort!
    "Danke, Fannia", murmelte sie leicht enttäuscht. Sie würde sich frisch machen und dann Alessa besuchen gehen.

    ....als in diesem Moment auch schon Valeria hinter der Sklavin auftauchte.
    "Oh, Fannia", sagte sie.
    "Ich war auf den Märkten. Da gibt es ja so viel zu sehen!"
    Die Decima strahlte die Sklavin an. Ihre Worte hatte sie vor lauter Aufregung gar nicht vernommen.

    Valeria lächelte ihn dankbar an.
    Meridius schien doch nicht so ein alter, grimmiger Bär zu sein, wie sie immer gedacht hatte...


    "Momentan in der Casa Mercators. Ich wusste keinen anderen Ort, an den ich gehen konnte, nachdem...
    Außerdem wollte ich Maximian sehen und mit dir reden."

    "Natürlich. Aber du musst auch verstehen, dass ich zusammen sein möchte mit den Menschen, die ich liebe", konterte sie.


    Dann musste sie schmunzeln.
    "Ich fühle mich in Tarraco sowieso wohler. Allerdings ist mir nicht behaglich zumute, wenn ich weiterhin auf deiner Tasche liege, obwohl eigentlich ich keine Decima bin."

    Valeria sah ihn nur verständnislos an. Sie hoffte, dass Maximian keine Fragen stellen würde, denn Valeria war nicht gerade eine gute Lügnerin. Andererseits...wenn sie nichts dazuerfand, sondern nur gewisse Dinge verschwieg, war es auch keine Lüge, sondern nur...nun, ein Verschweigen der Tatsachen. Sie würde sich zwar nicht sonderlich gut dabei fühlen, aber wenigstens konnte sie auf diese Weise bei ihm sein.


    "Ja", sagte sie daher schlicht. Wie sie es anstellte, würde schließlich ihr überlassen bleiben.
    Meridius' plötzlicher Wutausbruch was diesen Fleischstand betraf, ließ sie dann leicht zurückschrecken vor ihm.


    "Gut, ich will dich auch gar nicht weiter aufhalten...Aedil. Ich hoffe, dass alles gut wird."
    Sie seufzte.

    Valeria runzelte die Stirn.
    "Nun ja...Livianus...er hat dir doch sicherlich erzählt, wobei er Maximian und mir in der Casa in Tarraco begegnet ist, oder? Und....ja, ich werde schon acht geben. Was soll ich Maximian sagen? Er wird Fragen stellen."

    Valeria hätte schreien können vor Glück in diesem Moment. Sie lächelte Meridius an und schlug dann ein. Eine ganze Weile standen sie so beieinander und hielten die Hand des jeweils anderen. Sie würde sich beherrschen. Es würde hart werden und die Liebe zu Maximian würde auf eine schlimme Probe gestellt werden, durften die anderen doch nichts wissen von der verbotenen Beziehung. Dann fiel ihr Livianus ein.
    Sie löste die Hand und gab Meridius mit einer zaghaften Kopfbewegung zu verstehen, weiterzugehen.


    "Du musst auch mit Livianus reden", meinte sie und dachte daran, wie er Maximian und sie in flagranti erwischt hatte. Maximian....
    "Wo...wo ist Maximian denn?"

    Valeria blickte eine Weile auf Meridius' große, männliche, behaarte Hand, ehe sie die ihre hob. Doch noch schlug sie nicht ein. Zweifel nagten an ihr.


    "Wirst du mit Alessa reden? Und...und darf ich mit Maximian zusammen sein? Dann werde ich ganz bestimmt nichts sagen!"


    Sie kam sich schon fast wie ein kleines Kind vor und hätte beinahe über sich selbst gelacht - aber das waren Fragen, die ihr noch auf der Seele brannten, ehe sie einschlagen würde.

    Meridius' Worte hallten lange in Valerias Ohren nach. Während dieser Zeit stand sie einfach nur vor ihm und sah in seine Augen. Er schien es ehrlich zu meinen. Was er sagte, war an sich widersprüchlich. Wenn sie die Tochter einer Betrügerin (das Wort klang so seltsam in ihren Ohren) war, hatte ihre Liebe keine Zukunft. War sie Praetorianus' Tochter und damit Maximians Cousine, war ihrer beider Zukunft ebenfalls zum Scheitern verurteilt.


    "Ich....weiß nicht, Meridius. Es ist mir klar, dass ich alles verlieren würde, aber..."
    Sie seufzte schwer und sah in die Ferne. Wenn sie Maximian nahe sein wollte, musste sie einwilligen. Wenn sie das nämlich nicht tat, würde sie nicht nur ihren Stand verlieren, sondern auch ihr Herz.
    Schließlich nickte sie. Es würde ihr schwerfallen, aber...
    "Ich tu's."

    Die Tränen schossen ihr in die Augen, als sie fassungslos seinen Worten zuhörte. Sie wollte ihn berühren, ihn anflehen, doch tat nichts dergleichen, sondern stand nur stocksteif vor Meridius.


    "Ich verstehe", sagte sie dann leise und niedergeschlagen.
    "Dann gibt es für Maximian und mich keine Zukunft."

    Valerias Augen wurden groß, als sie Meridius' Worten zuhörte. Sie schluckte und starrte ihn einfach nur aus ungläubigen Augen an. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.


    "Ich...also ich habe Maximian einen Brief geschrieben. Es steht nicht alles darin, aber...er wird Fragen stellen. Und ich kann es nicht geheimhalten, Meridius. Vielleicht..."
    Sie schluckte abermals.
    "Vielleicht gibt es eine Möglichkeit für uns, wenn ich keine Decima mehr bin", sagte sie dann leise.

    Valeria blieb stehen und sah ihn bestürzt an.
    "Ich habe es bisher nur Alessa erzählt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich wollte auf dich oder...Maximian warten."
    Sie schluckte. Ihr Magen hatte sich zu einem harten Klumpen zusammengezogen. Als sie weitersprach, war ihre Stimme leise.
    "Niemand war dabei, nicht einmal ein Sklave. Sie...redete vom Elysium und von der Lüge um meinen Vater. Und dann...."
    Valeria zuckte traurig die Schultern und unterdrückte die Tränen, die ihr in die Augen steigen wollten. Sie wusste ja selbst, wie ungeheuerlich das klang.

    "Nein, er...ich..."
    Valeria senkte den Blick und schloss einen Moment lang die Augen. Dann hob sie den Blick wieder, sah Meridius entschlossen an. Wenn sie nicht zuerst mit Maximian sprechen konnte, so konnte sie daran nichts ändern. Sie würde Meridius alles erählen.


    "Lass uns etwas gehen...."
    Valeria setzte sich langsam in Bewegung und begann dabei zu erzählen.


    "Weißt du...das ist alles etwas schwierig. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll. Wegen...naja, Maximian. Und dann kommt da noch etwas dazu... Bevor meine Mutter starb, sagte sie mir, dass sie nicht wisse, wer nun mein Vater ist."


    Sie blieb stehen und machte eine Bewegung, um Meridius davon abzuhalten, etwas dazu zu sagen.


    "Ich hatte viel Zeit, um darüber nachzudenken, weißt du. Sie sagte, sie wolle meine Zukunft sichern. Ich kann das alles nicht verstehen. Wo gehöre ich nun hin? Was ist recht, was unrecht? ich komme mir so schäbig vor, Meridius."


    Beschämt senkte sie den Blick und ging neben dem pater familias weiter.

    Valeria fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.
    "Sie ist gestorben...vor ein paar Tagen."
    Konnte sie es wagen, nach Maximian zu fragen? Vorerst entschied sie sich dagegen, wusste sie doch nicht, welchen Groll Meridius noch gegen sie hegte.


    "Ich hörte, dass es bei den Decimas ebenfalls eine Beerdigung gab. Das tut mir leid."
    Die Decima (?) fühlte sich wie vor einem Gewitter. Ob er wohl etwas sagen, es erwähnen würde?

    Wie Valeria so daherschlenderte, bemerkte sie den Mann nicht, der sich für die Stände zu interessieren schien. Gerade trat sie an einen Stand heran, dessen Händler wunderbare Stoffe verkaufte. Valeria betastete die verschiedenen Gewebe und wandte sich um, um zum nächsten Stand zu gehen - als ihr plötzlich Meridius ins Auge fiel!


    Schlagartig wurde ihr ganz mulmig zumute. Sie schluckte, doch bekam den Kloß in ihrem Hals nicht herunter. Ihre Hände waren mit einem Mal eiskalt. Wie sollte sie sich verhalten? Was sollte sie sagen? Ihr blieb immernoch die Möglichkeit, einfach umzudrehen und zurück in die Casa zu eilen, doch spätestens beim Abendessen hätte sie den pater familias wohl sowieso getroffen. Also schluckte sie abermals und überwand dann die geringe Entfernung zwischen sich und dem stattlichen Mann.


    "Salve, Meridius", sagte sie.
    Und dabei beließ sie es auch ersteinmal, denn sie wusste nicht, wie er reagieren würde....

    Nun, da Fannia gegangen war, wusste Valeria nicht, was sie anstellen sollte. Alessa schien noch verschollen, Maximian war nicht hier und allein in ihrem Zimmer herumsitzen wollte sie auch nicht.
    Also machte sie sich etwas frisch und zog sich um, ehe sie die Casa verließ und sich zu den Märkten begab, wo sie sich etwas ablenken wollte.

    Valeria nickte.
    "Gut dann....wirst du mich rufen, wenn sie zurück ist? Das wäre sehr lieb...und wenn du etwas über Maximian in Erfahrung bringen könntest....wäre ich dir wirklich mehr als dankbar."