• Meridius bahnte sich seinen Weg durch die Menge. Liktoren hatte er als niederer Magistrat keine bei sich und der Scriba, welcher in begleitete, hatte alle Hände voll zu tun mit ihm Schritt zu halten und dabei die Dokumente und das Schreibwerkzeug nicht zu verlieren. Prüfend blieb Meridius an einem Stand stehen und sprach mit dem Verkäufer.


    Die Geschäfte hatten sich in den letzten Monaten wieder gebessert, auch wenn der teure Krieg in Germanien die Steuergelder in die falsche Richtung pumpte und der Handel nicht gering beeinrächtigt worden war. Zum Glück jedoch gab es wichtigere Provinzen, so Syrien mit der Handelsstadt Palmyra, Äegypten mit Alexandria und die vielen Hafenstädte in Griechenland, Kleinasien, Nordarfrika, Spanien und Sizilien. Der Handel mit Germanien war - ausser für die Provinz selbst - weitgehend bedeutungslos, so dass sich die Märkte schnell wieder erholt hatten.


    Meridius nickte mit dem Kopf. Er verabschiedete sich und suchte den nächsten Stand auf. Die Keramik war von bester Qualität, etwas teuer, aber noch im Rahmen des Erlaubten und er hatte als Aedil nichts zu beanstanden. Der Kaufmann dankte Meridius, als jener die hervorragende Ausarbeitung der Ware lobte und versprach ein paar Muster in der Basilica Iuliana vorbeizubringen. Meridius lachte und lehnte ab...

  • "Aedil?"


    Der kleinere, untersetzte Mann mit der Halbglatze trat auf den Amtsträger hinzu und neigte sein Haupt.


    "Ich möchte Dich nicht stören, doch haben wir hier auf den Märkten beunruhigende Dinge gehört. Stimmt es, dass die Patrizier keine Steuern mehr zahlen sollen? Ich will nicht falch verstanden werden, wenn die das Geld auf den Märkten ausgeben profitieren wir alle davon, auf der anderen Seite besteht jedoch die Gefahr, dass sich Monopole bilden... Ich kann meinen Laden dicht machen, so knapp wie ich bereits kalkulieren muss..."

  • Meridius wurde von der Seite angesprochen. Er wandte sich an den Mann und hörte sich an, was er zu sagen hatte. Nachdenklich blickte er auf die Menschen, welche von allen Seiten zusammen kamen.


    "Römer, Deine Bedenken sind angebracht und es ist auch Recht und Billig, dass Du sie äusserst. Ich selbst habe auch erst neulich davon gehört, bin jedoch noch nicht informiert worden, welche Auswirkungen es haben wird. Jedoch, ich versichere Dir, dass ich die Sache überprüfen werde. Auch werde ich mich mit meinem Nachfolger in diesem Amt zusammen setzen, so dies von ihm gewünscht wird und gemeinsam mit ihm besprechen, wie man die Interessen des kleinen Mannes schützen kann. Ich möchte noch nicht zuviel verraten, doch ich halte es für möglich, dass man Patrizier und auch Senatoren auf bestimmte Geschäftsbereiche beschränkt. Ich hatte erst vor kurzer Zeit Besuch eines Mannes, der eben dies in der Tradition unserer Vorfahren vorschlug."


    Er blickte den Mann an.


    "Welche Waren verkaufst Du?"

  • "Stoffe, Aedil, ich verkaufe Stoffe."


    Der Mann schien mit der Antwort nicht ganz zufrieden, zeigte sich jedoch erfreut, dass der Aedil auf sein Anliegen überhaupt eingegangen war.


    "Ich danke Dir, Decimus Meridius. Ich kann nur hoffen, dass man uns kleinen Leute nicht ganz vergisst..."

  • "Keine Angst, ich werde mich darum kümmern. Und ich bin sicher, der zukünftige Aedil und auch der Volkstribun werden dies ebenfalls tun."


    Dann wünschte er dem Mann noch einen erfolgreichen Tag und ging zum nächsten Stand weiter. Auch mit jenem Händler wechselte er ein paar Worte...

  • Wie Valeria so daherschlenderte, bemerkte sie den Mann nicht, der sich für die Stände zu interessieren schien. Gerade trat sie an einen Stand heran, dessen Händler wunderbare Stoffe verkaufte. Valeria betastete die verschiedenen Gewebe und wandte sich um, um zum nächsten Stand zu gehen - als ihr plötzlich Meridius ins Auge fiel!


    Schlagartig wurde ihr ganz mulmig zumute. Sie schluckte, doch bekam den Kloß in ihrem Hals nicht herunter. Ihre Hände waren mit einem Mal eiskalt. Wie sollte sie sich verhalten? Was sollte sie sagen? Ihr blieb immernoch die Möglichkeit, einfach umzudrehen und zurück in die Casa zu eilen, doch spätestens beim Abendessen hätte sie den pater familias wohl sowieso getroffen. Also schluckte sie abermals und überwand dann die geringe Entfernung zwischen sich und dem stattlichen Mann.


    "Salve, Meridius", sagte sie.
    Und dabei beließ sie es auch ersteinmal, denn sie wusste nicht, wie er reagieren würde....

  • Meridius drehte sich um und erkannte Valeria. Einen Moment wusste er nicht, was er sagen sollte, doch dann fiel es ihm ein, dass sie ja nach Rom gereist war um nach ihrer totkranken Mutter zu sehen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie sich wieder begegnen würden.


    "Salve Valeria. Wie geht es Deiner Mutter?"


    Meridius gab seinem Schreiber zu verstehen, dass er sich um den Händler kümmern solle...

  • Valeria fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut.
    "Sie ist gestorben...vor ein paar Tagen."
    Konnte sie es wagen, nach Maximian zu fragen? Vorerst entschied sie sich dagegen, wusste sie doch nicht, welchen Groll Meridius noch gegen sie hegte.


    "Ich hörte, dass es bei den Decimas ebenfalls eine Beerdigung gab. Das tut mir leid."
    Die Decima (?) fühlte sich wie vor einem Gewitter. Ob er wohl etwas sagen, es erwähnen würde?

  • Meridius dachte nach.


    "Oh, es tut mir leid das zu hören. Es ist nicht leicht einen Menschen zu verlieren, den man mag..."


    Meridius verstummte und betrachtete Valeria lange. Seine Gedanken kreisten um die vergangenen Zeiten und neben Proximus und Julia kamen ihm auch Vater und Mutter in den Sinn. Er hatte sich von allen viel zu früh verabschieden müssen.


    "Ja, mein Onkel ist gestorben. Tiberius Decimus Proximus. Der gute Alte, ich glaube Du hast ihn doch noch gekannt..."


    Meridius lächelte etwas.


    "Weiß Praetorianus schon, dass Deine Mutter tot ist? Wer sorgt um Dich? Kann ich etwas für Dich tun?"

  • "Nein, er...ich..."
    Valeria senkte den Blick und schloss einen Moment lang die Augen. Dann hob sie den Blick wieder, sah Meridius entschlossen an. Wenn sie nicht zuerst mit Maximian sprechen konnte, so konnte sie daran nichts ändern. Sie würde Meridius alles erählen.


    "Lass uns etwas gehen...."
    Valeria setzte sich langsam in Bewegung und begann dabei zu erzählen.


    "Weißt du...das ist alles etwas schwierig. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll. Wegen...naja, Maximian. Und dann kommt da noch etwas dazu... Bevor meine Mutter starb, sagte sie mir, dass sie nicht wisse, wer nun mein Vater ist."


    Sie blieb stehen und machte eine Bewegung, um Meridius davon abzuhalten, etwas dazu zu sagen.


    "Ich hatte viel Zeit, um darüber nachzudenken, weißt du. Sie sagte, sie wolle meine Zukunft sichern. Ich kann das alles nicht verstehen. Wo gehöre ich nun hin? Was ist recht, was unrecht? ich komme mir so schäbig vor, Meridius."


    Beschämt senkte sie den Blick und ging neben dem pater familias weiter.

  • Meridius verstand nicht sofort was er hörte und er brauchte lange um das Gehörte zu sortieren. Sagte sie die Wahrheit? Oder erfand sie nur eine Geschichte um Maximian doch noch heiraten zu können? Doch welchen Nutzen hätte sie nicht mehr eine Decima zu sein? Sollte Praetorianus nicht mehr ihr Vater sein, sie wäre ein nichts. Ein niemand.


    "Es ehrt Dich, dass Du so offen redest, Valeria. Doch bist Du Dir sicher? Hat es jemand bezeugen können? Wer weiß schon alles davon?"


    Er dachte fieberhaft nach, was zu tun sei.

  • Valeria blieb stehen und sah ihn bestürzt an.
    "Ich habe es bisher nur Alessa erzählt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich wollte auf dich oder...Maximian warten."
    Sie schluckte. Ihr Magen hatte sich zu einem harten Klumpen zusammengezogen. Als sie weitersprach, war ihre Stimme leise.
    "Niemand war dabei, nicht einmal ein Sklave. Sie...redete vom Elysium und von der Lüge um meinen Vater. Und dann...."
    Valeria zuckte traurig die Schultern und unterdrückte die Tränen, die ihr in die Augen steigen wollten. Sie wusste ja selbst, wie ungeheuerlich das klang.

  • Maximian. Meridius wusste Bescheid. Sicher, er hatte zwar ihren Umgang verboten, doch seinen Sohn bespitzeln lassen wollte er nicht. Was sollte er tun? Unschlüssig blickte er in Valerias Augen, dann über den Markt.


    "Rede vorerst mit keinem darüber... hörst Du?"


    Seine Gedanken kreisten um Praetorianus. Sollte sein Bruder herausbekommen, dass man ihm die Tochter nur untergeschoben hatte, was würde geschehen? Und vor allem, was würden die Menschen sagen? Uneheliche Kinder verzieh man, aber der Spott, den man Kukuckskindern und deren vermeintlichen Familien zukommen ließ, war auf einer ganz anderen Ebene anzusiedeln. Ein Decima der gar nicht der Erzeuger seines Kindes war und den Betrug nicht einmal merkte, der Gedanke war kaum auszuhalten...


    "Valeria, hör mir gut zu. Ich weiß Du vertraust mir nicht, oder nur beschränkt, weil ich zwischen Dir und Maximian stehe. Doch vergiss das für einen Moment. Es geht um Dich. Um Deine Möglichkeiten. Und auch um uns. Erzähle keinem Menschen davon. Hörst Du? Versprich es mir, hoch und heilig. Nicht einmal Maximian darf davon erfahren. Du bist die Tochter des Praetorianus. Du bleibst die Tochter des Praetorianus. Hast Du mich verstanden? Und um Alessa kümmere ich mich..."


    Der Plan in seinem Kopf nahm Gestalt an.

  • Valerias Augen wurden groß, als sie Meridius' Worten zuhörte. Sie schluckte und starrte ihn einfach nur aus ungläubigen Augen an. Dann schüttelte sie langsam den Kopf.


    "Ich...also ich habe Maximian einen Brief geschrieben. Es steht nicht alles darin, aber...er wird Fragen stellen. Und ich kann es nicht geheimhalten, Meridius. Vielleicht..."
    Sie schluckte abermals.
    "Vielleicht gibt es eine Möglichkeit für uns, wenn ich keine Decima mehr bin", sagte sie dann leise.

  • Eine Möglichkeit für uns. Meridius hörte die Worte, schob sie jedoch für einen Moment zur Seite.


    "Wenn Du keine Decima bist... Hast Du Dir überlegt, was das bedeutet? Die Leute werden sich das Maul zereißen. Praetorianus, ein Decimus, weiß nicht, dass seine vermeintliche Tochter von einem anderen Kerl..."


    Er hielt inne.


    "Zuerst entspringst Du einer unehelichen Beziehung. Das mögen die Leute noch verzeihen. Dann jedoch bist Du nicht seine Tochter. Praetorianus wird der gehörnteste Mann des Imperiums sein, wenn das herauskommt..."


    Er sollte sie davonjagen, dachte er sich. Gab es keine andere Lösung? Die Fragen würden jedoch dennoch kommen. Und ausserdem... Er blickte sie an. Verdammt, er hatte sich schon daran gewöhnt, dass sie eine Decima war. Sie gehörte irgendwie dazu.


    "Sollte herauskommen, dass Du die Tochter einer Betrügerin bist, haben wir den Spott und Du hast gar nichts. Du wirst es mir nicht glauben, doch ich mag Dich. Verdammt, es gibt keine Zukunft für Dich und Maximian, wenn das hier bekannt wird. Du glaubst doch nicht, dass ich - Senator Meridius - meinen Sohn und Erben mit einer Betrügerin vermählen werde? Diesen Gedanken kannst Du vergessen. Du bist und bleibst die Tochter des Praetorianus. Das ist für Dich und uns das beste. Oder willst Du die Schmach auf Dich nehmen? Unsere Familie gleich mit in den Abgrund reißen?


    Denke an Maximian. Und dann sag mir, dass Du es ihm nicht sagen wirst. Du wirst es niemandem sagen!"

  • Die Tränen schossen ihr in die Augen, als sie fassungslos seinen Worten zuhörte. Sie wollte ihn berühren, ihn anflehen, doch tat nichts dergleichen, sondern stand nur stocksteif vor Meridius.


    "Ich verstehe", sagte sie dann leise und niedergeschlagen.
    "Dann gibt es für Maximian und mich keine Zukunft."

  • Meridius rang innerlich mit sich. Sie machte es ihm nicht leicht. Was hatte das arme Mädchen alles erleiden müssen. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Rom auf und erfuhr, dass sie die Tochter eines Römers sei, der in der Ferne leben würde. Dann lernte sie diesen kennen und dessen Familie lieben und wurde wieder einer Zukunft beraubt. Und nun auch noch der Tod der Mutter. Meridius verfluchte den Tag, dass er überhaupt auf die Märkte gegangen war. Was sollte er sagen? Sollte er mit einem Wort ihr Leben "beenden". Sie jeder Hoffnung berauben? Er konnte es nicht.


    "Ich weiß, dass Du Maximian liebst. Doch mach es mir nicht schwerer, als es ist. Was würdest Du in meiner Situation machen? Was möchtest Du in Deiner Situation machen? Du liebst ihn, und diese Liebe war unmöglich, als Du noch seine Cousine warst. Doch wenn Du jetzt in den Augen der Menschen zur Betrügerin wirst, kannst Du ihn ebenfalls vergessen....


    Ich bitte Dich, hör mir zu. Wenn Dir an Maximian und an uns etwas liegt, und auch an Dir selbst, so bleib die Decima Valeria, die Du uns geworden bist. Sei Praetorianus die Tochter, sei meine Nichte und Deinem Leben werden alle Türen offen stehen.


    Und was Maximian betrifft: Er ist mein Sohn. Ich kann ihm nicht verbieten, wen er liebt und wen er nicht liebt. Aber es geht über mich, wen er heiratet und wen nicht. Wenn Du in seiner Nähe sein möchtest, dann hast Du als seine Cousine die einzige Möglichkeit. Überleg es Dir. Und verbau ihm nicht die Zukunft indem Du ihn mit hineinreißt..."

  • Meridius' Worte hallten lange in Valerias Ohren nach. Während dieser Zeit stand sie einfach nur vor ihm und sah in seine Augen. Er schien es ehrlich zu meinen. Was er sagte, war an sich widersprüchlich. Wenn sie die Tochter einer Betrügerin (das Wort klang so seltsam in ihren Ohren) war, hatte ihre Liebe keine Zukunft. War sie Praetorianus' Tochter und damit Maximians Cousine, war ihrer beider Zukunft ebenfalls zum Scheitern verurteilt.


    "Ich....weiß nicht, Meridius. Es ist mir klar, dass ich alles verlieren würde, aber..."
    Sie seufzte schwer und sah in die Ferne. Wenn sie Maximian nahe sein wollte, musste sie einwilligen. Wenn sie das nämlich nicht tat, würde sie nicht nur ihren Stand verlieren, sondern auch ihr Herz.
    Schließlich nickte sie. Es würde ihr schwerfallen, aber...
    "Ich tu's."

  • Sie schien einzuwilligen. Meridius atmete innerlich auf, versuchte jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. Er reichte ihr die Hand.


    "Gut. Dann schlag jetzt ein. Du bist die Tochter des Praetorianus. Das ist die Wahrheit und wer etwas anderes behauptet lügt."


    Seine Augen suchten die ihren.

  • Valeria blickte eine Weile auf Meridius' große, männliche, behaarte Hand, ehe sie die ihre hob. Doch noch schlug sie nicht ein. Zweifel nagten an ihr.


    "Wirst du mit Alessa reden? Und...und darf ich mit Maximian zusammen sein? Dann werde ich ganz bestimmt nichts sagen!"


    Sie kam sich schon fast wie ein kleines Kind vor und hätte beinahe über sich selbst gelacht - aber das waren Fragen, die ihr noch auf der Seele brannten, ehe sie einschlagen würde.

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