Beiträge von Sica

    Sica kam viele Tage später wieder bei der kleinen Kammer vorbei, als ihm die Sklavin wieder einfiel. Ob er jemanden mit ihrer Versorgung hätte beauftragen sollen? Kurz mit den Schultern zuckend machte er sich daran, die Klappe der Kammer wieder zu öffnen. Der bestialische Gestank war sogar noch schlimmer geworden, so dass er einige Schritte zurücktreten musste bis er sich daran gewöhnt hatte. Sica trat hinzu und sah schnell, dass hier wohl jede Hilfe zu spät kam. Das unnütze Ding war elendiglich verreckt.


    Sica ging in die Sklavenunterkunft und holte eine alte, verdreckte Decke. Darin wickelte er die Leiche ein und schleifte sie in die Unterkunft der anderen Sklaven. Ihre ehemaligen Freundinnen würden sich schon um die Bestattung kümmern.

    Sica schleifte die noch immer bewusstlose Sklavin durch die Villa hinter sich her, bis er bei der Kammer angekommen war. Er öffnete die Klappe und musste sich erst einmal angwidert abwenden. Natürlich war der winzige Raum seit Mias Aufenthalt nicht gereinigt worden. Es stank erbärmlich. Sica wollte seine Aufgabe schnell hinter sich bringen. Er packte die (vermutlich zu ihrem eigenen Besseren) noch bewusstlose Sklavin und stopfte sie förmlich hinein.


    Viel Spaß.


    Schnell schloss er die Klappe hinter ihr wieder, damit er den Gestank nicht noch länger ertragen musste. Sica schloss sorgfältig ab und machte sich dann wieder auf den Weg zu seiner eigentlichen Arbeit.

    Sica nahm zur Kenntnis, dass sein Herr wieder einmal so lange hatte weiterschlagen müssen, dass das dumme Ding von einer Sklavin nicht mehr in der Lage war, eigenständig zu laufen. Kommentarlos ging er zu dem am Boden liegenden Haufen Elend, packte sie am Fuß und zog sie unsanft aus dem Raum. Als er die Tür hinter sich schließen wollte, lag ihr Kopf noch im Weg. Auch mit Nachdruck ließ die Tür sich einfach nicht zuziehen. Sica probierte es mehrere Male, gab dann jedoch auf und zog die Sklavin noch ein Stückchen weiter am Fuß auf den Flur. Dann war der Weg frei, die Tür schloss sich leise.

    Sica kehrte zurück und öffnete die Porta erneut. Dieses Mal war genug Platz, dass die Dame eintreten konnte.


    Der Herr wird Euch empfangen. Folgt mir.


    Er trat beiseite um sie einzulassen und ging ihr dann voran ins Arbeitszimmer.

    Mit der Dame kam Sica wieder beim Arbeitszimmer an. Er klopfte an und wartete kurz, damit dem Herrn Zeit blieb seine Beschäftigung zu unterbrechen. Dann ließ er sie ein.


    Flavia Fausta, Herr.


    Nach ihr trat auch er ins Zimmer, weitere Befehle abwartend.

    Sica nickte.


    Ja, Herr.


    Er schloss die Tür wieder und ging in Richtung Porta. Im Arbeitszimmer hörte er nun wieder die Peitschenhiebe und die Frauenschreie. Nichts ungewöhnliches also...

    Ein weiteres Mal musterte Sica die hochnäsige Frau von Kopf bis Fuß. Schon wieder eine von diesen arroganten Patrizierinnen. Sollte sich sein Herr damit herumschlagen.


    Wartet hier.


    Er schloss die Porta und machte sich in der Villa auf die Suche nach seinem Herrn.

    Sica öffnete die Tür gerade so weit wie nötig und musterte die davor stehende Frau misstrauisch von oben bis unten. Es war schon beinahe aufällig, wie viele Frauen seinen Besitzer in letzter Zeit besuchten.


    Salve. Wer seid Ihr und was wollt Ihr?

    Als sein Besitzer ihm 'frei' gab, umspielte tatsächlich ein dunnes Lächeln Sicas Lippen. Er kannte den Humor seines Herrn inzwischen und gab bei sich widerstrebend zu, dass er ihn hin und wieder teilte. Natürlich würde er trotzdem zu arbeiten haben.


    Danke, Herr.


    Er warf der dürren Sklavin noch einen vernichtenden Blick zu. Sie würde schon wissen, was noch auf sie zu kam. Dann verließ er lautlos den Raum.

    Sicas knirschte mit den Zähnen als er noch einmal von Neuem beginnen musste. Er ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und schreib von vorne los. Um nicht noch ewig mit dieser Zeitverschwendung beschäftigt sein zu müssen, hielt er sich an die Anweisung und betrachtete nun jeden Paragraphen für sich genommen. Durch das vorgegebene Fallprüfungsschema war ihm ein bequemes Raster vorgegeben, nach welchem er sich richten konnte. Der Fall verlangte ihm trotzdem einiges an intensivem Nachdenken ab.


    Beim Überlegen nahm er aus den Augenwinkeln wahr, wie der Senator sich mit der dürren Sklavin beschäftigte. Nach der intensiven Lekture seiner geistigen Ergüsse war Sica schon beinahe bei der Vermutung angelangt gewesen, es könne sich bei ihm um eine außergewöhnliche Persönlichkeit handeln. Doch nun bestätigte sich doch, dass auch der Magister Iuris seinen Trieben erlegen war. Verachtungsvoll verzog Sica den Mund und wandte sich wieder seinem Fall zu.


    Es dauerte seine Zeit, doch er kam allmählich voran und notierte schließlich das letzte Wort auf dem Papyrus. Er legte den Stilus beiseite, erhob sich und sah abweisend zu den beiden Senatoren hinüber.

    Sica warf seinem abseits wartenden Besitzer einen kurzen Seitenblick zu, konnte dessen Gesichtsausdruck jedoch nicht deuten. Er blickte wieder zu Senator Vinicius Hungaricus auf. Wenn es ihm eines Tages nur irgend möglich sein sollte, würde er sich für diese Demütigung durch die Schläge von der dürren Sklavin rächen. Versteckter Hass blitzte in seinen Augen.


    Nein, Herr.


    Er senkte den Blick auf den Papyrus und begann in sauberer, ordentlicher Schrift zu schreiben. Es hatte seine Vorteile, schon Sklave für alles mögliche gewesen zu sein. Systematisch ging er nach dem Schema mit der trichterförmigen Darstellung aus der Vorlesung vor. Er ließ sich Zeit für die jeweilige Bewertung und Beantwortung der verschiedenen Kriterien.

    Unterschwelliger Hass schlug nun auch dem Prüfer entgegen. Sica sah ihm direkt in die Augen und zögerte seine Antwort hinaus. Nach einer kleinen Stille begann er wieder zu sprechen. Seine Stimme war nun auffallend ruhig und monoton.


    Ein Erfolgsdelikt ist daran zu erkennen, dass zusätzlich zur Tathandlung ein spezieller Erfolg eintritt. Auch die Unterlassung einer Handlung kann zu diesem Erfolg geführt haben. Sobald durch eine besondere Schwere eine weitere Qualifikation erreicht wird, ist es ein qualifiziertes Erfolgsdelikt.


    Ein erfolgsqualifiziertes Delikt ist ein Delikt, bei dem es einen bestimmten Erfolg gibt, der durch eine beliebige Tathandlung herbeigeführt wird, möglicherweise auch nur fahrlässig.


    Bei der Antwort zur letzten Frage schlich sich noch etwas mehr Aggressivität in Sicas Gesicht, die er jedoch schnell wieder unterdrückte.


    Ja.

    Sica hielt still und sah mit leicht zusammengekniffnenen Augen von oben auf Mia herab. Bei einigen Schlägen zuckte er zusammen. Durch ihr ungezieltes Vorgehen traf sie teils unempfindliche Regionen wie etwa seine Unterarme, teils empfindliche Weichteile wie seinen Bauch. Bei letzterem musste er stark die Zähne zusammenbeißen, um nicht aufzustöhnen. Doch diese Genugtuung wollte er ihr und auch den anderen sicher nicht gönnen. Glücklicherweise hatte sie nicht so viel Kraft wie sein Herr, der ihn sonst stets selber zu schlagen pflegte. Unter den Augen der beiden Senatoren gefesselt war Sica keine Möglichkeit zur schnellen Rache vergönnt. Stumm und hasserfüllt starrte er Mia an als sie fertig war. Sie würde später büßen müssen.

    Abweisend musterte Sica seinen Prüfer. Wenn es kein Senator und Gast seines Herrn wäre... Sica sah zu der winzigen Mia hinüber. Sein Blick hätte drohender nicht sein können.

    Sica dachte kurz nach. Sein Prüfer schien nicht zimperlich zu sein und nahm seine Aufgabe offenbar ernst. Doch er bildete sich ein, halbwegs gut vorbereitet zu sein.


    Eine Rechtsnorm besteht aus einem Tatbestand und einer Rechtsfolge. Sobald der Tatbestand, welcher aus verschiedenen Tatbestandselementen bestehen kann, erfüllt ist, tritt die Rechtsfolge ein. Diese kann eine Bestrafung durch den Staat darstellen, die Verweigerung eines angestrebten Rechtserfolges, den Entzug oder Erwerb von Befugnissen, sowie die Verpflichtung zur Widerherstellung und Wiedergutmachung.


    Ein erfolgsqualifiziertes Delikt zeichnet sich dadurch aus, dass neben einer erfolgten Tathandlung auch ein entsprechender Erfolg eingetreten ist. Dies kann auch durch Unterlassung von etwas erfüllt sein. Sobald je nach Schwere eine bestimmte Qualifikation erfüllt wird, ist es ein erfolgsqualifiziertes Delikt. Beim qualifiziertes Erfolgsdelikt wird hingegen, möglicherweise auch nur fahrlässig, ein bestimmter Erfolg durch eine Tathandlung herbeigeführt.


    Bei diesen Definitionen und der Abgrenzung der beiden Begriffe war Sica sich nicht ganz sicher, ließ sich das jedoch nicht anmerken und sah dem Senator selbstbewusst in die Augen. Vielleicht übersah der Prüfer ja die etwas schwammige Formulierung. Er schien ohnehin mehr Interesse an der dürren Sklavin zu haben als an den Rechtswissenschaften.


    In der Regel liegt bei Rechtfertigungsgründen wie Notwehr und Nothilfe beim Täter ein Bewusstsein über einen stattfindenden Angriff auf ein Rechtsgut vor. Somit hat er allein aus dieser Tatsache heraus einen Vorsatz, nämlich den, diesen stattfindenden Angriff abzuwehren. Es ist also nicht möglich, fahrlässig Notwehr zu begehen.
    Allerdings besteht eventuell die Möglichkeit, dass im Rahmen der Notwehr sorgfaltswidrig gehandelt wird und unnötiger Schaden entsteht, größer als der, welcher zum Abwenden der Gefahr erforderlich gewesen wäre. Allerdings ist hier die Frage, ob das Delikt als solches noch in den Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte fiele.
    Spielt Ihr auf eine solche Situation an, Herr?


    Abwartend sah er den Senator Vinicius Hungaricus an.

    Stumm hörte sich Sica die Anweisungen seines Herrn an und nickte bestätigend. Als dieser sich zur Seite setzte, ließ er seinen Blick zu seinem Prüfer wandern und musterte diesen unauffällig eingehend. So hatte er sich den Verfasser der gelesenen Schriftrollen sicher nicht vorgestellt. Er ließ sich jedoch nichts anmerken und wartete ab.

    Sica hatte sich nicht sonderlich beeilt und kam vor der Tür zum Arbeitszimmer seines Pater Familias an. Ohne noch weiter groß zu zögern klopfte er an die Tür und wartete ab. Nach kurzer Zeit war von drinnen ein 'Herein' zu hören, so dass er öffnete und eintrat.


    Ihr habt mich rufen lassen, Herr?

    Wortlos erhob sich Sica von seinem Lager. Er hatte sich eine kleine Auszeit gegönnt. Die Sklavin keines Blickes würdigend ging er an ihr vorbei und in aller Ruhe zum Arbeitszimmer seines Herrn.