Was sind schon Monate in einem ganzen Leben? Um so älter man wird, desto schneller rinnen sie dahin, sagt man. Früher hatte der Senator Avarus das nie glauben wollen. Heute wußte er es besser. Wie bremste man diesen Zeitenschwund aus? Ging das überhaupt oder musste man einfach genauso rasch voran gehen, wie die Zeit es uns gefühlt vor machte?
Wie wir lebten, entschieden wir selbst, so glaubten wir. In Realität waren die Zwänge der Gesellschaft aber selbst für unsere Schicht vorhanden. Kaum zu vergleichen mit dem Alltag des Pöbels, den Bürgern der Stadt Rom oder den vielen Zuwanderern aus den Provinzen. Aber dennoch ein römischer Senator unterlag all seiner Lebenszeit einem ständig anwesenden Zwang. Schwer vorzustellen aus dem System zu entkommen, auszubrechen ja gar gegen die Strömung aller Zwänge anzuschwimmen. Doch wenn man schon nicht aus der Gesellschaft brechen konnte, so musste man sie eben ausgrenzen.
...und dies hatte Senator Avarus die letzten Monate getan. Eine lange Liste von Entschuldigungen, Entsagungen und vermeintlichen Krankheiten war zusammen gekommen, um das Leben weg von der Gesellschaft leben zu können. Einige Aufgaben ließen sich übertragen, andere blieben einfach liegen. Ein Leben das man getrost Müßiggang nennen konnte. Auch wenn jeder Genießer dieser neuen Freiheit dies immer anders sehen würde. Der alte Germanicus konnte so nämlich zum Beispiel all jene Bücher und Schriften mal lesen, die er aus Freigiebigkeit irgendwann mal irgendwo gekauft hatte, damit in "seiner" Bibliothek auch was drin steht. Dann war er viel im Garten. Ein wahres Kleinod im Frühling. Beine hoch, so ein besagtes Büchlein, das Zwitschern der Vögel und das Summen der Bienchen. Was brachte ein Mensch, der viel erreicht hatte mehr? All die Jahre entbehrlichen ackerns sollten für ihn nicht umsonst gewesen sein. Wozu all den Reichtum horten? Dafür das die Familie nach dem eigenen Tod ausgesorgt hat und das Geld über kurz oder lang verprassen kann? Nein! Noch war Zeit es selbst zu nutzen. Wenigstens ein bisschen...
Avarus schnitt gerade den letzten verwelkten Rosenstock zurecht, als er im Augenwinkel eine sich nähernde Person bemerkte. Dem anwesenden Gärtnersklaven gab er zu verstehen das Werkzeug mitzunehmen und erstmal hier Pause zu machen. Dann mühte er sich aus der kniehenden Position in den Stand zurück und ächzte ob seines alten Rückens. Doch im Angesicht der sich nähernden Person umspielten seine Lippen schnell wieder ein Lächeln. Der Senator ließ sich auf eine Bank in der Nähe sinken und erwartete den Gast...