Beiträge von Valeria Amatia

    Nach einem Klopfen trat Amatia in den Raum, hatte noch immer dieses ungute Gefühl irgendwas angestellt zu haben und sah wahrscheinlich auch aus als hätte sie etwas zu verbergen, aber es war nur Nervosität, auch wenn der Präti gar nicht so furchteinfloßend aussah, irgendwie sogar nett.


    Sie flatterte mit der Einladung und stellte sich vor.
    "Salve. Valeria Amatia, Cubicularia.
    Ich soll mich hier melden?"

    Als sie die Nachricht nimmt und liest, baut sich blitzartig ein mulmiges Gefühl in der Magengegend auf.
    Die Prätorianer, diese dunklen, bösen, hinterhältigen Lurche - so hatte sie die Beschreibung durch ihren Bruder zumindest noch in Erinnerung. Und der wollte etwas von ihr?
    Was hatte sie angestellt?
    Doch nicht etwa noch wegen dem Eisdiebstahl damals? Und außerdem war das kein Diebstahl.
    Aber sonst hat sie doch nichts getan, nicht bewusst.
    Es hilft alles nichts und sie bringt es gleich hinter sich.

    Von Margarita gab es wenig Aufträge, von der Kaiserfamilie schon gar nicht, und außerdem war die Laune von Margarita in den letzten Wochen nicht die beste. Ob ihr diese dummen Öllampen so sehr zusetzten?


    Jedenfalls beschloss Amatia ein wenig den Palast zum glänzen zu bringen.
    Gestern schon hat sie aus der Küche wieder Holzasche vom Küchenofen geholt. Sie hatte das Gefühl, die Asche aus diesem Ofen war einfach die beste fürs Putzen.
    Vielleicht war es auch nur Einbildung und sie hielt sich einfach so gerne wegen dem Koch dort auf. Bei den meisten Besuchen fanden sich nämlich interessante Gespräche mit ihm. Gestern etwa haben die beiden unendlich lang über die Vor- und Nachteile von Roggenmehl philosophiert. Am Ende wich keiner von seiner Präferenz ab, aber es war äußerst unterhaltsam.


    Die Asche hatte sie also schon gestern angeweicht, und war nun damit, mit einem Kübel reinem Wasser und einem Fetzen bewaffnet auf Streifzug durch den Palast, mit scharfem Auge auf der Suche nach verdreckten Scheiben, Lampen und allen, das nur noch danach schrie geputzt zu werden.


    Andere konnten es vielleicht nicht verstehen, aber jede Glasscheibe, die sie schlierenfrei rein bekam, erfüllte sie mit einem richtigen Glücksgefühl und brachte Motivation für die nächste.

    "Ach was. Raser und Blaader sind ganz lieb und sanft.
    Und weil sie vielleicht auf Frischfleisch stehen, wollen sie dich trotzdem nicht gleich fressen."

    Armer Junge, ein Kindheitstrauma? Kam bei Hunden öfters vor. Aber dann....


    "Du kannst kein Blut sehen?"
    Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und wollte weitergehn, aber er hielt ihre Hand, also wandte sie sich nochmal zu ihm.
    "Du kannst echt keine Blut sehn???"
    Gibts denn sowas?
    "Dat is nich dein Ernst!"
    Er war es. Und es war eine traurige Geschichte für einen jungen Mann.


    Sie war am überlegen. Irgendwie muss man das sicher wegkriegen. Entweder sanft oder auf die harte Weise.
    Sie ging zur Tonne, wo sie die Ratte, die Raser heut wieder angeschleppt hatte, reingeworfen hat und holte sie raus.
    "Nein, da ist kein Blut mehr drinnen. Schon ausgedorrt.
    Hmm."

    Warf sie wieder rein und überlegte. Ihn zu einem Tempelopfer mitnehmen war sicher keine gute Idee.


    Sie ging zu den Rosen hinüber, streifte mit einem Finger über Dorne und hielt ihm den Finger dann unter.
    "Schau. Ist das schlimm? Eben"
    Jetzt drückte sie den Finger zusammen und ganz langsam kam ein kleiner Tropfen Blut heraus.
    "Es tut nicht weh, dir schon gar. Also: Blut ist nichts böses."

    Süß, und lustig ist er auch noch.
    "Schau an, wie man Komplimente macht, ham dir die beiden also schon beigebracht."


    Sie war sich ganz sicher, dass er nur einen Scherz macht. Aber fast konnte man glauben, er meint es ernst. So überzeugend spielte er gerade die Rolle eines verliebten Jungen.


    "Und jetzt komm. Du kannst mir helfen, die zwei Hunderl nach Zecken abzusuchen."

    Die Oppas.
    Vic hatte Amatia gebeten ein bisschen auf die alten Herren zu schaun. Sie tat es mehr als ungern, aber zumindest ab und zu bekamen sie was zu essen von ihr. Fleisch war ihr zu schade für die beiden, entweder sie konntens nicht beissen oder die Hälfte blieb ihnen zwischen Zähnen stecken und sie lutschten dann ein paar Tage davon.
    Also gabs eine pikante Patina, schön lang im Ofen und damit hoffentlich Oppa-tauglich.
    Sie klopfte kurz, trat gleich ein und blieb dann mal für einen Augenblick stehen, um das Bild, das diese zwei Herren abgaben, richtig zu genießen.


    Flaccus, ihr Oppa, hängte auf seinem Stuhl wie ein nasser Sack. Eine Hand lag noch auf dem Tisch, darin ein Astragal, der andere Arm baumelte neben ihm Richtung Boden. Der Kopf hängte schief nach hinten, der Mund weit offen. An einem Mundwinkel waren noch Spuren von Speichel zu sehn, der ihm vorher ausgeflossen sein muss. Und bei jedem dritten Atemzug war ein Schnarchen zu hören, wobei seine faltigen Wangen lustig dazu flatterten.


    Ihm gegenüber saß Saccus, Oppa von Victor, der sich schon längst hier eingelebt hatte und den man wahrscheinlich auch nicht mehr lebend aus dem Haus bekommen wird.
    Man wusste nicht, ob Saccus überhaupt schon bemerkt hatte, dass Flaccus schlafenderweise aus dem Spiel ausgestiegen war. Saccus war zu beschäftigt damit, seinen rechten Fuß umständlich auf das linke Knie zu leben, um sich dann unter einem leisen Knochenknacken hinunterzubeugen und irgendetwas Klebriges von der Fußsohle zu kratzen.


    Amatia musste bei dem Anblick schmunzeln. Irgendwie waren alte Leute doch ganz süß. So wunderlich und hilflos.
    Sie wollte die beiden nicht weiter stören, stellte das Essen ab und ging wieder.

    Vic hatte einen Brief geschickt und sie verzog sich damit ihn ihr kleines ganz privates Reich. Der einzige Ort, der nur ihr allein gehört, und den auch sonst kein anderer betreten brauchte.
    Sie legte sich gemütlich hin, freute sich noch immer über die Nachricht von ihm und rollte den Brief auf.



    ... hänge ich doch länger als geplant in Germania ...
    Auf Weisung des Pontifex Minor?? Die machen sich doch wirklich einen Spaß daraus, so einen jungen - was ist er nochmal? Commentarius? - zu ärgern.
    Dieser Cultus Deorum! Nicht die Götter, nein, gegen die würde sie nie ein Wort sagen, aber diese Organisation von Priestern! Da sollten sie froh sein fähige Männer wie Vic zu finden, die sich ihnen anschließen wollen, und dann manchen sie es dem so kompliziert wie es nur geht.
    Zuerst Rom. Dann Hispania. Endlich wieder in Rom gleich wieder nach Germanien.
    Nach Germanien!
    Sie verstand es einfach nicht. Seufzte einmal tief durch und las weiter.


    ... Ich hoff, ihr kommt solang ohne mich aus. ..
    Sie muss lächeln. Er macht sich Sorgen um die Familie, Lati, die Oppas, die Tölen. Sie musste Sev unbedingt irgendwann dafür danken, Vic in die Familie geholt zu haben. Ein Gllücksgriff.


    Bei ihnen hatte sich nichts getan, in einem Brief wüsste sie gar nichts zu schreiben und er war sicher schwerbeschäftigt und wird nicht auf eine Antwort warten.
    Sie rollte das Papier wieder zusammen, legt es zur Seite und ging kochen.

    So ein süßer Kerl. Wie er sie mit seinen großen dunkel glänzenden Augen ansah. Aber es war als würde er mit seinem Blick immer tiefer in sie eindringen - so ähnlich wie wenn sie vor einem Stück verlockend süßen fetten Stock Patina sitzt und es nur sehnsuchtsvoll ansieht aber nicht essen darf.
    Sie begann sich schon sorgen zu machen, aber dann gelangte er doch wieder auf den Boden und antwortete ihr.


    "Dein Papa ist ganz toll! Und solang er nicht da ist, werden wir auf dich schaun."
    Ihr Tonfall war dabei eher, als würde sie mit einem kleinen Kind reden, aber es passte zu diesem herzigen Kerl.
    Sein Blick begann immer mehr zu leuchten, als er davon sprach, keine Freundin mehr suchen zu müssen. Die Erinnerung an ein Gerücht von so einem dummen jungen Mann, der tatsächlich Vestalin werden wollt, kam ihr. Manche Leute haben schon einen Huscher.


    "Hast du denn eine kleine Freundin gefunden?"

    "Lati. Endlich lern ich dich kennen."


    Obwohl ihre Laune noch immer am Boden war, schrie der kleine süße Kerl fast danach umarmt zu werden. Sie hielt ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen, er lag noch immer scheinbar leicht verwirrt am Boden und blickte sie nur an. Mit Augen, die sie irgendwie an ein junges Kalb erinnerten, so richtig zum liebhaben.


    "Na komm her und lass dich von deiner Tante umarmen."


    Während sie ihn hielt und auf ihn hinunterschaute, überlegte sie wie alt er wohl ist. Auf jeden Fall noch jung, unerfahren und beeinflussbar.


    "Wie kommt so ein Kerl wie mein Bruder zu einem Burschen wie dir? Ich sach dir gleich, lass dir nichs dummes von denen einreden. Das machen die nämlich gern. Die zerren dich in irgendwelche zwielichtigen Spelunken und wolln dir auch noch Frauen besorgen."
    Ein warnender Blick fiel auf Victor.

    "Oppas? Unser Oppa?"
    Deswegen der Verwesungsgeruch. Sie konnte alte Leute nicht leiden. Aber wenn man mit ihnen verwandt war, musste man da durch.
    "Na ich hoff wegen denen muss ich nich alles so weich kochen bis sie es schlürfen können."

    Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie ihm böse sein sollt. Schickt sie einfach in die Küche um sie loszuwerden. Aber die Wut wegkochen hilft sicher.
    "Wat is jetz mit Lati? Ist der auch hier? Ich muss wissen für wieviel Leut ich kochen soll." und sie war schon am überlegen was sie alles machen wird.

    Im Trösten war er wirklich der beste und sie sich schon ein bisserl beruhigt.
    Mit geröteten Augen schaut sie ihn lieb an.
    "Danke. Du bist der beste."


    Leicht irritiert schaut sie plötzlich zur Seite.
    "Sag, riecht es hier nach Verwesung?"

    Hat er es noch immer nicht verstanden?
    "Um wen wohl. Um IHN. " antwortet sie schluchzend. Wieder nimmt sie das Tuch und rotzt hinein bevor sie sich wieder um seinen Hals hängt und weiterredet.
    "Er hat einfach alles hingeschmissen."
    Langsam beruhigt sie sich ein wenig. Die Schulter tut unglaublich gut und der Stoff saugt fabelhaft ihre Tränen auf.
    "Und hat mich stehngelassen."
    Jetzt erst langsam dämmert es ihr, er wollte sie gar nicht. Sie war ihm egal. Jede Mühe von ihr vergebens. Und sie fühlte sich plötzlich so alleine, so zweckslos, so dumm.

    Als er sie loslässt, steht sie noch immer wie ein Häufchen Elend vor ihm und nimmt den Becher.
    "Dat wird nich mehr."
    Sie trinkt den Becher aus, stellt ihn zur Seite. Dann nimmt sie ein Tuch das in ihrem Gürtel steckte und rotzt es mal so richtig voll bevor sie endlich was sagt.
    "Er ist weg. Einfach so. Ohne irgendwas. Von einem Tag auf den andern." Sie schaut Vic in die Augen, ruhig steht er da und hört sich ihr Klagen an. Fast rührend. Und dann überkommt es sie wieder und sie wirft sich wieder an ihn.
    "Ooh Viihihiic. "

    Einen kurzen Augenblick überlegt sie wie sie anfangen soll zu erzählen. Aber jedes Wort darüber scheint so nutzlos.
    Sie umarmt ihn, er scheint gar nicht zu wissen wie ihm geschieht, und sie beginnt hemmungslos zu weinen.
    "Viihiihiihiihiic"
    und lässt ihn nimmer los.

    Endlich hatte es Amatia weg von der Arbeit geschafft. Noch immer am Boden zerstört von dem plötzlichen Abschied von Lucidus am Kaiserhof machte sie sich gleich auf die Suche nach ihrem Bruder, sie brauchte jetz wen zum ausweinen.


    "Vic!
    Viiic!
    VICTOR!
    "

    Hatte sie sich verhört oder was war gerade passiert?
    Sie wollte nachhaken, fragen wieso und warum, aber jedes Wort blieb ihr im Hals stecken. Stattdessen stand sie nur da, schaute fassungslos zu wie er aufstand und sich zum gehen bereit machte und merkte gar nicht wie langsam einzelne dicke Tränen über ihr Gesicht kullerten und auf den Boden fielen.

    Was ist jetzt los? Ein Brief ist soviel wichtiger als sie? Grund für ihn ihr nicht mehr zuzuhören?


    "Die Lampen!" Sie deutet auf die Öllampe in ihrer Hand und stellt sie dann wieder hin. Ach, vergiß es.


    Hat er den Brief nicht hinunterflattern gesehen? Der arme, er schaute wirklich überarbeitet aus. Sei ihm verziehn.
    Sie ließ sich also hinunter um ihn aufzuheben. Gleichzeitig holte sie ein kleines Zettelchen aus einer Falte und schob es, als sie den Brief wieder auf den Tisch legte, unter ein paar Papyrusrollen.


    "Ist runtergefallen.
    Kann ich irgendetwas helfen?"