Beiträge von Narrator Italiae

    Die Eröffnungsrede des Anklägers schien den Praefectus Urbi trotz der großen Gesten und lauten Aussprache nicht gänzlich einzunehmen, denn sein Gesicht zeigte wenig Regung. "Ich werde wohl später noch Fragen zu den genauen Tatvorwürfen haben", stellte er fest. "Doch zunächst möchte ich die Rechtfertigung des Soldaten hören."

    Es dauerte eine Ewigkeit, bis sich etwas regte.
    Die Tür öffnete sich und ein junger Sklave kam heraus und verschwand. Von drinnen dröhnte eine rostige Stimme "Der nächste bitte!"
    Als Bibaculus eintrat, erwartete ihn ein alter Glatzkopf an einem Schreibpult, der soeben noch eine Notiz abschloss und ihn dann erwartungsvoll anblickte. "Was kann ich für dich tun?"

    Sim-Off:

    Entschuldige die Verspätung. Ein internes Zuordnungsproblem...

    Der Ankläger war gelasen wie schon lange nicht mehr, er lehnte sich zurück und wartete bis alle Beteiligte ihren Platz gefunden hatte, dann erhob er sich.
    „Ehrenwerter Richter, mein Name ist Servius Duilius Quirinalis, Procurator a cognitionibus.“ Kurz lies er sein Blicke durch den Raum schweifen.
    „Ehrenwürdiger Richter.“ wiederholte er. "Im Namen des Imperator Caesar Augustus, als Oberbefehlshaber des Exercitus des Imperiums und der Cohortes Praetoriae sowie der Cohortes Urbanae, beschuldige ich...“ Der Ankläger richtete seinen Rechten Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Angeklagten.“...Nero Germanicus Peticus, der Meuterei!Eine kleine Kunstpause um die Worte einzeln wirken zu lassen wurde hier durch den Ankläger eingebaut. „Der Insubordination!“ Wieder eine Pause. „Und des Verrates an einem Magistraten, der ihm in dieser Sache als Träger eines Imperium als Tresvir auro argento aere flando feriundo vorgesetzt war, namentlich auch als Zeuge geladen, Manius Flavius Gracchus Minor.“
    Wie eine Windbö die rauschend durch den Wald fuhr, erhob sich ein Gemurmel unter der anwesenden Zuschauermenge.Der Ankläger fuhr mit klarer deutlicher Stimmer fort.
    „Der Beschuldigte verstieß folglich gegen den Codex Militaris und verstieß im Zuge seiner schändlichen Straftaten gegen Rom auch gegen Rechte von zwei weiteren Magistraten, namentlich als Zeugen geladen, Numerius Apustius Carbonius, ein Publicanus und Tiberius Aquilianus Privatus, kaiserlicher Procurator für die Minen, denen er ihre Freiheit entzog und körperlich schädigte, strafbar nach §§ 76 Körperverletzung und § 79 Freiheitsentziehung nach Codex Iuridicialis Pars Tertia.“
    Wieder machte der Ankläger eine Kunstpause, damit seine Worte unter den Zuschauern ihre volle Wirkung entfalten konnten. Während er nun weiter sprach ging er im Raum umher.
    „Im Zuge der Komplexität dieses Strafverfahrens werde ich diese Delikte in der Gesamtheit zusammenfassen als einen groben Bruch des Codex Militaris ansehen und auf gesonderte Verfahren im Zuge der Delikte nach Codex Iuridicilais in Zuständigkeit des Praetors verweisen, denen dieser Beschuldigte auch zugeführt werden muss. In dieser Sache werde ich das Interesse des Oberbefehlshabers des Exercitus vertreten und beschuldige Nero Germanicus Peticus der Meuterei, der Insubordination und des Verrates an römischen Sitten und Traditionen. Denn er brach mit der Schutzgarantie, die wir als Urbs jenen zubilligen, die im Sinne des Volkes ein Amt ausführen, er brach mit der Schutzgarantie gegenüber einem Träger eines Imperiums, er tötete nicht nur einen Sklaven in Ausübung seines Dienstes, ohne jeglichen Befehl, sondern erhob sich über die übliche Hierachie, die Disziplin eines römischen Soldaten, gegenüber einem Magistraten, sondern erhöhte sich selbst auf eine Position eines Offiziers, er meuterte gegen die militärische Ordnung, verriet das römische Recht und tat in seiner Schändlichkeit zwei unbescholtenen Magistraten jener Mine, die unser Tresvir aufsuchte, Leid an, weil er einen privaten Verdacht hegte. Es gab keinerlei Befehl, keinerlei Anweisung durch den Tresvir oder durch seine Vorgesetzten so zu handeln. Es gilt der Grundsatz, der unsere Rechtsordnung stark gemacht hat, einem römischen Bürger darf ohne Urteil kein Leid angetan werden. Ohne öffentliches Urteil kann nicht gegen die Freiheit oder das Wohl eines Bürgers vorgegangen werden. Umso gröber ist es, dass er auch noch gegen den Grundsatz und der Sitte des Schutzes eines Amtsträgers vorgegangen ist. Flavius Gracchus Minor wird uns hierzu gleich Auskunft geben und danach die weiteren Zeugen der Anklage. Rom kann und wird diese Schändlichkeit nicht erdulden und wird sicherlich mit wachen Augen auf diesen Straftäter blicken. Er ist nichts anderes als ein Verbrecher gegen Rom, der sich aus Trotz und Bosheit selbst erheben wollte."
    Der Ankläger nahm, nachdem er nun diese massiven Vorwürfe vorgebracht hatte wieder Platz. Bereit seinen ersten Zeugen aufzurufen.





    Als alle bis auf den Praefectus Urbi anwesend waren, gab der Optio an der Tür einem anderen Soldaten einen Wink, dieser eilte durch die Principia und wenig später machte sich auch der Praefectus Urbi auf den Weg zum Saal. Mit leicht schnarrender Stimme kündigte der Optio sein Erscheinen an und nahm Haltung an, ebenso wie es alle anderen Soldaten im Raum taten. Der Praefectus Urbi schritt gelassen durch den Saal, nahm auf seinem Sitz Platz, blickte kurz zu Ankläger und Angeklagtem und ließ sich dann von seinem Adjutanten eine Tafel reichen. "Ich bin hier, um über eine Strafe für den Miles Germanicus Peticus zu befinden", las er den Namen ab und reichte die Tafel zurück. "Ich möchte die Anschuldigungen hören." Damit fiel sein Blick auf den Ankläger.

    Der Saal im Seitenflügel der Principia, der für Militärprozesse verwendet wurde, war eher schmucklos und zweckmäßig eingerichtet. Kein Vergleich zum prachtvollen Fahnenheiligtum oder dem großzügigen Triclinium der Stabsoffiziere. Stattdessen ein Tribunal mit einem Sitz für den Praefectus Urbi und ein paar Bänke für diejenigen Prozessbeteiligten, die gerade nicht zu sprechen hatten. Davor ein wenig freier Raum für den vortragenden Redner und am Ende des Raums noch etwas Platz für zuschauende Offiziere.


    Zwei Contubernien waren offenbar zur Wache abkommandiert und standen an der Tür und verschiedenen anderen Stellen des Raums auf ihren Posten. Vor allem natürlich dort, wo der Angeklagte seinen Platz haben würde. An der Tür stand zudem ein Optio der überblickte, wer alles den Raum betrat und der schließlich auch die Kameraden durchwinkte, die den Angeklagten hereinbrachte, nachdem der Ankläger und sein Adjutant bereits erschienen waren.

    Noch einmal notierte der Tribun was er hörte und schaute dann etwas länger auf seine Notizen. Dann räumte er die Tafeln zusammen. "Damit habe ich alles was ich brauche. Wir sind hier fertig." Er erhob sich von seinem Platz. "Der Prozess findet übermorgen statt. Vale." Dann wandte er sich an die Wachen. "Optio, den Mann zurück in seine Zelle."

    Der Tribun hatte noch nie jemanden erlebt, der sich derartig um Kopf und Kragen redete, war über den Redenfluss aber durchaus erfreut, denn damit näherte sich die Befragung rasch ihrem Ende. "Was geschah dann? Wer hat über den Beginn des Rückwegs und den Transport der Männer entschieden?"

    Der Stift des Tribunen flog weiter fleissig über seine Notiztafeln, während er die Antwort auf seine letzte Frage verfolgte. Auch hier blieben keine Fragen offen und erneut ersparte sich der Tribun einen persönlichen Kommentar, um die Sache bald hinter sich bringen zu können. "Interessant. Danach schicktest du je einen Tiro los, die zwei Behausungen zu durchsuchen? Was hattest du gehofft zu finden und was habt ihr gefunden?"

    Der Tribun notierte noch eifriger als zuvor die ausführliche Aussage und nickte dabei leicht und zufrieden. Als der Soldat fertig war, schaute er noch eine Weile auf seine Notizen und schien dann gedanklich einen Punkte abzuhaken, um zum nächsten zu kommen. "Dieser Punkt ist damit geklärt. Weiter. Du sagtest, du hättest die Tirones angewiesen, eure Sicherheit wiederherzustellen und hast anschließend die Mine durchsucht. Hast du das alleine getan? Wie weit bist du in die Mine gegangen? Wie lange warst du dort?" Trotz der vielen Fragen klang die Stimme des Tribuns nicht wirklich neugierig, sondern eher gelangweilt, diese ganzen Punkte durchgehen zu müssen.

    Wegen Annaeus Modestus? Ein wenig seltsam, dass er so über seinen Vater sprach. Aber vielleicht war der relativ frisch erkorene Adoptivsohn noch so in Trauer, dass er ein bisschen durcheinander war.
    "Du meinst sicherlich sein Erbe." erklärte der Vigintivir das Offensichtliche. Was sollten Witwe und Waise sonst bei einem Erbschaftsmagistrat wollen? "Ich kan euch gerne weiterhelfen. Zuerst müsste allerdings geklärt werden, ob dein Vater ein Testament hinterlassen hat. Ist euch dies bekannt?"
    Er trat zu seinem Stuhl und nahm Platz, während er den beiden Gästen auch zwei Hocker anbot. Sein Sekretär postierte sich ebenfalls. "Wenn kein Testament vorliegt, würde das Intestaterbrecht inkraft treten. In diesem Fall würdest Du, verehrte Duccia, lediglich deine eingebrachte Dos zurückerhalten, während der Rest an Dich, Annaeus, gehen würde." Der Vigintivir wusste nicht mehr auswendig, welchen Cognomen der Adoptivsohn hatte. Aber solange keine Dokumente ausgefertigt wurden, ließ sich das ja noch geschickt umgehen!

    Der Tribun hörte weiter zu, notierte eifrig und atmete dabei deutlich sichtbar langsam ein und aus. Er schien erfreut zu sein, dass der Soldat diesmal ausführlich antwortete und sich nicht alles einzeln aus der Nase ziehen ließ. Ein Detail forderte ihn dann jedoch zu einer Nachfrage heraus. "Der Vigintivir saß auf einem Stuhl, gab von dort aber keine Anweisungen? Aber für den Weg hatte er ein Pferd? Er ist also nach dem Eintreffen an der Mine vom Pferd gestiegen, hat schweigend auf dem Stuhl Platz genommen und wurde dann von einem Sklaven angegriffen, habe ich das richtig verstanden? Und wie viele Aufsehen und Sklaven waren es, denen ihr gegenüber standet?"

    Der Tribun notierte, was er hörte und schien mit der Beantwortung der Frage zufrieden zu sein. "Was wurde dir über die Befugnisse des Viginitvir Flavius gegenüber dir und den Tirones mitgeteilt, entweder von ihm selber oder von deinem Vorgesetzten? Und welche Befehle hast du den Tirones während des Einsatzes erteilt und warum?", fragte er dann weiter.

    Der Tribun ließ sich nicht auf Spitzfindigkeiten ein und blieb bei der Erkenntnis, dass der Soldat weder auf einen Verteidiger bestand, noch dem Protokolleintrag ausdrücklich wiedersprochen hatte. Immerhin äußerte er sich zu dem Befehl eindeutig, so dass der Tribun dort fortfahren konnte. "Von wem hast du diesen Befehl wann erhalten? Wer hat die weiteren Soldaten eingeteilt, die mit dabei waren? Ist dir bekannt, ob diese separate Befehle erhalten haben?", fragte er daher weiter.

    Der Tribun hörte aufmerksam zu und ließ sich nicht anmerken, was er inhaltlich von der Antwort hielt. "Ich nehme demnach also zu Protokoll, dass du nicht auf eine Vertretung durch einen Offizier bestehst und dass du gedenkst, dich in allen Anklagepunkten für unschuldig zu erklären, korrekt?" versicherte er sich und überging noch einmal die Nachfrage nach dem Praefectus. "Du gibst ferner zu Protokoll, keine Befehle erhalten zu haben. Wie kam es dann, dass du zu jener Zeit an jenem Ort warst, wenn nicht aufgrund eines Befehls?"

    Der Tribun zögerte kurz, schien mit einem Blick ins Leere kurz nachzudenken und dann mit einem leichten Schulterzucken auf eine Bemerkung zu verzichten. "Du verteidigst dich also selbst. Nur zu deiner Information, falls es dir nicht bewusst ist: Du kannst darauf bestehen, dass ein Offizier als dein Verteidiger spricht. Die Entscheidung muss vor Beginn des Prozesses fallen. Und zu deiner Vorbereitung: Die Anklage lautet auf Missachtung von Befehlen, Anmaßung von Befehlsgewalt und unehrenhaftem Verhalten", fuhr er mit sachlicher Stimme mit der Vorbereitung des Prozesses fort. "Hast du vor, diesen Punkten zu widersprechen?", fragte er dann ab. Auf die Frage nach dem Praefectus Urbi ging er erst einmal nicht ein.

    Der Tribun ließ sich von dem spöttischen Blick nicht beeindrucken und handelte in Ruhe das Protokoll ab. "Gut. Dein Prozess findet natürlich nicht hier statt, sondern vor dem Praefectus Urbi. Ich bin nur zur Vorbereitung darauf hier." Der Tonfall ließ erkennen, dass er die Sache ernst nahm und sich gleichzeitig wesentlich erbaulichere Aufgaben vorstellen konnte. "Hast du jemanden, der als dein Verteidiger sprechen wird bei dem Prozess?"

    "Mitkommen!" lautete der knappe Befehl des Optio, der Dienst im Kerker schob und mit einem großen Schlüssel die Zellentür öffnete. "Und keine Faxen!" Die beiden Soldaten, die den Optio begleiteten, sahen so aus, als ob sie noch weniger Lust auf Faxen hätten als ihr Vorgesetzter.


    Der Weg ging auch nicht lang und führte noch nicht zum Prozess, sondern erst einmal nur in einen einfachen Raum, in dem Tribun Plaetorius Modestus wartete, ein dynamischer Kerl Mitte 30, mit dichtem Haar und klaren Augen. "Danke, Optio", sagte der, als der Gefangene vorgeführt wurde. "Du bist Miles Germanicus Peticus?", versicherte er sich bei jenem, dass er den richtigen vor sich hatte.

    LUDI GLADIATORES
    IN HONOREM DIVORUM ULPIORUM


    Nachdem die Zeremonien zur Einweihung des Ulpianum vorüber waren, strömte die Menge zum nahegelegenen Amphitheatrum Flavium, wo Gladiatorenkämpfe angekündigt waren. Da der Vormittag bereits vorüber war, hatte man auf Tierhetzen verzichtet und stattdessen die Tradition altrömischer Leichenspiele aufgegriffen und begann direkt mit den Gladiatorenkämpfen.


    Während sich das Amphitheater füllte (was dank der ausgeklügelten Architektur mit erstaunlicher Geschwindigkeit gelang), drängten sich Händler mit Bauchläden durch die Reihen und boten kleine Stärkungen an - immerhin hatten viele der Zuschauer ja bereits den ganzen Morgen vor dem neu eingeweihten Tempel verbracht und waren entsprechend hungrig!

    Der Ianitor nickte. Natürlich kamen momentan immer wieder Menschen, die wegen Erbschaftsfällen mit seinem Herrn sprechen wollten.
    "Dann kommt herein." antwortete er und führte die beiden ins Atrium. Dort wurden sie gebeten, einen Augenblick zu warten - sie hatten ja keinen Termin vereinbart.


    Nach einer Weile bat ein Sklave sie aber doch ins Tablinium, wo der Vigintivir sich sofort erhob und auf die beiden zuging.
    "Salvete, Duccia et Annaeus. Seid herzlich willkommen in meinem Haus." Natürlich wusste er vom Tod des prominenten Senatoren und im Wahlkampf hatte er auch die Familien dieser wichtigen Männer studiert. "Euer Verlust tut mir sehr leid."