An
Decima Lucilla
Casa Decima Mercator
Roma
Liebe Tante Lucilla,
über Deinen Brief habe ich mich ganz wahnsinnig gefreut! Es ist einfach wunderbar, hier, abgeschnitten von der zivilisierten Welt, so liebe Nachricht von der Familie zu bekommen. (Da freut man sich sogar über Vorwürfe und Drohungen, liebes Tantchen. Vor allem weil ich weiß, dass Du mir sowieso kein Haar krümmen könntest.)
Es ist schön zu hören, dass es Dir gutgeht, und dass Du nicht zu viel arbeitest, und auch dass die liebe Drusilla noch immer so unverwüstlich ist. Wenn Du sie das nächste Mal siehst, musst du sie von mir unbedingt ganz doll drücken.
Aber Deine Sorgen sind wirklich unbegründet. Ich passe schon gut auf mich auf, das versichere ich Dir, und die Prima ist die beste Legion überhaupt, und unser Feldherr heißt Decimus Livianus. (Und der Imperator ist ja auch dabei.)
A propos Onkel Livianus, er hat mich inzwischen entdeckt. Er war sowas von wütend, Du kannst es Dir nicht vorstellen, ich war wirklich überrascht, wie zornig er werden kann. Dabei habe ich es doch gar nicht böse gemeint, als ich zur Prima bin, und dachte eigentlich sogar er freut sich, wenn er sieht, dass ich auch mal in die Caligae komme. Und auch dass Du es gar nicht gut findest, wenn ich doch der Familientradition folge, hätte ich nicht gedacht. Tja, so kann man sich irren.
Zum Glück hat der Legat mich nicht rausgeworfen, aber es fehlte wohl nicht viel dazu. Er wurde dann sehr eisig, eben unnahbar, und ich war schon ziemlich geknickt. Von daher musst Du Dir bestimmt keine Gedanken machen, dass ich ihm verrate, dass Du Dir Sorgen um ihn machst, denn er redet ja gar nicht mit mir, und ich bin mir sicher, das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern.
Wir sind jetzt seit drei Tagen in Parthia, aber das Land durch das wir gezogen sind ist wie ausgestorben, ich bin also noch keinem Parther begegnet. Es heißt aber, dass wir wohl bald auf den Feind stoßen werden. Die Stimmung hier in der Prima ist noch immer sehr gut, und ich bin zuversichtlich, dass wir schnell siegen und dann bald wieder nach Hause kommen. Es wäre natürlich toll, wenn es so bald wäre, dass ich noch auf Deine Hochzeit kommen kann. Also lasst euch ruhig Zeit. Das wird doch sicher das rauschendste Fest, das Rom je gesehen hat. (Und ich bin ja schon auch sehr gespannt, wen Du Dir da ausgesucht hast. Er ist Senator, nicht? Und wie ist er sonst so?)
Inzwischen habe ich viele von meinen Kameraden näher kennengelernt, und es sind einige sehr nette darunter. Früher dachte ich, die vielgepriesene Kameradschaft unter Soldaten, das wäre nur ein Klischee, aber es ist wirklich etwas ganz besonderes.
Viele hier in der Prima sind ganz unheimlich kampfeslustig, sie fiebern der Schlacht entgegen, und wenn man so durch das Lager geht, hört man sie an allen Ecken und Enden zu jeder Gelegenheit "Roma Victrix!" rufen. Nicht mal mehr "Prost" heißt es, oder "Auf die Gesundheit", sondern immer nur "Roma Victrix!". Bald wird man wohl auch auf ein Niesen oder Rülpsen ein kräftiges "Roma Victrix!" zu erwarten haben.
Ach, übrigens, rate mal, wer inzwischen richtiger Miles ist, und nicht länger Probatus?
Was die Gegend hier angeht, so ist sie, obwohl wir uns ja hier zwischen Euphrat und Tigris befinden, sehr trocken. Es ist hügelig und karg, und die Sonne brennt jeden Tag heiß vom Himmel. (Jawohl, Tante Lucilla, ich werde immer daran denken genug zu trinken, Tante Lucilla!)
Aber es soll in Parthia auch sehr schöne Landstriche geben, majestätische Gebirge und der Süden des Zweistromlandes soll auch sehr lieblich sein. Na, mal sehen ob ich das noch zu Gesicht bekomme. Also, eine Reise in die baldige römische Provinz, wie Du sagst, lohnt sich bestimmt.
Wir haben nun schon einen weiten Weg hinter uns und ich habe viel erlebt. Ich fang mal von vorne an. Zuerst die Seereise, die hat mir sehr gut gefallen, weil wir da nicht marschieren mussten (unser Gepäck ist nämlich ganz mörderisch schwer). Die Winde waren uns auch gewogen, und so hatten wir eine sichere, ruhige Überfahrt. Allerdings hat meine Grundausbildung auf dem Schiff angefangen, und die ist ganz schön hart. Einmal bin ich auch ganz hoch hinauf auf den Mast geklettert, über die Segel hinaus bis ins Krähennest - dort oben zu stehen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, das ist als würde man fliegen. Hast Du das schon mal gemacht? Wenn nicht, musst du es unbedingt ausprobieren. Und die riesige Flotte war auch ein majestätischer Anblick.
Der Centurio, zu dem ich jetzt gekommen bin, ist ganz in Ordnung. Schon streng, und manchmal ein bisschen geistesabwesend, aber freundlich und fair. Mit dem hab ich echt Glück gehabt, es gibt da ganz andere, eiserne Besen und Leuteschinder. Da fällt mir, ein, er hat mich mal nebenbei nach Dir gefragt, kennst Du ihn zufällig? Rom ist ja ein Dorf. Er ist seltsamerweise ein Patrizier und heißt: Flavius Aristides.
Das war also die Überfahrt. Wir sind dann in Seleukia an Land gegangen, also Seleukia bei Antiochia, es gibt ja noch mehrere davon, und da habe ich also zum ersten mal meinen Fuß auf asiatische Erde gesetzt. Ich war gleich begeistert! Die Farben, die Düfte, die Menschen! Alles strotzt hier so vor Leben, spricht einen auf eine so unmittelbare Weise an. Einen Abend lang war ich auch in Antiochia unterwegs. Die Stadt ist einfach wunderschön, nein, das ist untertrieben - wie verzaubert! Allein die liebliche Umgebung - die blauen Berge, der Fluß Orontes, die herrlichen Gärten, und die Stadt liegt darin wie ein strahlendes Juwel. Überall sind Brunnen, Blumen, Kunstwerke, du siehst die verschiedensten exotischen Trachten, die Luft riecht fremdartig nach Gewürzen und nach Abenteuer. Und nachts brennen so viele Lampen, Laternen und Lampions, dass man meinen könnte es sei Tag. Jedenfalls an den großen Prachtstraßen, Elendsviertel gibt es natürlich auch in Antiochia.
Leider hatte ich keine Zeit die Stadt ausführlicher zu erforschen, aber ich muss unbedingt nochmal dorthin reisen. Vielleicht magst Du dann ja mitkommen. Denk nur, Du kannst dort Tag und Nacht einkaufen. Die Märkte sind auch zum Staunen, wie in einem Märchen. Der Schleier, den ich gefaltet zwischen die Blätter hier gelegt habe, ist von dort. Ich habe keine Ahnung ob er zu Deinem Stil passt, und im Nachhinein fand ich ihn für römische Verhältnisse auch etwas bunt, aber er vermittelt einen guten Eindruck von Antiochias Farbenpracht. Die Frauen der Beni Zalan, das ist ein stolzes Reitervolk in der syrischen Wüste, tragen solche Schleier.
Quer durch das nördliche Syrien sind wir dann bis nach Zeugma am Euphrat weitergezogen, wo sich insgesamt vier Legionen in einem gigantischen Heerlager gesammelt haben. Eine richtige Stadt war das, gefüllt mit Soldaten. Es gab dort auch eine Ansprache des Imperators, aber nur an die Offiziere. Sie soll sehr fesselnd gewesen sein, aber wir haben nur eine Abschrift vorgelesen bekommen, leider, und das ist natürlich nicht das selbe.
Eines frühen Morgens vor drei Tagen, haben wir dann den Euphrat überquert. Dieser Strom ist schon sehr breit und sehr beeindruckend, aber ich hatte ihn mir, weil er so sagenumwoben und berühmt ist, trotzdem breiter vorgestellt. Und, wie gesagt, seitdem sind wir in Parthia, aber die Parther scheinen sich alle vor uns zu verstecken.
Liebe Tante Lucilla, ich danke Dir ganz herzlich für Deine guten Wünsche, und überhaupt für den tollen Brief, und verspreche Dir, dass ich gut auf mich achtgeben werde. Pass aber Du auch auf Dich auf, gerade wenn du so viel in Rom unterwegs bist. Alles Gute und viele, viele Grüße!
Dein Faustus
PS. Die Acta bekommen wir hier nicht gerade zuverlässig. Wenn du mir wirklich die Ausgaben zuschicken könntest, wäre das ganz phantastisch!