http://www.kulueke.net/pics/ir/nscdb/e-roemer-maenner/13.jpgDer letzte Part der religiösen Feierlichkeit war Quintus Varius Celer zugelost worden. Damit folgte die Zeremonie einer gewissen Bedeutungskurve: Begonnen durch den Statthalter als höchsten Beamten der Provinz, dann über den Aedil, der den heutzutage etwas zurückgetretenen Stadtgott bedachte hin zum Duumvir, der dem zweitwichtigsten Reichsgott nach Iuppiter opferte.
Als sie das parallel zum gegenüberliegenden Capitolium geschmückte Augusteum erreichten, trat deshalb Celer wie schon zuvor Hungaricus und Pacatus hervor, verhüllte sein Haupt und betrat, gefolgt von einem der Pontifices den Tempel. In Gedanken war er noch immer bei der kleinen Diskussion, die Pontifex Petronius mit dem Haruspex gehabt zu haben schien, obwohl er nun natürlich hier seine ganze Konzentration brauchen würde. Allerdings musste er sich sowieso erst einmal etwas an die Dunkelheit gewöhnen, ehe er einen Schritt auf die Kultstatue des Augustus zumachte. Vor ihr war wieder ein Foculus aufgestellt worden (vermutlich der, der auch im Capitolium verwendet worden war), der überraschend stark rauchte.
Der Varier ließ sich Weihrauch aus einem Kästchen reichen und streute es in die Kohlen, woraufhin der Duft daraus etwas angenehmer wurde. Noch einmal atmete er tief ein, dann begann er mit dem Gebet, in dem nicht nur Divus Augustus angerufen wurde, dem dieser Tempel eigentlich geweiht war, sondern sämtliche Divi Augusti bis hin zum Genius Palmae, dem später auch das Hauptopfer gewidmet sein würde. Immer wieder wurde er dabei unterbrochen, um der vergoldeten Statue Gaben der Provinz zu reichen, wie sie auch als Tribut nach Rom wanderten: Geld, Töpferwaren, Bernstein.
Schließlich wandte er sich nach rechts und verließ dem Tempelbau, um sich vor dem Altar zu positionieren. Erst auf einen Wink des Pontifex hin erinnerte er sich, dass er noch das Opfertier weihen musste - was er sofort nachholte. Der Stier war doch ein wenig nervös, wie es schien - während der Wein auf seine Stirn tropfte, hob und senkte er den Kopf und muhte ängstlich.
Jedoch gab es keine Gnade: Wie sein Artgenosse wurde auch dieser Stier vor dem Altar vertäut, während der Duumvir seinen Platz einnahm. Er hob die Arme und begann Satz für Satz nachzusprechen, was der Pontifex im einsagte: "O Genie Cornelii Palmae Augusti! Du hast den Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus beschützt und bewahrt, hast ihm Sieg in den Schlachten und Erfolg gegen die Feinde des römischen Volkes der Quiriten geschenkt! Du schenkst im Weisheit bei der Regierung des gesamten Erdkreises-" Er stockte. Der Satz war doch ein wenig lang und er musste sich den zweiten Teil nochmals einsagen lassen, ehe er fortfuhr: "-von den Säulen des Hercules bis zu den Bergen Parthias, von den Meeren des Nordens bis zu den Wüsten Africas! Du hast ihm eingegeben, diese Civitas zum Municipium zu erheben als Vorbild für die Völker Germanias und Botschafter der Civitas Romana! Dafür halten wir Dich in Ehren und geben Euch gerechte Gaben!"
Wieder musste er eine kleine Pause machen, die hier aber auch als Kunstpause wirkte. "Blicke nun mit Huld herab auf die Begründung dieses Municipiums, die Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus zur Ehre und dem Imperium Romanum zum Wohl gereichen soll! Behüte es und behüte seinen Gründer vor Tod, Krankheit und Gefahr! Zum Dank werden wir Dir alljährlich an diesem Tage gute und gerechte Opfer darbringen bis in alle Ewigkeit!"
Der Ochse war inzwischen nicht weniger nervös und tänzelte geradezu hin und her, während sein Kopf durch den Nasenring einigermaßen fixiert war. Deshalb wartete der Opferhelfer auch gar nicht lange, sondern fragte sofort: "Agone?", woraufhin Celer direkt mit einem "Age!" antwortete.
Wieder krachte der Schädel, spritzte Blut - dann war es wieder vorbei. Geduldig wartete der Duumvir wieder, blickte sich dabei um und lächelte dem Aedilen Matinius, der seine Sache ja ganz gut gemacht hatte, zu.
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MPC