Beiträge von Tiberius Annaeus Sophus

    Sophus nickte gelassen und probierte dann ein wenig von der Suppe. Sie schmeckte nicht schlecht. Besser als manches, das er im Lager gegessen hatte.


    "Natürlich wird ein neuer Comes eingesetzt. Aber auch das werden die Prätorianer beeinflussen. Der Proconsul wird hier nicht mehr viel zu sagen haben. Diese Soldaten sind dem Kaiser unterstellt - und nur ihm."


    Klang da ein wenig Missbilligung mit? Wenn es der Fall war, war sie gut getarnt. Die Stimme war nüchtern und durch das Alter recht sanft, wie sie es immer war. Aber er wechselte schon das Thema.


    "Du bist nun Sacerdos in Corduba. Was willst du hier tun? Wie kamst du dazu?"

    Sophus trank ebenfalls etwas, hielt sich jedoch mit dem Essen noch zurück, wenn auch wohl nur wegen der Temperatur der Suppe, denn der Geruch schien ihm durchaus zuzusagen.


    "Ich bezweifle, dass der Proconsul darauf einen Einfluss hat. Die Prätorianer sind hierher gekommen und sie haben diese Sache übernommen. Sie werden sie sich nicht mehr wegnehmen lassen. Es sind noch immer einige von ihnen hier und soweit ich weiß leitet ein Prätorianer die Truppen, die noch hier sind. Das Gericht wird von ihnen gehalten werden und der Anführer der Rebellen ist bereits weggeschafft. Alles übrige wird wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregen und vermutlich wird nicht einmal mehr etwas zu ermitteln sein. Menschen neigen zu leicht dazu, zu vergessen, wenn sie es nur wollen - oder dazu, zu viel zu sehen, wenn sie es wollen. Wir haben hier keine einfachen Wahrheiten, sondern nur viele Münder, die sich selbst zerreißen über das, was geschehen ist, wenn man sie fragt."

    Sophus legte sich auf eine Kline und ächzte leise. Es klang eher wohlig als erschöpft. Er hatte bereits einige Zeit lang keine Taberna mehr betreten. Das letzte mal, das er gut gegessen und getrunken hatte war der Besuch beim Proconsuln gewesen, der nun geradezu erschreckend weit zurück zu liegen schien.


    "Bedaure es nicht zu sehr. Rom ist für den Einzelnen ein zweischneides Schwert, wie es für das Imperium als Ganzes wohl gleichzeitig starker und mutiger Vater wie auch nichtsnutziger Trunkenbold sein kann. Rom hat immer mehr als eine Seite und je nachdem, welche gesehen wird, wird die Stadt entweder mit dem Schwert oder mit Großmut Frieden bringen."


    Er schmunzelte.


    "Ich habe die glückliche Position, nicht nur eine der beiden Seiten zu sehen."

    Sophus sah sich in der Stadt um, blickte jedoch die meiste Zeit Domitianus an. Es war seltsam, ihn wiederzusehen. Er hatte seine Familie, wie er merkte, beinahe wieder einmal vergessen, wie es schon zu oft vorgekommen war. Er hoffte, dass er es irgendwann einmal schafft, dauerhaft zu ihr zurück zu finden.
    Eine vage Ahnung machte sich in ihm breit, dass dieser Augenblick erst sein Tod sein würde.
    Doch die Worte des Neffen rissen ihn aus den Gedanken.


    "Rom?" fragte Sophus und hob die Augenbrauen, ehe er nachdenklich nach vorn blickte.


    "Nun, Rom ist groß. Sehr groß. Das ist das erste - und vielleicht auch das letzte - das du bei dieser Stadt bemerken wirst. Alles geht von dort aus und kehrt in irgendeiner Weise dorthin zurück. Die Stadt ist das Herz des Imperiums. Aber dennoch habe ich nicht lang dort gelebt. Für mich ist es vornehmlich der Ort der größten Tempel. Es gibt beinahe jede Woche ein Fest. Es ist erstaunlich, aber es ist immer jemand da, der es mit dem nötigen Ernst durchführt. Eine Unmenge an Zeremonien, die prakiziert werden und werden müssen. Traditionen. Es sind Jahrhunderte von Traditionen. Es ist der beste Beweis für das, was unsere Ahnen geleistet haben.
    Und mit etwas Glück", fügte er hinzu und schmunzelte, "hinterlassen wir den Nachfahren auch etwas."

    Sophus sah sich um. Es war ein seltsamer Moment. Er erinnerte sich nur vage an die Zeit zurück, als er hier gewesen war. Ja, er war immer wieder hierher gereist, aber der Tod seines Großvaters hatte bereits damals sein Leben überschattet und noch immer spürte er diesen Stich.
    Er wusste, dass es wieder an der Zeit war, nach Rom zurückzukehren. Diesmal nicht, weil er es wollte, sondern weil es der Wille des Kaisers war. Er hatte sein Mandat bereits überstrapaziert.
    Andererseits ...
    Der Kaiser zog nach Osten. Er konnte nun ohnehin nichts mehr für ihn selbst tun in Rom.
    Es war Zeit.
    Es musste Zeit sein.


    Der Alte nickte.
    "Ich werde ein paar Tage entbehren können. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen. Ich bin im Auftrag des Proconsuln hier in der Stadt und mit Duldung des Kaisers überhaupt in Hispania. Sobald der Proconsul seine schützende Hand nicht mehr über mich hält werde ich umgehend hier verschwinden müssen. Auch mit dem Alter kommt leider nicht die Sorglosigkeit."


    Er schmunzelte.

    Sophus hob die Augenbrauen. Er hatte den jungen Mann nicht wiedererkannt, beileibe nicht. Die Veränderung war zu stark und in seiner Zeit in Ostia hatte er allzu vieles vergessen.
    Er blinzelte.


    "Ich hatte gehofft, mein Gedächtnis sei nicht so schwach. Es ist wirklich lange her ..."


    Seine Stimme war trocken und heiser. Er schluckte und sprach erst dann weiter.


    "Ich war besorgt, du hättest die Schlacht nicht überlebt. Aber die Götter haben mir viele Bitten gewährt in diesen Tagen. Ich muss gesegnet sein."

    Sophus blinzelte in den Himmel und verzog das Gesicht etwas, um nicht allzu sehr geblendet zu werden. Es dauerte einen Moment, ehe er wieder zu Domitianus sah. Seine Augen hatten sich wieder einigermaßen an das Licht gewöhnt.
    Als der Sacerdos ausgeredet hatte nickte er langsam.


    "Gut. Dann ist mein Besuch hier erst einmal abgeschlossen. Jedenfalls im Rahmen meines Amtes."


    Er räusperte sich.


    "Es gibt jedoch noch eines, wenn es dir nicht zu viele Umstände macht. Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief aus dieser Stadt, der von einem jungen Priester meiner Familie unterzeichnet worden war. Annaeus Domitianus. Weißt du, wo er ist? Lebt er noch?"

    "Einige Schenkungen des Augustus, sagst du. Wann sind sie hierher gekommen?" fragte Sophus interessiert. Als jedoch die Rede von der Bestandsliste war, wandte sich der Augur diesem Thema zu und sah zur Seite, um ebenfalls die Liste lesen zu können.
    Er nickte, als Domitianus seine Schilderung beendet hatte.


    "Eine Statue der Diana ... Nein, die Finanzen sind sicher nicht das Problem. Suche dir einen Goldschmied und sorge dafür, dass alles wieder hergestellt wird. Das Geld werde ich selbst aufbringen. Sobald ich wieder in Tarraco bin werde ich einen Boten schicken, der dir die entsprechende Summe schickt.
    Nein, das ist nicht das Problem. Vielmehr ist es besorgniserregend, dass nicht nur einfach Gegenstände entwendet wurden sondern tatsächlich eine Götterstatue. Das muss als persönlicher Frevel betrachtet werden. Sobald die ersten Aufbauarbeiten erledigt sind, sollte ein Opfer vollzogen werden. Ich werde dann schon nicht mehr hier sein, aber ich werde versuchen, die Prätorianer ein Opfertier arrangieren zu lassen."


    Er atmete einmal durch und lächelte ihm sanft zu.


    "Ich weiß, dass du dazu auch in der Lage wärst, aber es ist wichtig, dass die Soldaten selbst die Wichtigkeit der Sache begreifen und sie nicht einfach missachten."

    Sophus staunte nicht schlecht, als er die Tempelschätze sah. Er hatte zwar schon einige Reichtümer in seinem Leben gesehen und natürlich war der kaiserliche Palast um einiges prächtiger gewesen, jedoch hätte er derartige Kleinodien nicht an diesem Ort erwartet.
    Sein Blick wanderte langsam umher, versuchte, nichts zu übersehen, war jedoch nicht gierig - er selbst wollte keinen Reichtum. Dass diese Schätze den Göttern gehörten reichte ihm aus. Das war das einzig wunderbare an ihnen.
    Langsam nickte er.


    "Ja, ich denke, dies hier muss wirklich geschützt werden. Beeindruckend." sagte er leise, fast ein wenig ehrfürchtig.


    "Ich habe so etwas seit meinem Besuch beim Kaiser nicht mehr gesehen. Und hier ist es doch ungleich schöner, prächtiger." murmelte er.

    Sophus sah ihn an und musterte ihn seltsam unverwandt. Irgendwas war mit diesem jungen Mann nicht ganz so, wie es sein sollte. Irgendetwas war falsch an der Situation. Aber er sprach wie gewohnt weiter.


    "Ja ... Es mag sein, dass die Praetorianer noch hier erscheinen und Gelder für den Wiederaufbau der Stadt benötigen. Wenn es dir nötig erscheint, werde ich einen Schutzbrief ausstellen, dass nichts in den Tempeln angerührt werden darf. Solange die Bevölkerung hier so elend lebt, fürchte ich, wird die Lage angespannt und schwierig bleiben. Menschen können durch ihre Lage zu Bestien werden und dann auch die Götter vergessen."


    Seltsam. Es war eine ernsthafte Befürchtung, aber er sprach es ganz sanft aus. Als wolle er diesen Priester beruhigen. Warum?

    Sophus nickte und sah sich einen Moment lang schweigend um, so dass eine seltsame Stille einkehrte. Dann sprach er weiter.


    "Nein, das ist nicht nötig. Ich frage mich nur, ob manche Bürger oder Sklaven in Versuchung geraten könnten, aus ihrem Elend heraus zu Dieben und Räubern zu werden. Und wenn es nirgends mehr im Umland Wohlstand gäbe, von den Tempeln abgesehen, so würden sie wohl auch diese Tat begehen."


    Er trat einen Schritt vor und sah an die Decke.


    "Wir sind hier sehr weit weg von Rom." murmelte er.

    "Fliehende Rebellen." Sophus nickte, während er neben Domitianus her ging und sich umsah. "Das hatte ich angenommen. Ist bereits ein Abgesandter der Prätorianer hier gewesen?"


    Er wusste zwar, dass der Kommandant der Prätorianer Plünderungen des Tempels für unwahrscheinlich hielt und sich wohl auch verbeten hatte, aber Sophus glaubte es besser zu wissen: Ein Soldat, der hier so viel Leid gesehen und verursacht hatte, kümmerte sich vermutlich wenig um das Eigentum anderer und an den Göttern mochte er durch den Tod seiner Kameraden auch zweifeln ...


    "Und wie verhielt sich die Bevölkerung euch gegenüber während der Belagerung? Wurden die Lebensmittel knapp?"

    Sophus nickte dem Mann, der ihn empfing, zu und lächelte den Opferhelfer an, der ihm half, abzusteigen.
    Der Augur setzte gemächlich seine Füße zu Boden und spürte beim Absteigen dennoch den vagen Schmerz im Rücken, der noch vom Tag der Schlacht stammte.


    "Ich danke dir." sagte er dann, wieder an den Sacerdos gewandt und folgte ihm.


    "Wenigstens konnte dies alles vor dem Feuer gerettet werden." murmelte er.

    Auch Sophus war zur Bestattungszeremonie gekommen. Die Untersuchung des Medicus war eher eine Formsache gewesen. Tatsächlich war er nicht verletzt, auch wenn seine alten Knochen noch immer schmerzten. Doch er ertrug es. Er wollte sehen, wie die Soldaten ins Elysium eingingen.
    Er betete stumm, dass keiner von ihnen das Leben eines Zivilisten auf dem Gewissen hatte, als er die Leichen brennen sah.
    Mit seichter Bestürzung spürte er, dass ihn die Zeremonie selbst kaum noch kümmerte, dass ihn die Toten weder anekelten noch erschreckten, dass sie ihm nicht einmal Trauer entlockten. Vermutlich hatte er am Vortag schon zu viel erlebt.


    Als die Feuer nieder begrannt waren half er selbst mit, die Überreste aus dem Lager zu schaffen und zu vergraben. Die Asche verstreute man im Umland. Er wusste zwar, dass er selbst mit seiner geringen Körperkraft natürlich kaum eine Hilfe war, doch hoffte er, wenigstens als Augur da zu sein. Er war die Präsenz des Cultus Deorum in diesem Lager, dessen war er sich bewusst. Er sah es als seine Aufgabe an, auch selbst bei dieser grauenhaften Arbeit Halt zu geben - wenn auch keinen physischen.
    Bis sie fertig waren, dämmerte es bereits wieder. In wenigen Stunden würde der zweite Tag nach der Schlacht anbrechen. Dann wollte er in die Stadt gehen.

    Sophus hatte sich auf dem Pferd seines Begleiters und ohne Eskorte in die Stadt begeben. Die Prätorianer hatten anderes zu tun und er hatte durch das scheinbare Wunder während der Schlacht sein Selbstvertrauen zurückgewonnen.
    Während er sich in den ersten zwei Tagen noch damit befasst hatte, bei der Bestattung der Leichname der Soldaten zu helfen, ging er nun endlich zurück in die Stadt, nach Corduba.
    Als er durch die Straßen ritt bedrückte ihn die Zerstörung, die trotz allem verursacht worden war. Leichen sah er nicht mehr, sie waren alle weg geschafft worden. Doch die eingestürzten Dächer, Mauern und zerstörten Straßen ließen ihn erahnen, welche Menge hier ihr Leben hatte lassen müssen.
    Wenigstens musste er nicht die Curia besuchen, deren Böden noch jetzt von Blut getränkt sein mochten.
    Er traf bei den Tempelanlagen ein und deutete gegenüber dem Sacerdos, der ihn empfing, eine Verbeugung an.


    "Salve ... Ich bin Tiberius Annaeus Sophus. Ich kann kaum den Segen der Götter bringen, aber ich kann sehen, was mir möglich ist. Zeige mir, was zerstört wurde."


    Er atmete tief durch und lächelte dann sanft.


    "Ich bitte dich darum."

    Als Sophus ins Lager zurückkehrte verabschiedete er sich von den Prätorianern und ging zu seinem Zelt, wo er auf den Brief aufmerksam wurde, den er erhalten hatte.
    Antworten würde er noch nicht. Es war zu früh, zu- oder abzusagen. Im Krieg gab es überhaupt keine Sicherheit. Und obgleich er die Soldaten von etwas anderem zu überzeugen versucht hatte, war es doch ein Krieg, der hier tobte. Denn es waren Soldaten, die ihn fochten. Und es waren tatsächlich Leben, die hier verloren gingen.
    Aber einige waren gerettet.
    Ruhig legte er sich zu Bett und bat seinen Begleiter, den Sacerdos des Mars, einen Medicus im Lager zu suchen.

    Sophus machte sich mit den Prätorianern auf den Weg, doch schon am Tor hielt er inne. Feuer.
    Mit Entsetzen in den Augen wandte er sich um und sah zurück. Flammen loderten auf und schlugen in der Ferne wie Nähe dem Himmel entgegen. Die ganze Stadt schien urplötzlich zu brennen.


    "Weiter." sagte einer der Soldaten neben ihm ruhig und man bewegte ihn mit sanfter Gewalt weiter. Es schoss niemand mehr, denn die Mauern befanden sich nun offensichtlich gänzlich in der Hand der Angreifer - und die mochten einen Auguren nicht erkennen, die Prätorianer jedoch erkannten sie in jedem Falle.
    Doch Sophus war nicht beruhigt. Immer wieder sah er über die Schulter zurück, versuchte, noch einen Blick auf diese vergehende Stadt zu erhaschen, einen Blick auf die Flammen, die über alles herzogen. Wieder verrenkte er seinen Hals, um, trotzdem er weiter lief und der geduldige, aber feste Griff eines Soldaten ihn einschränkte, die Häuser zu erkennen, als er erschrak - ein Tropfen. Ein Regentropfen war auf seinen Schädel gefallen.
    Entgeistert sah er nach oben in den Himmel. Wieder fiel ein Regentropfen auf ihn hinab, landete auf seiner Stirn und zersprang dort in kleine Spritzer, die sich auf seinem Gesicht verteilten.
    Ein tiefes, zufriedenes Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus und er schloss die Augen. Noch einmal blieb er stehen und die Prätorianer gönnten ihm die kleine Pause.


    "Die Götter müssen mich lieben." murmelte er leise und zufrieden, ehe er die Augen wieder öffnete und leise lachte.


    "Seht, was die Götter für euch tun, Soldaten." sagte er dann lauter und setzte sich wieder in Bewegung. Er hatte es doch geschafft, war nicht gescheitert. Etwas hatte er bewirkt. Viele Menschen würden heute noch leben können.


    Sophus sah auf diesem Weg aus der Stadt zum Lager nicht mehr zurück. Ruhig schritt er voran, ein Dankesgebet nach den anderen stumm auf den Lippen.

    Sophus nickte dem Soldaten, der ihn stützte, dankend zu und ließ sich widerstandslos helfen. Zu viel Stolz war jetzt nicht mehr angebracht.
    Aber noch einmal erhob er seine Stimme, um dem Prätorianer zuzurufen:


    "Ich habe nicht Angst vor deiner Hand. Es sind die, die du nicht kennst, die ich fürchte."


    Er setzte ein leiseres und daher unverständliches "Vale" hinzu und wandte sich dann um. Zu Pferde würde er den Rückweg wohl nicht antreten können - es sei denn, der Präfekt war ein wirkliches Organisationstalent. Aber mit dem Schutz dieses Soldaten sollte es kein Problem darstellen, zurück zum Lager zu gelangen.
    Sophus hatte seine geradezu wahnsinnige Hoffnung, eingreifen zu können, aufgegeben. Sie hatte sich in den Schmerzen des Falls und in den Staubwolken der Geschosse aufgelöst. Zurück blieb nur noch der bittere Nachgeschmack des Versagens. Er hatte versagt.
    Ruhig wandte er sich zu dem Soldaten zu, der ihn stützte.


    "Begleite mich." sagte er nur, gerade laut genug, damit man ihn verstand.
    Dann ging er vorsichtig los, wieder auf das Stadttor zu.

    Als die Geschosse der Onager einschlugen wurde es für Pferd wie Reiter zu viel. Sophus glaubte, sein Herz bliebe stehen, als das Tier sich unter ihm aufbäumte und ihn nach hinten abwarf. Die Worte des Soldaten hörte er zwar, doch war er nicht fähig, zu reagieren.
    Der Schmerz durchfuhr ihn wie das grausamste Gewitter, das er je hatte toben sehen.
    Er bemühte sich, trotz des aufwirbelnden Staubes und der Schmerzen, die Augen offen zu halten und sah, wie das Pferd in Panik davon gallopierte und in einer Gasse verschwand. Sophus glaubte noch, sein ängstliches Wiehern zu hören. Vermutlich brach es bald zusammen und würde dann abgeschlachtet. Das Tier war in dieser Stadt verloren.
    Dann drohten die Schmerzen ihn wieder zu überwältigen. Seine Knochen schienen sich auflösen zu wollen. Wenigstens waren sie wohl nicht gebrochen. Der Fall war nicht allzu tief gewesen.
    Ängstlich wanderte sein Blick nach oben, doch niemand schien ihn dort bemerkt zu haben - wenn es überhaupt noch einen Rebellen auf den Mauern gab.


    Nach einer Weile schaffte er es, sich wieder aufzurichten und taumelte zurück an die Stadtmauer, schwer atmend und mit Schmutz beschmiert. Seine Hände waren vom Halten der Zügel und durch das Abfangen des Falls aufgescheuert und blutig. Als der Prätorianerpräfekt eintrag, hatte er sich noch kein Stück bewegt.
    Geradezu instinktiv mühte er sich, eine Verbeugung anzudeuten und antwortete auf die Frage mit krächzender Stimme:


    "Die Menschen ..." sagte er leise, doch wurde er sich dann bewusst, dass seine Worte so nur ungehört verhalten. Der Lärm war noch immer ohrenbetäubend. Seine Lungen schmerzten, als er rief:


    "Es sind Priester in der Stadt! Wenn diese Häuser geplündert und verbrannt werden, werden sie sterben!"


    Er sah den Kommandanten mit einer Mischung aus Angst und geradezu naiver Überzeugung an.


    "Wie weit ist der Angriff? Ich muss zu den Tempeln!" rief er gegen den in der Stadt wütenden Kampfeslärm an.