ZitatOriginal von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
"Ich bitte nun diejenigen, welche auserwählt wurden, die Büsten der verdienten Männer und Frauen zu enthüllen, die heute ins Ulpianum aufgenommen wurden." Mit der Hand wies er nach unten, wo Purgitius Macer und die beiden Flavier bereitstanden. Iulius Centho hielt sich ja noch im Schatten des Vordaches auf und musste nur hervortreten. "Beginnen wir mit Cicero Octavius Anton, dem der Vorrang des Alters gebührt." Einer der Diener trat mit einer verhüllten Büste vor, während der Kaiser zurücktrat. Die Bühne war frei für Macer.
Die Rede des Kaisers sorgte bei Macer wieder für mehr Aufmerksamkeit, auch wenn gleichzeitig langsam seine Spannung stieg, wann wohl sein eigener Einsatz kommen würde. Lange brauchte er darauf allerdings nicht zu warten, denn der Kaiser übergab ihm zum Ende der Rede sogleich das Wort. Macer verharrte noch einen kurzen Augenblick auf seinem Platz, um sich zu sammeln und trat dann nach vorne, an jenen Platz, der für die Redner vorgesehen war. Auch dort verharrte er noch einmal und ließ den Blick über das Publikum gleiten. Nicht zu theatralisch wie ein Schauspieler auf der Bühne, aber lange genug, um das Publikum auch tatsächlich wahrzunehmen und gleichzeitig jedem die Gelegenheit zu geben, in Ruhe zu verstummen. Dann versicherte er sich, dass seine Notizen dort lagen, wo er sie sehen konnte und begann.
"Am heutigen Tag werden mehrere Männer und Frauen geehrt, die einen Platz im Ulpianum erhalten sollen und es wäre sicher falsch, nun einen von ihnen besonders hervorheben zu wollen, denn jeder und jede von ihnen ragen soweit hervor, dass sie immer ganz und gar einmalig sein werden und doch in ihrer Gesamtheit alle in gleichem Maße ein Vorbild für alle Römer dieser und kommender Generationen", begann Macer die Rede mit einem Einleitungssatz, der dezent noch einmal die Idee des Ulpianums aufgriff und sich selber als Redner von aller denkbaren Kritik für die kommende Reden freistellte. Denn wem das folgende Lob zu überschwänglich erschien, der konnte nun versichert sein, dass Macer damit keineswegs die anderen Geehrten und Redner überbieten wollte. Wem es hingegen zu bescheiden erschien, der war nun zumindest informiert, dass diese Bescheidenheit in guter Absicht passierte. Dem so vorbereiteten Publikum konnte Macer nun die eigentliche Rede präsentieren.
"Eine solche Hervorhebung wäre aber auch deshalb falsch, da der Mann, zu dessen Ehre ich hier heute sprechen darf, trotz der zahlreichen großen Meilensteine in seinem Lebenslauf die Bescheidenheit nicht gering schätzte. Auch wenn er sich mit vielen seiner Worte und Taten im Positiven vom Volke Roms abhob, so war es nie sein Ziel, sich über dieses Volk zu erheben. Nein, Cicero Octavius Anton, Sohn des Oppius Octavius Ecidius, einer von fünf Brüder und Vater von sechs Kindern, war ein Mann des Volkes, wie sich das Volk keinen besseren Mann vorstellen konnte! Er lebte und verkörperte jene Tatkraft, die wir alle so schätzen an jenen Männern, die sich als Politiker, als Senatoren, als Magistrate um die Geschicke Roms und seines Reiches kümmern. Er beschritt den Cursus Honorum nicht aus Opportunität oder Eigennutz, sondern mit Würde und Inbrunst für den Dienst am Volke Roms." Hier warf Macer einen schnellen Blick auf seine Redenotizen, um in der nun folgenden Aufzählung nicht durcheinander zu kommen. "Er diente als Quaestor Urbanus und verdiente sich großes Ansehen als Tribnuns Plebis, in einer Zeit, in der es innenpolitisch nicht einfach war, in der diesem Amt aber eine umso höhere Bedeutung zukam als sie es heute tut. Und er ging voran, er bekleidete dieses Amt vor so großen Namen wie Caecilius Metellus Creticus oder Matinius Agrippa - Namen, die den jüngeren unter euch vielleicht nicht geläufig sind, die für die älteren unter uns aber untrennbar mit diesem Amt verbunden bleiben werden", musste er ein wenig geschichtlich ausholen, um diesen Meilenstein in der Karriere des Octavius Anton ins richtige Licht zu rücken. "Er diente danach selbstverständlich auch als Praetor Urbanus, dann als Consul und als einem der ganz wenigen wurde ihm die Ehre zuteil, unter dem vergöttlichten Kaiser Iulianus an dessen Seite als Censor zu dienen!" Macer ließ eine kurze Pause folgen, um diese Worte wirken zu lassen, bevor er mit anderen Abschnitten aus dem Leben des Octavius Anton fortzufahren gedachte.
"Alleine diese Konsequenz und Energie, mit denen er den Cursus Honorum bis zu seinem allerhöchsten Abschluss beschritt, macht ihn zweifellos zu einem Vorbild, dessen Andenken gewahrt werden sollte und dass heutigen und kommenden jungen Männern ein Beispiel sein kann, wie man sich für Rom einsetzen kann. Doch es war nicht nur der Cursus Honorum und die Curia, die ihm am Herzen lag und auf die er seine Energie verwendete. Auch außerhalb Roms hinterließ er seine Spuren und diente Italia als Magister Scriniorum und Comes, nachdem er bereits als junger Mann zweimal im Auftrag des Kaisers als Legatus Augusti in das ferne Tylus reiste, um Roms Interessen dort zu vertreten. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass er sowohl dafür als auch für seine Dienste im Cursus Honorum Ehrungen und Auszeichnungen erhielt, denn alleine die Tatsache, dass er diese Dienste verrichten durfte, war ihm die höchste Auszeichnung. Was freilich nicht bedeutet, dass er Ehrungen ablehnte, die ihm angetragen wurden. So genoss er während seines Consulats das Vorrecht, den Ehrentitel des Princeps Iuventutis zu tragen und selbst in hohem Alter bis zu seinem Tode noch einmal als Legatus Augusti dem Kaiser zu dienen." Es folgte eine erneute Pause, in der Macer schnell auf die nächste Seite seiner Notizen wechselte und den Zuhörern erneut Gelegenheit gab, das Gehörte zu verarbeiten.
"Wer nun glaubt, wir ehren hier einen Mann, der von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Dienste des Volkes, des Senates und des Kaisers stand, der von früh bis spät nur an Politik, Gesetze und Diplomatie dachte, der hat den Menschen Cicero Octavius Anton noch nicht in seiner Gänze erfasst. Denn auch wenn dieser Einsatz alleine schon mehr ist, als manch anderer heute leistet, so würde er ihn noch nicht soweit hervorheben, wie wir es heute tun. Denn er verstand es auch, das Leben zu leben und er wusste auch um die anderen Dinge, die neben der Politik und Diplomatie im Alltag, in der Freizeit wichtig waren. Er wusste es, denn als Auctor der Acta Diurna war er über alle diese Dinge informiert und trug die Verantwortung, dass möglichst viele Menschen im ganze Reich möglichst umfangreich informiert waren. Er wusste es auch, denn als Dominus Factionis stand er dem Rennsport nahe, fieberte mit seinen Fahrern und dem einfach Volk um den Sieg und durchlebte die Enttäuschungen bitterer Niederlagen. All dies tat er nicht als lästige Pflicht, sondern mit derselben Freude und Energie, mit der er Roms Interessen nach innen und außen vertrat. Und so ist er uns auch darin ein Vorbild, dass man den Alltag eben nicht vergessen darf, wenn man mit hohen und wichtigen Belangen befasst ist, und dass es nicht schadet, auch mal eine Niederlage hinzunehmen, wenn man nur weiß, dass das nächste Rennen schon bald kommen wird!" Eine weitere Pause nutzte Macer für einen kurzen Blick, ob das Publikum inzwischen gelangweilt eingeschlafen war oder wie geplant dezent anerkennend und zustimmend nickte. Aber unabhängig davon näherte sich die Rede langsam auch ihrem Ende.
"War Cicero Octavius Anton nun also ein Mann, der höchstes Lob und höchste Anerkennung auf sich zog für seinen Lebenswandel und seinen Einsatz und alles nur in Form von Taten zurückzahlte, die einen Eintrag in Protokollen und CHroniken wert sind? Nun, es wird euch nicht verwundern zu hören, dass der Mann auch dort nicht untätig zurückstand, wo es um den stillen, ehrenden Dienst an anderen ging, den er dadurch erfüllte, als Sodalis der Augustales ein waches Auge und eine tatkräftige Hand bei der Verehrung unserer vergöttlichten Kaiser zu haben." Es war natürlich kein Zufall, dass Macer sich diesen Aspekt für diesen Punkt der Rede aufgespart hatte, wo er die Überleitung zum Ulpianum einleiten konnte. "Und nun stehen wir hier, vor dem Tempel der vergöttlichten Ulpianischen Kaiser und erinnern uns in ehrfürchtiger Anerkennung an Cicero Octavius Anton, der hier einen Platz einnehmen soll als Vorbild für diese und kommende Generationen. Wahrlich, Cicero Octavius Anton wäre zurecht stolz und glücklich über diese Aufnahme. Nicht, weil sein Name nun für immer herausgehoben sein wird aus der Menge des Volkes, sondern weil er nun einen Platz hat unter demselben Dach, unter dem auch die vergöttlichten Ulpianischen Kaiser ihren Platz haben, so dass sein Vorbild für Rom und der Dienst an den vergöttlichten Kaisern für immer untrennbar miteinander verbunden sein werden!" Noch einmal machte Macer eine Pause und blickte über die Zuhörerschaft, bevor er den Abschluss der Rede formulierte.
"Römer! Römerinnen! Cicero Octavius Anton, der Sohn des Oppius Octavius Ecidius, war ein großer Staatsmann, ein großer Politiker, ein großer Diplomat. Eine Verkörperung der Tatkraft, wie sie uns allen ein Vorbild sein sollte. Deshalb nimmt er heute für alle Zeiten seinen Platz ein unter denjenigen, deren Beispiel das ganze Volk nach dem Willen der vergöttlichten Ulpianischen Kaiser folgen sollte. Ich danke euch, dass ich heute die Ehre hatte, hier zu seinem Lob zu sprechen. Dankt ihr den Göttern, dass sie uns Cicero Octavius Anton geschenkt habe und tut alles dafür, dass wir ihn nie vergessen werden." Mit einem letzten festen Blick ins Publikum verstummte Macer, verharrte einen Augenblick, um nicht wie ein peinlich berührter Schuljunge nach seinem ersten öffentlichen Auftritt von der Bühne zu flüchten, und schritt dann gemessenen Schrittes wieder zurück zu jenem Platz, an dem er die bisherige Zereomine verfolgt hatte.