HEIRAT IM ALTEN ROM I
Zweckgemeinschaft ohne Gefühl
Heiraten im Alten Rom war eine wichtige Angelegenheit, Mädchen wurden mitunter schon im frühen Alter von 13, Jungen mit 18 verheiratet. Es war eine Zweckgemeinschaft, die strengen Regeln folgte. Nur eines spielte dabei kaum eine Rolle: das Gefühl.
Eheähnliche Lebensgemeinschaften oder die 2007 von der Fürther Landrätin Gabriele Pauli vorgeschlagenen Ehen auf Probe hätten einen Römer der Antike wohl befremdet. Aber auch unsere Suche nach der oder dem Richtigen fürs Leben würde ihn irritieren. Eher schon hielte er es mit Martin Luther, der den Sinn einer Ehe so formulierte: "Ein Mann ohne Frau ist wie ein Herd ohne Feuer."
Hochzeit im Alten Rom: Zweckgemeinschaft, meist ohne Gefühl
Denn im antiken Rom war die Ehe vor allem eine Zweckgemeinschaft, meist schon Jahre vor der Vermählung von den Eltern eingefädelt. Geheiratet wurde nicht aus Zuneigung, sondern aus Kalkül, vor allem, um durch männliche Nachkommen den Fortbestand der Familie des Ehemannes zu sichern. Dementsprechend klar definiert war auch die gesellschaftliche Rolle der Römerin als Gebärerin – nicht zufällig verwendete man das lateinische venter, "Gebärmutter", synonym für "Frau". Daher war deren Fruchtbarkeit, ähnlich wie in heutigen Fürstenhäusern, Grundvoraussetzung einer glücklichen Ehe, Unfruchtbarkeit hingegen ein Scheidungsgrund.
Hinzu kamen bei Mitgliedern der feineren Gesellschaft politische Motive. Der deutsche Althistoriker Friedrich Münzer (1868–1942) wies darauf hin, dass politische Bündnisse und Freundschaften unter Männern auch durch Verlobungen und Heiraten besiegelt wurden. So verlobte Roms erster Kaiser Augustus seine erst zweijährige Tochter Iulia mit Antyllus, dem damals acht Jahre alten Sohn seines vormaligen Widersachers Marcus Antonius. Aber auch Geld spielte eine wichtige Rolle, wenn es darum ging, die Tochter unter die Haube zu bringen. Plinius der Jüngere (61 – 114 n. Chr.), von einem Freund gebeten, einen passenden Gatten für eine Verwandte zu suchen, pries die Vorzüge seines Kandidaten folgendermaßen: "Sein Vater verfügt über große Mittel, und wenn das vielleicht auch bei deiner Familie keine besondere Rolle spielt, so müssen wir doch bedenken, dass das Einkommen eines Mannes unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten zu den wichtigsten Maßstäben gehört."
"Vereinigung göttlichen und menschlichen Rechts"
Der im 3. Jahrhundert n. Chr. lebende Jurist Herennius Modestinus definierte die Ehe als "Verbindung von Mann und Frau und eine Gemeinschaft für das ganze Leben, eine Vereinigung göttlichen und menschlichen Rechts". Rechtsgültig war die Ehe aber nur, wenn beide Partner freie, mündige römische Bürger waren. Sklaven war die Eheschließung demnach verwehrt, ebenso Minderjährigen. Allerdings galten Mädchen bereits mit zwölf als viripotens, also "in der Lage, einen Mann zu empfangen", Jungen mit 14 als zeugungsfähig. Meist war der Gatte bei der Trauung aber fünf bis zehn Jahre älter als die Braut. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus nahm mit 24 eine 13-Jährige zur Frau. Grabinschriften belegen, dass die Mehrzahl der Mädchen zwischen 13 und 15, die der Jungen zwischen 18 und 25 war, als sie heirateten.
Keine Institution jedoch überwachte die Volljährigkeit, denn anders als heute war die Eheschließung im Imperium Romanum ein rein privater Akt, den keine öffentliche Gewalt sanktionierte. Demgemäß hatte der pater familias, der als Oberhaupt der Familie vorstand, in diesem geschlossenen Rechtsverband das alleinige Sagen. Seine väterliche Macht erstreckte sich nicht nur auf den gesamten Sachbesitz, sondern auch auf die Familienangehörigen bis hin zum Recht über Leben und Tod. Kraft dieser Verfügungsgewalt wählte er für seine Kinder die Lebenspartner aus, was Liebesheiraten nahezu ausschloss. Seneca (um 1 v. Chr. – 65 n. Chr.) nahm an diesem Akt der Willkür Anstoß, beklagte sich bezeichnenderweise aber nur darüber, dass dem Mann hierdurch eine unpassende Frau, nicht aber darüber, dass der Frau ein unpassender Mann zur Seite gestellt werden könne: "Jedes Tier und jeden Sklaven", so der Philosoph, "prüfen wir genau, bevor wir sie kaufen; nur die Braut wird nicht in Augenschein genommen, damit sie dem Bräutigam nicht missfallen kann, bevor er sie heimgeführt hat. Ist sie böse, dumm, missgestaltet oder riecht aus dem Mund, welche Fehler sie auch immer hat, so lernen wir sie erst nach der Hochzeit kennen."
Wie solch eine römische Trauung vorbereitet und durchgeführt wurde, berichten Schriftquellen – sofern es sich um die Upperclass handelte. Von den Gebräuchen der Handwerker, Kaufleute und Bauern Roms wissen wir leider nichts. Hatten sich die Väter geeinigt, fand die Verlobung statt, zu der neben den näheren Verwandten auch einflussreiche Gäste geladen waren. Vor Zeugen gaben die beiden jungen Leute ihre Zustimmung zur Ehe. Danach tauschten sie Geschenke aus, insbesondere überreichte der Bräutigam seiner Braut einen Ring als sichtbares Zeichen des Eheversprechens. Er steckte ihn auf den vierten Finger ihrer linken Hand, von dem man glaubte, dass von ihm ein Nerv ausging, der direkt zum Herzen führte. Eine romantische Geste? Wohl nicht, im Lateinischen steht cor, das Herz, nicht weniger für das Gefühl, sondern eher für Verstand oder Mut.
Abschied von der Kindheit
Der wichtigste Punkt der Hochzeitsverhandlungen betraf die Mitgift, die in einem eigens zwischen dem Vater der Braut und dem Bräutigam ausgehandelten Ehevertrag fixiert wurde. Neben mitgebrachten Gütern wie Geld, Hausrat, Sklaven, Vieh oder Immobilien wurden darin auch Klauseln für ein Scheitern der Verbindung aufgeführt, etwa bei schlechter Behandlung der Frau durch den Mann oder aber umgekehrt, wenn die Frau ihrem Gatten Hörner aufsetzte; insbesondere setzte sie ihre Mitgift aufs Spiel. Schließlich verpflichtete sich der Brautvater, seine Tochter zur Hochzeit freizugeben, der Vater des Bräutigams versprach, den Sohn zur Hochzeit zu veranlassen.
Vor allem im Haus der Braut herrschte in der nächsten Zeit rege Betriebsamkeit. Am Vorabend der Trauung legte sie in einem uralten Ritual ihre Kleidung ab und opferte diese zusammen mit ihren Spielsachen auf dem Altar der Hausgötter. Damit nahm sie symbolisch Abschied von ihrer Kindheit, sie war jetzt eine erwachsene Frau, bereit, einen Mann zu empfangen. Hernach schlüpfte die Braut in die tunica recta, die saumlose Tunika, welche sie aus selbst gesponnenem Garn gewebt hatte, umgürtete diese mit einem doppelten Wollgürtel und verknotete ihn. Dieser durfte erst wieder in der Hochzeitsnacht und nur vom Bräutigam persönlich geöffnet werden. Derart bekleidet verbrachte sie die letzte Nacht in ihrem Elternhaus.
Am Hochzeitstag selbst standen spezielle Riten auf dem Programm, die das Brautpaar kultisch reinigen, den Bund durch Opfer besiegeln und seine Fruchtbarkeit steigern sollten. Mit dem ersten Hahnenschrei legten Sklaven letzte Hand an die Braut und ihren Schmuck. Dazu gehörte eine Ganzkörpermassage mit einer Lotion aus Lupinensamen, Bohnen, rotem Nitrum und Iriswurzeln, eine Rezeptur, die der römische Liebesdichter Ovid (43 v. Chr.–18 n. Chr.) als Mittel zur Betonung der naturgegebenen Reize empfahl. Auch ihre Zähne glänzten noch heller als sonst – dank eines aus zerstoßenem Horn und destilliertem Urin gemixten Mundwassers. Dann folgte das Frisieren.
Man kämmte das Haar mit einem so genannten Lanzeneisen mit gebogener Spitze, teilte es in sechs Strähnen und flocht diese mit wollenen Bändern zusammen. Dem römischen Grammatiker Festus (2. Jahrhundert n. Chr.) zufolge sollte mit dem "martialischen Kamm" zuvor möglichst ein Feind getötet worden sein. Religionshistoriker deuten dies dahingehend, dass die Berührung mit diesem Objekt eine rituelle Ersatzhandlung war, die Ängste vor der Entjungferung magisch lindern sollte.