Etwas später ging es dann auch wirklich los. Meridius hatte sich die Unterlagen von Macer schicken lassen, hatte diese ausgiebigst studiert, sie sich zurechtgelegt, portioniert und memoriert und einmal sogar seine Gattin Iulia geplagt, als er ihr eine Passage vortrug um eine Aussage über die Wirkung zu erlangen.
Meine Herren, dies ist der erste Cursus, der hier im Castellum der Legio II Germanica abgehalten wird. Ich denke jedoch, dass es nicht der letzte sein wird. Die Academia freut sich, ihre Arbeit auch in dieser Provinz aufnehmen zu können und wünscht allen Teilnehmenden viel Erfolg.
Einige unter uns haben sich im letzten Examen Secundum mit der Geschichte der römischen Armee und insbesondere der Legionen befasst. Jetzt ist es an der Zeit, von der Theorie und Geschichte in die Praxis zu übergehen und sich einem Thema zu widmen, das für alle führenden Offiziere von alltäglicher Relevanz sein wird: Der Operationsführung.
Operationsführung beinhaltet das Zusammenspiel verschiedener Einheiten und der Koordination gemeinsamer Operationen.
Doch einige organisatorische Anmerkungen vorraus: Neben der Vorlesung und einer obligatorischen Prüfung, wird es in diesem Examen Tertium im Kolloquium ein kleines Planspiel geben, bei dem die Teilnehmer aufgerufen sind, eine fiktive Operation mehrerer Einheiten zu planen. Ich bin auf die Ergebnisse schon jetzt gespannt und kann jedem hier versprechen, dass es lehrreich sein wird.
Es dürfte allen bekannt sein, dass die römischen Armeen mit der Ausrichtung auf schwere Infanterie in den Legionen darauf ausgelegt sind, eine feindliche Hauptstreitmacht direkt anzugreifen und zu vernichten. Dies muss stets als oberstes Ziel angesehen werden, das über allen zeitlich begrenzten taktischen Manövern und operativen Mitteln steht und sollte auch durch Rückschläge nicht aufgegeben werden.
Wie dieses Ziel umgesetzt wird, ist vornehmlich eine Frage des Geschicks des jeweiligen Feldherren und Leiters einer militärischen Operation.
Nicht jeder von euch wird an die Qualitäten der großen Feldherren der Republik und der bisherigen Kaiserzeit heran reichen, und die Wahrscheinlichkeit, dass jeder in diesem Raum einen Triumphzug durch Rom erhalten wird ist eher gering, aber auch mit weniger kreativer Operationsführung kann man das Ziel der Vernichtung des Gegners sicher erreichen.
Die wichtigstes Voraussetzung ist, dass unsere technische, organisatorische und taktische Überlegenheit voll zum Einsatz gebracht werden kann. Dies geschieht entweder in der offenen Feldschlacht oder in der Belagerung. In beiden Fällen ist der nahezu ausschließliche Einsatz der Legionen ausreichend.
In Fällen von Kleinkriegen, in denen sich der Gegner weder offen stellt noch an einem Punkt verschanzt, ist der Einsatz der Auxilartruppen notwendig, die mit ihrer unterschiedlichen Kampfweise darauf reagieren können. Ihre Bedeutung ist sehr hoch, denn die meisten benachbarten Völker sind vorsichtig genug, nicht den Legionen gegenüber treten zu wollen.
In der Planung einer militärischen Operation bleiben die Legionen daher der Rückhalt, der als schlagkräftige Drohung die Möglichkeiten der Gegner unmittelbar beschränken, während mit dem Einsatz passender Hilfstruppen die konkrete Durchführung einer meist lokal begrenzten Operation vorgenommen werden kann.
Wird in einer größeren Operation nur eine Legion eingesetzt, dann werden ihr Auxiliareinheiten im benötigten Umfang zugeordet. Diese stehen dann unter dem Befehl des Legionslegaten, der damit auch das Kommando über die gesamte Operation hat.
Werden mehrere Legionen zu einer Armee zusammengefasst, bilden die mitgeführten Hilfstruppen eigenen Verbände unter ihren jeweiligen Kommandeuren und werden vom leitenden Feldherren, der selber in der Regel das Kommando über eine Legion führt, nach Bedarf aufgeteilt.
Als normales Verhältnis, welches sich für alle praktischen Belange als angemessen erwiesen hat, ist die zahlenmäßige Gleichheit von Legionstruppen und Hilfstruppen. Auf eine Legion kommen damit 5000 Mann Auxiliare.
Einer der wichtigsten Aspekte der Planung einer Operation ist nach der Zusammenfassung von verschiedenen Einheiten zu einer Armee die Bestimmung der tatsächlichen Truppenstärke, die einem Feldherren in einer Schlacht zur Verfügung steht. Dass es im Verlauf einer längeren Operation zu Verlusten kommen kann ist selbstverständlich, aber zahlreiche andere Faktoren mindern die Zahl der einsetzbaren Soldaten wesentlich früher und wesentlich deutlicher.
Neben den dauerhaften Ausfällen ist mit vorübergehenden Ausfällen durch Verwundung, Krankheit und Überanstrengung zu rechnen. Ferner tritt praktisch keine Einheit in Sollstärke an, da abgeordnete Soldaten, Beurlaubte, Gefangene, Nachzügler, Deserteure und sonstige Vermisste ihre Stärke senken. Gute Disziplin und Organisation halten diese Zahlen gering, doch bei ungeschickter Arbeit des Feldherren, die zu Unmut in der Truppe führt, sowie technischen oder klimatischen Schwierigkeiten ist mit hohen Ausfallraten zu rechnen.
Es sollte außerdem selbstverständlich sein, dass gute Aufklärung über das zu erobernde Gebiet eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung einer militärischen Operation ist. Informationen von Kundschaftern, Händlern und zuverlässigen Eingeborenen sind die einzigen Quellen, nach denen ein Feldherr die Position des Feindes, die eigenen Position und damit auch sinnvolle Wege für die Truppe und den Nachschub bestimmen kann.
Die Aufklärung obliegt im Normalfall der Reiterei, weshalb selbst die Legionen über einige eigenen Reiter verfügen. Je mehr Informationen einem Feldherrn über seine Umgebung vorliegen, umso erfolgreicher kann die Operation verlaufen.
Eine weitere grundlegene Schwierigkeit einer Armee, die sich auf dem Feldzug befindet ist die Kommunikation. Hier gewinnt vor allem die Reiterei eine besondere Bedeutung. Der Austausch von Nachrichten zwischen verschiedenen, getrennt operierenden Truppenteilen über berittene Boten ist der sicherste und zuverlässigste Weg der Kommunikation. Der Einsatz von Licht- oder Flaggenzeichen ist auf günstige Situationen beschränkt. Akustische Signale sind aufgrund ihrer geringen Reichweite vor allem von taktischer Bedeutung, um im Gefechtsfall einzelne Einheiten zu steuern. Die Menge an Informationen, die durch Signalbläser weiter gegeben werden kann, ist zudem sehr beschränkt. Die gute Kommunikation der einzelnen Truppenteile durch berittene Melder und das individuelle Verhalten der einzelnen Offiziere, die nach den Anweisungen des Feldherren eigenständige Truppenteile kommandieren, ist aufgrund dieser eingeschränkten Kommunikation daher von entscheidender Bedeutung.
Das ist der Grund, warum eine größere Operation einer sorgfältigen Planung bedarf, einer genauen Absprache des leitenden Feldherrn mit allen Kommandeuren der beteiligten Einheiten und auch der Grund, warum wir uns in diesem Examen Tertium damit befassen."