Die Lage am östlichen Stadttor war dank der engstehenden insulae und der zahlreichen kleinen tabernae, der Handwerksläden mit ihren Nischen und Gängen recht unüberschaubar und Mephisto rechnete sich das als günstigen Überraschungsmoment an, die Wachen am Tor auszutricksen und so das freie Feld zu erreichen.
Sie kamen von seitlicher Richtung, denn aus frontaler Richtung auf dem decumanus maximus hätte man sie ohne Frage schon erspäht. So schlichen sie entlang der mächtigen Stadtmauer in dem angiportus, daß zur linken durch hohe insulae überragt wurde und waren dabei um die 30 pedes (Fuß) von dem Stadttor entfernt.
Mephisto, der einen Plan gefasst hatte, hatte vor, die Wachen abzulenken und die zu erwartende Konfusion auszunutzen für eine Flucht aus der Stadt.
Als sie nun nah genug heran waren, daß sie die Wachen sprechen hören konnten und doch nicht in ihrem Blickfeld aufzutauchen, wies der Leibdiener des Annaeus Domitianus seine beiden Begleiter dazu an, sich in einer Häusernische, die zum Eingang der angrenzenden insula gehörte, zu verstecken. Mephisto aber trat daraus hervor und übte sich darin, einen gemeinen Räuber zu spielen, der sein Opfer soeben auspresste. Laut hallte seine Stimme durch die enge Gasse. Wenn nur die Nachbarn nicht aufwachen würden.
"Gib mir Dein Geld, Du elender Schurke oder ich murcks Dich ab !"
Dabei hatte er seinen Dolch feste in der linken Hand und man konnte das Blitzen der Scheide im Mondeslicht deutlich sehen.
"Hörst Du schlecht ! Du elender Wurm ! Niemand beleidigt meine Schwester und jetzt gib mir Dein Geld !"
Die Wachen, die in dieser Nacht das östliche Ausgangstor der Stadt zu überwachen hatten, waren alles andere als euphorisch. Langeweile und die Monotonie der Einsamkeit spiegelte sich in ihren Gesichtern. Eine ereignisarme Nacht lag vor ihnen und manch einer wäre wohl gerne in einen Tiefschlaf verfallen.
Der Radau, wie er von der Seite kam, mußte die Wachen daher unvermittelt aufgeschreckt haben und Gaius, ein römischer Veteran der Legion drehte sich unvermittelt in die Richtung, aus der die Rufe kamen. hasta, scutum und galea standen ihm gut. Er wunk einen Kameraden bei, um nachzusehen, wer dort die nächtliche Ruhe störte. Im Laufschritt kamen sie näher, während Gaius brüllte
"Halt ! Wer da ? Stehenbleiben !"
Mephisto spürte seinen Pulsschlag, als die Soldaten sich näherten. Er suchte eine seitliche Gasse und verschwand in dieser, während die Wachen sich dem vermeintlichen Tatort näherten.
"Hast du das gesehn ? Wo sind die hin ?"
"Irgendetwas stimmt hier nicht."
"Lucii, Marce ! Kommt mal her !"
Die beiden Gerufenen eilten vom Stadttor an besagte Stelle. Während der fünfte im Bunde am Tor verweilte.
"Wir teilen uns auf. Ihr zwei sucht in die Richtung, Publius und ich schauen mal dort."
Wie gesagt, so getan. Man teilte sich auf, auch wenn die Hoffnung jemanden zu entdecken gering war. Die beiden Streithähne waren sicher schon in einem Hauseingang oder so verschwunden, so dachten sie und womit sie nicht ganz Unrecht behalten sollten. Mephisto war tatsächlich nach seiner Flucht in eine senkrecht stehende Gasse in den nächstgelegenen Hauseingang geflüchtet und als er die schweren Schritte der soldatischen caligae draußen vorbeimarschieren hörte, suchte er sich seinen Weg durch das Hausinnere, in dem es stockdunkel war, um im seitlichen Ausgang die insula wieder zu verlassen, dort wo Fabius und Mummius der Dinge harrten. So rannte man in großen Schritten richtung Stadttor und beinahe hätte man es auch geschafft, wenn dem erfahrenen Gaius nicht Bedenken gekommen wären, so daß er zurück zum Stadttor eilte. Er sah die Rücken der drei Fliehenden und wie Herakles selbst schleuderte er seine hasta mit einer Zielgenauigkeit durch die Nacht, daß jener den Rücken des Mephisto durchbohrte. Jener sank mit einem grellenden Aufschrei darnieder. Fabius und Mummius erschraken und stoppten abrupt. Die Wache am Tor kam daher und als man die beiden Decurionen erkannte, nahm man sie in Gewahrsam.