Nicht nur rotbraune Sandkörner, Getreide oder luxeriöse Waren hatte vor einigen Tagen der Wind nach Italia getragen, sondern auch einige mehr oder weniger unscheinbare Passagiere. Eigens für die Hochzeit von der berühmten Auctrix Decima Lucilla und ihrem Verlobten Germanicus Avarus. Es war erneut eine gemietete Sänfte, die sich den Weg durch Rom bahnte und dieses Mal das vornehme Haus der Decimer anvisierte, fand und die Sänfte vor der Tür plazierte. Pumilus, artorischer Hofnarr, verloren gegangener Prin...Patrizier und nun erneut der Hofmarschall der Artoria Medeia, rutschte aus der Sänfte. Vergnügt trabte der kleine Mann, wenn auch schon an Jahren weitaus älter als seine Herrin, auf die Tür zu. Seine Faust klopfte kräftig gegen die Tür. „Chaaaiiiire!“, krakelte der Zwergensklave sofort los als die Tür aufging. In Alexandria hat er den griechischen Gruß kaum über die Lippen bekommen und in Rom das Salve verlernt. „Meine Domina, Artoria Medeia, wurde zu der Hochzeit der schönen, der großartigen und bezaubernden Lucilla aus dem noblen Geschlecht der Decimer geladen.“ Pumilus lächelte vergnügt. Er hatte die Dame noch gut in Erinnerung. Von dem Weinfest. Wie sie immer errötete. Pumilus fand das wirklich drollig. An diesen Abend erinnerte sich Pumilus mit Wehmut, aber auch an ein schmerzendens Gefühl in seiner Seele. Wohlig, wegen all der schönen Frauen, wehleidig, weil er so ein schreckliches Kostüm getragen hatte. An jenem Abend hier war es besser. Bis auf den albernen goldenen Kranz in seinen Haaren trug er nur eine grüne Tunika, die seine kurzen Beinchen bis zur Hälfte bedeckten. Gerade im letzten Moment fiel Pumilus noch eine nicht gerade unbedeutende Tatsache ein: „Und natürlich des ehrenwerten Germanicus Avarus, Senator von Rom, Behüter des Wissens und Helfer all jener, die das Wort in die Fremde tragen wollen.“ Pumilus verneigte sich übereifrig.
Beiträge von Artoria Medeia
-
-
Herbst war es auch in Ägypten und doch fielen keine Blätter herunter, der Tag war warm und die Sonne ging jeden Abend immer noch fast zur selben Zeit unter, verschwand im Meer ohne das Wasser zu verdampfen, rot, prachtvoll und in einem einzigartigen Schauspiel. Und auch am nächsten Tag ging sie genauso friedlich, lieblich mild wieder auf. Und an einem solchen Morgen wurde eine Sänfte bereit gemacht, Gepäck verpackt und Mann und Maus, nein, Sklaven und Herrin verließen die Villa. Einige der männlichen Sklaven blieben zurück, um auf das Haus und die neu erworbenen luxeriösen Möbel aufzupassen. Doch Medeia würde noch am selbigen Morgen ein Schiff besteigen und nach Italia reisen. Nur für eine Hochzeit, DIE Hochzeit des Jahres, zumindest aus der Sicht von Medeia. Und so machte sich die Sänfte schon bald auf den Weg, drei aufgeregte Menschen im Gepäck (Medeia, die sich auf die Hochzeit freute, Pumilus, der sich nach heimatlichen Boden sehnte und Olympia, die einfach gerne reiste). Die Villa blieb still zurück, die Sonne ging auf und tauchte das Meer in ihre lieblichen Strahlen.
-
Wenn man mit einem Charakter schreibt, merkt man sicherlich schnell, ob das Fett gebrüllt ist oder nicht. Und es gibt einige Charaktere, die das so machen, ohne zu brüllen. Man kann es, zb., auch als besonders tiefe Stimme interpretieren. Ich finde nicht, dass man da ein Forumskonsens finden muss.
Also, wie was und wann gemacht wird, ist wirklich Ansichtssache und bei zahlreichen Charakteren unterschiedlich. Ich habe nur selber fest gestellt, dass es sich lohnt, die wörtliche Rede deutlicher zu machen als nur mit "", da so manches Mal die Leute (leider) nur die Texte überfliegen. Um Mißverständnisse aus diesem Grunde zu vermeiden, ist es einfacher die Rede wirklich klar ersichtlich zu machen. Weswegen ich meine direkte Rede mittlerweile Farblich markiere. Aber die Anführungsstriche reichen für mich zum Lesen auch aus
-
Die Todesumstände berührten Medeia wenig, nur ihre natürliche Neugier wurde geweckt. Ein Rätsel war natürlich auch für sie verlockend, wenn es nicht unbedingt ein Mord sein musste, den sie aufklären wollte. Das überließ sie dann doch lieber den Männern, die dafür zuständig waren. Stadtwache, Soldaten oder eben den Männern des Praefectus. Sie nickte leicht und mit einem höflich-freundlichen Gesichtsausdruck. Denn es war schließlich nicht selbstverständlich, dass ein Praefectus selber so viel Auskunft gab. „Nein, es wird nicht die Schola sein, die Vorschläge einbringen wird für einen neuen Epistates. Wir können von Rom aus schlecht beurteilen, welcher der Gelehrten hier für das Amt tauglich ist. Es sei denn, Du möchtest einen Römer dieses Mal im Amt des Epistates wissen. Einer, der nicht aus Ägypten kommt oder nicht bereits lange hier wohnt?“ Das konnte schließlich durchaus sein. Denn sich mit einem Einheimischen erst zu einigen, konnte mitunter schwierig werden. „Ansonsten wird das Museion wahrscheinlich eine Versammlung einberufen. Aber das wirst Du sicherlich vor mir erfahren. Womöglich stellen sie einen Kandidaten aus ihren Reihen, der sich bei Dir vorstellen wird. Sollte sich das Museion nicht einig werden, kann die Schola natürlich eingreifen. Oder wenn Du es so wünschst.“
-
Sinnig betrachtete Medeia den jungen Mann. Die Abendsonne tauchte sein Gesicht in Licht und Schatten, verzerrte die Gesichtszüge, machte sie jedoch auch weicher, schmeichelnder, offenbarte die Mimik, verbarg dann auch wieder viel. Ganz hinter die Beweggründe und das Verhalten des jungen Nikolaos war Medeia noch nicht gekommen. Im Laufe ihres Lebens war Medeia oft Männern begegnet, die tatsächlich eine ausgesprochene Ehrlichkeit an sich trugen, und jedoch sehr viel mehr Männern, die diese nur vorheuchelten. Und nicht wenige wirkten genauso überzeugend wie Nikolaos. Medeia gehörte nicht zu denen, die von dem Guten im Menschen ausgingen. Davon wurde sie schon in Kindheitstagen ernüchtert. Sie selber war schließlich auch nicht besser. Höflichkeit kann an manchen Stellen schnell in Lüge und Unehrlichkeit umschlagen. Doch war es immer gut, die volle Wahrheit auszusprechen? Mit einem feinen Lächeln auf den Lippen nickte sie auf Nikolaos erste Worte. Die Stoffe ihrer Sänfte blähten sich ein wenig auf als ein milder Abendwind sie ergriffen, überall den leichten Salzgeruch mit sich tragend.
"Einen unterirdischen Raum? Das klingt doch viel versprechend.“ Medeia lächelte etwas mehr. Im Grunde hätte sie lieber eine wohnliche Villa bevorzugt, aber sie wusste schon, dass Mysterien nur wahrhaftig mysteriös wirkten, wenn sie an geheimen Orten statt fanden. Waren die Mithrasanhänger nicht auch oft unter der Erde zu finden? Medeia entsann sich an einen Mann in Athen, der ihr das nach einem Schäferstündchen erzählt hatte. Aber er war auch recht betrunken gewesen und Medeia nicht ganz sicher, ob er sie nicht anschwindelte, um sich wichtiger zu machen. Nur das Bona Dea Treffen vor einigen Jahren war in luxuriöser Umgebung gefeiert worden, bei Aelia Adria. Sie gab mit einem leichten Kopfnicken zu erkennen, dass ihre Sorgen (die sie nicht wirklich gehegt hatte) zerschlagen waren durch die Worte von Nikolaos. Zudem war sie durchaus auf diese Versammlung gespannt und wer sich dazu gesellen würde. In Rom hätte Medeia das wohl niemals getan, denn außer bei dem Bona Dea Kult wäre es ihr zu verfänglich an anderen Mysterien teilzunehmen. "Dann wird Dir meine Sänfte zu dem Ort folgen.“
Am hinteren Teil der Sänfte teilte sich der Stoff. Zwei Gesichter spähten heraus, zum einen der Sklave Pumilus und auch Olympia, die steten Begleiter von Medeia, hatte sie sich doch in den Jahren an die Beiden derart gewöhnt, dass sie zu ihrem zweiten und dritten Schatten geworden waren. Olympia hielt in ihren Händen den Kasten mit den Weihegaben und starrte neugierig Nikolaos an. Leise flüsterte sie zu Pumilus. "Ist er nicht hübsch?“ Pumilus stierte daraufhin Nikolaos (der vorher eher desinteressiert gemustert wurde) nun etwas feindselig an. "Pah. Geschminkt. Sieht man doch gleich.“, flüsterte er zurück. Beleidigt zog den Kopf in die Sänfte zurück. Nur Olympia sah noch einen Moment länger nach draußen, ehe sie sich auch wieder zurück zog. Und die Sänfte von Medeia folgte der von Nikolaos.
-
Nun war Medeia doch froh, den vagen Verdacht nicht genannt zu haben, denn sie hätte wohl kaum Namen für diesen Benennen können oder näheres dazu erzählen. Schon die bereits ausgeschprochenen Fragen brachten Medeia in einige Schwierigkeiten diesbezüglich. Denn ihre Erfahrung beschränkte sich auf einige wenige Tage und nicht auf Jahre, wie so viele anderen im Museion sie hatten. Sie schwieg einen Moment und dachte darüber nach. Schließlich meinte sie: "Ein gewisser Sosimos von Dorinth, Doros von Pelusium...“ Den Gelehrten, den Medeia befragt hatte, wollte sie nicht unbedingt ins Fadenkreuz der Ermittlungen bringen. Und irgendwie hatte Medeia das Gefühl, das könnte passieren. "...es waren noch einige mehr, die aus dem Museion verwiesen werden sollten. Wahrscheinlich finden sich die Listen alle im Arbeitsraum des verstorbenen Epistates.“
Was die andere Frage anging, konnte sie auch nur Namen nennen, die sie nur gehört hatte. So sah Medeia kurz etwas unentschlossen aus. "Die Günstlinge waren wohl doch rarer gesiedelt. Aber ich würde meinen, dass einer der älteren Gelehrten vom Museion dort besser informiert ist als ich es bin.“ Medeia atmete tief ein und kämpfte einige schwarze Punkte vor ihren Augen hinfort. "Ist es denn nun sicher, dass es sich um einen Mord handelt, werter Praefectus?“
-
Der Praefectus konnte den Epistates nicht kennen gelernt haben, denn anonsten wäre es ihm sofort klar gewesen. Womöglich hatte der Epistates auch fleißig gebuckelt und dessen unerträgliche Art war darum nicht aufgefallen. Ruhig war sie, wo es nun nicht mehr um sie ging. Gefasst ihre Haltung, ernsthaft ihre Miene, wenngleich etwas nachdenklich. „Ich habe mir einige Tage lang das Museion angeschaut und auch mit einigen Gelehrten gesprochen. Der Epistates hatte natürlich seine Günstlinge, die hinter ihm standen. Zudem einige recht einflussreiche Gönner, aber auch viele im Museion, die er wohl aus ihrem Amt entlassen wollte. Ein Gelehrter hat sich maßlos über ihn bei mir aufgeregt. Für die Einen ist das bereits ein Grund zu einem Mord, während andere das natürlich nicht so sehen.“
Über die Worte des Epistates dachte Medeia kurz nach. „Unverhohlen hat mir der Epistates auch von seinen Plänen berichtet, das Museion umzustrukutrieren. Es wären einige der Gelehrten dem zum Opfer gefallen. Zudem hat er seine Günstlinge, wie wohl es auch viele in diesem Amt bereits getan haben, bevorzugt und andere wiederum die Mittel für ihre Forschungen gestrichen. Aber noch sehr viel übertriebener als die meisten seiner Vorgänger.“
Ob sie das andere Gerücht erzählen sollte, was ihr ein Gelehrter anvertraut hatte? Medeia hatte in langer Arbeit jenen Mann mit Schmeicheleien dazu gebracht, aber sie wollte nicht haltlose Vorwürfe in den Raum stellen. Denn ohne Beweise war es auch nicht richtig, einen Toten zu diffamieren. "Schon eine Begegnung, wenn ich das sagen darf, hat mir gereicht, den Mann als äußerst unangenehm einzuschätzen."
-
Es gab Tage, da war Pumilus das, womit er tatsächlich in der Casa Artoria angefangen hatte. Der Ianitor. Es war jedoch eine kleine Erfolgsgeschichte hinter Pumilus, der seiner Größe und Kuriosität wegen einen enormen Aufstieg in der Hierarchie der Sklaven geschafft hatte, denn mittlerweile war er so etwas wie ein Verwalter unter ihnen. Alles nur mit seinem Witz und seiner vorlauten Art hatte er das erreicht. An jenem Tage stand Pumilus im ersten Innenhof der Villa. In seinen Händen hielt er einen Stock und einen Topfdeckel. Über dem Kopf war der dazu passende Topf gestülpt. Vor einem unsichtbaren Publikum verbeugte sich der Zwerg. Er hörte das Jubeln, sah die Blumen, die zu ihm herunter geworfen wurden. Auf der Loge saß der Kaiser und winkte ihm, Pumilus, freundlich herunter. Denn in seiner Fantasie war Pumilus dem Kaiser schon einige Male begegnet. Der Kaiser hatte schließlich gerade vor zwanzig Kämpfen dem Zwergen die Freiheit geschenkt. Imaginäre Gerüchte waren an Pumilus Ohren gedrungen, dass dieser wohl plante, den kleinen Pumilus zu adoptieren. „Römer, Kinder und all ihr schönen Frauen. Seht, Pumilus Maximus, Held der Arena, Bezwinger von Elefanten und Löwen, Sieger in 78 Kämpfen. Hah!“ Mit dem Stock stieß er durch die Luft, wedelte mit dem Topfdeckel hin und her. „Ahhh..“ Der Topfdeckel fiel auf den Boden, das Klopfen hatte Pumilus erschreckt. Verwundert drehte sich der kleine Sklave zu dem Durchgang um. „Hm.“ , grummelte er leise. Dann stapfte er zur Tür. Mit Topf auf dem Kopf und Stock in der Hand riß er die Tür auf. „Jaa? Was gibt es?“ Er starrte nach oben zu dem Mann hoch, dem er gerade mal bis zur Hüfte ging.
-
Die Nervosität von Medeia übertrug sich auf die junge Sklavin hinter ihrem Rücken. Olympia drehte fahrig eine Strähne ihrer blonden Haare zwischen den Fingern. Doch sie wagte nicht Medeia aus den Gedanken und Grübeleien zu stören, die diese offensichtlich hatte, denn ihr Gesicht wirkte während des Wartens abwesend. Als jedoch die Schritte ertönten, riß es Medeia aus den Überlegungen über mögliche Entschuldigungen heraus. Einen Moment lang wäre sie glatt darüber froh gewesen, wenn sie doch ihren zwergenhaften Sklaven mitgenommen hätte, der sicherlich nicht um Worte verlegen gewesen wäre und die phantastischsten Erklärungen parat hätte. Doch so begann Medeia das Gespräch wie sonst auch immer. Mit einem höflichen Lächeln. „Salve Praefectus Germanicus.“ Schon wollte Medeia die Acta ansprechen, doch der Praefectus schlug ein gänzlich anderes Thema an. Nein, er entschuldigte sich sogar bei ihr. Bei ihr? Medeia war ein wenig verblüfft darüber, schließlich war sie nur eine Römerin von vielen in der Provinz, zumindest sah sie sich derart. „Es ist keine Entschuldigung notwendig, Praefectus.“ Ob ihm Aelia davon erzählt hatte? „Ich bin mehr aus privaten Gründen hier in Ägypten.“
Auch das nächste Thema war nicht die Acta, was Medeia ungemein erleichterte. Womöglich waren die Sorgen des letzten Abends völlig unbegründet, vielleicht der Artikel doch kein Fiasko. Medeia nickte ernsthaft und bemühte sich eine angemessen untröstliche Miene aufzusetzen. Denn im Grunde war Medeia nicht sonderlich davon betroffen, dass der Epistates verstorben war, hatte sie sich doch auch Stundenlang mit dem inkompetenten und unerträglichen Narren herumschlagen müssen. „Mir sind diesbezüglich auch Gerüchte zu Ohren gekommen. Es ist bedauerlich, dass solche Taten immer wieder geschehen müssen. Aber es verwundert mich nicht sonderlich, wenn ich das sagen darf. Mir schien es so, und so vernahm ich das an vielen Stellen im Museion, dass der Epistates nicht überall beliebt war. Nein, er hat sich sogar sehr viele Feinde geschaffen. Dennoch ist es schlimm, dass diese Aversionen in einen solchen heimtückischen Mord geendet haben.“ Sie hörte davon, dass das Begräbnis wohl bald sein sollte, womöglich würde sie dann auch kommen. Von einem neuen Epistates hatte sie jedoch noch nichts gehört. Ob der Eparchos sie gerufen hatte, weil sie an der Schola arbeitete? Nach ihren Erfahrungen im Museion glaubte sie mittlerweile, dass diese eine Einmischung von Seiten der Schola ganz und gar nicht mochten. Aber Corvus war Römer und kein Grieche, ganz eindeutig.
-
Langem Wuchs breiten sich die Schatten der Sänfte auf der Strasse aus, durch die Stoffe drangen die letzten Strahlen der Abensonne und färbten die Haut von Medeia mit einem gesunden Rosé, verbargen dabei jegliche krankhafte Zeichen. Selbst die tiefen Augenringe auf ihrem Gesicht waren durch die Schatten des Daches und das erste Dämmerlicht verborgen. Stoisch hielten die Sklaven ihrer Sänfte das Gefährt direkt neben Nikolaos hoch schwebend. Eine leichte Aufregung hatte Medeia erfasst, bot doch dieser Abend eine Abwechslung der schrecklichen Eintönigkeit der letzten Wochen. Gelangweilt hatte Medeia sich natürlich nicht in der vergangenen Zeit, aber ihr fehlte die Gesellschaft, das Treiben von Menschen und schlicht die Arbeit. Untätigkeit war für Medeia ein Greuel und sie war lieber überarbeitet, als unterfordert. Doch die Anweisungen des Medicus waren strickt in dieser Hinsicht, Medeia dennoch nicht immer ganz einsichtig.
„Ich fühle mich sehr geehrt über die Einladung und bin schon auf diesen Abend gespannt, werter Nikolaos.“ Oh das war Medeia durchaus, denn das letzte Mal, dass sie derartiges gefeiert hatte, war schon sehr lange her. Dreizehn Jahre? Medeia wußte ungefähr, wie alt sie gewesen war und es schauderte sie, eine derartige Zeitspanne zwischen den damaligen Feierlichkeiten und jetzt zu wissen. Ein freundliches, wenn auch erschöpftes Lächeln (Medeias Kraftreserven waren nicht besser geworden seit dem Besuch im Sarapeion, mehr noch schlechter) zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Das würde ich begrüßen. Zudem sollten wir die Stadt verlassen, ehe die Sonne gänzlich hinfort ist. Womöglich sind die Tore sonst verschlossen.“ Medeia bedachte nicht, dass Nikolaos Strategos war, denn eigentlich wußte sie es auch nicht. Sie kannte ihn nur als freundlichen, jungen Mann, der mit ihr einen Tempel aufgesucht hatte und ein Interessierter der Wissenschaften und Künste war, zudem ein ausgeprägtes religiöses Pflichtgefühl besaß. „Sehr angenehm.“ Das war nicht ganz wahr, aber mehr als höfliche Floskeln erwiderte Medeia niemals auf derartige Fragen, sowohl zu ihrem Wohlbefinden, als auch ähnlichen Angelegenheiten. „Wo außerhalb der Stadt, wenn ich fragen darf, finden die Mysterien statt?“
-
Beeindruckt von all der Pracht des Palastes folgte Medeia dem Scriba in die große Audienzhalle, die sich lichtdurchflutet und mit wunderschönen Malereien vor ihr präsentierte. Medeia richtete sich ein wenig auf und schritt hinter dem Mann bis in die Mitte der Halle. Ihre Sklavin Olympia folgte Medeia ein wenig schüchtern, versuchte dabei ganz unscheinbar zu wirken. Gedanken verloren betrachtete Medeia die Malereien, fragte sich, von wem diese wohl stammen mochten. Erst aus römischer Zeit oder gar schon aus ptolemäischer Hand (beziehungsweise eines beauftragten Künstlers)? Doch als ihr Name verkündet wurde, fiel Medeia erneut ein, dass das hier keine Besichtigung war, sondern wohl der Grund des Besuches ein ernstes Anliegen sein müsste, anders konnte sich Medeia den Ruf nicht erklären.
Ein schrecklicher Irrtum, eigentlich hätte der Artikel gar nicht gedruckt werden dürfen. Aber der Bote hat die vorläufige...Medeia verwarf diese Entschuldigung gleich wieder, das war zu unglaubwürdig. Sabotage! Ein ganz hinterhältiger Austausch der Schriften.Womöglich von einem Neider. Auch das wurde nicht als ernsthafte Entschuldigung in Betracht gezogen. Medeia zog die goldbeige Palla über der dunkelgrünen Stola zurecht und sah nachdenklich auf eine Statue in der Nähe. Sonst war sie nicht um Worte verlegen, aber da sie nicht wusste, warum sie hier erscheinen sollte und sich schon seit einem Tag in Spekulationen ergehen konnte, waren ihre Gedanken recht unsortiert. Nach außen hin wirkte sie gefasst und wartete darauf, dass der Praefectus etwas Zeit erübrigte. In Gedanken wälzte sie weiterhin Erklärungsversuche. -
Die Organisation war hier wohl in der Tat sehr vorbildlich, kein langes Warten, kein Herumstehen bis der Praefectus die Zeit für einige Audienzminuten erübrigen konnte. Und das gefiel Medeia natürlich, die nicht erpicht war an diesem erneut sehr heißen Tag lange zu warten. Mit einem freundlichen Nicken meinte sie darum schlich: „Danke.“ Sie wandte sich Pumilus zu und sah ihn streng an. „Du wartest hier. Und ich will keine Beschwerden über Dich hören, verstanden?“ Unschuldig war der Ausdruck auf dem Gesicht von Pumilus und er nickte brav. Skeptisch musterte Medeia ihn, doch dann wandte sie sich um und winkte Olympia ihr zu folgen. Selbiges tat Medeia auch bei dem Schreiber. Erst als sie aus dem Zimmer war, strahlte Pumilus auf, denn die wenige Zeit mußte genutzt werden. Eilig verließ er das Zimmer des Schreibers, um auf Abenteuersuche zu gehen.
-
Mit den Gedanken bereits woanders (nämlich bei dem folgenden Tag und dem Grund der Audienz) nickte Medeia etwas abwesend bei der Antwort des Scriba. „Dann noch einmal vielen Dank und einen guten Heimweg.“ Medeia verabschiedete sich höflich von ihm und verließ den Säulenhof. Olympia lächelte freundlich und führte den Boten noch bis zur Tür.
-
Zuerst war das schnelle Gestampfe von Pumilus zu hören. Flink und rasant lief der kleine Sklave seiner Herrin voraus, bog in diesen Gang, lief Treppen hinauf und hinunter und trat dann in den Flur des Zimmers des Schreibers, zu den sie am Eingang der Regia gewiesen worden waren. Schon klopfte Pumilus an der Tür und trat nach der Aufforderung hinein. Zumindest hatte Pumilus gemeint, eine Derartige zu hören. Aber Pumilus hörte oft gerne das, was er vernehmen wollte und ignorierte all jenes, was ihm nicht passte. Vor dem Schreibtisch blieb Pumilus stehen und verbeugte sich höflich. „Oh, sei gegrüßt, geschätzter Schreiber und rechte Hand des mächtigsten Mannes dieser Provinz, dem edlen Praefectus und Eparchos von Ägypten. Meine Herrin, die sogleich eintreffen wird, hat eine Einladung zu einer Audienz erhalten. Domina Artoria Medeia, von der Schola und der Acta.“ Und just als ihr Name fiel trat auch Medeia in das Zimmer des Schreibers ein. In Begleitung eines Leibwächters und ihrer Sklavin Olympia. Zufrieden stellte Medeia fest, dass Pumilus sie schon angekündigt hatte. So grüßte sie den Schreiber lediglich mit einem höflichen: „Chaire.“ Olympia reichte Medeia ein Tuch, was diese jedoch nur in die Hand nahm. Obwohl sie von dem kurzen Marsch sehr erschöpft wirkte.
-
Leise vor sich hin pfeifend wartete Pumilus ab, seine Augen glitten über das prachtvolle Tor und er war schon sehr gespannt, was sich alles hinter diesem einladenden Eingang verbarg. Womöglich elysische Gärten, schöne und hochgewachsene junge Frauen, denen er, Pumilus Maximus, verkannter Patrizier und ehemaliger Held der Arena, doch nachjagen konnte, während seine Herrin zu der Audienz geladen war. Denn seine Domina hatte stets die Angewohnheit ihn, Pumilus, draußen warten zu lassen. Vergnügt und verschmitzt ist darum das Funkeln in den Augen des grauhaarigen Sklaven. Und er wippte ungeduldig auf den Zehenballen hin und her. Es dauerte nicht zu lange, bis sie die Erlaubnis erhielten. Erneut umständlich verbeugte sich Pumilus. „Oh habt Dank, ehrenwerter und tapferer Streiter des Imperiums. Hüter aller aufrechter Römer.“ Schwupps, schon wandte sich Pumilus um und stockte. Verdutzt sah er zu dem Soldaten zurück. Woher, zum Hades, wußte der Soldat von seinen Nachstellplänen? „Aber neeeeein, oh Kämpfe der römischen Legionen. Niemals würde ich nur im Traum an so etwas wie 'Dummheiten machen' denken. Vale, hochgeschätzter Miles.“ Dummheiten waren das für Pumilus in der Tat nicht, Liebesabenteuer würde er das nennen. Und Armors Zauber könnte nur erhaben sein. Schnell erkletterte Pumilus die Sänfte, die kurz darauf hoch gehoben und in das königliche Viertel getragen wurde.
-
Einen Tag nachdem der Bote die Villa Okeanos besucht hatte, trat tatsächlich das versprochene Ereignis ein. Unbedeutend für die Stadt, aber wichtig für Medeia. Schon den ganzen Abend lang und auch die Vormittag hatte sie sich die Worte der Rechtfertigung zusammen geschustert. Nach dem Schreiber der Acta hatte sie geschickt, doch der war wegen irgendwelcher ominöser Nachforschungen verschwunden. So erreichte am späten Vormittag eine Sänfte das Tor zum königlichen Viertel, das mit Parkanlagen und prunkvollen Bauten reichlich bestückt war. Ihr Sklave Pumilus, der Medeia meist bei solchen Angelegenheiten begleitete, rutschte aus der Sänfte heraus und watschelte zu der Torwache. Der zwergwüchsige Sklave spähte hinauf zu dem Mann und verbeugte sich umständlich. „Oh ihr Hüter des großen und weisen Praefectus von Ägypten, Abgesandter des Gottes und Kaisers der Welt, dem huldvollen Ulpius Iulianus, Neffe des göttlichen Traianus. Seid gegrüsst.“ Zumindest meinte sich Pumilus an all die Zusammenhänge zu entsinnen. „Meine Domina, Artoria Medeia, Praeceptor der Schola Atheniensis Phoebi Apollonis Divinis, Subauctrix der Acta, wurde zu einer Audienz beim Eparchos geladen.“
-
Die Botschaft überraschte Medeia außerordentlich. Der Eparchos lud sie zu einer Audienz? Aber warum tat er das? Von der Hochzeit war keine nähere Bekanntschaft entstanden, zudem lud man solche ebenfalls nicht zu einer Audienz. Ein Amt besaß Medeia nicht, war doch sicherlich das der Schola nicht wirklich von Bedeutung hier in Alexandria und wegen des Mordes, von dem Medeia natürlich gehört hatte, konnte es auch nicht sein. Sicherlich würde der Praefectus jemand vom Museion zu sich diktieren. Nachdenklich betrachtete Medeia den Boten und suchte nach dem Grund in seinem Gesicht. Doch weder ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht konnte Medeia von ihm ablesen. Womöglich wußte er es auch gar nicht. Medeia nickte langsam. „Eine Audienz?“
Und dann fiel es Medeia blitzartig ein. Die Acta! War da nicht neulich ein Artikel heraus gekommen über die Ludi? Und hatte nicht der Praefectus höchst persönlich einige Fragen beantwortet? Medeia hatte den Artikel jedoch nur flüchtig gelesen und ihn nicht geprüft, ehe er an die Zeitung ging. Nur selten kam das vor und meist, wenn es ihr nicht gut ging oder sie zu viel sonstige Arbeit hatte. Dabei kam ihr der Autor der hiesigen Actaschreiberlinge durchaus etwas suspekt vor. Und am Ende hatte er niemals den Praefectus persönlich befragt, sondern sich einfach die Antworten ausgedacht. Medeia wurde blass bei dem Gedanken. Was bei ihrem krankhaften Aussehen nicht mehr sonderlich ins Gewicht fiel. Aber war nicht die Auctrix verantwortlich? Stand das nicht sogar in der Acta? Medeia nickte ein zweites Mal. „Natürlich. Ich werde morgen schon in die Stadt kommen und die Basileia aufsuchen. Ich danke Dir für deinen Botendienst. Möchtest Du Dich noch etwas stärken ehe Du zurück kehrst?“
-
Der Leibwächter starrte den Diener einen Moment an, dann nickte er knapp. „Ja, ist sie. Einen Moment.“ Der Mann drehte sich um und trat in den Schatten hinein. Das Rot am Himmel vertiefte sich, ein junges Mädchen trat aus einem Haus und öffnete das Gatter eines Nebenhofes. Mit einigen Lauten von ihren Lippen trieb sie die Hühner in den Stall hinein. Sie warf der Versammlung auf der Strasse nur einen kurzen Blick zu. Dann verschwand sie wieder in dem Haus. Derweil wurde die Sänfte nach oben gehoben und zu der Sänfte von Nikolaos getragen. Der Stoff wurde zur Seite geschlagen und das blasse Gesicht von Medeia trat zu Tage. „Chaire, werter Nikolaos.“, grüßte sie ihn freundlich. Sie musterte den jungen Mann prüfend, denn er wirkte recht abwesend. Ob er sie überhaupt vernommen hatte?
-
Ein munteres Lächeln trat auf das Gesicht von Olympia. Matrone? Wenn das ihre Herrin hörte, die sich seit einem Jahr mit ihrem Alter abplagte und darüber im stillen Kämmerlein klagte. Doch Olympia verzog kein Gesicht, denn der Bote sprach schließlich nur die Wahrheit aus. „Ja, Artoria Medeia wohnt hier. Kommt doch herein. Ich führe Dich zu ihr!“ Olympia lächelte freundlich und ließ den Boten eintreten. Erst hinter ihm schloss sie die Tür und ging voran und durch ein großes Atrium. Rote und blaue Mosaikböden lagen zu ihren Füßen, sauber geschrubt. Olympia führte ihn durch die Eingangshalle und dann in das Rhodiacum. Sie wandte sich zu dem Mann um. „Wenn Du bitte kurz hier wartest?“ Schon huschte die Sklavin davon und auf die Terasse hinaus. Einige Minuten später ertönte das leise Rascheln von Gewänder und Medeia trat in das Rhodiacum. Blass und abgezehrt wirkte die Frau und wenig (scheinbar) angetan von fremdem Besuch in ihrem Haus. „Chaire.“ Grüßte sie und fuhr auch auf Griechisch fort. „Ich bin Artoria Medeia. Was kann ich für Dich tun?“
-
Munter plätscherte der Brunnen vor dem Haus vor sich hin, die Bäume waren zurück geschnitten, der Weg von dem Sand befreit worden und das Haus erstrahlte in einem satten Dunkelrot, an den Rändern mit goldenen Verzierungen bemalt. Die Villa war eindeutig renoviert worden und hatte die Jahre der Leblosigkeit von sich abgestrichen. So glänzte auch die hölzerne Tür noch mattbraun als ob sie erst kürzlich frisch gestrichen worden war. Ein silberner Schlangenkopf diente als Türklopfer. Und schon nachdem das Klopfen ertönte, waren Schritte zu hören, eilige und recht leichte. Die Tür ging auf und eine junge Frau mit goldblonden Haaren spähte hervor. „Sal...oh...Chaire.“, grüßte sie freundlich und öffnete die Tür. Abgekämpft sah der Bote aus. Die junge Sklavin wollte ihn schon herein bitten, aber sie zögerte einen Moment. Schließlich wäre ihre Herrin erbost, sollte das jemand sein, den sie nicht im Haus haben wollte. Aber Olympia war vertrauensselig. „Was kann ich für Dich tun?“, fragte sie. „Möchtest Du etwas Wasser haben?“