Beiträge von Apollonius von Samothrake

    Frühling in Germanien! Blumenpracht, dicht belaubte Wälder und klar sprudelnden Flüsse, so stellt man es sich vor und als die kleine hispanische Wagenkolonne einer der guten römischen Strassen entlang kam, präsentierte sich die Strassen auch so. Doch die endlose Weite der Wälder wirkte ein wenig beunruhigend aufs Gemüt. Gerade hatten sie die südlicher Bergkette überwunden, die Germania von Gallia trennt. Die Berge mit den hohen und dunklen Tannen, seltsamen keltischen Kultorten lagen schon einige Tage zurück. Zwar konnten die Reisenden dort an einem der römischen Siedlungen halt machen und sogar die Genüße einer römischen Therme genießen, aber inzwischen war das Land wieder menschenleer.


    Die Wagenkolonne bestand aus drei Wägen, sieben Männern und einer hochschwangeren Frau. Bis dahin hatten sie schon die Pyrenäen und die gallischen Lande durchquert. Dabei waren sie bis dahin von Glück gesegnet, denn nur einmal wurden sie überfallen. Von drei eher dürren Galliern, die es wohl als Verzweiflungstat durchgezogen hatten. Doch Apollonius kräftige Sklaven hatten sie in die Flucht geschlagen. Auch Land und Sitten der Gallier konnten sie jedoch recht gut erfahren während der Reise, da sie immer wieder in gallischen Dörfern absteigen musste. Und ihnen schlug verhältnismäßig wenig Feindseligkeit dort entgegen. Aber warum auch? Ein Grieche und eine hochschwangere Römerin waren ja nicht gerade das Feindbild der Gallier. Die letzten Tage der Reise waren jedoch von sehr kurzen Etappen geprägt. Die Wägen fuhren langsamer, um Valeria und ihr ungeborenes Kind zu schonen.


    Nun war es ein Abend im lauen Frühling, der den ganzen Tag von Sonnenschein geprägt war, als die Wägen wieder zur Rast hielten. Die Sonne ging schon unter und die Sklaven hatten ein kleines, improvisiertes Lager hergerichtet. Mitten im Wald und im germanischen Nirgendwo. Phokas hatte wieder mal keinen Finger gekrümmt und starrte stumm vor sich hin, während einer der anderen Sklaven, Perseus, gerade ein Feuer entfachte. Phokas und Apollonius hatten sich in der letzten Zeit immer öfters gestritten und seit Tagen wechselten Beide kein Wort mehr miteinander. Apollonius half Valeria vom Wagen und führte sie mit leicht besorgtem Blick zu dem Lager. "Geht es?"

    Phokas hätte sich bestimmt nicht vom Wagen begeben, wenn nicht das Strahlen von Valeria gewesen wäre. So folgte er Apollonius der langsamer hinter Marcus her kam, der schon am Verladen war. Auch die anderen Sklaven kamen heran, bis auf einer, der alles bewachen sollte. Sie luden schnell und leise die Sachen von Valeria auf. Apolloniius lächelte freundlich. Er sah jedoch etwas übermüdet aus und hatte dunkle Augenränder. Apollonius hatte auch wirklich nicht gut geschlafen. "Guten Morgen, Valeria. Nicht viel, aber das bedingt das Alter!" Er musterte sie eingehend, ob sie bereit war für so eine anstrengende Reise, aber sie schien ihm dafür besser gerüstet zu sein als er selber.


    Als die letzte Kiste aufgeladen war,was sehr schnell ging bei so vielen Händen, nickte Apollonius zufrieden. "Dann brechen wir mal auf. Lassen wir Hispania hinter uns und widmen wir uns einem neuen Kapitel in unserem Leben!" Er reichte Valeria feierlich seinen Arm, um sie zu einem der Wägen zu führen.

    Verlegen senkte Apollonius tatsächlich den Kopf. Er sah auf den Steinboden vor sich und hob wieder den Blick. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Und Du einem alten Narren!" rang er sich doch ab und nahm die Blume entgegen. Aber die Worte machten ihn schon glatt wieder verlegen. Wann ist der Zeitpunkt gekommen, dass er sich alt fühlte? War es vor einem Jahr oder vor 5? Die Zeit schien an ihm vorbeirauscht zu sein. Und viel vom Leben hatte er wohl verpasst gehabt. "Vale, Valeria. Bis morgen!" Dann deutete er Marcus Valeria behiflich zu sein. Gedanken verloren drehte sich Apollonius um und wandte sich zum Gehen.

    Langsam begann es am Horizont zu dämmern. Die Dunkelheit wich einem blauen Horizont, der seinen Schleier über die Häuser und Landschaft der Stadt warf. Die blaue Stunde, wie manche sie auch nannten, ließ alles ruhig und beschaulich wirken. Dann sah man schon den ersten Schein der Sonne aufsteigen. Doch mehr als leichte Färbung und schmaler Streifen. Durch die Strassen von Tarraco kamen drei Wägen angefahren. 7 Männer saßen auf den Kutschwagen, in Umhänge gehüllt wegen der morgendlichen Kälte, und nicht gut gelaunt. Aber wer war es schon um diese Uhrzeit?


    Auf dem zweiten Wagen saß Apollonius, neben dem der junge, blonde Marcus den Wagen lenkte. Apollonius hatte es vermieden mit seinem Sklaven Phokas auf den selben Wagen zu steigen. Zank und Hader wären da wohl noch das glimpflichste Ergebnis gewesen. Die Wägen fuhren nun durch das Wohnviertel und auf eine ganz bestimmte Casa zu, die noch dunkel dalag und genauso leblos wie die Strassen der Provinzstadt. Vor der Casa Decima kamen die Wägen dann zum Halten. Apollonius sah auf und nickte Marcus zu. Der strahlte auf und sprang vom Kutschbock. Flink, wie es sein junges Alter bedingte, rannte er zur Tür der Casa, um dort zu klopfen.

    Hatte er das nicht vorhin gesagt? Verwirrt kratzte sich Apollonius den Bart und nickte. "Ja, ich hole Dich beim Morgengrauen ab. Meine Sklaven werden Deine Sachen schnell verpackt haben. Brauchst Du vielleicht noch Hilfe...? Ich könnte Dir Marcus mitschicken. Er ist recht kräftig."


    Apollonius stand auf und einige Blätter fielen ihm vom Schoss. Er sah kurz auf sie und trat dann über sie hinweg, während er die Blätter zertrampelte. Auch die Blume fiel herunter und lag dann still am Fußende der Marmorbang. Apollonius berührte Valeria ganz kurz an der Schulter. Vielleicht war es auch ein Zeichen des Friedens seinerseits, denn zu mehr körperlichen oder emotionalen Reaktionen konnte er sich nicht durchringen, was auch wider seiner Erziehung gewesen wäre. Still ging er mit Valeria zum Tor. "Dann sehen wir uns morgen!" Am Tor winkte er Marcus heran, der dort schon herumgelungert hatte und mit einem der Wägen immer noch wartete.

    Apollonius schiwieg und verharrte. Seine Hand zupfte nicht mehr an den Blättern, sondern er hörte Valeria aufmerksam zu. So aufmerksam wie wohl schon seit vielen Monaten nicht mehr, wenn gar noch nie so. Seine Augen ruhten ganz auf Valeria und ab und an nickte er oder wiegte seinen Kopf hin oder her. Ein vages Lächeln erschien auf dem Gesicht.


    "Aber Valeria, Du wirst in Germania doch nicht alleine sein. Deine Familie ist dort. Und auf wen kann man sich mehr verlassen als auf seine Familie? Hier bleibt doch kaum einer Deiner Familie mehr, oder?" Apollonius Blick fiel wieder auf die Katze. Katzen konnte er eigentlich nicht leiden und den Göttern sei Dank, hatte sich das 'Vieh', wie er es in Gedanken nannte, ihm noch nicht genähert. "Wie wär es mit einem ägyptischen Name?"

    Apollonius hatte mittlerweilen auch wieder den Blick gesenkt. Er starrte angestrengt auf den Boden vor ihm, dann fing er an eine Pflanze neben sich zu pisaken. Gedanken verloren zupfte er ein Blatt nach dem Anderen dort ab und warf das Blatt vor sich. Unbehaglich wandte er sich auf der Bank und überlegte, was er jetzt sagen sollte. Wieder eine neue Erfahrung, denn unter Sprachlosigkeit litt der Medicus eigentlich nie. Doch jetzt tat er es. So griff er hastig auf, was Valeria meinte.


    "Iuno? Und weshalb hast Du bei Iuno Rat gesucht? Machst Du Dir Sorgen?" Dabei musterte Apollonius die Katze und betrachtete ihr Fell. Besonderen Augenmerk legte er auf die Augen. Eine ägyptische Katze war sie nicht. Doch seine Gedanken schweiften dieses Mal nicht ab, obwohl er sonst über die alexandrinischen Katzen sich wohl Gedanken gemacht hätte und die Beziehungen der Ägypter zu ihren heiligen Tieren. Nein, dieses Mal dachte er gar nicht daran. So konzentriert wie jetzt war er wohl selten. Nämlich auf seine Verlegenheit konzentriert.

    Ein tiefes Seufzen kam von Apollonius als Valeria die Frage stellte. Seine Verlegenheit hatte er noch nicht so ganz überwunden gehabt und am Liebsten würde er flüchten, wie er es als Kind manchmal getan hatte. Da hatte er sich auch vor seiner Mutter versteckt und war manchmal Tage lang nicht wieder aufgetaucht. Aber er war, bei den Göttern, wirklich kein Kind mehr. Wie war das noch mit dem Rätsel...vier Beine, zwei Beine und dann Drei? Er war definitiv beim letzten Stadium des Menschenlebens angekommen und Valeria bestätigte ihn damit sogar noch. Apollonius schollt sich innerlich für diesen Fluchtimpuls.


    Langsam schüttelte Apollonius den Kopf. Er war sich nicht wirklich über sicher, was er fühlte, wie seine Empfindungen Valeria gegenüber waren. Der Grieche war es auch einfach nicht gewöhnt, so etwas einzuordnen. Innerlich war er in einem völligen Gefühlschaos. Und das schockierte ihn mehr als Valerias Lachen. Denn einen solchen Zustand konnte er schwer ertragen. "Wieso sollte ich Dir Deine Worte übel nehmen? Du hast mir die Wahrheit gesagt und das ist auch richtig so!" Er nickte und ein kleines Zucken um seinen Mundwinkel erschien. Aber war er nicht doch ein wenig beleidigt. Über ihr Lachen? Apollonius war da nicht so ganz sicher. "Ist das Deine Katze?" Wieder der Versuch abzulenken.

    Die Unsicherheit stand Apollonius arg im Gesicht geschrieben. Sein nervöser Blick huschte von Valeria zu der Katze und wieder zurück. Doch als Valeria in Lachen ausbrach, war Apollonius noch mehr verunsichert. Dann geschah etwas, was wohl seit langer Zeit kein Mensch mehr bei dem Medicus geschafft hatte. Langsam, aber sicher wurde Apollonius rot. Erst am Halsansatz, dann kroch die Röte über seine Ohren und schließlich über sein Gesicht. Der zerzauste Bart, grauschwarz, kontrastierte kurioserweise dazu. Apollonius schluckte und senkte seinen Blick. Verloren saß er auf der Bank und kaute etwas verlegen an seiner Unterlippe. Fast wie ein kleiner Junge wirkte er in dem Moment. Aber welcher Mann wurde schon jemals erwachsen?


    Zögerlich sah er auf, als Valeria schließlich seine Hand nahm. Diese lag in Valerias Hand schlaff und regungslos. Schweigend hörte er ihr zu und nickte schließlich. Aber zu sprechen begann er nicht, dafür fehlte ihm zum Einen der Mut und zum Anderen würde seine Stimme versagen, wie er befürchtete. Er senkte wieder die Blick und tat so als ob er die Muster auf den Boden studieren würde. Unter halbgeschlossenen Augenliedern beobachtete er Valeria als sie aufstand und die Katze in dem Arm nahm. Was sollte er jetzt sagen? Mit so etwas konnte Apollonius wirklich nicht umgehen. Seine Frau? Frauen spielten in Apollonius Leben keine große Rolle. In der Vergangenheit zumindest und wenn, dann auch nicht so lange Zeit, dass eine Ehe da hinein gepasst hätte. Zwar hätte er schon gerne ab und an eine Frau, sowohl als liebe Freundin im Haus als auch die wärmende Nähe im Bett. Aber zu Lupae ging Apollonius nicht und die normalen Frauen hielten ihn wohl immer für zu seltsam.


    Das Schweigen lastete noch eine Weile über Apollonius. Er rutschte immer unbehaglicher hin und her und sagte nichts. Dann sah er auf. "Gut, dann reisen wir morgen früh los?" fragte er etwas hilflos. "Ich hol Dich dann im Morgengrauen ab, wenn es recht ist?" Seine Gesichtsfarbe hatte inzwischen wieder den normalen Ton angenommen. Gesund und wohlgenährt, aber Apollonius hielt schließlich seit Jahrzehnten selber Diät nach den Regeln der Vier Säfte Lehre.

    "Gut, dann reisen wir übers Land, wobei..." erwiderte Apollonius schon, als ihm die Blume hinters Ohr gesteckt wurde. Apollonius verstummte und sah Valeria verdattert an. Die restlichen Worte von Valeria rauschten an ihm vorbei, während seine Augen immer wieder irritiert auf die Blume schauten, die er nur aus dem Augenwinkel wahrnehmen konnte. Er holte tief Luft und atmete langsam ein und aus. Wieder wußte er nicht, wie er Valerias Verhalten verstehen sollte. Irritiert sah Apollonius kurz zu der Katze. Langsam aber sicher, bekam Apollonius das Gefühl, dass er mal ein paar klare Worte mit Valeria wechseln sollte.


    "Valeria! Ich bin Grieche, wie Du ja sehr wohl weißt. Römer und Römerinnen kenne ich zwar schon seit langer Zeit, kann aber ihr Verhalten immer nur schwer einschätzen." Etwas unbehaglich rang er langsam mit seinen Händen. Solche Gespräche machten ihn immer ganz nervös und hippelig. Das war nichts, was mit dem Geiste wirklich greifbar war. "Aber wenn eine Griechin sich so mir gegenüber verhalten würde, käme mir ein gewisser Verdacht...Weißt Du, was ich meine?" fragte er sie. Sein Blick war sehr unsicher auf sie gerichtet und er nahm langsam die Blume von seinem Ohr weg.

    Wie schon im Park faltete Apollonius seine Hände auf dem Schoss. Bedacht nickte er langsam mit dem Kopf. "Ich war auch noch nie in Germanien. Ich bin schon sehr gespannt auf das Land und die Menschen dort. Wenn man sich mit ihnen überhaupt unterhalten kann!" meinte er und runzelte kurz die Stirn.


    "Aber ich hielt den Landweg für den Besten, da ich hörte, dass zur Zeit viele Piraten auf dem Meer unterwegs sind. Wobei natürlich der Weg über die Nordmeere bequemer sind. Was wäre Dir denn lieber?" Apollonius sah Valeria fragend an. Sie sollte entscheiden, welchen Weg sie nehmen würden. Schließlich war Valeria die Person, die unter der Reise am meisten zu leiden hatte.

    "Nun ja, die griechischen Mythen sind manchmal nicht unkompleziert. Besonders was die Beziehungen und die verschiedenen Legenden angeht. Aber Du wirst das bestimmt gut gemacht haben!" fügte Apollonius voll der Zuversicht an.


    "Mitgebracht?" Verwirrt sah Apollonius Valeria an. Was sollte sie ihm denn aus Rom mitgebracht haben? "Ähm..." murmelte er, doch dann nickte er langsam und ging mit ihr in die Schule hinein.

    Langsamen Schrittes fürhte der Medicus die hochschwangere Valeria zu dem kleinen Garten, der wunderschön in Frühlingspracht blühte. Der kleine Brunnen war von dem Laub des Herbstes befreit worden. Apollonius deutete auf eine kleine Marmorbank, neben der eine kleine Statue, die eine steinerne Blütenamphore im Arm hielt.


    Apollonius setzte sich auch auf die Bank. Dabei rückte er sein Gewand zurecht und betrachtete einige Herzschläge lang die Blumen. Doch schnell widmete er sich Valeria. "Die Reiseroute? Nun, ich dachte über die spanischen Berge und durch Gallia hindurch zu reisen. Also den Landweg zu nehmen. Was meinst Du dazu?"

    "Danke!" erwiderte Apollonius auf die Grüsse. Er kratzte sich den Bart und nickte langsam. "Schade! Sehr schade! Dabei ist es doch ein faszinierendes Thema. Hast Du wenigstens etwas mitnehmen können? Waren die Fragen schwierig?" Hinter Valeria war ein Rascheln und unruhiges Germurmel zu hören, was Apollonius dann doch ablenkte.


    Apollonius sah kurz an Valeria vorbei. "Fahrt schon mal rein!" wies er die Männer an. Dann sah er zu Valeria. "Magst Du auch eintreten? Oder soll Dich Marcus gleich wieder nach Hause bringen?" Die zwei Wägen polterten derweil durch das Tor hindurch und in die Schule hinein.

    "Tu ich das?" fragte Apollonius verwirrt. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass seine Gedanken woanders hin schweiften. Doch er riss sich mal am Riemen und versuchte sich nur auf eines zu konzentrieren, das Gespräch mit Valeria. Sein Blick schweifte zu den Wägen.


    "Ich denke, dass ich da durchaus noch etwas Platz schaffen kann!" Dabei gedachte der Medicus nicht daran, selber Hand anzulegen. Das sollten schon seine kleine Sklavenhorde besorgen. Sonst würde er sie ja umsonst durchfüttern. Doch dann wandte er seinen Blick wieder von ihnen ab. "War der Cursus schlecht? Oder was meintest Du vorhin...?" fragte Apollonius interessiert. Aber er bedauerte nur ein wenig, dass er nicht daran teilnehmen konnte. Über die Mythen seiner Heimat musste man ihn wirklich nicht belehren.

    Apollonius nickte. "Ja, ich bin so ziemlich fertig. Ich habe meine Stellung hier aufgeben. Daidalos Labyrinth ist ausgeräumt und ich bin eigentlich bereit zum Aufbruch. Aber zwei Tage kann ich mich durchaus noch gedulden."


    Apollinius zerfaserte seinen Bart mit einer Hand und strich ihn darauf hin wieder glatt. Dabei wandte sich seine Gedanken den Werken des Aristoteles zu, der über die Naturphilosophie lehrte. Über die Annahmen, wie ein Kind gezeugt wurde, mittels des Samens, der Frau und des Mannes, der im Gehirn gebildet wurde bis hin zur Entwicklung des Kindes. Seine Augenbrauen wanderten dabei hoch. Wieviele Eier hatte er schon geöffnet, um diesem Mysterium hinter her zu kommen? Wußte man doch schon seit Aristoteles, dass die Embryonen im Mutterleib nicht atmeten. Aber wie überlebten sie?


    "Wie wär es, wenn ich Dich dann übermorgen früh mit den Wägen an der Casa Decima abhole?" fragte er zerstreut, wobei er nachdenklich ihren Bauch betrachtete. Ja, wie überlebte das kleine Kind und wo bekam es seine Luft her? War es vielleicht noch kein richtiger Mensch? Eher unwahrscheinlich.

    Aber nicht gewappnet genug. Denn es war das erste Mal in seinem Leben, dass Apollonius von einer Hochschwangeren umarmt wurde. Er tätschelte sanft und freundlich Valerias Schulter, während er doch erstaunt war, wie ihre beiden Bäuche aneinander stießen. Aber der Medicus, im Gegensatz zu Valeria, hatte jedoch keine Hoffnung, seinen Bauch wieder los zu werden. Dieser Gedanke schoss ihm irrationalerweise durch den Kopf. "Oh! Bewegt sich da etwas?" murmelte Apollonius leise, trat dann von Valeria zurück. "Sacerdos? Schülerin? Aber wie wunderbar!" Apollonius Miene hellte sich auf und ein richtiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Großartig! Dann möchte ich Dir meine Glückwünsche aussprechen. Ich muss schon sagen, Du bist eine erstaunliche, junge Frau, Valeria. Andere Frauen in Deinem Zustand könnten nicht so viel leisten, wie Du es tust. Und selbst ohne Schwanger zu sein, würde es den Meisten nicht gelingen!"


    Insgeheim war Apollonius ja schon davon überzeugt, dass es wirklich sehr, sehr wenige Frauen gab, die überhaupt zu geistigen und öffentlichen Aufgaben geeignet waren. War er doch durch und durch Grieche und der festen Überzeugung, dass eine Frau eigentlich ins Haus gehörte, zu ihrer Familie. Aber Valeria gegenüber überwog seine Zuneigung, als dass er so etwas über sie denken könnte. Auch bewies sie ihm immer wieder, wie fähig sie doch war. "Dann bist Du bereit, nach Germania aufzubrechen?"

    "Aber natürlich doch! Dann klettert doch auf einen Wagen, ehrenwerte Valeria!" Phokas strahlte Valeria breit an. Er gab Valeria auch Hilfestellung, um auf den Wagen hochzukommen. Dann stieg er ebenfalls auf. Herrisch, wie es das Alter mit sich bringt, befahl er die Fahrt aufzunehmen. Die Wagen polterten durch die Strassen Tarracos. Der Fahrer mit Valeria, ein junger, blonder und hübscher Sklave, warf ihr immer wieder einen lächelnden Blick zu. Er schien sich tatsächlich auch zu bemühen, die Fahrt so ruhig wie möglich zu halten.


    Der Zug verließ dann die Stadt und fuhr in Richtung der Gladiatorenschule....

    Die Umzugswagenkolonne des Medicus kamen auf dem Weg herangepoltert. Auf den hinteren Ladeflächen war alles geladen, was Apollonius mit nach Germania mitnehmen wollte. Und das war nicht wenig. War er doch mit nur einem Sackbündel angekommen, vor vielen Jahren, hatte er nun schon einigen Krempel und Besitz angehäuft. Auch einige Sklaven würden mitkommen, 6 an der Zahl. Viele waren junge Männer, hatten auffälligerweise ein recht angenehmes Aussehen. Doch inmitten dieser Jünglinge fiel der alte Knochen, Phokas auf, der grimmig in Richtung Gladiatorenschule sah. Und eine wunderschöne junge Frau, in guter Hoffnung, begleitete die Wägen, Decima Valeria. Am Eingang angekommen, nickte Phokas dem blonden Sklaven zu. "Marcus! Lauf rein und such den Medicus!" Marcus nickte und sprang vom Wagen. Er lächelte Valeria noch mal augenzwinkernd zu und stürmte an den Wachen vorbei, denen er wohl kein Unbekannter war.


    Nach einer Weile kam Marcus wieder zurück und hatte im Schlepptau den Medicus hinter sich. Verblüfft sah Apollonius Valeria an. "Salve Valeria! Du bist wieder zurück? Und wohlbehalten, wie ich sehe!" Zufrieden nickte Apollonius und trat auf den Wagen zu. Innerlich rüstete er sich schon auf die stürmische Art von Valeria, die ihn sonst immer überrumpelte.

    "Oh, nun ja, der Sklave wäre nicht gerade die Gesellschaft meiner Wahl. Aber was soll ich machen?" Hilflos zuckte Apollonius die Schulter. Dabei wirkte er sogar etwas niedlich, wie er mit krausem Bart, einigen Tintenflecken an dem griechischen Gewand und gekniggter Miene dort saß. "Ich brauch ihn halt für Daidalos Labyrinth." Er beugte sich verschwörerisch vor und flüsterte leise. "Ich glaube kaum, dass ein Haus, von mir gebaut, lange stehen würde!" Er lächelte verlegen und zauste wieder an seinem Bart herum. Gedanken verloen, vergeistigt und die andere Hand auf dem leicht gewölbten Bauch liegend, sah er für einen Moment stumm durch den Park.


    "Ja, reisen wir gemeinsam!" wiederholte Apollonius leise und wie ein Echo. Er blinzelte kurz und nickte. "Aber ja, Du hast sicherlich noch viel zu tun! Wenn Du aus Rom zurück bist, kannst Du ja bei mir vorbei schauen. Und pass auf Dich auf, Valeria!" Er sah betont auf ihren Bauch herunter und lächelte gutmütig. "Dann eine gute Reise und dass Hermes Dir gesonnen ist. Vale, meine Liebe!" So verabschiedeten sich die Beiden und Apollonius begleitete Valeria noch zurück zur Schola. Danach strebte Apollonius in Richtung Daidalos Labyrinth. Es galt viel zu tun.