Beiträge von Caius Claudius Cunctator

    Cunctator sprang von seinem Pferd, steckte ihm ein Stück trockenes
    Brot zu, zog es an seinem linken Ohr zu sich herunter und blies ihm über
    seine Nüstern.
    Dann legte er seine Rüstung an und nahm seine Waffen.
    Auch damit klappte das Auf- und Absitzen von rechts und von links ein-
    wandfrei.
    Hoffentlich hatte der decurio auch dieses Mal nichts zum Aussetzen!

    Endlich war es soweit!
    Die hölzernen Böcke hatten ausgedient.
    Bei den Pferden, die die equites brachten, war auch die Ala Cursorum
    dabei. Schon von weitem fing sie zu wiehern an. Der eques, der sie
    am Zügel führte, konnte sie kaum halten.
    Cunctator nahm sein Pferd freudig in Empfang.. Seine Rüstung hatte
    er schnell abgelegt.
    Das Auf- und Absitzen von rechts und von links klappte wie am Schnür-
    chen. Ob das der decurio auch so sah?


    Na, Rom, wie gefällt Dir mein Pferdemädchen?

    Anerkennend sah Cunctator dem decurio, der die Übung mit einer
    Leichtigkeit vorführte, zu.
    Eigentlich war das Aufsitzen mit Waffen gar nicht so schwierig!


    Also: Die hasta in den Boden gerammt, mit der rechten Hand daran ab-
    gestützt, den Oberkörper über den Widerrist und Hals des Pferdes ge-
    senkt, das abgewinkelte linke Bein mit Schwung über den Pferderücken
    auf die linke Seite gebracht und ...


    Cunctator saß schneller auf dem Pferd wie er begreifen konnte.
    Und weil es so gut ging, das Ganze gleich noch einmal!


    Aber da war noch eine Frage:


    Decurio! Was mache ich, wenn sich die hasta nicht in den Boden ram-men läßt?

    Cunctator hatte dem decurio aufmerksam zugehört
    Aber beim besten Willen konnte er dessen Erklärungen nicht folgen.


    Vor dem decurio nahm er Haltung an.


    Verzeih`, decurio, wenn ich Dich nicht verstanden habe. Wenn ich den
    Schild in der einen und die hasta in der anderen Hand habe, also keine
    Hand frei ist, ist das dann so zu verstehen, daß ich mich mit der hasta
    vom Boden abstoße und dann mit dem Schild in der einen und der hasta in der anderen Hand auf dem Rücken des Pferdes zu sitzen
    komme? Verliere ich dabei nicht zwangsläufig meine hasta? Könntest
    Du nicht dieses Aufspringen mit Waffen vorführen?

    Ganz langsam fing auch Cunctator zu transpirieren an.
    Was soll`s ?
    Noch mal in voller Montur auf das Holz und wieder herunter, einmal von
    links und einmal von rechts.


    Was willst Du, Rom? Meiner Meinung nach bist Du genau so schnell
    wie ich. Ganz bestimmt!


    Ob Rom seiner Meinung war?

    Cunctator hatte Romanus bei seinen Übungen beobachtet.


    Mensch, Rom, alter Knabe! Gar nichts machst Du falsch! Denk` mal
    daran, wie Dir Dein Vater das Reiten gelernt hat. Hat er Dir nicht auch
    beigebracht: Zuerst kommt Dein Herz auf`s Pferd, dann erst Du!


    Cunctator fing zu Grinsen an.


    Und was machst Du? =)
    Du bist in Gedanken bei irgendeiner Schönen!
    So, und jetzt, konzentrier` Dich - - - und dann wollen wir mal sehen,
    ob ich immer noch schneller bin!

    Beim Anlegen seiner Rüstung wandte sich Cunctator an Romanus.


    Was sagst Du nun, Rom? Der decurio hatte nichts zu bemängeln. Viel-leicht ist doch entscheidender, daß wir schnell auf- und abspringen als
    wie wir schnell auf- und abspringen.


    Inzwischen an das Holzpferd gewöhnt fing Cunctator mit dem Aufsitzen
    von links und dem Absitzen nach links an ... und dann von rechts und
    nach rechts.

    Cunctator fing mit dem Aufsitzen von links und dem Absitzen nach links
    an ... und dann von rechts und nach rechts.


    Bei dem Holzpferd wollte es nicht so recht klappen.
    Jetzt kam ihm wieder einmal zum Bewußtsein, wie schön es doch ist,
    ein echtes Pferd zwischen den Schenkeln zu spüren!


    Auf der einen Seite hatte er er das Auf- und Absitzen - vor allem in der
    schnellen Art, dem Auf- und Abspringen - etwas anders gelernt, auf
    der anderen Seite war ihm klar, daß hier die Methode des decurio entscheidend war.


    So bemühte er sich, es dem decurio gleichzutun.


    Dann drehte er sich nach Rom um.


    Wie sah das aus? Ob das im Sinne des decuro war?

    Cunctator sah sich nach Romanus um.


    Hey, Rom, was meinst Du? Wollen wir unserem decurio einmal zeigen,
    wie wir zuhause das Reiten und natürlich auch das Auf- und Absitzen
    gelernt haben ... und noch dazu auf echten Pferden?


    Cunctator legte seine Rüstung - in der vorgeschriebenen Ordnung - ab
    und wartete bei einem Holzpferd auf Rom.

    Cunctator sah Romanus an.


    ... dann kannst Du ja ermessen, was für ein schönes Gefühl es ist, auf
    dem Pferderücken zu sitzen.


    Mein Reitlehrer war ein in Ehren ergrauter decurio, der mir viel aus sei-
    nem Leben mit und auf den Pferden erzählte, der mich vieles lehrte
    und dem ich vieles verdanke.


    Er gab mir einige seiner "Weisheiten" mit auf dem Weg:


    Das Glück aller Pferde ist der Reiter auf der Erde!


    Sich auf ein Pferd zu setzen, das kann ein jeder. Ein Pferd an der Leine
    zu führen und es mit dem Geist zu lenken --- viele lernen es nie!


    Reiten ist nicht reiten! Reite dein Pferd mit dem Verstand. Ein Pferd
    ist auch nur ein Mensch.


    Gib` einem Pferd nie die Gelegenheit, seine Stärke und deine Schwäche zu erkennen.


    Cunctator sah in Gedanken seinen alten Reitlehrer vor sich stehen.
    Schnell kam er wieder in die Gegenwart zurück.


    Vielleicht fing Romanus schon an sich zu langweilen.

    Cunctator überlegte, auf was Romanus hinauswollte.


    Mein Reitlehrer zuhause meinte, ich könne reiten. Von "gut" hat er
    aber nichts gesagt.


    Ob ich "gut" reite, fragst Du am besten mein Pferd. Das ist aber nicht ironisch gemeint!


    Der beste Reitlehrer, der einzig und allein jedem Reiter Gefühl beizu-
    bringen in der Lage ist, ist immer das Pferd. Unermüdlich und geduldig
    sagt es seinem Reiter, was er falsch gemacht hat. Man muß nur seine
    Sprache verstehen und auf seine Korrekturen hören. Anfänger über-
    hören meist diese Sprache und kommen sich noch sehr forsch vor,
    wenn sie dem "dummen Biest" vorwerfen, daß es stur, gefühllos, ver-
    braucht oder schlecht geritten sei.


    Kopfschlagen bedeutet immer einen Stoßseufzer des Pferdes: "Reiß`
    mich nicht so im Maul". Schlagen mit der Hinterhand nach dem Schen-
    kel heißt: "Du hast mich mit dem Sporn gekitzelt". Schlagen mit dem
    Schweif heißt: "Du gebrauchst deine Schenkel zu unruhig oder du kit-
    zelst mich mit dem Sporn".


    So "spricht" mein Pferd und ich versuche, mich daran zu halten.

    Nun war Cunctator in seinem Element. Den Göttern sei Dank, daß er
    sich die Worte seines Reitlehrers zuhause gut einprägte.
    Er nahm vor dem decurio Haltung an.
    Decurio! Reiten kann jeder lernen, denn Reiten ist Geschicklichkeit und
    die eignet man sich nur durch "Ausprobieren" und "Üben", nicht aber
    durch Nachahmen einer äußeren Form an.
    Reiten ist sehr schön und kann zur Kunst, auch beim Militär, werden.
    Jeder hält sich gern für einen Künstler. Berufen ist aber nur, wer mit
    ganzer Seele in die Psyche eines Pferdes eindringt, wer nicht mit Ge-
    walt, sondern aus dem Gefühl heraus einen Zusammenklang herstellt.
    Gefühl ist keine schwarze Magie! Bis zu einem sehr erheblichen Grade
    kann sich ein jeder Gefühl aneigenen.
    Man muß dem Pferd ansehen, daß es sich wohlfühlt, und darf dem
    Reiter nicht ansehen, wie schwer der Weg ist.
    Der Reiter lenkt sein Pferd mit seinem Rückgrad, also seinem Gewicht,
    seinen Schenkeln und nicht zu vergessen mit seiner Stimme.

    Cunctator atmete tief durch. Erwartungsvoll sah er den decurio an, was
    der denn wohl zu seinen "Ausführungen" sagen würde.

    Lucius striegelte gerade einen Rappen.
    Mürrisch sah er Cunctator an.

    Du hast es erkannt: Ich habe wenig, oder besser gesagt, überhaupt
    keine Zeit - - - und außerdem, wie komme ich überhaupt dazu, jedem
    x-beliebigen probatus Auskünfte zu erteilen?


    Ist schon gut! Was ist Dir eine Auskunft wert?


    Sieh`einer an! Das klingt schon besser. Also, was willst Du wissen?


    Auf dem Herritt lahmte mein Pferd auf der linken Hinterhand. Als ich
    es hier einstellte, hatte es eine kleine Schwellung. Ist sie Dir vielleicht
    aufgefallen?


    Ja, da war eine Schwellung. Aber nach ein paar Tagen war sie ver-
    schwunden. Ich machte dem Stallmeister davon Meldung. Er befahl mir,
    Dein Pferd an die Longe zu nehmen, es anzutraben und auch anzu- galoppieren. Du kannst beruhigt sein: es ist alles in Ordnung.


    Da fällt mir ein Stein vom Herzen. Danke für die Auskunft. Mach`s gut!


    Halt! Hier geblieben! Wo bleibt mein Lohn?


    Was willst Du haben?


    Nun, ich habe gehört, wie Du dem Stallmeister von einer Tinktur er-
    zählt hast. Könntest Du mir so eine besorgen oder verraten, wie man
    sie herstellt?


    Ich habe das Rezept in der Unterkunft. Bist Du damit einverstanden,
    wenn ich es Dir in den nächsten Tagen vorbeibringe?


    Einverstanden. Aber vergiß`es nicht!


    Cunctator nahm vor dem Stallmeister noch Haltung an und verließ die
    Stallungen-

    Cunctator dankte dem Decurio, machte eine ordnungsgemäße Kehrt-
    wendung und war mit seinen Gedanken schon wieder bei seinem Pferd. Das Geld benötigte er dringend für die Tinktur, mit der er die lahmende Hinterhand mit der abklingenden Schwellung behandeln woll-
    te.

    Cunctator dankte dem Stallmeister.
    Weiter hinten sah er Lucius stehen.
    Entschuldige, Lucius, der Stallmeister sagte mir, daß Du für mein Pferd,
    die Ala Cursorum, verantwortlich bist. Ich sehe, Du hast viel zu tun; aber könntest Du mir vielleicht einige Fragen beantworten?

    Cunctator hatte das kurze Zucken der Mundwinkel des Vexillarius be-
    merkt. Die Richtung zeigte eindeutig nach oben! Seine Glückwünsche
    waren also mit Wohlgefallen aufgenommen worden. Aber das Ganze
    spielte sich ja im militärischen Bereich ab und da ist bekanntlich jegliche
    Gefühlsregung verpönt.
    ... und Cunctator lernte weiter:
    Zeige nie Deine persönlichen Regungen und vermeide übertriebene Höflichkeit!

    Cunctator hatte von der Beförderung des duplicarius gehört.
    Nun hielt ihn nichts mehr. Er wollte den Schiefer, den er sich einge- zogen hatte, so weit wie möglich ausspucken.
    Er sprintete auf den ehemaligen duplicarius los, baute sich vor ihm
    militärisch auf und strahlte ihn an:
    Vexillarius! Ich gratuliere Dir zur Beförderung ... und das kommt von
    Herzen!

    Nein, es gibt keinen Grund.
    Nur auf dem Herritt lahmte mein Pferd auf der linken Hinterhand. Ich
    behandelte es mit einer Tinktur, die ich im Handgepäck bei mir führte.
    Kannst Du mir sagen, ob Du eine Schwellung bemerkt hast?