Thracia

Aus Theoria Romana
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Lage und Geografie

Die Provinz Thracia war eine römische Binnenprovinz, die der gleichnamigen Landschaft sowie in ihrer Lage auf dem östlichen Balkan in etwa Teilen des heutigen Bulgarien und des europäischen Teiles der Türkei entspricht. Ihre Südwestgrenze nach Macedonia verlief knapp südwestlich des Flusses Nestus und reichte weiter nordwestlich zur Provinz Moesia superior hin nicht ganz bis zum Fluss Brongus. Nach Norden hin war die Provinz durch den schmalen Landstrich der Provinz Moesia inferior vom Danuvius (heute Donau) getrennt. Die übrigen Grenzen bildeten Schwarzes Meer, Marmarameer und Ägäisches Meet. Auch die Inseln Thamos und Samothrace vor ihrer Südküste gehörten zur Provinz.

Das Land ist vom Klima und Boden her rauh, mit Ausnahme einiger fruchtbarer Küstenregionen.

Vorrömische Geschichte

Einer Sage nach war Thracia Aufenthaltsort des Orpheus und des Apollon. Gesichert ist dagegen, dass das dort lebende namensgebende Volk der Thraker um 450 v. Chr. ein gemeinsames Reich bildete, das später vom Perserreich und danach auch von Alexander dem Großen erobert wurde und nach seinem Tod an Lysimachos fiel. Mit dem Ende des makedonischen Reiches 148 v. Chr. wurden die laut Strabon 20 thrakischen Stämme direkte Nachbarn Roms, ohne dass Rom Anstrengungen unternahm, das Gebiet zur Provinz zu machen. Lediglich Teile der südlichen Küstenregion wurden der neu errichteten benachbarten Provinz Macerdonia zugeschlagen, um mit der via Egnatia eine durchgehende Landverbindung zwischen Adria und Bosporus schaffen zu können.

Außer kleineren Grenzzwischenfällen mit einzelnen thrakischen Stämmen kam es zu keinen Zusammenstößen mit römischen Truppen, bis die griechischen Städte und auch die thrakischen Stämme ab 88 v. Chr. in die römischen Kriege gegen Mithridates hineingezogen wurden. In mehreren (teilweise verlustreichen) Militäraktionen konnte die Grenzsicherung jedoch gesichert werden. Auch in den Bürgerkrieg zum Ende der Republik wurde Thracia verwickelt, indem verschiedene einflussreiche thrakische Fürsten auf unterschiedlichen Seiten standen.

Ab etwa 30 v. Chr. setzte Rom Vasellenkönige als thrakische Herrscher ein, um die Lage weiter mit wenig Aufwand kontrollieren zu können. Insbesondere oblag zu dieser Zeit auch noch der Schutz der Donaugrenze (ripa Thraciae) den thrakischen Verbündeten. Dass dazu das strategische bedeutende, aber kleinere und ärmere nördliche Thrakien (nördlich des Balkankamms) und das größere und reichere südliche Thrakien zwei verschiedenen Königen unterstellt wurden, führte jedoch zu weiteren Spannungen. In deren Zuge ließ Rhaskuporis, Herrscher des nördlichen Teils, seinen Bruder Kotys, Herrscher des südlichen Teils, ermordern und wurde wenig später selber von römischen Truppen gefangen genommen und abgeurteilt. Als Konsequenz daraus vergrößerte Kaiser Tiberius 18 n. Chr. den nördlichen Teil und machte Rhoimetalkes, den Sohn des Rhaskuporis, zum neuen König, unterstellte den südlichen jedoch einem propraetor, da Kotys' Nachkommen noch minderjährig waren. Unter Caligula übernahm Rhoimetalkes (der seit seiner Jungend in Rom mit dem Kaiser befreundet war) die Kontrolle über ganz Thracia, bevor er selber 44 n. Chr. einem Mordkomplett seiner Gattin zum Opfer fiel. Damit war für Rom ein Anlass geschaffen, das Gebiet endgültig als römische Provinz zu organisieren.

Römische Geschichte

Im Zuge der Neuordnung wurde die ripa Thracia der benachbarten Provinz Moesia zugeschlagen, während der südliche Küstenstreifen von Macedonia hinzu kam. Diese Art der Grenzziehung wurde offenbar absichtlich so gewählt, dass Thracia als Binnenprovinz ohne Außengrenze geschaffen wurde. Verwaltet wurde sie daher auch zunächst nur von einem procurator, bevor Kaiser Trajan einen legatus augusti pro praetore mit Sitz in Perinthos (heute Marmara Ereglisi) einsetzte.

Bereits in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. sorgten vereinzelte Grenzzwischenfälle trotzdem wieder für Unruhe, auf die Septimius Severus mit einigen organistorischen Veränderungen reagierte. Dabei wurden unter anderem die unter Trajan gegründeten Städte Nicopolis ad Istrum (heute Nikup) und Macrianopolis (heute Reka) im Nordosten der Provinz durch eine veränderte Grenzziehung der Provinz Moesia inferior zugeschlagen. Byzantium (heute Istanbul) gehörte dagegen bis dahin zur Provinz Bithynia et Pontus, wurde jedoch für seine Parteinahme für Pescennius Niger bestraft und als untergeordnete Dorfgemeinde dem Territorium der thrakischen Provinzhauptstadt Perinthos zugeteilt.

Die Folgezeit blieb wieder ruhiger, woran unter anderem der aus Thracia stammende Kaiser Maximinus in der ersten Hälfte des 3. Jh. n. Chr. einen erheblichen Anteil hatte. Nach seinem Tod kam es jedoch immer häufiger zu verheerenden Einfällen der Goten, Karpen und Burgunder, die erst unter Kaiser Claudius II. geschlagen und zum Teil als Siedler planmäßig im Provinzgebiet angesiedelt wurden.

Als Folge der Aufgabe der Provinz Dacia wurde die untere Donaugrenze erneut neu geordnet, wodurch Thracia weiteres Land an seine nördlichen Nachbarprovinzen abgeben musste. Bei der Provinzreform des Diokletian fiel dieses Land der dioecesis Moesia zu, während Thracia selber in vier neue Provinzen in der dioecesis Thraciae bestand. Der Name Thracia als Provinzbezeichnung wurde nur noch im nordwestlichen Teil mit neuer Hauptstadt Philippopolis (heute Plovdiv) weitergeführt. Der Nordosten hieß fortan Haemimontus mit Hauptstadt Hadrianopolis (heute Edirne), der Südwesten Rhodope mit Hauptstadt Aenus (heute Enez) und der Südosten Europa mit der alten Provinzhauptstadt Perinthos, die inzwischen in Herakleia umbenannt wurde.

Nach der Reichsteilung bildete das Gebiet der ehemaligen Provinz Thracia ein wichtiges Kernstück des byzantinischen Reiches.

Strategische und wirtschaftliche Bedeutung

Strategisch bedeutsam war Thracia vor allem zu jener Zeit, in der es noch keine Provinz war. Zur Sicherung der Landverbindung nach Osten wurde daher der südliche Küstenstreifen schon früher unter direkte römischen Kontrolle gebracht, während später ausdrücklich ein Provinzzuschnitt gewählt wurde, der Abstand zur wichtigen Donaugrenze hielt. Neben dieser geostrategischen Rolle war Thracia allerdings auch als Rekrutierungsgebiet für Truppen relevant, da die Einwohner als mutig, zäh und zahlreich galten.

Die wirtschaftliche Erschließung des Landes wurde dagegen weniger sorgfältig und planmäßig durchgeführt. Während es in makedonischer Zeit beachtliche Stadtgründungen gegeben hatte, prägten unter römischem Einfluss zunächst vici als Handelsplätze sowie einige Veteranenkolonien das Bild. Erst mit der Eroberung der Provinz Dacia weiter nördlich erreichte auch Thracia als Handelsweg für die im Norden gewonnen Bergbauerzeugnisse ein erheblicher Aufschwung, der sich in reger Bautätigkeit insbesondere unter Kaiser Trajan zeigte. Auch in Thracia selber wurde Bergbau betrieben, ferner Ackerbau, Viehzucht und Holzwirtschaft, ohne dabei jedoch überregionale Bedeutung zu erlangen.

Literatur: Tilmann Bechert, Die Provinzen des römischen Reiches, Mainz, 1999