Das Zelt des Legaten

Meridius saß über einigen Karten und studierte mögliche Anmarschwege nach Uttarae. Auch wenn Sertorius hier in Numantia einen neuen Krieg eröffnet hatte, Uttarae und die Niederschlagung der Erhebung dort, waren immer noch die wichtigsten Kriegsziele, wenn das Beispiel nicht Schule machen sollte. Er dachte nach.

Dann rollte er die Karten zusammen, erhob sich und warf ein paar weitere Kohlen in das kleine Becken.

"Geta!"

Der Primus Pilus trat ein und brachte eine Wand von Kalt mit in das Zelt.

"Eques Florus von der Ala soll sich hier melden!"

Meridius saß gerade am Kohlebecken und wärmte sich die Hände. Obwohl es im Zelt um einiges wärmer war als in den meisten Unterbringungen des Lagers, war es dennoch kalt.

"Bitte setz Dich."

Er wies ihm mit einer Handbewegung einen Platz zu.

Meridius musterte den Mann.

"Wie kommst Du in der Ala zurecht?"

Meridius nickte mit dem Kopf.

"Und wie gefällt es Dir bei der Ala generell? Ich meine, Du bist dort, weil Du das Bürgerrecht bekommen möchtest, und Deine Dienstzeit ist eigentlich abgelaufen..."

Meridius blickte ihn an.

"Könntest Du Dir vorstellen bei der Ala zu bleiben? Wir können fähige Männer gebrauchen. Und es ist gut, wenn wir Offiziere haben, die römsiche Bürger sind. Du wirst es sicher weit bringen..."

"Nun, ich war nie ein Mann, der um den heißen Brei herum redet. Und ich habe immer offen mit meinen Männern geredet, Soldat, daher bewundere ich, dass Du es ebenso hälst."

Meridius lehnte sich zurück.

"Ich fasse mich kurz: Du hast das römische Bürgerrecht erhalten. Die Urkunde liegt beim Proconsul. Wenn das Wetter nicht so schlecht wäre, wäre sie sicher schon eingetroffen."

Dann fuhr er fort.

"Dein Offizier, Crassus, er ist ein fähiger Mann und wenn seine Karriere weiter gehen soll, werde ich ihn zur Legio IX versetzen müssen. Das würde bedeuten, dass sein Posten eines Tages frei wird. Nicht heute und nicht morgen, aber in absehbarer Zeit. Wenn Du sagts, dass Du nach oben möchtest, hast Du bei mir die Chance..."

Meridius lächelte.

"Sicher. Nur Du weißt, die Ala und die Legio IX sind Deine Heimat und Deine Familie. Wenn Du eines Tages einmal oben stehen wirst, wirst Du diese Familie brauchen. Und sie wird für Dich da sein, wie sie für jedes ihrer Kinder da sein wird."

Meridius blickte nackdenklich in das Feuer.

"Aus welchem Land kamst Du noch einmal?"

Meridius schaute ungläubig.

"Und warum gingst Du dann zur Ala? Warum nicht gleich zu den Legionen? Ich meine, wozu hast Du Dir das Bürgerrecht erarbeitet?"

Meridius nickte erneut mit dem Kopf.

"Ja, das Leben..."

Er lachte kurz und erhob sich dann.

"Eques! Es hat mir Spaß gemacht mit Dir zu plaudern!"

Dann ging er an seinen Schreibtisch und machte sich wieder an die Arbeit.

Meridus hatte sich gesetzt und den Brief hastig überflogen. Die Gedanken in seinem Kopf kreisten, sprangen über die beinahe zwei Jahrzehnte zurück in die Vergangenheit, dann wieder hier zurück in das kalte Zelt vor Numantia. Iulia Severa.

Iulia Severa - Hatte sie also diesen römischen Advocaten geheiratet. So wie es ihre Eltern immer wollten. Meridius schmunzelte. Wann hatte er sie das letztemal gesehen? Vor beinahe 15 Jahren und sie hatte keinen Ton gesagt. Und jetzt - jetzt hatte er einen Sohn.

Meridius lehnte sich in seinem Stuhl zurück und vergaß, dass Livianus noch im Raum vor ihm stand. Bilder der Vergangenheit kamen in ihm hoch, wie er Iulia kennen lernte, schon damals in der Kindheit, wie sie miteinander durch Tarraco rannten, sich nachmittags in den Heuwiesen versteckten, wie sie beide erwachsen wurden, und die Liebe und das andere Geschlecht entdeckten...

Iulia.

Einen Sohn.

Meridius kam wieder zu sich und blickte angestrengt in das Feuer, welches das Zelt erhellte. Dann richtete er seinen Blick auf Livianus.

Meridius lächelte etwas verlegen.

"So würde ich es nicht sehen. Kennst Du vielleicht noch diese Iulia Severa? Das war die Tochter von diesem Magistraten an der unteren Strassenecke. Als Kinder haben wir miteinander gespielt und sie war auch meine erste Liebe..."

Meridius schmunzelte.

"Sie musste dann diesen Advocaten ... - der Name ist mir entfallen - heiraten und reiste mit ihm was weiß ich wo hin, ich habe sie nur noch einmal gesehen. Anscheinend jedoch hat sie ein Kind von mir unter ihrem Herzen getragen und dieser Knabe, jetzt 16 Jahre alt, meldete sich vor ein paar Tagen in unserer Casa..."

Meridius lachte.

"Diese Frauen... Ach Iulia war etwas ganz besonderes."