• Der Iunier war in der Tat gesprächiger Natur und Meridius war es recht. Er war zwar nicht mehr wirklich aufnahmefähig, da der Ritt sehr lange gewesen war, aber er hatte dafür einen gewissen Komunikationsbedarf, hatte er unterwegs doch nur mit seinem Pferd und einem Begleiter geredet, von welchem er sich auf dem Weg zur Casa getrennt hatte, da dieser an einen anderen Ort zu reisen gedachte. Den Schilderungen des jungen Iuniers zu entnehmen, schien es dessen Familie zur Zeit nicht so gut zu gehen. Ein Eindruck, welchem Meridius nur bestätigen konnte. Er hatte lange nichts mehr von ihnen gehört. Der Anlass seines Kommens indess war praktischer Natur. Der Mann suchte ein Stückchen Land, wenn auch aus politischen Gründen. Und Meridius hatte Land. Und die Gründe verstand er auch.


    "Nun, Land ist zur Zeit wirklich mehr als gefragt. Die Preise gehen schon fast astronomisch in die Höhe. Erst neulich bot mir ein Makler ein Grundstück an ... Das ganze sollte eine Art Versteigerung sein und der Preis ging weit über das Doppelte hinaus. Ich zog es vor auszusteigen, da das Geschäft nicht mehr lukrativ war."


    Er musterte den jungen Mann und forderte ihn auf Platz zu nehmen. Dann ließ er sich selbst nieder. Es war immer praktisch, ein paar Stühle und Liegen herumstehen zu haben.


    "Ich selbst könnte Dir sicher helfen, nur wie Du weißt, ist Land ein wertvoller Besitz. Und ein ehrenvoller. Ich trenne mich ungern davon ..."

  • Der Iuner tat wie ihm geheißen und nahm Platz, jedoch ohne den Senator aus den Augen zu verlieren oder auch nur einen kurzen Moment unachtsam zu werden. Beim letzten Satz nickte er verständnisvoll. Da, wie er leider selbst bereits erfahren musste und vorher bereits kurz angesprochen hatte, der Kaiser jeglichen Verkauf von Grund bis auf weiteres eingestellt hatte, war es nur zu verständlich, dass sich niemand von seinen Länderein trennen wollte. Die Preise der Privatverkäufe steigen in solchen Zeiten enorm.


    "Das kann ich durchaus verstehen Senator. Auch bin ich mir über die horrenden Preise bewusst, die bei privaten Verkäufen angeboten werden. Mit ein Grund, warum ich es zu aller erst auch hier versucht habe, als mein Glück bei einem Makler zu versuchen. Meine finanziellen Mittel reichen für einen Grundstückskauf von 5000 Sz. Alles darüber könnte ich nur nach und nach abstottern.“

  • Der Fall war also klar und der Iunier schien ein verständiger Mann. Meridius dachte nach. Sollte er sich schweren Herzens von einem Grundstück trennen? Land war ein wertvolles Gut, im Land wohnte oft mehr Seele und Ehre als in allen anderen Gütern. Land war das einzig wirklich sittsame. Kriege wurden immer wegen Land geführt. Land vererbten Väter auf Söhne und wenn die Kaiser verdiente Männer ehren wollten, gaben sie ihnen Land. Ihm kam eine Idee ...


    "Ich hätte da vielleicht eine Möglichkeit ..."


    Inzwischen war der Sklave zurückgekehrt und hatte zwei Gläser und eine Kanne Wein auf einem kleinen Tischen abgestellt. Meridius nickte ihm zu und dieser schenkte zwei Gläser ein, ehe er sie den beiden Männer reichte.


    "... ich könnte Dir ein Grundstück verkaufen, sagen wir zu einem abgemachten Preis von 5000 Sesterzen. Du räumst mir aber ein jederzeitiges Rückkaufsrecht zum selben Preis ein. Sollte sich die Gelegenheit für Dich ergeben, ein weiteres Landstück zu erwerben, könnte ich meinen Besitz also ohne Probleme wieder zurückerlangen. Damit muss ich mich nicht wirklich auf Dauer von meinem Besitz trennen und Du hättest eine Sorge weniger."


    Mit Spannung beobachtete er die Reaktion des Iuniers. Blieb noch zu klären wie er die Einnahmeausfälle des Landes kompensieren würde, aber gut, die Iunier waren eine befreundete Familie. Da konnte man schon einmal auf ein paar Sesterzen verzichten.

  • Der junge Mann hörte aufmerksam zu und ließ sich das Angebot des Senators einen kurzen Moment lang durch den Kopf gehen. Ein jederzeitiges Rückkaufrecht könnte zwar auch die Folge haben, dass der Senator das Grundstück zurückhaben wollte bevor Silanus ein Neues kaufen konnte, jedoch war dies wohl die einzige Möglichkeit an dieses Stück Land zu kommen. Die Möglichkeit irgendwann an ein weiteres Grundstück zu kommen war auch nicht so abwegig. Als ritterlicher Tribun verdiente er kein Vermögen, aber konnte sich auch nicht beschweren und würde bestimmt über Kurz oder Lang die benötigte Summe ansparen können. Er nickte daher und gab sein Einverständnis zum Vorschlag des Senators.


    "Ich bin damit einverstanden Senator Meridius. Ich danke dir und stehe Tief in deiner Schuld."

  • Er hatte nichts zu danken, wie Meridius fand. Er war ein Iunier, kam aus Tarraco, der gemeinsamen Heimat, war damit ein Freund des Hauses. So einfach war das. Meridius winkte ab.


    "Ich schlage vor, wir setzen gleich einen Vertrag auf. Allerdings sollten wir noch darüber sprechen, wo das Landstück liegen soll. Ich habe Besitzungen in und um Tarraco, auf Sizilien, in den Albaner Bergen und im Norden Italias. Für mich entbehrlich wäre ein Landgut auf Sizilien. Du wirst es vermutlich selten sehen können, aber notwendig wird dies kaum sein ..."


    Wieder winkte er einen Sklaven herbei und gab diesem zu verstehen, dass er eine Wachstafel und etwas zu schreiben besorgen sollte. Der Sklave nickte und verschwand dann wieder.


    "Wie sehen Deine politischen Ambitionen aus?"

  • "Ich richte mich selbst verständlich ganz nach dir Senator. Wo das Grundstück liegt ist mir im Moment wirklich einerlei. Es geht rein um den formellen Besitz. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass unter deinen Grundstücken auch nur eines dabei wäre, dessen kauf sich nicht lohnen würde. Dazu machst du mir zu sehr den Eindruck eines guten und überlegten Geschäftsmanns. Das Landgut auf Sizilien wird also vorerst vollkommen genügen."


    Es war Silanus wirklich nicht wichtig, wo dieses Grundstück lag. Und wenn es am anderen Ende des Imperiums gewesen wäre. Er hatte ohnehin nicht wirklich die Auswahl und musste nehmen, was zu haben war. Ohnedies war Senator Meridius ein wohlhabender Mann, der vermutlich ausschließlich Grundstücke in bester Lage besaß. Während die beiden auf die Rückkehr des Sklaven wartete, zeigte der Senator Interesse an Silanus Zukunftsplänen und nachdem dieser nichts zu verheimlichen hatte, antwortete er auch ohne vorher viel überlegen zu müssen.


    "Um ehrlich zu sein hege ich derzeit überhaupt keine politischen Ambitionen Senator. Ganz im Gegenteil habe ich vor kurzem um ein Tribunat bei der Legio XXII Deiotariana angesucht und hoffe in wenigen Wochen meine Versetzung zu erhalten. Jedoch kann man nie wissen, was einem die Zukunft bringt. Daher möchte ich es keinesfalls Ausschlagen, irgendwann einmal eine politische Karriere anzustreben."

  • Interessiert hörte Meridius zu. Der Iunier strebte also eine militärisches Kommando in einer ägyptischen Legion an. Mit Sicherheit keine schlechte Wahl, wenn man politisch erfolgreich sein wollte, immerhin gehörte der Dienst in der Truppe in die Biografie jeden Römers, welcher an den Traditionen der Väter festhalten wollte. Er wollte gerade etwas antworten, als auch schon der Sklave erschien und die gewünschten Schreibutensilien brachte. Meridius beließ es daher bei einem kurzen Kommentar, mit welchem er dem Iunier viel Erfolg bei dessen Unternehmen wünschte und begann dann, die notwendigen Formalitäten aufzusetzen.


    Wenig später lagen zwei Ausführungen vor, welche nur noch von dem Iunier unterzeichnet werden mussten.



    ~ CONVENTIO ~


    Mit diesem Schreiben wechselt das Landgut des Senators Maximus Decimus Meridius in Cena nahe Agrigentum zum Preis von 5000 Sesterzen zum heutigen Datum in den Besitz des Lucius Iunius Silanus über. Dieser kann über den Besitz frei verfügen und diesen auch an seine Söhne vererben, ihn jedoch nicht weiterverkaufen oder verschenken. Dem Verkäufer Maximus Decimus Meridius, sowie seinen Erben wird ein Rückkaufsrecht zu ebenfalls 5000 Sesterzen eingeräumt, von welchem jederzeit Gebrauch gemacht werden kann. Darüberhinaus bestehen keine weiteren Pflichten, ausser dem Erhalt der betreffenden Liegenschaft in seiner heutigen Form. Das Geschäft wird gültig durch Unterschrift beider Parteien auf diesem Dokument, welches sich in dem Besitz des Verkäufers befindet und einer Zweitanfertigung, welche im Besitz des Käufers verbleiben wird, sowie durch Handschlag.


    ANTE DIEM XV KAL FEB DCCCLVIII A.U.C.
    (18.1.2008/105 n.Chr.)


    gezeichnet



    gezeichnet
    MAXIMUS DECIMUS MERIDIUS



    edit: Rechtschreibung

  • Silanus beobachtete den Senator beim Aufsetzen des Vertrags, überflog das Festgehaltene aber dennoch, als er ihn überreicht bekam. Alles in Allem war es ohnehin das, was bereits besprochen war und der Iunier fand keinen Grund mehr, ebenfalls seine Unterschrift darunter zu setzen, was er schließlich auch tat.



    ~ CONVENTIO ~


    Mit diesem Schreiben wechselt das Landgut des Senators Maximus Decimus Meridius in Cena nahe Agrigentum zum Preis von 5000 Sesterzen zum heutigen Datum in den Besitz des Lucius Iunius Silanus über. Dieser kann über den Besitz frei verfügen und diesen auch an seine Söhne vererben, ihn jedoch nicht weiterverkaufen oder verschenken. Dem Verkäufer Maximus Decimus Meridius, sowie seinen Erben wird ein Rückkaufsrecht zu ebenfalls 5000 Sesterzen eingeräumt, von welchem jederzeit Gebrauch gemacht werden kann. Darüberhinaus bestehen keine weiteren Pflichten, ausser dem Erhalt der betreffenden Liegenschaft in seiner heutigen Form. Das Geschäft wird gültig durch Unterschrift beider Parteien auf diesem Dokument, welches sich in dem Besitz des Verkäufers befindet und einer Zweitanfertigung, welche im Besitz des Käufers verbleiben wird, sowie durch Handschlag.


    ANTE DIEM XV KAL FEB DCCCLVIII A.U.C.
    (18.1.2008/105 n.Chr.)


    gezeichnet
    LUCIUS IUNIUS SILANUS


    gezeichnet
    MAXIMUS DECIMUS MERIDIUS



    "Ich danke dir nochmals Senator! Es freut mich wirklich, dass wir nach wie vor in der Gens Decima einen engen Verbündeten sehen können. Ich hoffe wirklich, dass ich mich einmal dafür revanchieren kann."


  • Damit war das Geschäft zwischen den beiden Männern besiegelt. Meridius reichte dem Iunier die Hand.


    "Ich gratuliere zu einem neuen Landgut. Dein Problem hat sich damit aus der Welt geschafft...
    Du dürftest bei dem nächsten census keine Schwierigkeiten bekommen."


    Mit einem Lächeln wies er den Sklaven an, ihnen beiden einzuschenken. Dann griff er nach dem Glas, nahm einen Schluck und stellte es ab.


    "Wenn ich wieder etwas für Dich tun kann, Du weißt wo Du mich finden kannst. Und eines Tages, wenn ich einmal Deine Hilfe brauchen werde, werde ich mich bei Dir melden. Die Familie der Iunier und der Decima waren sich immer wohlgesonnen. Seit den Anfängen in Tarraco. Ich denke nicht, dass sich diesbezüglich etwas ändern wird."


    Sim-Off:

    Grundstück in WISIM angeboten.

  • "Das denke ich auch nicht Senator Meridius. Ich werde meiner Gens und vor allem meiner Cousine Attica bei der nächsten Gelegenheit über deine Großzügigkeit berichten. Sollte das Versetzungsgesuch zur Legio positiv beantwortet werden, so bin ich selbstverständlich gerne Bereit sowohl deine Interessen, als auch die deines Cousins Livianus, meines Patrons, in Aegyptus zu vertreten. Als Senatoren ist euch ja die Einreise in diese Provinz nicht erlaubt. Da könnte es sich bestimmt als Vorteil für euch erweisen, jemanden in meiner Position dort zu wissen."


    Das Angebot des Iuniers wahr ehrlich gemeint und da er sonst nicht viel geben konnte, hoffte er, dass es der Senator ähnlich sah.

  • Das Angebot des Iuniers kam überraschend. Meridius hatte nicht damit gerechnet. Die Tragweite indess war kaum abzuwiegen. In der Tat fiel ihm schon ein, wie sich der Silanus in Alexandria erkenntlich zeigen könnte, wenn er denn dorthin versetzt werden würde.


    "Ich danke Dir ..."


    hob er an und und fuhr dann nach einem Zögern fort.


    "In der Tat käme uns das sehr gelegen. Ich habe seit kurzem eine Nichte in Alexandria. Sie ist dort jedoch quasi ohne Schutz und Führsprecher. Wenn Du auf sie achten könntest, wäre ich Dir sehr verbunden. Doch alles zu seiner Zeit."


    Er lächelte.


    "Ich wünsche Dir in jedem Fall für Deine Zukunft alles Gute. Ich denke, Du wirst es weit bringen. Rom braucht fähige Männer. Gerade in Zeiten wie diesen..."


    Sein Gedanke ging nach Parthien. Die letzten Nachrichten in der Acta hatten ihm doch einige Sorgen bereitet. Ein Spaziergang war es, wie erwartet, nicht geworden.

  • "Vielen dank für deine Zuversicht Senator. Ich wünsche dir auch alles Gute und werde mich bei dir melden. Vale!"


    Mit diesen Worten verabschiedete sich Silanus beim Cousin seines Patrons und verließ die Casa Decima mit seiner Abschrift des Kaufvertrags unter der dem Arm eingeklemmt.

  • Elena bedankte sich bei dem Ianitor und trat einen Schritt zurück, um ihrer Herrin den Vortritt zu lassen. Seiana ging an ihr vorbei und betrat das Haus, und ihr Herz klopfte noch schneller. Das hier war ihre Familie, und viele von ihnen kannte sie sogar noch aus Tarraco. Was sollte denn schon passieren? Aber sie konnte sich einfach nicht helfen. Sie hatte nicht wirklich Zweifel daran, dass sie mit offenen Armen empfangen werden würde – aber die Ungewissheit über das, was nun kommen würde, nagte an ihr. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich verloren gefühlt. Nach Rom zu gehen, war ein erster Schritt gewesen, um sich selbst aus der Lethargie zu reißen, aber nun, wo sie hier war, wurde ihr auf einmal klar, dass es allein damit nicht getan war. Sie war in Rom – aber nur dadurch würde sich nicht viel verändern, abgesehen von ihrer Umwelt. Ihre Trauer würde nicht geringer werden, es würde ihr nicht leichter fallen Menschen zu begegnen… Das waren Dinge, an denen sie selbst arbeiten musste. Ein anderes Umfeld konnte ihr dabei helfen, ihr aber nicht alles abnehmen. Einen winzigen Moment zögerte Seiana. Dann straffte sich ihre Haltung, und sie betrat das Haus.


    Im Atrium war, wie der Ianitor gesagt hatte, Mattiacus. Ein Lächeln huschte über Seianas Gesicht, als sie ihn sah. Obwohl eigentlich ihr Onkel, waren sie ungefähr gleich alt und hatten als Kinder in miteinander gespielt, bis er mit 12 Jahren fortgeschickt worden war. Er hatte sich verändert – sicher, er war erwachsen geworden, ebenso wie sie –, aber nicht so sehr, dass sie ihn nicht wiedererkannt hätte. „Marcus.“ Ihr Lächeln war ehrlich, während sie auf ihn zuging, und sie spürte, wie ihre Aufregung etwas nachließ. „Ich freue mich, dich nach so langer Zeit wiederzusehen.“

  • Die Stimme einer Frau riss Mattiacus von seinem Buch.


    Er kannte diese Stimme irgendwoher, irgendwoher aus seiner Kindheit in Tarraco.


    Vor ihm stand eine wunderschöne Frau, die etwas jünger war als er, vielleicht 2 oder 3 Jahre.


    "Salve, ich bin ....." eigentlich war es unnötig sich vorzustellen, hatte sie doch seinen Namen gesagt. Währenddessen ratterte es in seinem Kopf. Gesichter aus seiner Kindheit flogen an ihm vorbei. Er dachte intensiv nach.


    Dann passte es auf einmal zusammen, die Stimme, das Gesicht, die Erinnerung.


    "Seiana..... was machst du denn hier? Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Es muss eine Ewigkeit her sein. Komm, setz dich, willst du was trinken?" Er rückte die beiden Korbsessel zurecht, die im Atrium standen, so dass sie gegenüber sitzen konnten.


    Mattiacus winkte einen Sklaven herbei und gab ihm zu verstehen, etwas zu Trinken zu bringen.

  • Ihre Aufregung war mit einem Schlag verschwunden, als Seiana Marcus’ freundliche Begrüßung hörte. Es mochte viele hier geben, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte, aber es war doch ihre Familie. Für einen Augenblick musste sie an Faustus denken, und sie fragte sich, was er wohl gerade tat. Man hatte ihr gesagt, dass er in die Legion gegangen und nun schon seit einiger Zeit in Parthien war, und ihre Gefühle waren gemischt. Ein Teil von ihr war immer noch wütend auf ihn, weil er einfach gegangen war, aber sie vermisste ihn, hatte ihn vom ersten Moment, da er weg war, vermisst – und seit dem Tod ihrer Mutter noch viel mehr. Der Gedanke, dass ihr kleiner Bruder irgendwo in diesem Krieg fiel und sie ihn nicht wiedersehen würde, drehte ihr den Magen um, und der heftige Streit, den sie gehabt hatten, machte es noch schlimmer. Auf der anderen Seite war sie stolz auf ihn, weil er es offenbar geschafft hatte, sich wieder aufzurappeln – und Wehmut war da, dass ihre Mutter das nicht mehr miterleben konnte. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, dass Faustus diesen Weg wählte, und jetzt wo er ihn beschritt, war sie nicht mehr da.


    Seiana spannte kurz ihre Kiefermuskeln an und vertrieb diese Gedanken. Wenn es den Göttern gefiel, würde Faustus aus dem Krieg wieder heimkehren, und dann… sie wusste nicht, was dann kommen würde, wusste nicht wie sehr er sich verändert hatte, und da war immer noch der heimliche Groll, den sie selbst hegte. Aber ihr war inzwischen immerhin bewusst, dass sie im Grunde nicht wirklich wütend auf ihn gewesen war, sondern auf die Umstände, die sie in Tarraco gehalten hatten. Er war gegangen, aber was hätte sie getan, hätte sie die Wahl gehabt? Seiana verzog ihren Mund zu einem Lächeln und schob die Grübeleien endgültig weg. „Es müssen annähernd zehn Jahre her sein, denke ich.“ Sie folgte Marcus und setzte sich auf den angebotenen Korbsessel. Was machte sie hier… „Ich bin hier…“ Sie stockte kurz und setzte dann neu an. „Ich bin nach Rom gekommen, um hier zu wohnen. Ich habe schon länger darüber nachgedacht, und seit… seit dem Tod meiner Mutter…“ Seiana war froh, als der Sklave wieder herein kam und ihnen die Getränke brachte, Wein mit Wasser vermischt. Sie nahm einen Becher und nippte daran, bevor sie weitersprach. „Sie war der Hauptgrund, warum ich in Tarraco geblieben bin, und nachdem alle ihre Angelegenheiten geordnet waren, gab es kaum noch etwas, was mich dort hielt.“ Ganz im Gegenteil. Seit ihrem Tod gab es immer mehr, was Seiana schließlich vertrieben hatte – angefangen mit den Erinnerungen bis hin zu dem Mitleid der Menschen, das sie irgendwann nicht mehr ertragen hatte. Sie nippte erneut an dem Weingemisch und lächelte dann wieder. „Und jetzt bin ich hier.“

  • Mattiacus nahm einen Becher.


    "Und das ist schön." erwiderte er und lächelte sie dabei an.


    Er nahm einen Schluck Wein und dachte kurz nach.


    "Wenn du nun auch hier bist, dann ist keiner mehr von unserer Familie mehr in Tarraco. Es sind nun alle in Rom."

  • Man hatte Meridius mitgeteilt, dass Besuch eingetroffen war. Diese Nachricht war für ihn Anlass, sein Zimmer zu verlassen, in der Hoffnung, der Besuch könne ihn ein wenig über seine Trauer hinweghelfen. Es half ja nichts, wenn er die ganze Zeit mit seinem Schicksal haderte und den Verlust seines Sohnes betrauerte.


    So betrat er wenig später das atrium und erblickte Mattiacus, sowie eine wunderschöne, junge Frau. Er meinte, in ihrem Gesicht bekannte Züge zu erkennen, konnte sie jedoch nicht sofort zuordnen.


    "Seid gegrüßt, ich hörte, wir hätten Besuch."


    sprach er, als er nähertrat und sich dabei eine Falte aus seiner Trauerkleidung strich.


    "Ich bin Decimus Meridius."


    Er wandte sich an die Besucherin und ihm fiel ein, dass er erst kürzlich Korrespondez bezüglich einer Decima hatte, welche von Tarraco nach Rom übersiedeln wollte. Bei der Dame vor ihm konnte es sich eigentlich nur um Decima Seiana handeln.

  • Seiana lächelte und trank erneut einen Schluck. „Ja… mein älterer Bruder, Caius, ist auch auf dem Weg hierher. Er hat sich von unserer Gruppe getrennt, als wir in Rom angekommen sind, dürfte aber ebenfalls bald hier eintreffen.“ Sie wusste nicht, was Caius noch vorgehabt hatte, und sie hatte auch nicht gefragt, als er verkündet hatte, noch ein bisschen durch Rom zu streifen, bevor er das Haus der Decimer aufsuchen würde. Sie hatte einfach nur ankommen wollen. „Was hast du gemacht, seit du aus Tarraco fort bist? Oder besser, was machst du inzwischen?“


    Sie sah auf, als noch jemand das Atrium betrat. Seiana meinte den Mann zu kennen, aber bevor sie überlegen konnte, wer er sein mochte, kam er schon auf sie zu und stellte sich vor. Meridius. Mit ihm hatte sie Kontakt gehabt, hatte ihren Wunsch mitgeteilt, nach Rom zu ziehen. Sie erhob sich, um ihn zu begrüßen. „Ich bin Seiana.“ Sie hatte das Zeichen der Trauer an der Tür gesehen, ebenso wie die Trauerkleidung der Sklaven, aber bisher hatte sie es vorgezogen, keinen Gedanken daran zu verschwenden, wer gestorben sein mochte, zumal Mattiacus dazu noch nichts gesagt hatte. Aber bei Meridius fühlte sie sich veranlasst, doch etwas zu sagen. „Der Augenblick meiner Ankunft scheint ungünstig zu sein. Ich… möchte niemandem zur Last fallen, verzeih mir.“

  • Sie war also Seiana. Hatte er in diesem Fall nicht falsch gelegen. Er lächelte und nickte ihr zu und winkte dann ab.


    "Du kommst keineswegs ungelegen und fällst auch nicht zur Last."


    Mit einem Blick auf Mattaicus fuhr er fort.


    "Wir alle hier heißen Dich willkommen und freuen uns, dass Du hier bist. Ich persönlich habe gerne ein volles Haus, ich finde es schrecklich, wenn man durch ein leeres Haus zu gehen hat ..."


    Vor allem, nachdem Lucius gestorben war. Etwas Leben konnte in dieser Situation nicht schaden und Seiana konnte ihn sicher etwas ablenken.


    "Was gibt es Neues aus Tarraco? Man bekommt hier fast nichts mit!"

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