• "Nicht direkt." wehrte ich ab. Über diese Dinge zu sprechen, verschafte mir ein äußerst unangenehmes Gefühl in der Magengrube. Wenn irgendjemand uns hören würde, oder wenn Seiana – ohne es zu wollen, ich vertraute ihr, aber ich wußte ja selbst wie schnell einem etwas herausrutschen kann, das man lieber für sich behalten hätte – doch etwas weitersagen würde, dann wäre ich dran... und sie auch.
    Eigenständig. "Hmm... schon, solange es im Rahmen der gebotenen Treue ist..." Vor meinem inneren Auge sah ich den Stadtpräfekten, sein joviales Lächeln... verspürte wieder die scheußliche Ohnmacht. Klein sein.
    Der Kaiser zu schwach, zu krank?
    "Sowas sollte man niemals laut sagen!" fuhr ich meiner Schwester beinahe über den Mund. "Er ist unser Kaiser. Er ist ein Feldherr, ein Kämpfer, er hat Schlachten geschlagen. Wie soll er denn jemals genesen, wenn wir nicht mehr an ihn glauben?! - Und überhaupt, wenn jemand dich hört....."
    Ich nahm die Fingerspitzen voll Weihrauch und ließ sie auf den Rost rieseln.
    "Ihr Laren, behütet uns vor Lauschern und unbedachten Worten." bat ich, dann erhob ich mich abrupt, machte dem gefährlichen Gespräch ein Ende.
    "Warte mal, ich hab noch was für dich..."


    Ich enteilte, und kam mit der Hasta caelibaris wieder, überreichte sie Seiana feierlich. Und obgleich es nicht gerade eine männliche Angelegenheit war, leistete ich meiner großen Schwester weiter Gesellschaft an diesem bedeutsamen Abend, erst beim Opfern und später sogar beim Frisieren.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Tropfen für Tropfen fiel das Wasser, in der großen Wasseruhr im Atrium. Es war Mitternacht. Barfuß stand ich auf dem kühlen Marmor. Es war dunkel, bis auf die kleinen Flämmchen hinter den Ahnenmasken, und die glimmenden Kohlepfannen vor dem Hausaltar. Und es war ganz still, bis auf das Tropfen der Uhr. Das Plätschern vom Impluvium. Und meinen Atem.
    Heute Nacht war die Nacht der Totengeister. Ich konnte spüren dass sie da waren... jedenfalls, dass da etwas war. Etwas, dass uns nicht wohl wollte. Es war in der Schwärze der Schatten, und in der... verzerrten Erscheinung der Statuen im Atrium, es war in dem Zischen, als die Glut mit einem Mal aufflammte... es war etwas, was ich nur aus den Augenwinkeln wahr nahm. Richtete ich meinen Blick direkt darauf, schien alles wie immer. Doch kaum wanderte er weiter, erwachten die Dinge aus ihrem Schlaf und veränderten sich auf eine subtile Weise. Die Totenmaske meines Onkels Magnus schien ihre Züge zu einem abschätzigen Grinsen verzogen zu haben. Irgendwo klapperte ein Fensterladen. Ein Grauen überkam mich, eisig im Nacken, und hastig lief ich zum Hausaltar.
    Da stand alles schon bereit. Ich benetzte meine Hände in der Schale mit dem Quellwasser, und zog mir eine Ecke der Lacerna über den Kopf. Dann Weihrauch, eine große Handvoll streute ich auf das Gitter über der Glut. Der Rauch quoll herab, floß über den Rand der Feuerschale und verteilte sich wie Nebel auf dem Boden. Der schwere, stickige Dunst stieg mir in die Nase. Unruhig blickte ich über die Schulter - mir war als habe jemand mich angestarrt. Als stünde jemand hinter mir. Aber da war nichts.
    Ruhig Blut, Faustus.... Es lag an mir, dieses Übel aus unserem Hause zu vertreiben, ich mußte jetzt die Nerven behalten!


    “Geister der Ahnen... Schatten unserer Vorfahren.... Wandelnde......“ begann ich mit zittriger Stimme. “ihr seid heraufgestiegen, in diesen Nächten, und unter dieses Dach getreten. Und seht, ihr werdet bewirtet wie es euch gebührt.“
    Ich nahm den Krug mit der Milch, und leerte sie in feinem Strahl in die große Schale auf dem Altar. “Wir geben euch weiße Milch, wir geben euch goldenen Honig, wir geben euch reifes Korn.“ Den Honig goß ich ebenfalls in die Schale, die Ähren legte ich daneben, unter die kleinen Figuren der Ahnen, der Laren und Penaten, des Genius Romani, der Trias, ausserdem Fortuna, Isis und Serapis...
    “Labt euch an diesen Speisen, nehmt bis ihr satt seid. Und darauf: geht! Wenn die Mitternacht vorüber ist, verlasst dieses Haus! Und kehrt vor Jahresfrist nicht wieder.“
    Ich nahm die Schale mit den schwarzen Bohnen, erhob mich und warf die erste Handvoll hinter mich.
    “Diese opfere ich, mit diesen Gaben kaufe ich mich und die Meinen los.“
    Prasselnd wie Regen fielen die Bohnen auf den Boden. Die Lichter flackerten, und ich war mir sicher, dass es mit einem Mal viel kälter geworden war. Nicht umsehen!! Ich verknotete meine Finger, um das etwas von mir fern zu halten. Schaudernd ging ich vom Hausaltar seitlich fort, schritt durch die Gänge des Hauses, und überall warf ich die Bohnen hinter mich, und nie sah ich mich um.
    “Diese opfere ich, mit diesen Gaben kaufe ich mich und die Meinen los.“ sagte ich wieder und wieder, und dazu sprach ich auch die überlieferten Worte, die so alt sind, dass kein Mensch mehr weiß was sie eigentlich bedeuten. Auf diese Weise ging ich durch das ganze Haus, und gelangte endlich wieder am Hausaltar an. Noch einmal tauchte ich die Hände in das klare Wasser, dann holte ich tief Luft und drehte mich um.
    “Manes exite paterni!“
    Mein Ruf durchbrach die Stille, hallte im Atrium wieder. Dann nahm ich die alte kupferne Rassel, und schwang sie, machte einen Heidenlärm damit.
    “Manes exite paterni! MANES EXITE PATERNI!“
    Neunmal. Der Lärm verklang. Geschafft!


    Ich atmete auf. Nun waren die Dinge wieder, wie sie zu sein hatten. Ahnenmasken waren starr und aus Ton, Schatten waren einfach nur Schatten. Befreit schüttelte ich die Lacerna vom Kopf, legte die kultischen Geräte beiseite und begab mich in meinem Cubiculum zu Bett. Ich schlüpfte zu Ravdushara unter die warme Decke, und schloß die Augen, müde und unendlich erleichtert. Die Lemuren waren verjagt, und dieses Haus und diese Familie würden wieder ein ganzes Jahr lang vor ihnen sicher sein.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Die langen Locken offen bis zur Hüfte reichend, barfuß und in einem einfachen Kleidchen, das schon etwas zu kurz war, trat Stella vor den Altar der Familia.
    In der einen Hand hielt sie etwas Weihrauch in der anderen eine kleine Schale mit Kräutern und Blumen.
    Sie spürte die Kälte des marmornen Bodens und erzitterte. Nicht nur vor Kälte sondern auch weil es das erste mal war, das sie vor diesem Altar stand, der dem der Decimer in Achaia ähnlich war und doch wieder nicht.
    Konnten sie die Götter hier überhaupt hören?


    Den Weihrauch und die Blumen streute sie auf das Gitter über der Glut und breitete ihre Hände aus. Der Rauch verbreitete sich im ganzen Raum und das junge Mädel fühlte, wie ihr leicht schwindelig wurde. Nichtsdestotrotz sprach sie ihr Gebet.


    Ihr Penaten und Ahnen der Familie, haltet eure schützende Hand bitte weiterhin über eure Söhne und Töchter. In Zeiten wie diesen besonders. Haltet wacht und führt uns durch die schwere Zeit.


    Das Mädel seufzte, auf dem Marktplatz erzählte man sich so einige Dinge die sie beunruhigten. Würde es zu einem Krieg kommen? - Wenn ja, dann wäre ihre Gens wieder in den vordersten Reihen vertreten. Sie hoffte, das es nicht so weit kommen würde. Und wenn doch - das die Götter ihre schützende Hand über Serapio, Massa und Titus halten würden.

  • Gleich nach Massa war auch Romana aus dem Tablinum geflüchtet. Vorbei an Nuha gelaufen und ihr nur flüsternd Anweisung gegeben, sie allein zu lassen. Unentschlossen und ohne Ziel lief sie allein durch die Casa, blieb schlussendlich vor der Tür zum Ara stehen. Ich danke dir Minerva, danke dir für das Lenken meiner Schritte. Innerlich aufgewühlt, sprach die Braunhaarige die Worte fast tonlos. Sein 'Valete, Romana' drängte sich zwischen jegliche Gedanken und hämmerte in ihrem Kopf.
    Mit seinem Aufbruch, dem Aufwühlen, der ihr fremden Gefühle, dem Schmerz über seinen Abschied blieb die Frage nach dem 'Warum'? Eine Antwort wollte die Braunhaarige in einem Gespräch mit ihrer Mutter vor dem kleinen Altar der Ahnen finden. Während sie hinein ging in den von Weihrauch geschwängerten Raum, der spärlich erhellt, sie erst einmal zum Verharren zwang, drängten sich Erinnerungen auf. Der Duft ihrer Mutter vermischte sich mit dem Vorgefundenen, ihre Stimme mit dem leisen Knistern des Feuers der Kerzen und der Schale für die Verbrennung des Rauchwerkes. Langsam ging sie weiter, bis sich ihre Augen an die spärliche Beleuchtung gewöhnt hatten. Mit ihren traurig wirkenden Hellblauen betrachtete sie die Lares Familiares, sah eher noch durch sie hindurch. Da waren diese Augen, die von Massa, wie sie starrten und wie sie sich entfernten und als leere Höhlen sich von den Gewändern der Figuren abhoben. Und es war da das Gefühl, was geblieben, in ihrem Herzen schmerzte. Was Romana seinem Gehen schuldete, der Tatsache, ihn erst im Herbst oder gar im Winter wieder zu sehen.
    Mit zitternden Fingern nahm sie von dem Weihrauch und ließ ihn in die Flamme fallen. Vom aufsteigenden Nebel leicht benommen, sank sie auf die Knie, den Blick nach oben gerichtet, auf der Suche nach der Anwesenheit ihrer Mutter. Bist du da Mama? Ich rufe dich Mama, du fehlst mir, du fehlst mir so sehr! Fast weinerlich war ihre Stimme, die eines kleinen Mädchens und nicht einer stolzen hübschen Römerin, die mit so viel Talent die Fähigkeit besaß, Schmuck zu entwerfen. Tonlos sprach ihr Herz von ihren Gefühlen. Aus ihr sprudelte ein Quell von Gedanken, so ungeordnet und spontan, im Fluss auf dem Weg zur Erkenntnis. Sich erhebend, sah sie gebannt in die wieder klarer werdende Flamme. Der Rauch war aufgestiegen und der Nebel in ihrem Kopf hatte sich gelichtet, selbst die Stimme war fest und sie klang nach Zuversicht. Du bist da Mama, du wirst immer für mich da sein und deine Familie wird für mich da sein.
    Wie von einer Last befreit schlug das Herz der Braunhaarigen. Die Zuneigung zu Massa, die Dankbarkeit gegenüber Serapio, beide ein Ersatz für ihre Familie in Rom, kamen ihr wie ein Geschenk vor, dass so wertvoll war, wie es keines ihrer Schmuckstücke je sein könnte.
    Von all dieser Leichtigkeit beseelt und mit der Gewissheit, Minerva werde ihre Schritte weiter lenken, verließ sie die Stätte der Ahnen auf direktem Wege in ihr Cubiculum.

  • Als sie wieder zu sich kam, fand sich Romana kniend vor dem kleinen Altar der Ahnen, nicht wissend wie sie dort hin gekommen war und von ihren Gefühlen total gefangen. In beiden Händen hielt sie zitternd die Tabula, deren Worte der Grund waren, weshalb sie fluchtartig ihr Cubiculum verlassen hatte. An alles Weitere konnte sie sich nicht erinnern und auch nicht, weshalb die gelesenen Zeilen plötzlich so eine Wirkung auf sie ausübten.
    Gerade noch schrieb sie Massa eine Antwort auf seinem letzten Brief und nun kam eine so absolut gegenteilige Nachricht. Tage mussten vergehen, bis sie es einzuordnen begann, bis sie Akzeptanz fand, weshalb er diese und keine anderen Zeilen wählte und nun schrieb er von Gefühlen, die ihren ähnelten und die er bisher mit sich herum trug. Wie im Sog eines Wasserwirbels fühlte es sich an, kreisten ihre Gedanken ähnlich einer Ertrinkenden. Letztendlich waren es zwei starke Arme, die sie hielten und deren Wärme ihr vertraut war. Und es waren die braunen Augen, die auf sie herab sahen, wo sonst die ihrer Mutter absoluten Schutz boten. 'War es möglich, dass es sich anfühlte, als war er bei ihr, dass er sie hielt und sie ansah? Gab es die Kraft wirklich, die ihr bisher verborgen blieb?' Sie war so wenig darauf vorbereitet und sich doch so sicher, in der Lage zu sein, zu lieben. Eine Liebe, die Crispus zu verhindern versuchte und die das Klopfen in ihrem Herzen zur Beklemmung werden ließ.
    Nach dem Ablegen der Tabula, erhob sich die Braunhaarige mit Zittern in den Knien. Dem brennenden Weihrauch zusehend, wie der Rauch sich nach oben kräuselte, dort wo noch vor wenigen Augenblicken sein Blick zu erkennen war, begann die Gewissheit in ihr aufzukeimen, sie musste Appius sehen. Mit ihm sprechen, ihm sagen, wie es in ihr aussah und vor allem wissen, wie es sich anfühlten würde. Während ihr Blick auf die Lares Familiares fiel und er Duft sich in ihre Sinne schlich, verfiel Romana ins Tagträumen und begann leise zu lachen. Da war er wieder, der leichte Schmerz, das Kneifen und das Bild, wie sie hüpfend und lachend über eine Blumenwiese lief, gejagt von ihm und da war das leichte Brennen auf ihrer Wange nach dem Kuss im Tablinum.
    Durch das leise Knistern einer nahen Kerze in die Wirklichkeit zurück geholt, nahm sie den Brief wieder an sich.
    Ich liebe dich Mama und ich weiß, du bist da. Geflüsterte Worte einer liebenden Tochter, auf die Augenblicke der Stille folgten, in denen sie andächtig ihrem Herzschlag lauschte. Bevor sie von der Gewissheit beseelt, in den nächsten Tagen nach Ostia zu reisen, sich leise aus dem Kreis der Ahnen zurück zog, sprach sie noch einen stillen Dank und verließ danach leise den Raum auf der Suche nach Nuha.

  • Aus seinem Cubiculum schlich Manius mit dem Messer in seiner Hand durch die Gänge des Hauses, welche zumeist in schummriges Flammenlicht waren getaucht, bis zu dem kleinen Hausaltar, an welchem die Decima ihre Ahnen und die Götter verehrten. Obgleich es nicht seine Ahnen waren, so waren es doch seine Götter - hoffte er doch, dass sie nicht alle ihn hatten verlassen -, wiewohl es keinen Altar oder Tempel gab, welcher sonstig ob seines Exils inmitten Roms für ihn wäre erreichbar gewesen. Vor dem Schrein verharrte er einige Herzschläge, ehedem er leise sein Gebet sprach.
    "Mens aeterna, gütige Göttin, Wä'hterin über Verstand und Bewusstsein, ich bitte Dich, schenke mir Deine Aufmerksamkeit für diesen Augenblick. Mit leeren Händen stehe ich vor Dir, denn nichts ist mir ge..blieben, nichts besitze ich noch an materiellem Wert, selbst die Klinge und Flamme für meine Gabe muss ich entlehnen."
    Er hob ein wenig die Klinge in das goldfarbene Kerzenlicht.
    "So bleibt mir nichts, als Dir ein Teil meiner Selbst zu geben, doch tue ich dies mit Freude, große Mens, dass Du mir Deine Gunst gewährst und mir zurückgibst die Herrschaft über meinen Ver..stand und mein Bewusstsein."
    Er hob das Messer und begann langsam, ein wenig ungeschickt sich eine Strähne seines Haares damit abzutrennen.
    "Mens aeterna, Wächterin über Verstand und Bewusstsein, dieser Teil meines Leibes sei Dir gegeben aus freien Stücken, gütige Göttin, Dein Wohlwollen und Deine Gunst zu erbitten, dass Du mir die Ma'ht zurückgeben magst über meinen Verstand."
    Vorsichtig hob er das Büschel Haare über die Flamme der Kerze, dass alsbald ein abominabler Geruch nach Verbranntem sich um den Altar herum ausbreitete. Beinahe versenkte Manius sich noch seine Finger, zog sie hastig zurück und unterdrückte einen in sich aufsteigenden Fluch. Mit der Linken fasste er sodann wiederum das Messer fest, hob die Rechte und schnitt mit einer schnellen Bewegung in deren Handfläche. Ein wenig wurde ihm blümerant vor Augen, wiewohl er vermied auf seine Hand hinab zu blicken, fühlte nur die warmen, zähen Tropfen, welche hinab in die Opferschale perlten.
    "Mens aeterna, … Wächterin über Verstand und Bewusstsein ..."
    Er musste seinen Geist zwingen, sich auf die Worte zu konzentrieren, allein ob des Gedankens an den Fluss seines eigenen Blutes nicht eben das Bewusstsein zu verlieren, um welches er bat.
    "Dieser Teil meines Lebens ... sei Dir ge..geben aus freien Stücken, gütige Göttin, ... Dein Wohlwollen und Deine Gunst zu er..bitten, dass Du mir die Macht zurück eben magst ... über mein Bewusstsein."
    Tief sog Manius Luft durch seine Nase, jene Luft welche noch immer erfüllt war von verbranntem Duft, und augenscheinlich schien der Einfluss der Göttin bereits zu wirken, denn mit der Beendigung seiner Bitte wurde ihm bewusst, dass er letztlich ein wenig überfordert war mit der Wunde in seiner Hand, dass er nicht einmal ein Tuch hatte mit sich genommen, den Schnitt zu schließen oder zu säubern, so dass ihm nichts übrig blieb, als die Hand noch ein wenig länger über die Schale zu halten in der Hoffnung, dass die Tropfen von selbst würden versiegen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Nachdem die Beiden mit der Besichtigung der Schäden endlich zum Ende gekommen waren, betraten sie die Ara.


    Langsam, wenn nicht gar andächtig, ging Dexter auf den Altar der Casa Decima zu. Dieser hatte ebenfalls unter den wiederholten Plünderungen gelitten, weshalb nicht mehr viel von seiner einstigen Pracht über geblieben war, doch für größere Reparations- oder Verschönerungsarbeiten war einfach keine Zeit.
    Er stellte einen der noch übrig gebliebenen silbernen Kerzenständer wieder auf und stellte eine Schüssel daneben, die er in einem der Cubicula noch entdeckt hatte, die sie durchsucht hatten, ehe sie die Ara betraten.


    Dann drehte er sich zu Rhea um und sah sie etwas hilflos an. Selbstverständlich hatte er in seiner Jugend bereits einigen Opfern beigewohnt, doch selber hatte er noch keines ausgeführt, schon garnicht alleine.
    ,,Haben wir vielleicht Weihrauch, oder was ähnliches noch da? Und eine Karaffe Wein?"

  • http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Hatte Rhea in den vorigen Räumen immer das Zepter in die Hand genommen und dem Decimus sofort erläutert, was welchen Schaden erlitten hatte, hielt sie sich hier zunächst zurück. Er wirkte nicht so, als ob er hier sofort einen Bericht hören wollte, und was er tat, ließ darauf schließen, dass er etwas ganz anderes vorhatte als auch hier einfach nur durchzugehen, was ersetzt oder repariert werden musste. Und tatsächlich wollte er ein Opfer darbringen. „Ich werde sofort nachsehen, Dominus.“ Mit diesen Worten drehte Rhea sich um und verschwand.


    Es dauerte ein bisschen, bis sie wieder auftauchte – und als sie es tat, war ihrem Gesichtsausdruck abzulesen, dass sie nicht ganz so erfolgreich war, wie sie es sich gewünscht hätte. „Weihrauch habe ich gefunden.“ Sie hielt ihm eine kleine Schale hin, in der der Weihrauch bereits fertig zum Anzünden bereit lag. „Wein leider nicht. Die Amphoren wurden entweder gestohlen oder sind zu Bruch gegangen. Aber der Garten blieb recht unberührt, dort sind einige schöne Blumen. Ich habe Amanirenas beauftragt, ein Gebinde daraus zu machen, aus allen, die sie finden kann.“ Blumen wurden zwar häufig geopfert, waren aber nur eine Beigabe, dessen war sich Rhea wohl bewusst. Nur: sie hatten im Moment einfach nichts anderes. Sie mussten sich mit dem behelfen, was hier war, wenn sie nicht warten wollten, bis sie auf den Märkten etwas anderes hatten besorgen können, hieß das. Ansonsten musste ausreichen, dass sie den kompletten Garten plünderten und dort nichts mehr stehen ließen, was Farbe und Schönheit dort hinein brachte. „Die Ahnen und Götter akzeptieren sicher auch das Versprechen eines größeren Opfers, sobald wir hier wieder etwas Ordnung schaffen und unsere Vorräte füllen konnten...“ fügte sie ein wenig hilflos hinzu.





    VILICA - GENS DECIMA

  • ,,Nun denn müssen wir uns damit begnügen, was das Haus momentan zu bieten hat. Mögen die Götter uns dennoch gewogen sein.", murmelte er etwas geistesabwesend und schloss seinen Satz mit einer Phrase, die er schon so oft gehört hatte und sie recht passend fand dafür, da es ja jetzt wirklich darum ging, dass die Götter gütig auf die Casa Decima herabsahen.


    ,,Aber lass sie nicht den kompletten Garten verunstalten. Wir haben schon genug Zerstörung im Haus.", sagte er noch und nahm ihr dann die Schale mit dem Weihrauch aus der Hand und drappierte sie auf dem kleinen Altar. ,,Vielleicht, besonders viel mehr als Versprechungen können wir momentan wohl eh nicht bieten...", murrte Dexter dann weiter, auf Rheas Vorschlag hin. Doch er wollte nicht mehr warten, er wollte sich jetzt darum kümmern, dass die Beschützer der Casa Decima entsprechend wohlgestimmt wurden. Auf dass kein äußerer Feind es mehr lebendig über die Schwelle schaffte.


    Ungeduldig drehte er sich dann um und sah Rhea fragend an. Wo blieb diese Amanirenas denn mit dem Gebinde, von dem die Vilica gesprochen hatte. ,,Gib mir bitte auch noch eine Fackel, oder Lampe.", immerhin musste der Weihrauch ja auch irgendwie angezündet werden.

  • http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Rhea sagte es nicht laut, aber sie schloss sich dem Wunsch des Decimus an: mochten die Götter ihnen gewogen sein... sie hoffte, dass dieses erste Opfer, so klein es auch sein mochte, ausreichen würde, um einen Anfang dafür zu setzen. „Sie wird vorsichtig zu Werke gehen, Dominus“, versprach Rhea. Sonst würde die andere Sklavin Ärger bekommen... es gab immerhin einen Unterschied zwischen verunstalten und ordentlich Blumen schneiden, um daraus ein Gebinde zu fertigen. „Sie werden Verständnis dafür haben...“ Es war gang und gäbe, dass Römer größere Opfer versprachen, sei es nun weil sie im Augenblick kein größeres leisten konnten, oder weil sie zunächst abwarten wollten, bis die Götter auch ihren Teil erfüllt hatten. Solange das Versprechen in angemessener Zeit erfüllt wurde, mussten sie es einfach akzeptierten, glaubte Rhea.


    Einige Momente lang herrschte Stille, in der die Vilica einfach nur da stand, sich im Hintergrund hielt – und wünschte, Amanirenas würde endlich kommen. Rhea lauschte auf Schritte von draußen, die die andere Sklavin ankündigten, aber noch war nichts zu hören... Stattdessen nahm sie also wie geheißen eine der Öllampen, die die Ara erhellten, und reichte sie dem Dominus – und im nächsten Augenblick tauchte dann endlich die andere Sklavin auf. In ihren Händen trug sie ein kunstvoll gewundenes Blumengesteck, in dem die schönsten Blüten zu sehen waren, die der Garten der Decimi zu dieser Jahreszeit zu bieten hatte. Amanirenas reichte das Gesteck dem Decimus. „Hier, Dominus.“





    VILICA - GENS DECIMA

  • Auf dass die Götter uns beistehen mögen..., ging es dem jungen Decimus durch den Kopf, der in diesem Moment noch immer der alleinige Hausherr über die Casa Decima Mercator war, denn die übrigen anderen männlichen Decimi waren entweder verstreut über das Imperium und Roma, oder saßen momentan im Carcer der Castra ein. Wahrlich kein beglückendes Bild, dass die Gens momentan abgab.


    ,,Danke.", antwortete er knapp, als er das hübsch hergerichtete Gesteck der Sklavin aus der Hand nahm und es mit beiden Händen prüfend vor sich hielt. Die Öllampe hatte er vor sich auf den Boden gestellt, um nun beide Hände frei haben zu können. Mit neugierigen Augen musterte er das Gesteck, dass die schönsten Blumen zierten, die Caius wohl bisher gesehen hatte. Die Pflanzen im Hortus mussten auf die Plünderer keinen wertvollen Eindruck gemacht haben, da sie nicht voller Eifer zerstört wurden, wie der rest wertvollem Eigentum in der Casa.


    Dann zündete er die Schale mit dem Weihrauch an. Jetzt gab es kein zurück mehr. Nun musste er das durchziehen, dass er in seinem bisherigen Leben immer nur von weiter hinten mit angesehen hatte, aber noch nie selbst ausgeführt hatte. Es gab kein zurück mehr und eine Schweißperle rinn dem Decimus von der Stirn, über die Schläfe und verfing sich dann an seiner unrasierten Wange in den Bartstoppeln. Der Weihrauch begann zu qualmen und umhüllte Caius in einen leichten Nebel - die Verbindung zu den Laren und den Göttern war nun geebnet und Caius nahm eine Haltung ein, wie sie bei solchen Opfern üblich war.


    Einige Atemzüge lang sog er die Weihrauch getränkte Luft ein und atmete sie wieder aus, ehe er den Mut fand etwas zu sagen.
    ,,Oh, Lares familiares, Beschützer der Familie, Hüter des Heimes und Mittelpunkt unseres Hauses.", fing Caius etwas unsicher an und versuchte zu den Laren zu sprechen. ,,Ich,", fuhr er dann fort. ,,Caius Decimus Dexter, Sohn des Titus Decimus Varenus und der momentan einzig hier Verbliebene der Decimi, spreche heute zu euch, als Ersucher eures Beistands.", stellte er sich den Laren vor, auf dass sie ihn nicht gleich wieder wegschickten. ,,Die letzten Tage waren ereignisreich und schwer für die Bewohner dieses Hauses. Soldaten schändeten die Grenzen unseres Besitzes.", Caius musste schlucken, als er an die Berichte von Rhea dachte, was an diesem Tag geschehen war. ,,Oh Lares familiares, Ich, Decimus Dexter, ersuche euch hiermit, schützt unser Heim, schützt unsere Familia. Auf dass uns solch ein Schicksal in der Zukunft erspart bleibt und helft uns bei dem Wiederaufbau.", versuchte er seinen Wunsch an die Laren, nach Schutz für die Casa zu formulieren. ,,Ich opfere euch hiermit dieses Gesteck, aus den schönsten Blumen die unser Grund hervorbrachte, in der Stunde unserer Not." War doch der materielle oder ideelle Wert der Opfergabe stark an das Gelingen des Opfers gebunden, doch was wäre wertvoller für Jemanden, der im Augenblick kaum etwas besaß, als das zu opfern, dass ihm als einzig schöner Anblick in der Casa geblieben war. ,,Nehmt diese Pracht an und behütet unser Heim weiterhin, wie ihr es früher auch getan habt. Ich verspreche euch, sobald es mir und den Meinen möglich ist, euch ein größeres Opfer darzubringen.", endete Caius dann mit dem Versprechen, dass die Bewohner der Casa Decima bei Zeiten ein prachtvolleres Opfer darbringen werden. Und wenn es nach Caius ging, sollte dieses große Opfer dann nicht nur an die Laren gehen, sondern auch an Mars, der mit seinem Wachhund diese Casa ebenfalls schützen konnte. Aber an Mars direkt zu opfern, ohne ein wirklich wertvolles Opfer, hatte sich der junge Decimus einfach nicht getraut. Dies müsste er ebenfalls nachholen. Er soll einen ganzen roten Stier bekommen, wenn diese ganze Geschichte für die gens Decima gut ausgehen sollte.
    Dann drappierte er das Blumengesteck auf dem Altar und verließ seine Opferhaltung, in dem er sich wegdrehte und wieder zu Rhea blickte, die offenbar die ganze Zeit nicht von seiner Seite gewichen war und blickte ihr direkt in die Augen. Selbst unsicher darüber, ob er nun eine Reaktion Rheas erwartete oder er einfach nicht weiter wusste und halt suchte.
    Mögen die Götter uns beistehen...

  • http://img853.imageshack.us/img853/2552/rheavilica.jpg Rhea blieb im Hintergrund stehen, während der Dominus mit dem Opfer begann. Sie starrte auf den glimmenden Weihrauch und schloss sich den Worten des Decimus an – stumm, aber dafür umso inbrünstiger bat sie darum, dass die Ahnen der Familie über sie wachen würden.


    Sie wartete, immer noch stumm, als das Opfer beendet war, wartete bis Dexter sich ihr zuwandte und sie ansah. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie in seinem Blick sah... aber es war nicht der Blick eines selbstbewussten Hausherrn, der genau wusste, was er als nächstes zu tun hatte. Erneut wurde Rhea bewusst, dass es im Moment niemanden gab, zu dem sie aufsehen könnte, dass sie diejenige war, die Halt geben musste. Von dem Decimus konnte sie das nicht erwarten, er war zu jung und unerfahren... und auch wenn sie wohl jung war, sie hatte ihre Position in diesem Haushalt nicht umsonst erhalten, und sie musste ihr gerecht werden, auch wenn sie sich selbst nicht so sicher war, auch wenn sie gerne einen Herrn gehabt hätte, der wusste was zu tun war. So allerdings nickte sie dem Dominus zu und lächelte leicht, bevor sie zur Seite trat und ihn an ihr vorüber gehen ließ. Für heute waren sie wohl fertig, viel mehr konnten sie nicht tun... außer stetig weiter die Aufräumarbeiten zu überwachen.





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  • Nach dem Tod der Messalina und des Varenus


    "Divi parentes, Schatten der Ahnen..."

    Ich kniete mich vor den Hausaltar und fachte die Glut der Räucherpfannen an, legte die Opfergaben bereit.


    Die Schicksalschläge waren hart über meine Gens gekommen. Zurückgekehrt von einer Rekrutierungsreise, hatte ich das Haus in Trauer vorgefunden. Messalina, einst meine kleine Messalinilla, die erste der Vestalinnen, ermordet – ich war fassungslos. Dass einer die Hand gegen sie erheben würde, die reinste und hehrste Jungfrau, die Verkörperung des Heiles und des Friedens mit den Göttern – es war ein Frevel jenseits des Denkbaren, und obwohl ich im Laufe meiner Soldatenjahre nun wirklich in so manch tiefe menschliche Abgründe geblickt hatte, so sträubte sich weiterhin etwas in mir, es zu glauben, dass dies wirklich geschehen war. Messalina, erstochen.
    Als wäre dies nicht genug, so hatte der Tod auch ihren Vater, meinen Vetter Varenus mit sich gerissen. Varenus und ich hatten uns nie gemocht, ich fand ihn pedantisch, er mich abnormal, nichtsdestotrotz waren wir familiär verbunden gewesen.
    Ich war wie benommen von den harten Schlägen und flüchtete mich ins Handeln – vollführte die Riten, beruhigte die Sklaven, nahm Trauerbekundungen entgegen (unter vielen anderen hatte uns ein wohlgesetztes, ehrlich klingendes Schreiben von Furius Saturninus erreicht), und nutzte meinen Rang, um zu versuchen zu verstehen, was da geschehen war.
    Natürlich ließ ich auch Haar und Bart wachsen, und trug nur noch schwarz. (Ja, ich verzichtete sogar darauf, mir von Narzissus weiterhin das Grau der Schläfen überfärben zu lassen. Meine Trauer war ehrlich, und schob auch meine sonst nicht gerade unbeträchtliche Eitelk... - will sagen, meinen ausgeprägten Sinn für Ästhetik - in den Hintergrund.)


    "Divi parentes, Manen und Laren, Schatten der Voreltern, dies sei euch dargeboten wie es euch gebührt."
    Räucherwerk, Kräuter, zerkrümelt zwischen den Fingern ließ ich auf die Glut rieseln, und Weihraukörner.
    "Beschützt unsere Gens... die, die von uns noch übrig sind... beschirmt uns vor Unglück und Not und vor den schwarzen Schwingen des unzeitigen Todes."
    Aus einem Krug goss ich weiße Milch in eine Schale auf dem kleinen Altar, aus einem anderen goldenes Olivenöl.
    "Varenus, mein Vetter, Messalina, meine liebe kleine Nichte..." Für mich war sie das immer geblieben, auch wenn sie es formell nach der Captio nicht mehr gewesen war. "möget ihr euch auf den elysäischen Felder wiederfinden, möget ihr glücksselig eingehen in die Ewigkeit, möget ihr ohne Groll hinabsehen auf uns, uns die wir unsere Leben hier noch um ein weniges fortführen."
    Einen dritten Krug nahm ich zur Hand und goss einen exzellenten Falerner in eine Vertiefung vor den Ahnenbildern.
    "Auf euer Wohl."
    Zwei Tonfiguren hatte ich anfertigen lassen, die ich nun zu den Ahnenfiguren hinzustellte – eine würdevolle bärtige für Varenus, und eine züchtig in Vestalinnentracht für Messalina. Noch einmal nebelte ich alles mit Weihrauch ein.
    "Messalina, Messalinilla..."

    Ein Erinnerungsfetzen driftete durch meinen Geist, ich erinnerte mich daran, wie ich einmal neben meiner kleinen Nichte auf einem Steg am Teich gesessen hatte, das war in unserem Domus calamis gewesen, wie sie damals mit ihrer Bestimmung gehadert hatte, wie niedergeschlagen sie gewesen war, weil ihr ein Opfer nicht geglückt war, und wie ich versucht hatte, sie zu trösten. Lange... lange war das her. In den darauffolgenden Jahren war sie hineingewachsen in ihre hohe Würde.
    "...sei versichert, dass ich alles tun werde, um deinen Tod zu rächen. Die Vergeltung, die dir zusteht, die sollst du bekommen!"


    Dies schwor ich, weil es das war, was sie verdiente, und so verharrte ich, kniend, während sich der Räuchernebel lichtete. Mir war sehr einsam zumute, und einmal mehr wünschte ich mir, die Verantwortung für meine Gens nicht alleine schultern zu müssen, die Würde und Bürde, unsere Ehre zu wahren und zumindest einen Rest des alten Glanzes zu erhalten, mit jemandem teilen zu können, wünschte, meine Schwester wäre noch hier, oder mein Vater. Gleich darauf versagte ich mir diese Schwäche. Ich war nun der Pater familias, war Tribun der Garde, musste handeln anstatt herumzujammern.


    Ein trockenes Schaben erklang, und aus einer Nische in der Mauer schlängelte sich unser Hausgeist, eine stattliche Äskulapnatter. Sie glitt zu der Opferschale, ließ ihre Zunge flackern und tat sich an der Milch gütlich. So wusste ich, dass das Opfer angenommen war.

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    Klient - Decima Lucilla

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