hortus et peristylium

  • Mit versteinerter Miene saß Livianus zurückgelehnt da, die gefalteten Hände vor seinem Mund, der Blick starr ins Leere gerichtet. Cornelius Palma, Tiberius Durus, Aurelius Lupus, Flavius Gracchus, Vinicius Lucianus, Vinicius Hungaricus, Flavius Furianus. Diese Gesichter dieser Männer drehten sich wie eine endlose Spirale vor seinem geistigen Auge. Konnte das wirklich der Wahrheit entsprechen? War es nicht nur die bloße Einbildung eines jungen Mannes, der nach seiner Gefangenschaft mit der Vermischung von Realität und Fiktion kämpfte und vielleicht sogar seinen Verstand verlor? All diese Männer, abgesehen vom Aurelier allesamt Consulare bzw. namhafte und ehrbare Honoratioren des Reiches, verwickelt in einen heimtückischen Giftmord an der kaiserlichen Familie? Konnte er sich tatsächlich so getäuscht haben? War dies der Grund dafür, warum gerade einige diese Männer so standhaft und entschieden versucht hatten sein Consulat zu verhindern? Livianus schluckte und nahm die Hände von seinem Mund.


    "Es sind schwerwiegende und weitreichende Vorwürfe die du gegen diese Männer aussprichst mein Sohn."


    Sein ernster Blick und dieser sonore Ton seiner etwas verlegten Stimme verrieten die Gewichtigkeit und die Last der entscheidenden Frage, die nun nachkam. Denn erst wenn diese Frage geklärt war, konnte er sich dazu hinreißen lassen näher auf die einzelnen Punkte aus Serapios Erzählungen einzugehen. Sie machte den gravierenden Unterschied aus zwischen brisanten Informationen die erneut die Stabilität des römischen Reiches ins Wanken bringen und unter Umständen einen Kaiser zu Fall bringen konnten, oder einer zusammengestrickten und unglaubwürdigen Geschichte, die im schlimmsten aller Fälle auch den Untergang der Hauses Decima bedeuten konnte.


    "Hast du stichhaltige Beweise, die diese Anschuldigungen untermauern? Und ich spreche dabei von mehr als einem Geständnis, dass unter Folter erzwungen wurde."

  • Argwöhnisch beobachtete ich jede Regung seiner Züge... - Klar. Natürlich. Er wollte mir nicht glauben. Aber... und das war das entscheidende... er tat es nicht einfach ab, als Spinnerei, sondern nahm es immerhin ernst was ich sagte. Allein das ließ mich ein klein wenig hoffen.
    Schwerwiegend. Eine erdrückende Last. "Ich weiß." sagte ich ziemlich ruhig. Denn diesen Entschluss hatte ich damals schon getroffen, vor der Veröffentlichung in der Acta, oder vielmehr hatte ich ihn mir abgerungen, mit allem Zaudern und Hadern und Grübeln, aber dann hatte ich mich eben dafür entschieden, die Wahrheit bekannt zu machen und so war es jetzt.


    Folter? Irritiert furchte ich die Stirn.
    "Wie kommst du auf Folter? Ich sagte doch, ich war einfach nur freundlich zu ihm. Das war auch viel effizienter. Vinicius war in Einzelhaft und schon lange gefangen und ausgehungert nach... naja, einem Menschen eben. Ein paar netten Worten. Und nach Würdigung dessen was er erduldete."
    Welch absurde Komik lag darin, dass ich das nun bestens nachvollziehen konnte.
    "Er brauchte nur etwas Zuspruch, einen Hauch von 'Verständnis', dann fing er an zu reden. Er war stolz auf die Taten der Verschwörer, und leugnete sie nicht, gebärdete sich als Patriot... Vielleicht war er das auf eine verquere Weise auch, also zu Beginn jedenfalls, aber... vollkommen verblendet und voll grausamer Hybris. Er hasste Vescularius abgrundtief, und darum sah er es als rechtens an, den Kaiser, der ihn eingesetzt hatte zu ermorden, und seine Familie gleich mit." berichtete ich, ohne meine Verachtung für diese zum Himmel stinkende Schweinerei zu verbergen.
    "Ein Schlüsselmoment war auch: Vinicius Lucianus war ja seit der Verhaftung isoliert im Kerker, wußte nichts von den Geschehnissen draussen. Aber als ich den Namen Cornelius Palma zum ersten Mal erwähnte, da sagte er, das habe ich noch genau im Ohr: 'Cornelius ist ein würdiger Kaiser'. Wie lässt sich das erklären? Ausser damit, dass die Verschwörer von Anfang an geplant hatten, Cornelius auf den Thron zu setzen. - Später bei seinem Prozess hat Vinicius sich übrigens vor allen Anwesenden zu seinen Schandtaten bekannt, ohne Reue. Frag Seiana."
    Unruhig sah ich mich um. Ja, wir waren noch immer allein. Ja, Ravdushara war noch immer auf seinem Posten.
    "Und das ist ja noch längst nicht alles..."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Es war keine einfache Situation in der sich der Decimer wiederfand. Einerseits die Vorwürfe und Schilderungen, die er sich seit seiner Rückkehr anhören musste, andererseits nun die größtenteils plausibel klingenden Erklärungsversuche seines Sohnes, der keinen ersichtlichen Grund hatte seinen Vater in dieser Angelegenheit anzulügen. Wenn es tatsächlich der Wahrheit entsprach, dass Lucianus nicht während seiner Gefangenschaft gefoltert worden war, so konnte man es als geschickten Schachzug der Verschwörer einordnen, die damit versuchten das Geständnis herunterzuspielen und es auf die Folter zurückführen wollten. Ein jeder der einer Folter bereits beigewohnt hatte wusste, dass jeder Mann, wie diszipliniert oder willensstark er auch sein mochte, irgendwann einen Punkt erreichte, wo er den Schmerzen und der Pein nicht mehr standhalten konnte und zusammenbrach. Schon oft wurden derart erzwungene Geständnisse zur Rechtfertigung eines nachfolgenden Urteils herangezogen, doch jeder klar denkende Mensch wusste, dass man irgendwann einmal alles gestehen würde, wenn der Folterknecht seine Arbeit verstand. Vielleicht setzten die vermeintlichen Verschwörer genau auf diese Tatsache im Zusammenhang mit dem Geständnis des Viniciers.


    "Man hat mich im Senat mit dem Vorwurf konfrontiert Vinicius Lucianus wäre während seiner Gefangenschaft durch die Prätorianer gefoltert worden. Unter Folter gestehen auch weit gestandene Männer als Lucianus alles was man hören möchte."


    Darauf, dass Serapio bisher immer noch keine stichhaltigeren Beweise vorgebracht hatte als das Schuldeingeständnis des Viniciers, ging Livianus vorerst nicht mehr ein, da sein Sohn mit den Erzählungen wohl noch nicht fertig war.

  • Wie schön wäre es, dies alles abstreiten zu können und die Wahrheit ohne die häßlichen Schmutzränder die sie nun mal hatte präsentieren zu können. Aber meine Kollegen bei der Garde waren ja zu Beginn wirklich wenig zimperlich mit den hochrangigen Gefangenen gewesen. Ich seufzte.
    "Die kaiserliche Familie war heimtückisch vergiftet worden. Natürlich wurden die des Mordes Verdächtigen nicht gerade mit Samthandschuhen angepackt. Wie gesagt, ich kam erst später aus Antiochia zurück, als die ersten Verhöre längst gelaufen waren. Nach allem was ich weiß wurde Vinicius da, zu Beginn seiner Haft, einmal wirklich etwas grob behandelt. Gesagt hat er da trotzdem nichts... Also, entweder war er ein wirklich ganz erstaunlich harter Bursche, oder die 'Folter' kann so schlimm nicht gewesen sein! Ich habe es jedenfalls mit Gewalt gar nicht erst versucht. Sondern ihn eben glauben machen, ich sei, als dein Sohn, ein Sympathisant jedes Vescularius-Feindes und wolle ihm helfen. Bei diesem Geständnis war keine Folter im Spiel. Und er war auch nicht gebrochen, glaub mir. Er war stolz auf seine Schandtaten. 'Ich hoffe Cornelius schafft es, sonst war alles umsonst', das waren seine Worte. Und er warf mit kitschigem Pathos nur so um sich. Sagte, er wolle 'den Baum der Freiheit mit dem Blut der Tyrannen tränken'."
    Düster fügte ich hinzu: "Ich frage mich, welche Tyrannis er dem jungen Maioranus vorwarf. Oder den tausenden von Soldaten die in diesem Bruderkrieg den Blutzoll für die Verbrechen der Verschwörer bezahlen mußten. Du... du kannst froh sein dass du nicht dort sein mußtest..."
    Blutzoll... blutig getränkter Boden, Blutschlamm, und darin verkrümmt und verstümmelt die toten Leiber der Gefallenen... all dies stieg vor mir auf, und fast meinte ich, in der Ferne schon wieder das höhnische Lachen der Keren vernehmen zu können. Ein kalter Schauder durchlief mich, ich biss mir auf die Lippen und schüttelte den Kopf, suchte es abzuschütteln, nur nicht wieder da... hineingeraten... Hastig griff ich nach dem Hanf, und streute eine ganze Menge über die Glut, fachte diese mit meinem Atem an, und als sich endlich kräuselnd der süße Rauch erhob sog ich ihn tief... tief in meine Lungen. Und noch einmal. Und noch ein drittes Mal. So... ja so... ich konzentrierte mich ganz fest auf das was um mich war. Der Garten. Die Kline. Mein Vater, dem ich alles erzählte. Wo war ich gewesen. Noch immer der Vinicius. Einfach weitersprechen.
    Sprich einfach weiter, Faustus.


    "Vinicius. Ähm. Ja. Also Vinicius. Sein Ankläger im Prozess war Octavius Victor. Der weiß also auch was Sache ist. - Und... da war noch etwas. Genau. Vinicius sagte mir ausserdem, einige Verschwörer seien ausgestiegen, als die Rede auf Kaisermord kam. Und der Rest habe dann eine Abstimmung abgehalten. Ich meine, eine Abstimmung. Das braucht man nicht, wenn man nur zu zweit ist, oder zu dritt. Eine Abstimmung, das macht man nur, wenn viele beteiligt sind. Wenn man dann da noch die Mitwisser, die vorher ausgestiegen sind, dazuzählt... dann ist das ein wirklich zahlreicher Kreis von Verschwörern. Nicht das Komplott einiger weniger. Und natürlich haben all diese Leute jetzt das Bedürfnis die Sache zu vertuschen."
    Ich schluckte, und griff wieder nach dem Hanf. Rieb ein paar Körner zwischen den Fingerspitzen nervös hin und her. Ich hatte einfach... Angst. Berechtigte Angst. Ich war kein Held und hatte ganz und gar nicht das Bedürfnis es allein mit dem Rest der Welt aufzunehmen.
    "Trotzdem, also obgleich die Verschwörer so zahlreich sein müssen, bin ich mir sicher, dass auch Unschuldige ins Visier geraten sind. Denn Vescularius hat dieses Verbrechen auf der einen Seite natürlich gerechtfertigt ahnden lassen, auf der anderen Seite hat er es aber auch für seine Zwecke instrumentalisiert, und versucht, sich damit seine Kritiker vom Hals zu schaffen. Zum Beispiel verlangte er, dass wir Aelius Quarto aufspüren sollten... obgleich auf dem bis dahin nun wirklich kein Verdacht lag. Mehr als einmal habe ich gedacht, wie gut, dass Du zu der Zeit in Hispania warst. Es war... " Müde fuhr ich mir übers Gesicht. Ich hätte meinen Vater gerne fragen wollen, was er denn wohl an meiner Stelle und mit meinem Wissen getan hätte.
    "... schwer. Es war eigentlich gar nicht mehr möglich, sich die Hände nicht schmutzig zu machen. Naja. Ich hab dann eben weiterermittelt. Versucht zu rekonstruieren was am Tag des Verbrechens da in der kaiserlichen Landvilla geschehen ist....."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Livinus seufzte leise als er hörte, dass der Vinicier tatsächlich nicht seinem Stand entsprechend Behandelt wurde. Denn auch wenn Serapio zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend war, so kommandierte er die dafür verantwortliche Einheit und im Umkehrschluss waren die Taten seiner Untergebenen auf ihn zurückzuführen. Genau dies so aussehen zu lassen war die Absicht seiner Gegner. Das bei dem Geständnis keine Folter im Spiel war, ließ Livianus aufhorchen. Wenn es dafür Zeugen und ein Protokoll gab, so hatte man endlich etwas in der Hand. Auch wenn es vermutlich nicht reichen würde, um einen Kaiser zu stürzen. Das musste auch Serapio klar sein.


    Zumindest war ihm klar, dass er sich unter Salinator sehr wohl die Hände schmutzig gemacht hatte. Das erste, wenn auch kleine Schuldeingeständnis, dass er bisher aus dem Munde seines Adoptivsohn gehört hatte. Doch ehe sich einen Gelegenheit bot näher nachzufragen, begann Serapio das Gespräch auf die Tag der Ermordung von Valerianus und seiner Familie zu lenken. Gespannt horchte der Senator auf.


    "Sprich weiter mein Sohn." forderte er Serapio auf, der mit seinen Informationen bestimmt mehr Klarheit in die Angelegenheit bringen konnte.





    CIVIS
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  • Gesprochen und gesprochen hatte ich... über unglaubliches und über schockierendes, über erhellendes und über unklares, mein Mund war schon ganz ausgedörrt, ich hatte mir die Worte mit aller Kraft abgerungen... und während dieser ganzen Zeit schwieg mein Vater ein Schweigen, das mir ausgesprochen beredt erschien. Ich fühlte mich gewogen. Streng. Und voreingenommen. Ich war noch lange nicht am Ende des Berichtes, aber das hier, das war ja nicht auszuhalten...!
    "Bona Dea, Vater..." unterbrach ich mich beklommen, bevor ich da noch weiter in die Tiefe ging, "Aber warum sagst du denn gar nichts?!"
    (Vielleicht hätte ich manches besser erklären können, wenn ich gewußt hätte was ihm wichtig erschien. Zum Beispiel hätte ich ihn daran erinnern könne, dass jenes Verhör, bei dem Vinicius Lucianus sich so erstaunlich hartgesotten gezeigt hatte, unter dem Praefectus Praetorio Terentius Cyrianus stattgefunden hatte.)

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    Klient - Decima Lucilla

  • "Was erwartest du von mir Serapio?! Du berichtest mir gerade über unvorstellbare Dinge. Versteh doch bitte wie schwierig diese Situation für mich ist. Es war ganz klar ein schwerer Fehler während der Zeit in Hispania meine Augen vor dem zu verschließen, was sich in Rom und im Rest des Reiches abgespielt hat. Nun wo ich zurück bin, bricht das Ganze über mich herein wie der Vesuv über Pompeii.


    Selbst wenn uns irgendjemand diese Geschichte glaubt. Du hast bisher noch keinen einzigen Beweis dafür geliefert, den ich dem Senat oder sonst irgendjemanden präsentieren und vorlegen könnte, in der Hoffnung, ich kann damit auch nur das geringste bewirken, außer unsere Familie noch mehr in Gefahr zu bringen.


    Vinicius Lucianus kann das alles nicht mehr bestätigen. Die Männer, die hier als Zeugen dienen könnten, wie etwa Octavius Victor, sind auf Grund ihrer Verbindungen zu Salinator und ihrer Rolle während des Bürgerkriegs unglaubwürdig geworden. Das echte Testament wird vermutlich vernichtet worden sein und die von dir beschuldigten Männer werden sich wohl kaum verraten. Noch dazu haben sie mittlerweile mächtige Unterstützer.


    Du weißt genau wie dieses Spiel läuft. Um vor den Senat zu treten und dem neuernannten Kaiser Giftmord und Verschwörung vorzuwerfen brauche ich beweisbare Fakten. Was erwartest du also von mir, außer mir anzuhören, was du zu berichten hast?"






    CIVIS
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  • Ich biss die Zähne zusammen. Was erwartete er denn?! Natürlich gab es nicht den einen, knalligen Beweis, der ein für alle Mal Klarheit schaffte und jeden Zweifler flugs überzeugte. Die Wahrheit war kompliziert, verschlungen und schmutzig.
    "Entschuldige" sagte ich gepresst, "ich habe mich schon so lange mit diesen Ermittlungen herumgeschlagen... und es geht mir immerzu im Kopf herum was man da machen kann, ständig, die ganze Zeit... da vergesse ich vielleicht, dass andere nicht so tief da drin stecken. Ja, ich kann nichts anderes erwarten, als dass du mir... offen... zuhörst... Und ja... es ist erstmal unvorstellbar. Man will es nicht glauben, dass diese hochangesehenen Männer sich zu einer solchen Infamie zusammengerottet haben! Aber es ist eben geschehen. - Und auch wenn es schwer zu glauben ist, die Alternative wäre es, den Verschwörern ihre Lügengeschichte abzunehmen. Und die ist doch... lächerlich! - Kaiser Valerianus soll Cornelius, einen Mann, mit dem ihn augenscheinlich nichts besonderes verband, dem er niemals öffentlich seine Gunst bezeugte, als seinen Nachfolger im Falle seines und Maioranus' Todes eingesetzt haben? Anstelle des Freundes, dem er offenkundig vertraute, und dem er die Regierung ja faktisch bereits anvertraut hatte? Die konspirativen Versammlungen in der Villa Tiberia, Tiberius Durus' Reise nach Syrien, die Aktivitäten dort, sein Freitod, die flinke Flucht der anderen Verschwörer aus Rom, der schlagartig losbrechende Aufstand in Syrien, das alles soll reiner Zufall sein?! Das Geständnis des Vinicius Lucianus, das er bei seinem Prozess vor vielen verschiedenen Personen stolz und starrsinnig wiederholte – ihm eingeflüstert von finsteren Prätorianern?! Was für ein Schmarrn..."


    Hatte mein Vater gesagt "dass uns jemand diese Geschichte glaubt". Uns? Vertraute er mir doch so weit?
    "Ich weiß nicht so recht, ob es überhaupt etwas bringen würde, die Verbrecher vor dem Senat anzuprangern." widersprach ich ihm, nur vorsichtig, um nicht respektlos zu erscheinen, "Die allermeisten Senatoren haben sich doch ängstlich Vescularius unterworfen, als er an der Macht war, und nun haben sie sich ängstlich Cornelius unterworfen, und wüten um so rücksichtsloser gegen seine Gegner, um nicht selbst für ihre frühere Katzbuckelei zur Verantwortung gezogen zu werden... Für solche Duckmäuser zählen keine Fakten, nicht Recht und Unrecht, sondern nur die Frage der Macht... und sie würden auch den allerüberzeugendsten Beweisen gegenüber erst dann die Augen öffnen, wenn man sie, ähem, auch mit militärischen Argumenten, etwas nachdrücklicher dazu motiviert."


    Aber solche Überlegungen waren im Augenblick wohl noch ein klein bisschen verfrüht. Erst einmal holte ich noch viel weiter aus, und berichtete Livianus stundenlang ausführlich alles, was ich über den Ablauf des Attentats an jenem Saturnalientag herausgefunden hatte*, von den Todesqualen der kaiserlichen Familie, von den Aussagen der Leibärzte, die sie nicht hatten retten können, von dem was das Gesinde gesehen hatte, und wie der Küchensklave Berisades sich letztendlich verriet. Ich erzählte auch von der Jagd auf Ulpianus Venox, den kaiserlichen Freigelassenen, der während Cornelius' Statthalterschaft in Syrien dort in dessen Verwaltung gearbeitet hatte, und der dem Küchensklaven Auftrag und Gift übergeben hatte. Erzählte wie der Centurio Iunius Seneca den Freigelassenen schließlich in Sardinien aufspürte und nach Rom brachte, und wie die Verhöre dieses Schurken uns dann doch nur an ein totes Ende führten. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt an dem wir nach Norden ins Feld hatten ziehen müssen.


    "Und jetzt," schloß ich verbittert (und heiser), "sitzt einer dieser schändlichen Verbrecher, die die Ulpier hinterrücks ermordet haben und den blutigen Bürgerkrieg über uns hereinbrechen ließen, auf dem Thron... und mit einem Mal soll also Wahrheit zu Lüge geworden sein, und Ehre zu Unehre... und der widerlichste nur vorstellbare infame Frevel gegen Götter und Menschen eine große Heldentat."



    *Von mir geschrieben und abgesegnet von der SL ;)

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    Klient - Decima Lucilla

  • Livianus blieb lange Zeit still und erwiderte nichts auf die weiteren Erklärungen und Ausführungen seines Sohnes. Man sah ihn jedoch an, dass er diese Zeit brauchte, um seine Gedanken zu ordnen. Einiges, das er zuvor nicht verstanden hatte, wo ihm schlichtweg die Zusammenhänge gefehlt hatten, schien langsam einen Sinn zu ergeben. Natürlich hatte er noch unzählige Fragen. Doch nun wo er bereits all dies wusste stellte sich letztlich nur eine entscheidende Frage. Was sollte er mit diesem Wissen anfangen? War es ihm tatsächlich von Nutzen oder eher eine weitere Last? Schließlich sah er wieder nachdenklich auf und räusperte sich, ehe er seinem Sohn antwortete.


    "Wahrheit, Lüge… Ehre, Unehre… letzten Endes wird die Geschichte von den Siegern geschrieben. Das war schon immer so und wird vermutlich auch immer so sein. Es ist durchaus kein Nachteil für mich, all dies zu wissen. Doch so wie du bereits richtig gesagt hast. Dieses Wissen aktiv zu nutzen und etwas daraus zu machen….. das wird wohl nicht möglich sein.


    Ich weiß es ist nicht einfach dies einzusehen Faustus, aber es wird wohl das Beste sein, wenn auch wir mit dieser Ungerechtigkeit leben lernen. Du warst lange genug Soldat und hast dich in den höchsten Kreisen der Gesellschaft bewegt um zu wissen, dass in Rom einzig und alleine Macht zählt. Und diese Macht liegt nun in den Händen Palmas. Ob wir damit nun glücklich sind oder nicht. Wir haben keine Legionen, wir haben keine Unterstützer, wir haben nichts, dass wir Palma entgegenhalten können. Im Gegenzug aber, könnten wir mit einer falschen Entscheidung oder einem unüberlegten Schritt Alles verlieren. Unsere Familie, unsere Freunde, unser Vermögen und unser Ansehen.


    Uns bleibt einzig und alleine die Möglichkeit offen dieses Wissen zu bewahren und auf einen Moment zu warten, wo wir es nutzen können, um irgendwann Gerechtigkeit walten zu lassen. Doch ob dieser Moment jemals kommt oder nicht, dass wissen nur die Götter."


    Das war gewiss nicht das, was Serapio nun hören wollte, doch es schien aus Livianus Sicht das einzige zu sein, dass er dazu sagen konnte.





    CIVIS
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  • Unglauben. Voll blankem Unglauben sah ich meinen Vater an. Hatte ich mich da gerade verhört...? Meine schwere Sorge war ja gewesen, dass er mir nicht glauben würde, aber nie hätte ich überhaupt nur in Betracht, gezogen dass er... - er! - angesichts solch abartiger Verbrechen einfach nur... die Hände in den Schoß legen würde!
    "Vater!" begehrte ich heftig auf. "Ja, und selbst wenn sie die Lügen zu Geschichte erklären, bleiben es schändliche Lügen! Und auch wenn sich die Mörder in Purpur kleiden, bleiben sie widerlicher Abschaum! - Warst du nicht Klient des Ulpius Iulianus?! Hast du nicht seinem Sohn Ulpius Valerianus als er Kaiser war die Treue geschworen? - Unser Kaiser und seine Familie sind durch Gift heimtückisch gemordet worden! Die Verschwörer haben den Bürgerkrieg entfacht, in dem wir Soldaten Roms dazu gezwungen wurden, uns gegenseitig abzuschlachten, TAUSENDE sind gefallen! Die Putschisten haben das Pomerium entweiht, das Blutbad bis hier in die Ewige Stadt getragen, ja bis hierher in dieses unser Haus und sie haben sich an deiner Familie vergriffen! Und alles was du tun willst ist.... nichts??!!"
    Nein, das weigerte ich mich zu glauben!
    "Bist du nicht der, der mich gelehrt hat, die Werte unserer Familie stets zu beherzigen, und danach zu handeln, gerade auch dann wenn es nicht leicht ist?! - Ich spreche doch nicht davon, morgen einen Umsturz anzuzetteln! Ja, wir haben keine militärische Schlagkraft – zur Zeit nicht! - darum müssen wir eben gewieft sein. - Wir haben durchaus eine Menge Möglichkeiten, du stehst an der Spitze der Politik, hast alte Freunde im Exercitus, Seiana ist vertraut mit den ganzen gesellschaftlichen Größen und der Welt der Gelehrten, und auch ich habe noch immer eine Menge wertvoller Kontakte! Wir können durchaus den Boden bereiten für das Ende dieses Giftmord-Regimes!"
    Wenn ich das so sagte... erschien es mir mit einem Mal gar nicht mehr sooo unmöglich... Meine Kehle war kratzig, ich hustete, aber sprach entschieden weiter, mit einem Mal wie neu belebt von diesem Gedanken, heiser, fiebrig, oder vielleicht redete ich hier auch um mein Leben - ich mußte, Bona Dea, ich MUSSTE meinen Vater einfach überzeugen, sonst könnte ich es vergessen, allein, da könnte ich es sowas von vergessen...!
    "Wir können die Wahrheit verbreiten, sie weitergeben an die, die trotz allem noch immer aufrecht sind – und glaubst du nicht, die Aelier haben ein Recht zu erfahren, wer ihre kaiserlichen Verwandten ermordet hat?! - Wir können gegen den erstickenden Dunst der Lügen vorgehen, die da vom Palatin herunterwabern... bevor sie den Römern ein für alle Mal das Hirn vernebelt haben! Wir können die Kräfte derer, die unter den Machenschaften dieser Schweine leiden mußten, bündeln, und Verbündete gewinnen gegen Palma und seine Hyänen... und wenn dann die Zeit reif ist, die Verschwörer für ihre Schandtaten zur Rechenschaft ziehen!! So dass dann endlich, endlich wieder ein guter Herrscher an die Spitze des Reiches treten kann...!"


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    Klient - Decima Lucilla

  • "Nein, wir dürfen die Aelier da nicht mithineinziehen. Sie haben bereits genug Repressalien unter Salinator erdulden müssen. Sollen sie nun erneut ins Visier des neuen Regimes geraten?


    Nein! Ich sage wir müssen abwarten und den Dingen vorerst ihren Lauf lassen. Ich bin erst zu kurz in Rom um mich auf waghalsige Verschwörungen einzulassen, dessen Auswirkungen und Ausgang man nicht abschätzen kann. Wir wissen nicht wer auf unserer Seite stehen würde und wer uns bei der nächstbesten Gelegenheit als Palma verkaufen würde. Sollte die Zeit dafür reif sein werde ich Gespräche führen und Erkundigungen einholen. Doch vorerst können wir es uns nicht erlauben weiterhin negativ aufzufallen. Und auch du wirst die Füße still halten. Hast du mich verstanden Serapio?"


    Livianus stimme wurde gegen Ende nachdrücklicher und bestimmender. Es klang fast mehr nach einem Befehl als nach einer Aufforderung. Und der Decimer hoffte innständig, dass sein Sohn dies vorerst beherzigen und akzeptieren würde.





    CIVIS
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  • Langsam... ganz langsam... drang die Erkenntnis zu mir vor.
    Ich war allein. Ich konnte es vergessen.
    Denn mein Vater wollte genau nichts tun. So wie er sich taub stellte für das was ich sagte, so wie er nicht mal mit einem einzigen Wort, nicht mit mal einem Zucken der Mimik darauf reagierte, als ich von der Treue zu Rom sprach, und von den toten Soldaten und von den Werten unserer Gens und von dem Blut in unserem Atrium.... ebenso stellte er sich taub und blind gegenüber dem ungeheuerlichen Verbrechen, das Palma und Kumpanen am römischen Volk verübt hatten.
    Ich hörte seine hohltönenden Ausflüchte, und sah ihn... sah ihn auf eine Weise, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Wie einen Fremden. Einen fremden, alternden Mann. War das noch derselbe, der zu dem ich aufgesehen, den ich bewundert, dem ich nachgeeifert hatte, war das der Mann für den ich durch Feuer gegangen wäre... und war... um seine Anerkennung zu erringen?!


    "Du willst also nichts tun." fasste ich seine Ausflüchte zusammen. "Sollte die Zeit reif sein..." Gab es eine noch vagere Formulierung? Nicht mal den Angehörigen der Ermordeten wollte er reinen Wein einschenken.
    "Du bist einer der einflußreichsten Männer des Imperiums, und du kennst die Wahrheit, und du willst nichts tun. Dabei weißt du so gut wie ich: indem du die Wahrheit verschweigst, indem du sie unter den Teppich kehrst, hilfst du dem Kaisermörder, mit seinen elenden Lügen das ganze Reich zu vergiften. Indem du das Verbrecherregime unterstützt, machst du diese Schweine salonfähig. - Waren da nicht mal... ich meine, hast du nicht früher mal.. große Worte gesprochen von Römerpflicht und Ulpiertreue...? Kaum sind die Ulpier tot, dienst du ihrem Mörder. Anstatt alles zu tun, um die Verbrecher zur Verantwortung zu ziehen. -"
    Und das nicht genug - er befahl mir, dass auch ich den Kampf aufgeben solle. Benommen schüttelte ich den Kopf. Ich fror bis ins Mark...
    "Ich erkenne dich nicht wieder, Vater."



    edit: Zeitlinienwirrwarr

  • Nun wurde der ältere Decimer deutlich gereizter, was sich auch in seiner Gesichtsfarbe und Stimmlager wiederspiegelte.


    "Willst du mich denn nicht verstehen Faustus?! Oder blenden dich dein Zorn und dein Durst nach Rache so sehr, dass du die Realität nicht mehr erkennen kannst. Ich war vielleicht einmal einer der einflussreichsten Männer des Reiches, aber diese Zeiten sind vorbei! Sie sind mit den Ulpiern gestorben. Freunde, Klienten, Kontakte …. Ich habe während des Bürgerkriegs alles zurück gelassen und mich nach Hispania abgesetzt. Es wird Zeit brauchen das alles wieder aufzubauen und in dieser Zeit heißt es die Füße still zu halten, gute Mine zum bösen Spiel zu machen und geschickt zu taktieren.


    Ich kandidiere für das Consulat. Ein erster Schritt unsere Familie wieder den Einfluss zu verschaffen, für den der Name Decima einmal stand. Doch ein Wort von Palma und ich würde Politisch und Gesellschaftlich keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Und wenn es ganz schlecht läuft, dann nutzt er seine Position als Censor und findet irgendeinen fadenscheinigen Vorwand, um mich ganz aus dem Senat zu entfernen. Ist es das was du willst?!


    Schau dich doch an! Sie was er aus dir und deiner Karriere gemacht hat. Willst du, dass er das gleiche mit mir oder mit einem unserer Freunde und Verbündeten macht? Denkst du wirklich, dass es besonders klug oder geschickt ist vollkommen unvorbereitet und unüberlegt einen Krieg mit Palma anzuzetteln, wo er bereits an allen Schlüsselpositionen des Reiches seine Vertrauten platziert hat. Du würdest schneller im Verließ der Castra Praetoria landen, als es dir lieb wäre. Und ich und der Rest unserer Familie gleich mit dir!"


    Livianus versuchte sein aufgebrachtes Gemüt wieder zu beruhigen und atmete tief durch. Einige Atemzüge später fügte er noch mit wesentlich gesenkterem Tonfall hinzu


    "Unterschätze diesen Mann nicht Faustus. Er spielt dieses Spiel der Macht bereits länger als du und er weiß nur zu gut, wie es geht."

  • "Niemand ist unverwundbar. Cornelius hat das Charisma einer Scheibe Gerstenbrot, und was ihn zum Sieg geführt hat ist vor allem der Umstand, dass die Schicksalsmächte eine jede Armee, die sich ihm entgegengestellt hat, mit verheerenden Wolkenbrüchen bedacht haben."
    Und mit anderen Absonderlichkeiten. Was da geschehen war, wie riesige Heere im Schlamm versunken, die Ravennaflotte sich in Luft aufgelöst und die Speere der Misenumflotte sich in Strohhalme verwandelt hatten, war nun mal so absurd, dass man sich nur noch in einer miesen Schmierenkomödie hätte wähnen können – wenn das ganze nicht tausende von höchst realen Toten gefordert hätte. Wenn das ganze nicht so viele gute, anständige Römer zu rückgratlosen Wendehälsen verformt hätte. Wenn es mich nicht alles gekostet hätte, was mir einst lieb und teuer gewesen war.
    "Aber es kann ja nicht immer regnen. Dieser Schicksalsirrsinn, diese Raserei der Parzen, das kann nicht ewig währen. Was den Giftmörder jetzt auf dem Thron hält, das sind Leute wie DU, Vater! Die es eigentlich besser wissen, als einem solchen Schwein zu huldigen, die eigentlich besser sind, und die doch vor ihm den Rücken krumm machen!! Das ist die Realität!"
    Früher, da hatte ich gezittert und gezagt vor dem Zorn meines Vaters. Jetzt war ich so dermaßen desillusioniert und enttäuscht und verzweifelt, dass es mich kaum berührte. Selbst das Unerhörte daran, dass ich, der ich Livianus so viel verdankte, so mit meinem verehrten Vater sprach, wie ein guter Sohn es niemals hätte tun dürfen, war mir gleichgültig... oder jedenfalls... war es gerade weit weg...
    Ich hustete meine Kehle frei und begehrte mit kratziger Stimme ein letztes Mal auf:
    "Ich habe verdammt noch mal nie davon gesprochen, auf der Stelle unüberlegt einen offenen Krieg anzuzetteln – ich sage, es ist unsere Pflicht, die Wahrheit zu verbreiten und den Widerstand zu entfachen, bevor die beschissenen Propaganda-Lügen des Ulpiermörders jeden Keim von klarem Denken hier in dieser Stadt ersticken!! Bei allem was du sagst, höre ich am allerlautesten das, wovon du NICHT sprichst! Das ganz entscheidende, was du ausspart, ja, nicht mal zu hören vorgibst! Ich habe dich gefragt, Vater: Wie kannst du dem Mann dienen, der deinen Kaiser und seine Familie, die Ulpier, denen du TREUE geschworen hast, vergiftet hat? Der einen BÜRGERKRIEG verschuldet hat! Der das Reich, dem wir dienen, in ein Meer von Blut getaucht hat? Der sich auf übelste Weise an deiner Familie vergriffen hat! Der EHRE zu Unehre und Lüge zur Wahrheit erklärt! Wie kannst du alles verraten, wofür unsere Familie steht, alles was du mir einmal beigebracht hast, um dich einzureihen bei den Feigen und den Ehrlosen...?! - Das habe ich dich gefragt, Vater, und dein Schweigen, DEIN SCHWEIGEN IST OHRENBETÄUBEND!!!"


    Mein Brüllen auch. Ich mußte wieder husten, wurde heftig geschüttelt davon, dann warf ich die Decken ab und erhob mich zittrig von der Kline, und ging. Ging, wankend, einfach fort. Durch den Garten. Meine Stirn glühte, meine Schläfen pochten dumpf, und mir war so erbärmlich kalt. Ich wollte nichts mehr hören!! Ich hasste meinen Vater in diesem Augenblick, hasste ihn dafür, dass er mich im Stich ließ, dass sich zu den Scherben meines Lebens nun auch die Scherben des Bildes gesellten, das ich stets von meinem Vater gehabt und gehegt hatte.
    Ich würde nicht in diesem Haus, konnte nicht in seinem Haus bleiben! Aber fürs erste kam ich nicht weiter als bis in mein Cubiculum. Erst ein paar Tage später – und da hatte mein Vater tatsächlich das Konsulat errungen und feierte gerade fröhlich seine erfolgreiche Annäherung an das Mörderregime – war ich hinreichend genesen um nach dem folgenden Zerwürfnis dann auch wirklich fortzugehen...

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    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana war... nun: hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie gesagt sie wäre ein wenig aufgeregt. Das war sie allerdings schon lange nicht mehr wirklich gewesen, schon gar nicht vor einem Termin wie diesem, und es fühlte sich auch nicht wirklich so an. Trotzdem blieb da die Tatsache, dass es lange her war, seit sie das letzte Mal so offiziell Besuch eingeladen hatte. Es war ungewohnt. Das war es. Und natürlich wollte sie alles richtig machen, immerhin ging es bei ihrem Besuch um Aelia Vespa, Verwandte des verstorbenen Kaisers und Verlobte ihres Onkels. Sie kannten sich zwar schon, aber es wurde Zeit sich endlich wieder zu treffen, jetzt, wo Vespa ihren Onkel heiraten würde. Also hatte Seiana die Aelia eingeladen, zu einem Treffen nachmittags, bei dem man gemütlich beieinander sitzen und sich unterhalten konnte.

  • Ein wenig hatte es die Aelia überrascht eingeladen zu werden. Zum einen war dieser Umstand recht selten geworden und zum anderen hatte sie schon lange nicht mehr von der Einladenden gehört. Da sie aber bald einen Verwandten dieser Frau heiraten würde, war es schon wieder verständlich. Da sie eh nicht viel was anderes vorgehabt hatte, war sie dieser Einladung natürlich gern gefolgt und man würde sicher auch den Ablauf jenes bewussten Tages besprechen können. Da sie schon mal verheiratet gewesen war, konnte man sich ein paar Sachen sparen. Ganz genau sollte es wohl aber auch besprochen werden. Außerdem war es bestimmt schön sich auch einfach nur mal so zu unterhalten. In letzter Zeit war sie auch nicht so viel unter Leute gekommen.


    Nachdem sie sich an der Tür gemeldet hatte, war sie in den Ort des Treffens geführt worden. Kurz sah sie sich um ehe sie auf Seiana zu ging.


    "Salve, ich möchte mich ganz herzlich für die Einladung bedanken. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Wie geht es dir?"


    Sie lächelte ein wenig während sie sich darauf einstellte die Gastgeberin zu umarmen wie man es eben so zur Begrüßung bei ihr tat.

  • Heute war ein guter Tag und ich genoss ihn in vollen Zügen. Wie eigentlich jeden Tag, der keine Verpflichtungen mit sich brachte. Und hier im Hortus war auch ein angenehmer Ort, um dies zu tun. Man konnte Vögel beobachten, angenehme Gerüche wahrnehmen, ein wenig schmausen und lesen natürlich. Hier war es viel angenehmer als in meinem Cubiculum, wo ich mir allenthalben ein wenig beobachtet vor kam. Doch nicht nur aus diesem Grund hatte ich die Flucht ergriffen. Meine Sklavin Nelia war mit ihrem Ordnungssinn nämlich gerade dabei zu räumen und einen Grund auf den Boden der Unordnung zu bringen. Dabei wollte ich ihr nicht im Wege sein. Nun saß ich an einem Tisch und schaute schon seit einigen Minuten in meine Aufzeichnungen, welche ich laut vor mich hin las.


    “...Wer in unserem Volk die Kunst zu lieben nicht kennet, Les' und liebe, belehrt durch den gelesenen Sang!“ Nachdem ich nun schon meisterlich zu meinem Vortrag die Stimme gehoben hatte, hob ich nun mahnend den Zeigefinger und fuhr fort: “Schnelle Schiffe bewegt die Kunst durch Segel und Ruder; Wagen kann man durch Kunst lenken, die Liebe durch...“


    “... den Magen?“


    “Nein...die Kunst!“


    “Aber es reimt sich auf 'Wagen'...“ Muckels Stimme klang ein wenig gelangweilt. “Wie lange willst du das eigentlich noch machen?“


    Ich stutzte und ließ den Papyrus, den ich in den Händen hielt und von dem ich meines Erachtens so vortrefflich rezitierte ein wenig sacken, um über dessen Seitenrand zu blicken. Tatsächlich, mein Sklave saß mit gegenüber und spielte unschlüssig mit den Fingern an dem Becher herum, der auf dem Tisch stand. Ich hatte ihm Wein gestattet, doch offenbar hätte ich das nicht tun sollen.


    “Was machen?“, fragte ich mit einer erhobenen Augenbraue.


    “Ja...eben nichts!“


    “Nichts machen?“ Meines Wissens tat ich gerade etwas. “Ich lese Ovid!“, brachte ich dann zur Selbstverteidigung empört hervor, doch Muckel verdrehte nur die Augen.


    “Eben...sag ich doch...“ Mein Sklave seufzte und neigte sich auf seinem Schemel ein wenig zurück. “Es ist jeden Tag das gleiche.“


    “Das liegt vielleicht daran, dass Ovid eben Ovid ist und sich nicht ändert?“


    “Da ist der nicht der Einzige!“


    Bitte? Meine Augenbraue hob sich noch ein wenig weiter. Hörte ich da gerade Unzufriedenheit und schleichende Kritik?


    “Was soll das heißen?“, wollte ich mit scharfer Stimme wissen.


    Muckels Lippen regten sich, was sein Gesicht einen Moment zu einer nachdenklichen Grimasse werden ließ. “Na, wir sitzen den ganzen Tag nur rum. Nichts passiert. Du sitzt und liest, du stehst auf und isst, du nimmst ein Bad, setzt dich erneut hin, trinkst Wein und liest wieder.“


    “Ähm...ich...also....“ In mir machte sich Verärgerung breit ob dieser Eröffnung. Was sollte das denn nun? “Ich bin sehr zufrieden!“, erklärte ich rigoros und raffte meinen Papyrus wieder zurecht. “Schweig einfach!“, forderte ich dann noch.


    In mir spürte ich mein Herz pochen, so brachten mich Muckels Worte auf, doch er nahm sich schon immer mehr heraus, als es für Sklaven vorgesehen war. Dieses Mal war er zu weit gegangen, doch ich würde es ihm nicht sagen, sondern ihn mit Nichtbeachtung strafen. Sollte er doch denken was er wollte und wenn er sich langweilte, dann war es eben sein Problem. Ich war sehr zufrieden mit meinem Dasein, auch wenn ich mir das nur einredete. In mancher nächtlichen Stunde, in der der Schlaf sich nicht einstellen wollte, da ich bereits am Tage schon zu viel von ihm genossen hatte, machte ich mir schon Gedanken darüber, was die Götter wohl für meine Zukunft vorgesehen hatten. Immerhin war ich noch kein alter Greis und eine sehr große Strecke an Lebensweg lag noch vor mir. Genau genommen machte ich was diesen anging gerade eine Rast, wenn ich nicht gerade meine Betriebe verwaltete, was zugegeben nicht sonderlich aufwändig war und sich mit wenig Zeit am Tag bewerkstelligen ließ. Den Rest der Stunden verbrachte ich mit Verdrängung, mit Poesie, mit Nelia und meinem Wein. Ein Lotterleben! Nein! Ich wollte nicht daran denken, weshalb ich mir aus dem Krug noch einen großzügigen Schluck einschenkte und diesen auch sogleich die Kehle hinunter stürzte.

  • Heute war ein guter Tag. Ich hatte frei. Zwar plagte mich doch etwas die Sorge, dass die Castra in meiner Abwesenheit zu Staub zerfallen würde, oder die anderen Tribunen ein Mordkomplott gegen mich schmieden würden, oder jemand die Geschütze mit dem falschen Schmierfett behandeln würde... doch die Sonne lachte vom azurnen Himmel und ich hatte frei.
    Den Vormittag hatte ich im Tempel des Serapis verbracht. Ich hatte dem Allgott geopfert, endlich mal wieder bei einer Zeremonie mitgemacht und es genossen, in Ruhe mit den Gefährten meiner Tempel-Zeit zu plaudern. Sie waren bei den Vorbereitungen zum Fest des neuen Jahres, am "1. Toth". Ich wollte mich unbedingt daran beteiligen, und Castus hatte mir ein paar Melodien notiert die da zum Einsatz kommen würden, damit ich sie schon mal auf meiner Syrinx üben konnte.


    Eigentlich hatte ich mir aber vorgenommen, heute die neueste Abhandlung zu Innovationen in der vierarmigen Torsionsgeschütztechnologie zu lesen...
    So trug ich also beides mit mir herum, als ich in hinaus in den Garten trat: Syrinx und Artilleriedossier.
    "Schön..." seufzte ich, schüttelte meine Sandalen ab und spazierte barfuß über das weiche Gras. Die Vögel sangen und die Blumen leuchteten in allen Farben. Ich steuerte ein einladendes Fleckchen Grün an, neben dem wundervolle violettblaue Lupinen wuchsen – als ich Stimmen hörten, es ging irgendwie um Ovid, und dann wurden die Stimmen weniger freundlich. Nun ja, Ovid war ja auch nicht jedermanns Geschmack. Neugierig wer da sprach bog ich um einen über und über von dunkelroten Blüten strotzenden Lavendelbusch, und traf auf Massas kleinen Bruder, und dessen Sklaven.
    "Salve! Was für ein herrlicher Tag!" begrüßte ich meinen jungen Cousin bestens gelaunt. Ich mochte ihn wirklich gerne, doch irgendwie stand er für mich immer im Schatten von Massa. (Der warf eben einen langen, breiten und heroischen Schatten.) Ich hätte nicht mal so genau sagen können, was genau Casca zur Zeit eigentlich machte. Aber er sah immer sehr entspannt und wohlfrisiert aus.
    "Wie gehts, wie laufen die Geschäfte? Disputiert ihr gerade über Ovid?"
    Erstaunlicherweise sah er heute gar nicht so entspannt wie sonst aus.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Der Wein perlte noch ein wenig im Abgang, auch wenn ich seinen leicht süßlichen Geschmack nicht sonderlich genießen konnte. Muckels Kommentar lag mir noch immer quer auf der Leber und auch wenn ich nun wieder angestrengt auf den Papyrus starrte, so wollte sich so etwas wie Freude über das überlieferte Wort – oder wenigstens die Konzentration darauf nicht mehr einstellen. Zumal es noch in mir gärte, dass mein Sklave irgendwie auch Recht hatte. Ich nutzte die Stunden des Tages nicht wirklich vorbildlich und vielleicht war es auch das, was mich eigentlich daran am meisten wurmte. Nämlich dass ich mich grenzenlose Untätigkeit stürzte und nicht einmal in der Lage war wenigstens einen kleinen Plan für morgen, übermorgen oder nächste Woche zurecht zu legen. Gemessen an meinen eigenen Idealen waren meine Leistungen also nur mäßig, bis gar nicht vorhanden. Wie grausam von Muckel, mich tagtäglich darauf hinzuweisen. Doch nun war er – den Göttern ewigen Dank! - endlich still und begnügte sich damit, seinen Mund schmollend zu verziehen.


    Mit meinem Augenmerk tief in meinem Dokument vergraben und den Gedanken auf Wanderschaft bemerkte ich gar nicht, dass sich uns durch den duftenden Garten hindurch jemand näherte. Erst die Begrüßung und die Behauptung, dass dies ein herrlicher Tag wäre, riss mich aus meiner Verstimmung. Ich hob den Kopf und erspähte auch sogleich meinen Cousin Faustus, der beladen mit Schriftstück und Musikinstrument nun vor mir stand. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass er irgendwie in Aufbruchsstimmung war oder generell in einer guten Gemütsverfassung weilte. Auch Muckel hatte sich nun zu ihm herum gedreht und grüßte ihn mit einem leichten Kopfnicken.


    Schnell richtete ich mich auf und legte meinen Papyrus auf den Tisch nieder. Dann warf ich ein Lächeln in mein Gesicht.


    “Oh, die Geschäfte...,“ begann ich dann, wobei mein Lächeln noch eine Nuance öliger wurde. Bisher hatte sich noch niemand dafür interessiert, da ich auch stets darauf bedacht war, mein Leben und meine Taten klammheimlich im Schatten meiner Familienmitglieder zu verstecken. Einschließlich mir selbst. Nun fühlte ich mich auf sonderbare Weise ertappt. “...gut...gut...alles bestens...bestens!“ Mit einer leichten Handbewegung wiegelte ich ein wenig ab. “Ja...ja...ein wenig Ovid...man will ja im Geiste ein wenig... frisch bleiben und... so...“


    Ich unterbrach meine dahin gestammelten, überraschten Worte, um auf den freien Sitz neben mir zu deuten. “Nimm doch Platz... oder nimm den von Nepomuk, er wollte eh gerade aufstehen!“ Ich warf meinem Sklaven einen eindringlichen Blick zu und bedeutete ihm mit einer schnellen Kopfbewegung an, sich zu erheben. Das tat er auch nach anfänglichen Zögern, welches wohl darin begründet lag, dass er mich nicht ganz für voll nahm. Dann richtete sich meine Aufmerksamkeit wieder auf Faustus. Es kam nicht oft vor, dass wir uns über den Weg liefen und ich hatte immer den Eindruck, dass er sich lieber mit Massa abgab als mit mir. Nicht verwunderlich eigentlich, denn im Grunde tat ich ja auch nichts, was mich jemals aus dem Fahrwasser meines großen Bruders heraus brachte. “Ja...also... Muckel meinte gerade...“ Mit einem Deut unter Zuhilfenahme beider Hände wies ich auf meinen nunmehr neben mir stehenden Sklaven. “Also er meinte, dass Ovid wunderbar dazu beiträgt neben dem Essen und Trinken die Welt gänzlich zu vergessen...ha...“ Ich lachte leicht dümmlich auf, ehe ich Faustus neuerlich entgegen lächelte.

  • Diese unschuldigen Gebärden, die ausweichenden Worte: man mußte kein Genie sein um da mißtrauisch zu werden! Gut, gut, bestens, bestens – das klang in meinen Ohren als stünde er kurz vor der Pleite. Zudem entging meinem Adlerauge nicht, dass sein Sklave Nepomuk sich ihm gegenüber nur wenig dienstbeflissen zeigte. Lies mein Cousin die Zügel schleifen?
    Ich fläzte mich auf die Liege neben ihm, und schnappte mir die Weinkaraffe, bediente mich selbst.
    "Das ist wahr. Poesie, gutes Essen, Wein und Liebesfreuden... Aber -" Ich furchte die Stirn, und versuchte den Gedanken, der mich eben gestreift hatte, zu erhaschen und festzuhalten, "Liegt für Elegiker wie Ovid die Welt, also, der Lebensinhalt, das was wirklich zählt, nicht gerade darin? Im Spiel um das Erringen und Gewähren der Liebe, und in der Klage um ihren Verlust."
    Ich lächelte schief. Wohin man sich auch wendete, die Welt war schon da.
    "Ähm, Casca, wenn ich dich irgendwie unterstützen kann mit den Geschäften, also finanziell, sag bescheid ja, ehrlich, zögere nicht, das ist ja auch ein auf und ab, und mit der ähm, Wirtschaftslage, ganz normal dass es da mal Durststrecken gibt, gerade dadurch dass die Tore so lange verschlossen waren." bot ich ihm, von einem energischen Nicken unterstrichen, an. Ich selbst war nie auf einen grünen Zweig gekommen wenn ich mich als Geschäftsmann versucht hatte. Dabei hatte ich so gute Ideen gehabt, besonders die mit den Perlhühnern. Aber sie waren nicht so recht gediehen. Weder die Perlhühner noch die Ideen. (Nur gut, dass bei der neuesten Idee Borkan allein die praktische Umsetzung übernommen hatte.)
    "Und darüber hinaus, was hast du sonst eigentlich vor? Willst du eine senatorische Laufbahn einschlagen - beredsam genug bist du ja -" Ich entsann mich zum Beispiel wie souverän er Großtante Drusilla mit seinen Komplimenten verzückt hatte, "oder eine zivile ritterliche?"
    Ganz tradionell sub aquila zu gehen, das fiel für ihn ja wohl leider aus.

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