• Der Senator hatte es sich im tablinum bequem gemacht und studierte einige Schriften juristischer Natur. Noch immer hatte er hin und wieder den Gedanken die Praetur anzutreten, doch jedesmal wenn er sich in diese juristischen Schriften vertiefte, verließen ihn diese Anwandlungen. Und da er in den letzten Tagen verstärkt über die Zeit nachgedacht hatte und vor allem darüber, was er tun würde, wenn er aus dem Osten widerkehrte, wollte er noch einmal ausloten inwieweit die Praetur geeignet wäre. Statthalter in Germanien war er zwar schon gewesen und Recht hatte er auch dort zu sprechen gehabt, doch hatte er diesen Posten eher ausserhalb der klassischen Laufbahn erhalten. Er verdankte ihn seinem militärischen Nimbus. Nichts anderem.


    "Oh Maximus..."


    sprach er mit sich selbst, als er wieder an eine Passage geraten war, die alles andere als leicht zu durchdringen war. Juristische Haarspaltereien waren im ein Greuel und sie waren es auch, welche seine anfängliche Freundschaft mit Vinicius Hungaricus in den letzten Jahren abkühlen ließen. Vielleicht sollte er diese Verbindung aktivieren. Sein alter Freund konnte ihm mit Sicherheit weiterhelfen.

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    Der alte Marcus betrat das tablinum und meldete die Ankunft der jungen Verwandten. Etwas umständlich, wie ihm jetzt auffiel, hatte er doch tatsächlich vergessen zu fragen, wie sie hießen und woher sie kamen.


    "Mein Herr. Eine Decima und ein Decimus lassen sich melden. Sie sind die Sprösslinge des Decimus Livianus und kommen, so weit ich es überschauen kann, ... von weiter her."


    Er nahm Haltung an, wartete das zustimmende Nicken des Senators ab und machte dann kehrt um die beiden genannten in den Raum eintreten zu lassen ...

  • Allein schon an seiner Körperhaltung konnte Flava sehen, dass Flavus glücklicher gewesen wäre, der Ianitor hätte sie weggeschickt. Den Brief hatte er ihr beinahe aus der Hand gerissen und verstaut, und sein ganzer Gang zeigte ihr deutlich seinen Widerwillen. Sie kannte ihn einfach zu gut, um diese kleinen Zeichen der Gereiztheit zu übersehen. Jeder andere hätte ihn vielleicht nur für energisch gehalten, aber sie wusste es einfach besser. Auch wenn sich sein Gesichtsausdruck wohl für alle anderen nicht lesen ließ, seine Augen verrieten ihr mehr, als er zugeben wollte. Aber sie kannte ihn auch schon ihr ganzes Leben, er war wie ihr Spiegelbild.


    Als der Ianitor sie anmeldete, fiel Flava auf, dass er gar nicht nach ihren Namen gefragt hatte, oder überhaupt viel gefragt hatte. Entweder stimmte es wirklich, und sie sah wie ihre Mutter aus und deshalb hatte der Ianitor ihr vorbehaltlos geglaubt, oder der arme, alte Mann war etwas vergesslich. Flava hoffte für den Alten, dass der Cousin ihres Vaters mehr Gemütszüge mit ihr gemeinsam hatte als mit Flavus.
    Sie beide traten also ein und sahen sich zum ersten Mal einem Decimer gegenüber. Flava war nervös, widerstand aber dem Drang, nach der Hand ihres Bruders zu greifen. Ein wenig schüchtern stand sie erst einmal nur neben ihm, so gerade und edel wie eben möglich, und wartete, dass ihr Bruder sie vorstellen würde. Als dieser aber nach mehreren Herzschlägen keine Anstalten machte, übernahm Flava es schließlich doch selbst. Die Spannung war einfach zu groß.
    Salve. Ich bin Flava, das ist mein Bruder Flavus. Wir kommen aus Britannia, von unseren Großeltern.
    Sie verzichtete darauf, zu sagen, sie sei Decima Flava und ihr Bruder sei Decimus Flavus. Ihr Vater wusste noch nicht einmal etwas von ihnen beiden, da fand sie es etwas vermessen, seinen Namen für sich zu beanspruchen. Und sie konnte den Mann vor ihr nicht einschätzen, wie böse er sein würde, würde sie sich einfach so in seine Familie hineinreden. Immerhin wusste er genauso wenig von ihr oder ihrem Bruder.
    Unsere Großeltern sagten uns, unser Vater wohne hier. Decimus Livianus, der mit Aemilia, unserer Mutter, verheiratet war? Der Ianitor meinte, er sei momentan außer Haus?
    Vielleicht war er noch im Senat, oder irgendwo in der Stadt auf einem Fest? Flava wusste es nicht, aber sie nahm an, dass er die nächsten Tage schon wieder zuhause sein würde. Sonst würden sie sicher keine Zimmer erhalten, um auf ihn zu warten. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, wie es wirklich um sein Schicksal bestellt war.

  • Marcus hatte zwei Kinder des Decimus Livianus angekündigt, eine größere Überraschung konnte er dem Senator damit gar nicht machen. Perplex erhob sich dieser aus seinem Sitz und versuchte irgendwie seine Gedanken zu sortieren. Livianus hatte Kinder? Wieso wusste er davon nichts und was machten sie plötzlich in Rom? Sie mussten schon etwas älter sein, wenn sie alleine reisten. Marcus hatte gesagt "Ein Decimus und eine Decima...", er hatte nicht gesagt "jemand mit den Kindern des Livianus". Folglich konnten sie nur erwachsen sein.


    Und in der Tat schon wenig später traten die beiden ein und Meridius erkannte sofort, dass sie tatsächlich zur Familie gehörten. Beide hatten den Blick der Decima, die selbe stolze Stirn, und die junge Dame, welche sich vor ihn hinstellte, hatte soviel Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, dass es nicht zu leugnen war. Sie glich ihr wie ein Abbild, wie eine Erscheinung aus der Vergangenheit, eine längst totgeglaubte, trat sie ein.


    "Aemilia..."


    wollte Meridius zuerst sagen, ließ dann aber doch der Dame den Vortritt, welche sich als Decima Flava zu erkennen gab. Ein schöner Name. Der junge Mann hieß Flavus, sprach jedoch nicht viel, war statt dessen in seinen grimmigen Blick vertieft. Ein Lächeln legte sich auf das Gesicht des Senators, erkannte er doch in eben diesem Blick seinen Cousin Livianus. 'Marcus, wenn Du ihn hier sehen könntest', dachte er und dankte den Göttern, dass aus der Verbindung mit Aemilia doch noch eine Frucht entsprungen war. Einzig dass Marcus noch im Osten weilte, verschleppt womöglich, trübte dieses Kennenlernen und wie er dies den Kindern beibringen sollte, wusste er auch noch nicht.


    "Es ist mir eine Ehre euch kennen zu lernen, Flava, Flavus. Ihr habt unverkennbar die Ähnlichkeit mit euren Eltern. Die selbe Schönheit wie die Mutter, den selben stolzen Blick wie der Vater."


    Er lächelte und forderte sie dann auf Platz zu nehmen.


    "Ich hoffe es geht euren Großeltern in Britannien gut. Ich muss gestehen, dass ich sie nie kennengelernt habe. Ich werde euch umgehend zwei Zimmer herrichten lassen. Ihr werdet hier schlafen, immerhin gehört ihr zur Familie."


    Inzwischen trat auch ein Sklave ein, welcher den Anwesenden köstlichen Wein einschenkte. Leicht verdünnt mit kaltem Quellwasser, die optimale Erfrischung an einem schwülheißen Tag. So richtig vermochte es der Senator jedoch noch nicht glauben, dass gerade eben KINDER des Livianus eingetroffen waren. Doch der Anblick sagte alles, musste als Beweis herhalten. In Flava stand tatsächlich Aemilia vor ihm. Sie glich ihr wie ein Spiegelbild.


    "Du siehst Deiner Mutter sehr ähnlich."


    sprach der Senator letztlich und griff sich dann ein Glas des kühlen Getränks. Unglaublich ähnlich, fügte er in Gedanken hinzu und musterte dann den jungen Flavus. Gesagt hatte dieser bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nichts.

  • Gerne nahm Flava das Angebot, sich zu setzen, an. Sie traute nach der langen Zeit auf dem Schiff ihrer Grazie noch nicht wirklich, und sie wollte nicht wie ein Holzfäller hier noch herumlaufen. Beim Sitzen konnte sie weniger falsch machen.
    Ja, es geht ihnen sehr gut. Wenn du möchtest, kann ich ihnen auch von dir Grüße übermitteln, wenn ich ihnen schreibe. Sie machen sich sicher Sorgen, ob wir gut angekommen sind, deshalb muss ich ihnen noch schreiben, wie herzlich wir hier empfangen wurden.
    Dass Flava glücklich war, konnte man ihr ansehen. Zwar war noch immer etwas Restspannung in ihr, da sie ihren Vater ja immer noch nicht kennen gelernt hatte, aber die freundliche Begrüßung hier und nicht zuletzt das nette Kompliment ließen ihr ganze Gebirge vom Herzen fallen.
    Ihr fiel auf, dass er ihre Frage nach dem Vater gar nicht beantwortet hatte. Aber sie wollte nicht drängeln und nicht zu neugierig erscheinen. Da kam ihr der Wein gerade recht, um ihre Unsicherheit zu überdecken. Natürlich wartete sie, bis Meridius auch einen Schluck nahm, ehe sie an ihrem Wein nippte. Sie trank nur ganz wenig, denn für Frauen war es schließlich nicht schicklich, zuviel zu trinken.


    Bei seiner Bemerkung zu ihrer Ähnlichkeit mit der Mutter nickte sie bescheiden.
    Ja, das wurde mir schon oft gesagt. Leider habe ich keine Vergleichsmöglichkeit, ich durfte Mutter nur von einem Bild und Erzählungen kennen lernen. Ich hoffe, dass ich hier vielleicht noch ein wenig mehr darüber erfahren kann, wie sie war.
    Ihre Traurigkeit ließ sich Flava nicht anmerken. Zum einen hatte sie ihre Mutter ja wirklich nie kennen gelernt und konnte daher nicht aufrichtig behaupten, dass sie sie als Person vermisste. Und zum anderen wollte sie ihrem Verwandten nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ihre Geburt Schuld am Tod der Mutter war.


    Flavas Blick wanderte wieder zu ihrem Bruder, der irgendwie still war. Stur, wie sie meinte. Sie warf ihm einen aufmunternden Blick zu. Sie wünschte sich, er würde sich ein wenig am Gespräch beteiligen. Aber diesmal hoffentlich wirklich freundlich und nicht so schroff wie zu dem armen Ianitor. Er konnte schließlich nicht die ganze Zeit dastehen und nichts sagen. Vor allem nicht, da sie so freundlich hier aufgenommen worden waren.

  • Der eindringliche Blick seiner Zwillingsschwester schien Marcus tatsächlich wieder zurück in die Realität zu holen. Er hatte bisher alles nur still verfolgt und selbst als seine Schwester die beiden vorgestellt hatte, nur mit einem schlichten Kopfnicken gegrüßt. Er brauchte einige Zeit um seine Gedanken zu ordnen, die seit ihrer Ankunft, wie wild durch seinen Geist schwirrten. Nur zu gut wusste er, wen er hier vor sich hatte. Maximus Decimus Meridius – Senator, Feldherr und Triumphator. Einer der einflussreichsten und bekanntesten Männer Roms. Auch wenn Marcus es nicht öffentlich zugegeben hätte, beschäftigte er sich bereits seit einiger Zeit ausführlich mit der Geschichte seiner Familie – sowohl dem Zweig der Decimer als auch der Didier. Und ein Name wie Decimus Meridius, war ohnehin im ganzen Römischen Reich bekannt. Da musste man nicht lange überlegen. Seine Geschichten waren bereits Legenden von denen selbst in Britannien so manches Theaterstück oder Gedicht über seine siegreichen Schlachten erzählte. Für Marcus war er jedoch nur ein weiterer dieser großen Namen neben den seines Vaters, mit denen sich die Decimer brüsten konnten. Doch bestimmt war auch bei diesem großen Mann nicht alles Gold was glänzte. Sollte Meridius selbst Kinder haben, was seinem Alter entsprechend höchst wahrscheinlich war, so war davon auszugehen, dass er seine Familie ebenso vernachlässigt und für seine Karriere im Stich gelassen hatte wie Flavas und Marcus Vater es getan hatte. Das machte diesen Mann nicht unbedingt sympathischer.


    Der junge Mann hatte beim hereinkommen genau die Reaktionen des Senators auf seine Schwester beobachtet und war sich sicher, dass allein das Aussehen seiner Zwillingsschwester die Aussagen der beiden legitimierte. Lediglich die Anspielung auf den stolzen Blick des Vaters ließ in ihm kurz Wut aufkommen. Er wollte nichts mit seinem Vater gemein haben, überhaupt nichts – nicht einmal den Blick! Doch der Senator wechselte sofort wieder das Thema und ließ die Erregung des jungen Mannes ebenso schnell verebben, wie sie aufgekommen war. Nachdem er abgewartet hatte, bis seine Schwester saß, nahm Marcus ebenfalls auf der Kline neben ihr Platz und folgte weiter dem Gespräch der beiden. Er hasste es, wenn man all zu lange um das eigentliche Thema herumredete oder unnötige Begrüßungsfloskeln austauschte. Was war nun mit dem Alten für den sie diese lange Reise auf sich genommen hatten? Wo war er und warum sprach Meridius es nicht sofort an oder ließ ihn zumindest benachrichtigen? Rom würde bestimmt nicht gleich zusammenstürzen, wenn man ihn aus einer Senatssitzung holte oder er einen seiner wichtigen Posten verlassen musste, den er gerade für den Kaiser und das Volk von Rom ausübte. Andererseits – wer sagte, dass er wirklich in Rom war? Vielleicht hatte ihn der Kaiser ja als Statthalter oder Legat einer Legion in eine der Provinzen geschickt. Flava wäre bestimmt maßlos enttäuscht über eine solche Nachricht und würde vermutlich sofort weiterreisen wollen. Marcus entlockte dieser Gedanke ein leises Seufzen. Dann konzentrierte er sich jedoch wieder auf das Gespräch der beiden. Es ging immer noch um die Großeltern und ihre Mutter. Langsam aber sicher platzte Marcus der Kragen. Er versuchte dennoch Haltung zu waren und unterbrach das Gespräch mit einer recht monotonen und trockenen Frage.


    „Wir sind eigentlich hier um den Al…..“ Marcus schluckte das Wort gerade noch rechtzeitig hinunter und sprach schnell weiter „unseren Vater zu treffen? Wo ist er?“ Den Nachsatz unterstrich er mit einem fragenden und durchdringenden Blick, der auch einige Kälte ausstrahlte.

  • Flava war in der Tat eine angenehme Erscheinung, was sich auch in der Art zeigte, wie sie sprach und sich gab. Vornehm, höflich, sie war zweifelsohne gut erzogen worden und gab in allem eine gute Figur ab. Eine perfekte Frau, wenn man eine Gemahlin suchte, zumal sie auch die Tochter eines einflussreichen Senators war.


    Ganz anders dieser Flavus, in seinem Blick lag etwas Unberechenbares, etwas Aufbrausendes, doch nicht der Art, dass man Angst haben musste, hatten doch die meisten Männer der Decima und so manche Frau eben diesen Blick in jungen Jahren selbst getragen. Für den Geschmack des Senators lag jedoch ein Beigeschmack darin, den er noch nicht zuordnen konnte.


    "Glaub es mir. Du kommst ganz nach Deiner Mutter."


    sprach Meridius noch zu der Dame, ehe Flavus das Wort ergiff und endlich sprach. Er war damit schon mal kein Stummer mehr, Meridius lächelte ein wenig, als er solches dachte, nahm jedoch sogleich eine ernstere Haltung ein, als Flavus auf seinen Vater zu sprechen kam. Es führte nicht daran vorbei, das Verschwinden von Livianus musste angesprochen werden.


    "Decimus Livianus weilt zur Zeit nicht in Rom. Er zog als Legatus Legionis mit den Truppen des Kaisers gegen die Parther und ist noch nicht zurückgekehrt."


    Am besten fing er das Ganze langsam an.

  • Flava bedachte ihren Bruder mit einem flehentlichen „Bitte“-Blick, als dieser anfing, zu sprechen. Natürlich interessierte sie auch, was mit ihrem Vater nun los war, aber Flavus hatte eine Art heute an sich, die sie nicht leiden mochte. Er war so kalt und wütend, und sie mochte lieber den Bruder, der sie schützte und zum Lachen brachte. Aber der war heute wohl nicht anwesend. Verlegen nippte sie noch einmal an ihrem Wein.
    Als der Senator dann offenbarte, dass ihr Vater noch nicht vom Feldzug gegen die Parther zurück sei, hätte Flava beinahe den Becher fallen lassen. Schnell stellte sie ihn ab, um ein Malheur noch zu verhindern, und überdachte kurz das Gesagte. Die Legionen waren doch schon längst zurückgekehrt aus Parthia? Der Feldzug war doch schon lange vorbei? Was machte er dann noch dort? Ein ungutes Gefühl der Angst beschlich Flava, und jetzt griff sie doch kurz nach der Hand des Bruders, um dort kurz Stärke zu finden. Sie brauchte die Gewissheit, dass er noch an ihrer Seite war.


    Aber er ist wohlauf?


    Eigentlich wusste Flava die Antwort auf diese Frage schon. Wenn er noch nicht zurück war, war er wahrscheinlich auch nicht wohlauf. Ihr Traum der vergangenen Nacht fiel ihr wieder ein. Ein dunkler, heißer Ort, wo Dämonen in den Schatten lauerten und an den Wänden kratzten. Ein leichtes Frösteln überkam sie dabei. Sie wollte doch nur, dass alles gut werden würde.

  • Angst bemächtigte sich der jungen Decima, welche nach der Hand ihres Bruders griff um dort nach Halt zu suchen. Und Meridius konnte sich auch schon denken, was SIE dachte und was durch IHREN Kopf gehen musste. Die Legionen waren zurück, der Feldzug war vorbei, nur Livianus verweilte noch im Osten? Welchen Sinn ergab es und was hatte es zu bedeuten? Der Senator atmete tief durch. Es brachte nichts, es ihnen so schonend wie möglich beizubringen, denn was gab es an der Botschaft schonendes? Die Lage war beinahe aussichtslos, er selbst klammerte sich ja einen kleinen Strohhalm, immer in der Hoffnung, dass seine bevorstehende Reise in den Osten zumindest Klarheit bringen würde, im besten Fall die Rückkehr seines Cousins bewirken könnte.


    "Ich hoff es."


    Eine andere Antwort konnte er Flava nicht geben.


    "Euer Vater ist auf dem Feldzug verschollen. Die genauen Umstände sind unklar. Ich selbst werde jedoch in den kommenden Tagen in den Osten aufbrechen und Euren Vater suchen. Ich hoffe und verspreche mir, dass ich ihn finden werde. Und wenn ich ihn finde, bringe ich ihn auch wieder zurück."


    Das ganze konnte Monate dauern, wenn nicht ein Jahr. Doch was sollte er sagen?


    "Ich möchte euch bitten, dass ihr in der Zwischenzeit hier in Rom bleibt. Ihr seid die Kinder von Marcus. Das hier ist auch sein Haus. Zumal hier noch andere Familienangehörige sind. Meine Gattin, mein Sohn. Sie würden sich über eure Anwesenheit freuen und es wäre für mich selbst auch ein Anreiz auf der Suche, euch hier zu wissen. Es wäre mir eine Verpflichtung, der Grund eines Eides, nicht zu ruhen, bis ich euren Vater zu euch gebracht habe. Würdet ihr mir diese Ehre erweisen?"

  • Nicht weinen! Das war das Erste, was ihr durch den Kopf schoss. Nicht weinen!
    Ein dicker Klos hatte sich in Flavas Hals gebildet, während sie Meridius zuhörte. Verschollen in Parthia konnte ihr Vater auch schon tot sein. Sie hätte nie Gelegenheit gehabt, ihn kennen zu lernen. Und was war dann mit ihrem Wunsch, Priesterin der Diana zu werden? Und all das, nachdem ihre Großeltern endlich mit der Sprache herausgerückt waren, wer er überhaupt war.
    Flava hielt sich an der Hand ihres Bruders fest, und diesmal war er nicht so aufbrausend wie den restlichen Tag, sondern gab ihr den Halt, den sie brauchte. Sie musste ihre Gedanken ordnen, und sie durfte keinesfalls weinen. Das schickte sich nicht, eine Römerin behielt einen klaren Kopf. Und noch war ihr Vater nicht sicher tot. Wenn er es war, dann konnte sie weinen.


    Ich wollte doch nur seine Erlaubnis, Priesterin zu werden und ihn kennen lernen…
    Sie sprach mehr zu sich selbst, vielleicht auch zu Flavus, als mit jemand bestimmten. Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern, und sie merkte erst hinterher, dass sie den Gedanken ausgesprochen hatte. Sie räusperte sich und ließ auch Flavus’ Hand wieder los.


    Verzeih, ich bin nur etwas durcheinander. Es wäre uns eine Ehre, wenn wir hier bleiben dürften.
    Flava warf ihrem Bruderherz bei diesen Worten einen kurzen „wag es bloß nicht“-Blick zu.
    Und es wäre mir auch eine große Freude, deiner Frau und deinem Sohn Gesellschaft zu leisten. Ich werde zu den Göttern beten, dass sie dich beschützen und du schnell mit unserem Vater zurückkehrst.

  • In aller Ruhe und ohne merkliche Reaktion vernahm Marcus die Schilderung seines Verwandten. Das Schicksal des Alten traf ihn nicht besonders, allerdings das Entsetzen und die Traurigkeit die sich im Gesicht seiner Schwester ausbreiteten machten auch Marcus etwas zu schaffen. Als sie seine Hand nahm drückte er sie etwas fester, um ihr damit still etwas Halt zu vermitteln, bis sie ihn von selbst wieder los ließ. Für ihn war damit die Sache besprochen. Die Reise war umsonst und weder Flava noch er würden ihren Vater so schnell kennen lernen. Das Geschwisterpaar konnte sich also wieder auf die heimreise Vorbereiten und vielleicht auch in Meridius einen Sponsor finden, der Ihnen ein wenig Geld für alle damit verbundenen Kosten leihen konnte.


    Marcus mahlte sich schon vor seinem Geistigen Auge aus, dass er bald wieder britannischen Boden unter seinen Füßen hatte bis Meridius plötzlich anbot, dass die beiden hier in Rom bleiben konnten, bis er den Alten gefunden hatte. In diesem Moment wusste der junge Mann sofort, dass seine Schwester bestimmt Feuer und Flamme für diese neue Möglichkeit war. Noch ehe er etwas dazu sagen konnte antwortete sie und sagte Meridius dankbar zu. Der Blick den Flava danach mit Marcus austauschte sagte mehr als tausend Worte. Er sollte es ja nicht wagen dagegen zu sprechen. So beugte er sich dem Wunsch seiner Schwester und versuchte die positiven Seiten dieser neuen Fügung zu sehen. Er war ein junger und gebildeter Mann aus dem Ordo Senatorius, den hier in Rom alle Möglichkeiten offen standen. Auch seine Schwester hatte hier wesentlich mehr Möglichkeiten ihrem Wunsch zum Dienst an den Göttern nachzugehen. Er nickte dem Senator daher dankend zu.


    „Ich schließe mich da meiner Schwester an. Es wäre uns eine Freunde und auch eine Ehre hier in Rom zu bleiben und unter dem Dach unserer Familie zu leben.“


    Den Glückwünschen seiner Schwester schloss er sich jedoch nicht an. Wenn es nach ihm ginge, konnte der Alte verrotten wo auch immer er sein mochte, wenn das nicht schon längst geschehen war.

  • Die beiden jungen Geschwister nahmen die Nachricht zur Erleichterung des Senators gefasst auf. Zuerst hatte er gedacht, dass es schwerer werden würde, und schwer war es allzumal. Der Schmerz und die Enttäuschung, welche vor allem die junge Decima überwältigte war nur schwer zu verbergen. Ihr Bruder hingegen schien dabei schon um einiges gefasster.


    "Es wird mir eine Ehre sein. Betrachtet die Casa Decima als euer Zuhause. Und falls ihr etwas wünscht, sagt es meiner Gemahlin. Sie wird sich dann um alles kümmern."


    Ein kurzes Schweigen schlich sich in das Gespräch als Meridius nachdachte, wie es weitergehen sollte.


    "Ihr müsste mir natürlich alles erzählen, wie es euch erging, wie das Leben in Britannien ist, wie die Reise verlief, kein Detail dürft ihr auslassen. Ich gehe daher davon aus, dass ihr heute Abend am Familienessen teilnehmen werdet. Und dort ist Gelegenheit genug alle Geschichten zum Besten zu geben. Wir werden alle an euren Lippen hängen."

  • Dicht hinter seinem Vater folgte Minor dem Initiator.


    Beim Vorbeigehen betrachtete der junge Octavier das Stadthaus. Es war wirklich prächtig, verglichen mit dem Stadthaus der Octavier. Man sah sofort, dass hier ein ehemaliger Statthalter lebte. Einen solchen Posten hatte bisher keiner aus seinem Geschlecht wahrnehmen dürfen...

  • Der Senator hatte an diesem Morgen die üblichen Besuche seiner Klienten anstehen und einige hatte er schon empfangen, während die anderen noch im Atrium warteten, fein säuberlich aufgestellt, entsprechend ihrem Status, den nichts war ungeschickter, als einen Mann vorzuziehen, der von Ansehen und Rang niedriger stand, als ein anderer. Die ganze Rangordnung änderte sich jedoch schlagartig, als die beiden Octavier das Parkett betraten. Kaum hatte Meridius die Meldung ihrer Ankunft erhalten, kürzte er das Gespräch mit einem Römer ab, welcher ein niedriges Amt belegte, wünschte diesem noch einen guten Tag, nicht ohne ihm zu versprechen, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Dann widmete er sich voll und ganz seinem neuen Besuch und bat diesen umgehend herrein, während sich die Wartezeit für die anderen Klienten auf unbestimmte Zeit verlängerte.


    "Meine Güte, bei den Göttern, mit eurem Besuch habe ich nicht gerechnet ..."


    begrüßte er die beiden Octavier herzlich. Es war in der Tat noch nie vorgekommen, dass beide gleichzeitig eintrafen. Entweder es gab ein extrem wichtiges Anliegen, oder die beiden hatten Langeweile.


    "Was kann ich für euch tun?
    Und wie geht es euch?"


    Er deutete mit einer Handbewegung auf die Sitzgelegenheiten und schickte einen Sklaven um Wein zu holen.

  • Auch Maior freute sich sehr, seinen alten Freund und Patronen zu sehen.


    "Salve Patronus. Es freut mich sehr dich zu sehen und ich entschuldige mich, dich jetzt erst besuche." er reichte ihm die Hand.


    "Du kennst meinen zweiten Sohn noch nicht." erklärte er mit einem breiten Lachen im Gesicht. "Decimus, das ist Quintus Octavius. Er ist derzeit Tribun bei der Legio Prima." verkündete er stolz und nahm dankend Platz.


    "Es freut mich sehr, dass du Zeit für uns gefunden hast. Danke der Nachfrage. Gut, doch wirklich." er grinste. Lange hatte er hier nicht mehr gesessen. Zum letzten mal, kurz bevor er nach Hispania aufgebrochen war. "Wie geht es dir, deiner Frau, und deinen Sprössling?" fragte er.

  • Den zweiten Sohn des Octavius Augustinus kannte er tatsächlich noch nicht, zumindest nicht vom Sehen, auch wenn er natürlich mitbekommen hatte, dass er als Tribun bei der Prima war. Die Truppen erregten noch immer das Interesse des ehemaligen Feldherrn, zu wissen wer wo welches Kommando hatte fand dieser immer noch wichtig. Folglich hatte der junge Mann vor ihm sofort seine Aufmerksamkeit.


    "Sei gegrüßt Quintus Octavius."


    Dann nahmen sie alle Platz.


    "Meiner Gattin geht es blendend. Sie scheint jeden Tag attraktiver zu werden, zumindest kommt es mir so vor. Man mag mich einen Charmeur schimpfen, oder einen Spinner, soll mir beides recht sein, doch zeigt es dir zumindest, dass diesbezüglich alles Bestens steht. Und mein Kleiner entwickelt sich ebenfalls prächtig. Bis er allerdings so groß wird wie Dein Prachtexemplar hier, wird es noch eine Weile dauern. Ich fürchte bis dahin bin ich alt und senil..."


    Er lachte.


    "Also, was verschafft mir die Ehre?"

  • Für den Tribunen, der seit seinem 16. Geburtstag bei den Truppen war, war der Mann vor ihm, genau der Mann, wie er ihn erwartet hatte: Witzig, intelligent, durchtrainiert und zu ein Händchen für Frauen. "Ich freue mich sehr dich kennen zu lernen, Senator." Er setzte sich und sah zu seinem Vater. Ihm wollte er das Reden überlassen, was seiner Meinung nach das einzige war, was Verwaltungsbeamte überhaupt konnten, jedoch würde er seinem Vater das nie ins Gesicht sagen. ;)

  • Augustinus lachte, bei Meridius' Kommentar über dessen Frau. "Ich verstehe nur zugut, was du meinst."


    Er räusperte sich. "Ich wollte dich auf den neusten Stand bringen, was das Thema Hispania betrifft. Und ich wollte wissen - inoffiziell - wie du oder wie wir zu Senator Germacius Avarus stehen."


    Er sah zu seinem Sohn. "Ich habe meinen Sohn mitgenommen, da ich möchte, dass er einen Einblick in die Politik bekommt. Er war sein Leben lang in Germanien und Aegyptus. Da verliert man schnell den 'richtigen Blick', denke ich." Augustinus hielt das für notwendig, da er hoffte, dass sein Sohn eines Tages eine Statthalterschaft bekommen würde, womöglich mit einem Kommando. Bei einer solchen Aufgabe konnte das Gespür für Politik durchaus von Vorteil sein.

  • Das also waren die Anliegen des Octaviers. Nun denn, sollte es so sein, Meridius war es recht. Also redete er auch nicht lange um den heißen Brei herum, denn dies war nie seine Art gewesen.


    "Wie soll ich zu Senator Germanicus stehen? Er ist mein Schwager, Gatte meiner Schwester. Folglich greife ich ihn politisch nicht an und gehe davon aus, dass er es selbst ebenso hält. Wir mögen keine Freunde sein, vermutlich auch nie welche werden, doch ich habe einen gewissen Respekt vor ihm. So lange er mir nicht schadet, kann er tun und lassen was er will... Zudem möchte ich mir nicht meine Schwester zum Feind machen. Die Frauen der Decima sind schlimmer als die Pest, wenn man sie gegen sich hat. Dies erklärt vermutlich, dass Avarus in den letzten Jahren durchaus handzahm geworden ist..."


    Er lachte und forderte dann den Sklaven - welcher mit dem Wein zurückgekehrt war - auf, ihnen allen einzuschenken.


    "Wieso fragst Du?"

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