• "Das Meer macht auch mir immer wieder zu schaffen. Daher verreise ich auch sehr ungern und bin Froh in der Legion gedient zu haben und nicht etwa als Offizier bei der Classis."


    Livianus ließ sich auf der freien Liege gegenüber von Axilla nieder. Aufmerksam trat ein neuer Sklave herbei um dem Hausherrn einen Becher mit verdünnten Wein zu reichen und brachte auch erneut einen Becher Saft für den Gast.


    "Serena. Ja natürlich. Ich habe bereits ihre Bekanntschaft gemacht. Nur der gute Silanus hatte bisher anscheinend keine Zeit mich aufzusuchen. Aber ich will ihm das nachsehen, schließlich hat er nun am Kaiserhof bestimmt einiges um die Ohren."


    Ob er es seinem Klienten tatsächlich nachsah, dass seine Verwandten mehr Interesse für die Kontakte der Familie zeigten als er selbst behielt er dabei tunlichst für sich. Das würde er mit seinem Klienten selbst klären.
    "Rom ist tatsächlich sehenswert und ich hoffe du hast genug Zeit mitgebracht um dir alles anzusehen. Ich kann mich noch an meine erste Reise nach Rom erinnern. Ich war schlichtweg überwältigt. Als junger Mann der bis dahin nicht wirklich aus Tarraco herausgekommen ist war dies ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich kann also gut verstehen wie es dir gehen muss. Ich hoffe doch das Silanus dir auch den Palast gezeigt hat. In seiner Position kann er bestimmt einen Gast einschleusen. Ich kann dir nur raten diese Möglichkeit nicht verstreichen zu lassen. Der Kaiser selbst weilt zwar derzeit nicht in Rom, aber es können nicht viele behaupten im Palast des Kaisers gewesen zu sein."


    Lächelnd hob Livianus den Becher, um Axilla zuzuprosten.

  • Er war bei der Legion? Sah irgendwie gar nicht danach aus. Natürlich, wie wär er sonst gefangen worden? Dummkopf..., schalt sie sich selbst in Gedanken und hörte ihm dann aufmerksam zu. Als das Thema so auf Silanus kam, wurde ihr etwas mulmig zumute, da war es ihr grade recht, dass gerade ein Sklave mit neuem Saft kam. Sie verbarg ihr kleines Unwohlsein hinter ein paar kleinen Schluck und drehte danach den Becher ein wenig verspielt in den Händen, so dass die helle Flüssigkeit darin leicht hin und herschwappte, ohne überzulaufen.
    “Nein, ich muss ehrlich sagen, ich sehe ihn auch nur ganz selten. Ab und zu bei der Cena, aber sonst eigentlich nie.“ Ging ja auch schlecht, denn wie schon in Alexandria ging er ihr geschickt aus dem Weg.
    “Aber Aelius Archias war so nett, mich einzuladen. Ich denke, da wird er mir den Palast auch bestimmt zeigen. Der Imperator ist aber grade gar nicht in Rom, oder? Also, nicht dass ich den sehen wollte...“ Sie wäre zwar neugierig, aber der hatte sicher besseres zu tun, als eine schusselige Iunia kennenzulernen. Dann fiel ihr aber auf, wie sie das eben gesagt hatte, und setzte rasch noch hinterher. “.. ähm, also, wollen würd ich schon, aber geht ja nicht, weil er ist ja er und ich bin ja ich, und das geht ja nicht. Also, weil ich ja niemand bin... also niemand wichtiges, den er sehen müsste.“ Axilla war sich nicht sicher, ob ihr Gesprächspartner das jetzt verstanden hatte, es war doch ein wenig durcheinander aus ihr herausgesprudelt.

  • Es war interessant zu hören, welche Kontakte dieses junge Mädchen bereits hatte. Sie kannte also einen Aelier und das so gut, dass sie mit einem Besuch im Palast rechnete. Bei ihrem letzten Satz hatte der Senator etwas mühe der immer noch aufgeregten jungen Dame zu folgen, doch schließlich verstand er was sie meinte und lächelte.


    "Also ganz so würde ich das nicht sehen. Mach dich bitte nicht unbedeutender als du bist. Immerhin bist du die Verwandte des Procurator ab epistulis, einem der wichtigsten Posten am Kaiserhof. Iunius Silanus hat einfach einen außerordentlich ungünstigen Zeitpunkt erwischt dieses besondere Amt anzutreten. Wäre der Kaiser hier in Rom und nicht dauerhaft auf seinem Landbesitz in Misenum, würde Silanus vermutlich jeden Tag mit ihm konferieren. Und nicht zu vergessen Iunia Attica, die früher ebenso ein Procuratorenamt am Kaiserhof innehatte. Die Iunier mögen nicht die größte Gens des Reiches sein, aber sie haben schon bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht."


    Vermutlich viel es Axilla nicht auf, aber als Livianus Atticas Namen aussprach überschlug sich seine Stimme etwas. Er hatte bereits lange nicht mehr an sie gedacht und war für einen kurzen Moment tief getroffen, überspielte diesen Zustand jedoch gekonnt. Attica war eine wunderbare und wunderschöne Frau und wer weiß was aus den beiden hätte werden können, wäre sie nicht bereits so früh aus dieser Welt geschieden. Der Senator seufzte kurz auf und drängte die Gedanken wieder beiseite.


    "Wie bist du eigentlich mit Silanus verwandt, wenn ich das fragen darf?"

  • War das denn wirklich so? Axilla hatte, um der Wahrheit die Ehre zu geben, keine Ahnung, wie wichtig der Posten ihres Vetters denn war. Sie wusste ja nichtmal genau, was er machte. Er ging ihr ja auch aus dem Weg, wie sollte sie ihn da danach fragen? Oder gar ihn besuchen und es sich ansehen? Sie hatte also kurzum überhaupt gar keine Ahnung, ob das nun etwas war, oder nicht. Seine Aufgabe davor, Präfekt der Ala, damit hatte sie etwas anfangen können. Sie war nunmal die Tochter eines Soldaten und nicht die eines Politikers.
    “Oh, du missverstehst mich, glaube ich. Ich würde nie behaupten, die Iunier seien keine große Gens. Der erste Konsul Roms war Iunier. Wir haben eine lange und stolze Geschichten. [size=6]Wenngleich mit ein paar Schatten...[/size] Ich würde nie etwas anderes als stolz darauf sein. Das schulde ich meinem Vater und seinen Vorfahren, als Mindestes.“
    Diese kleine Rede konnte Axilla ganz offen und geradeheraus halten, ohne sich dabei zu schämen oder schüchtern zu wirken. Auf ihre Familie ließ sie da nichts kommen. Sie hatte nur wenig Stolz, aber Familienstolz uneingeschränkt.
    “Aber ich allein bin nur ich. Ein Mädchen aus Tarraco, dass in Alexandria nun bei Verwandten war, unverheiratet, ohne nennenswerte Verdienste. Warum sollte der Kaiser mich da sehen wollen?“ Axilla wollte sich nicht auf den Verdiensten ihrer Verwandten ausruhen. In Momenten wie diesen fragte sie sich, warum die Götter aus ihr keinen Mann gemacht hatten. Sie wäre ein hervorragender Mann geworden, der der Familie sicher viel Ehre gemacht hätte.


    Doch dann fragte Livianus weiter nach Silanus, und Axilla schaute doch wieder etwas schüchterner beiseite. Auch wenn sie über ihn nun wirklich und endgültig hinweg war, fiel es ihr schwer, über ihn so nachzudenken und zu reden. Hauptsächlich, weil es sie belastete, dass er ihr so sehr auswich.
    “Silanus ist der Vetter meines Vaters. Mein Großvater und sein Vater waren Brüder.“

  • "Glaube mir. Der Kaiser wäre Tor, würde er die Gelegenheit verpassen eine so bezaubernde junge Frau kennen zu lernen geschätzte Iunia."


    Lächelnd prostete Livianus seinem Gast zu, die seine charmante Art hoffentlich nicht missinterpretierte. Er war keineswegs ein Frauenheld, ganz im Gegenteil, jedoch war er es gewohnt einfach auszusprechen was er dachte und dabei war es ihm gleich ob es sich bei seinem Gesprächspartner um einen untergebenen Soldaten oder eine junge Frau handelte.


    Interessant war es auch zu erfahren, dass Axilla so wie er aus Tarraco stammte. Vielleicht konnten sie darüber später noch ein paar Worte wechseln. Sein letzter Besuch in der Heimat lag Jahrzehnte zurück. Zumindest schien es ihm so.


    "Der Vetter deines Vaters. Ich verstehe. Und wie lange hast du vor hier in Rom zu bleiben? Ich hoffe du musst nicht all zu bald wieder nach Alexandria."

  • Bei seinem Kompliment errötete Axilla noch ein wenig mehr und ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, dass sich nicht unterdrücken ließ. Mit Komplimenten umzugehen musste sie nach wie vor lernen, und so versteckte sie ihre Verlegenheit hinter einem weiteren, großen Schluck aus ihrem Becher. Er fragte sie nach der Dauer ihres Aufenthaltes, und Axilla war sich unschlüssig, ob sie ihm alles genau so sagen sollte, wie sie es Seiana gesagt hatte. Er kam zum Schluss noch auf falsche Gedanken, wenn sie meinte, sie würde auf den richtigen Mann warten und es davon abhängig machen, ob sie hier blieb oder nicht. Das klang so, also ob... naja, als ob sie sich anbieten würde, fand sie. Und das wollte sie ja nun wiederum nicht.
    “Nein, ich wollte zumindest noch warten, bis das Meer wieder ruhig ist. Und Decima Seiana und Aelius Archias heiraten ja im Frühjahr irgendwann, und ich bin ja auch eingeladen. So lange bleibe ich in jedem Fall noch hier. Und den Rest... den lass ich mal auf mich zukommen und entscheide dann. Carpe diem.“ Oder anders gesagt: Wer planlos ist, der kann nur von Tag zu Tag entscheiden.


    Axilla drehte den Becher wieder etwas in der Hand und suchte nach einer Möglichkeit, sich selbst mehr ins Gespräch einzubringen. Sie wollte ja nicht, dass der Senator glaubte, er würde sie verhören, nur weil ihr nichts vernünftiges einfiel.
    “Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich mich beschwert habe, dass du uns in Alexandria nicht besucht hast. Ich verstehe natürlich, dass du als Senator da ja eigentlich gar nicht hättest sein dürfen und es nur aus den Umständen heraus so war.“ Ihr Blick wurde etwas hypnotisierter, während sie scheinbar interessiert beobachtete, wie sich das Licht auf ihrem Saft spiegelte. “Wie konntest du eigentlich entkommen?“ fragte sie, ehe sie bemerkte, dass das vielleicht kein so gutes Thema war, aber da war die frage schon raus. “Tut mir leid. Das ist vielleicht... kein so gutes Thema.“

  • Das Seiana heiratete, hatte er bereits so ganz nebenbei bei seinem kürzlich geführten Gespräch mit Quarto erfahren. Seit dem hatte sich keine Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihr geboten. Mit nachdenklicher Mine sah er kurz zum Türbogen, aus dem Seiana vorhin gegangen war. Er war enttäuscht, dass sie nichts gesagt hatte, immerhin war sie seine Nichte und lebte unter seinem Dach. Ihre Wahl war zweifellos hervorragend. Eine Verbindung mit dem Kaiserhaus, auch wenn nur entfernt verwandt, war der Traum vieler römischen Familien, doch wäre es nicht zuviel verlang gewesen, wenn ihr Zukünftiger dem Hausherrn der Decimer zumindest seine Aufwartung gemacht hätte. Doch dazu später.


    Der Senator lächelte sanftmütig als er Axillas Frage hörte.


    "Keine Sorge. Du bist nicht der Erste und bestimmt auch nicht der letzte Mensch der mir diese Frage stellt."


    Bevor Livianus zu erzählen begann nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Becher und ließ sich dann endgültig auf der Liege nieder.


    "Entkommen ist das falsche Wort. Ich habe es meinem Bruder und seinen Gefährten zu verdanken das ich Lebe. Sie sind in einer Nacht- und Nebelaktion nach Parthia gereist, haben mich aufgespürt und konnten mich bei einer passenden Gelegenheit aus den Händen unserer Feinde befreien. Es folgte eine längere Fluch, die uns schließlich nach Aegyptus führte, wo ich unter falschen Namen reiste. Für einen Besuch blieb da leider keine Zeit, doch beinahe hätte ich euch kennengelernt. Ich habe mich als Iunier ausgegeben, da ich nicht wusste, das Silanus dort bereits als Tribun gedient und noch Familie in Alexandria hatte. Es wäre also möglich gewesen, dass die Stadtwachen meine Identität kontrolliert hätten. Es wäre interessant gewesen, wie ihr darauf reagiert hättet. Doch dazu ist es dann nicht mehr gekommen. Du warst damals auch schon in Aegyptus. Was hat dich von Tarraco dort hingeführt?"

  • Wie sie reagiert hätten, wenn jemand sich als Iunier ausgegeben hätte, obwohl er keiner war? Axilla hätte neugierig so lange nachgefragt, bis sie die wahre Geschichte gehört hätte. Urgulania hingegen...die hätte den Hochstapler vielleicht sogar vor Gericht stellen lassen, wegen Ehrbeleidigung oder dergleichen. Kurz umschmiegte ein etwas trauriges Lächeln ihre Züge, was aber gleich fortgewischt war, als Livianus nach ihrer Vergangenheit fragte. Axillas Blick wanderte zu Boden und heftete sich dort fest, während sie versuchte, die leichten Worte zu finden, die sie schon so oft gebraucht hatte. Langsam dachte sie, es müsse ihr leichter fallen, aber das tat es nicht.
    “Mein Vater ist bei einem Aufstand in Nordhispania gefallen, als ich zwölf war. Meine Mutter hatte eine sehr kränkliche Konstitution, schon immer, und nach Vaters Tod wurde es schlimmer. Als ich 15 war, starb sie schließlich, und um die Rechnungen zu bezahlen und wie mein Vater es gewünscht hätte allen Sklaven die Freiheit zu schenken, habe ich dann den Hof verkauft und bin zu meinen nächsten Verwandten gezogen. Und die waren zu dem Zeitpunkt eben in Alexandria.“
    Axilla zuckte mit den Schultern, als bekümmere sie das ganze gar nicht. Sie hatte es schon so oft erzählt, sich schon so oft verstellt, dass es ihr nicht mehr sonderlich schwer fiel, und nur die, die sie gut kannten, wohl die kleinen Unterschiede feststellen konnten.
    “Aber eigentlich war das ganz gut, Ägypten ist wirklich wunderbar. Gerade die Freiheit, die man dort als Frau genießt, ist nicht zu vergleichen. Ich habe dort zwei Betriebe, die mir allein gehören. Und dort ist das ganz normal.“ Auch, wenn Seiana sie vorhin gewarnt hatte, das nicht jedem auf die Nase zu binden, im Moment dachte sich Axilla nichts dabei. Außerdem lenkte es ab.

  • Die Geschichte der jungen Iunia ließen auch den Senator für einen kurzen Moment in Erinnerungen schwelgen und machte ihm zugleich bewusst, wie alt er schon im Vergleich zu Axilla war. Welch ein Zufall das Axillas Vater im selben Krieg wie Livianus gekämpft hatte. Mit ziemlicher Sicherheit sogar unter dem Kommando von Meridius. Doch der Senator hatte damals wohl mehr Glück als der Iunier.


    "Der Aufstand des Sertorius. Ja, auch ich habe dort gekämpft und als viele gute Männer und Freude fallen sehen. Ein sehr dunkler Fleck in der Vergangenheit unserer Heimatprovinz."


    Zum Glück wechselte Axilla das Thema sofort gekonnt auf Alexandria, was Livianus sehr begrüßte. Überrascht lächelte er sie wieder an.


    "Zwei Betriebe?! Und das schon in deinem jungen Alter! Du weißt wohl ziemlich genau was du willst junge Iunia? Aber an Zielstrebigkeit hat es deiner Familie nie gemangelt. Man sieht, dass auch du ganz nach den Iuniern kommst, die ich bisher kennen gelernt habe. Und über diese Freiheit der Frauen habe ich bereits gehört. Sie sollen sogar in die Politik aktiv sein dürfen. Leider hatte ich zuwenig Zeit mir ein genaueres Bild von Alexandria zu machen und ein erneuter Besuch wird mir wohl Zeit meines Lebens nicht mehr gestattet sein."

  • Zum Glück wollte Livianus nicht weiter über den Aufstand sprechen. Auch wenn es Axilla ganz gut getan hätte, mit jemandem zu sprechen, der dort dabei gewesen war, behielt sie es lieber in sich verschlossen, um nicht in Gefahr zu geraten, sich dabei in Gefühlen zu ergeben.
    Was beim nächsten Thema auch nicht so einfach war, aber Axilla versuchte ihr bestes, gleichmütig und fröhlich wie immer zu wirken.
    “Nunja, ein wenig Ehrgeiz ist auch für eine Frau keine schlechte Eigenschaft, oder? Und mein Vater hat mich dazu erzogen, auf meinen eigenen Beinen zu stehen und für mein Wort selbst einzustehen.“ Man könnte auch sagen, ihr Vater hatte in ihrer Erziehung keinen Unterschied in der Tatsache gemacht, dass sie ein Mädchen war, oder nur einen verschwindend kleinen. Vermutlich deshalb, weil er keinen Erben hatte, sondern nur die Tochter.
    “Aber es stimmt, Frauen sind auch in der Politik dort aktiv. Meine Großcousine Urgulania... war Eutheniarche und später Exegete, sogar Archepyrtane. Ein Freund der Familie bot mir ja auch schon Hilfe an, sollte ich mich wählen lassen wollen. Aber ich denke, das wäre doch etwas viel für eine Siebzehnjährige gewesen.“

  • Der Senator konnte seine Überraschung wohl nicht verbergen, als er die junge Frau vor ihm noch einmal genauer musterte. Er hatte zwar gleich anfangs festgestellt, dass sie noch ziemlich jung aussah, aber auf siebzehn Jahre hatte er sie keinesfalls geschätzt. Sie wirkte bereits wesentlich älter und auch durch ihre Erzählungen über Alexandria und ihre Betriebe hatte er sie auf mindestens Anfang Zwanzig geschätzt. Ein weiterer Beweis dafür, dass er sich bereits länger nicht mehr mit der holden Frauenwelt beschäftigt hatte. Siebzehn war in jedem fall seeehr Jung. Zumindest seiner Ansicht nach.


    "Erst Siebzehn sagst du? Nun ja. Dann hast du ja bereits mehr in deinen jungen Jahren erreicht als so mancher Mann. Die Iunier haben sich anscheinend sehr der alexandrinischen Lebensart angepasst, wenn sie einer jungen Frau aus ihren Reihen solch weitgehende Freiheiten gestatten. Für die meisten römischen Familien wäre so etwas schlicht unvorstellbar. Wie sagt man aber so schön? Andere Länder, andere Sitten. Und der Weg in die Politik hätte deinem bisherigen Werdegang dann wohl noch die Krone aufgesetzt. Dann hätten sich wahrlich die meisten römischen Männer im gleichen Alter vor Scham verstecken müssen."


    Livianus schmunzelte.


    "Aber du bist noch sehr jung und hast bestimmt noch ein langes Leben vor dir. Wer weiß welche Chancen dir dabei noch offen stehen."

  • Axilla war sich nicht sicher, ob das nun ein Kompliment war oder doch eher ein Tadel. Es klang nicht so, als wäre Livianus wirklich davon überzeugt, dass es eine gute Sache war, wenn eine Frau sowas machte. So, wie er betonte, dass das in Rom bei einigen Familien nicht gut ankam, oder wie er über Alexandria sprach, kam in Axilla der Eindruck auf, ihm gefiel das nicht, nur, dass er zu höflich war, das auch zu sagen. Vielleicht hätte sie doch besser auf Seiana hören sollen und einfach mal ihre Klappe halten. Jetzt aber war es schon zu spät, und ein Teil von Axilla wollte das auch gar nicht verbergen. Sie war stolz auf das, was sie erreicht hatte, und noch viel stolzer, was ihre Gens anging. Ein klein wenig also regte sich dieser Stolz, aber dieses Mal konnte sie den Impuls, ihm Ausdruck zu verleihen, einigermaßen widerstehen.
    “Naja, ich werde auf jeden Fall weder Senator, noch Feldherr“, meinte sie also mit einem möglichst charmanten Lächeln, das klar machen sollte, das das wirklich ein Scherz war. Auch wenn sie der Meinung war, dass eine Frau sicher auch das ein oder andere zu so einem Posten beisteuern könnte. Zumindest ein wenig.
    “Aber vielleicht heirate ich mal einen“, fügte sie mit einem Schulterzucken noch hinzu. Auch wenn Axilla keine Ahnung hatte, was ihre künftige Männerwahl betraf, Ehrgeiz sollte er auf jeden Fall genug mitbringen, um das zu erreichen. Axilla brauchte einen Mann und niemanden, der sich auf seinen Erfolgen ausruhte. Das war langweilig.
    Doch irgendwie war das Thema an sich sehr seltsam, so dass Axilla in üblicher Manier schnell ein anderes suchte und einfach, als wäre nichts weiter gewesen, dahin wechselte. “Und dies hier ist dein Haus?“ fragte sie also in Ermangelung eines besseren Spontaneinfalls einfach gerade heraus.

  • Erst jetzt viel dem Senator auf, welch wunderschönes und strahlendes Lächeln das junge Mädchen hatte. Einfach bezaubernd wie er für sich selbst feststellte. Auch die Konversation war abwechslungsreich und erfrischend. Bei dieser Gelegenheit nahm sich Livianus vor in Zukunft öfter solche Gespräche, sofern sie sich ergaben, zuzulassen und sich nicht zu eher verschließen wie bisher.


    "Senator und Feldherr wirst du vermutlich keiner, aber glaube mir wenn ich dir sage, dass ich mich schon oft selbst gefragt habe, ob dies wirklich so erstrebenswerte Ämter und Aufgaben sind, für die sie die meisten Leute halten. Ich bin bisher noch zu keinem Schluss gekommen, da ich mir diese Frage oft jeden Tag aufs Neue stellen muss. Und du hast Recht. Die Option einer Heirat steht dir ja trotz deiner vielfältigen Geschäfte und Ideen auch noch immer offen."


    Als Axilla das Haus ansprach, sah sich Livianus kurz im Raum um, ehe er mit einem Lächeln auf den Lippen antwortete.


    "Ja, mehr oder weniger. Es hatte einst meinen Vater gehört, der es erwarb als er nach Rom zog. Er wurde damals noch von Kaiser Iulianus an den Kaiserhof geholt um der kaiserlichen Kanzlei vorzustehen. Man könnte sogar sagen, dass er einer der Vorgänger von Silanus war, auch wenn die Ämter damals noch andere Namen und teilweise andere Aufgaben hatten."

  • “Ah“, machte Axilla im ersten Moment seiner Erklärung nur. Es gehörte seinem Vater? Dann musste es ja doch schon ziemlich alt sein, denn Livianus selber war ja sicherlich schon.. sie war schlecht im Alterschätzen, aber sie würde sagen, dass er bestimmt schon 50 war. Auf jeden Fall weit älter als Archias. Aber ganz unverschämt sein und ihn fragen wollte sie auch nicht. “Es ist wirklich sehr schön, und sehr groß. In Alexandria ist unser Haus ähnlich groß, aber hier in der Stadt, das ist doch um einiges kleiner und schlichter.“


    Warum er allerdings fand, dass Senator oder Feldherr zu sein keine besondere Ehre war, verstand Axilla nicht. Er war beides, oder zumindest gewesen, da müsste er doch wissen, welche Ehre das war? Und für Axilla war Soldatentum ohnehin etwas, das an und für sich schon mit höchsten Ehren behaftet war. Wie man das nicht so sehen konnte, kapierte sie wirklich nicht.
    “Aber wie meinst du, dass diese Aufgaben nicht erstrebenswert seien? Es gibt doch kaum eine höhere Ehre und keinen besseren Weg, um Ruhm für das Imperium, für die Gens und nicht zuletzt für sich selber zu verdienen, indem man so mit ganzer Kraft dem Reich dient?“ Axilla verstand es wirklich nicht. Wie konnte ein ehrbarer Mann da nicht danach streben?

  • "Ich stimme dir bei allem was du gesagt hast ohne zu zögern zu junge Iunia. Allerdings handeln nicht alle Männer die solche Positionen erreichen so ehrenhaft oder aus so ehrbaren Gründen wie du sie eben beschrieben hast. Viele treibt auch falscher Ergeiz, gier nach Macht oder einfach nur das schlichte Verlangen nach Geld und Reichtum zu besonderen Taten. Und bist du einmal in einer Position wie ich, so hast du auch sehr oft mit solchen Männern zu tun, ob du es willst oder nicht.


    Und ein Feldherr mag als schillernde Persönlichkeit erscheinen, wenn er hier in Rom ankommt und mit einem Triumphwagen durch die Straßen gezogen wird, mit all dem Pomp, der Folklore und der Festlichkeit. Doch dies sind nur kurze flüchtige Momente im Leben. Die Kehrseite, das tatsächliche Leben eines Feldherrn sieht anders aus. Es besteht die meiste Zeit aus Blut, Eisen und Dreck."


    Livianus hatte in seinem bisherigen Leben alles erreicht, dass ein Plebejer erreichen konnte und gesehen, was für viele Römer kaum vorstellbar war. Einzig das Consulat fehlte um seinen vollkommenen Werdegang abzuschließen und diese Hürde, sofern sie tatsächlich eine war, lag vermutlich noch vor ihm. Da er nichts über Axilla wusste konnte er nicht ahnen, dass auch sie bereits die eine oder andere Erfahrung mit solchen von Macht und Gier korrumpierten Leuten gemacht hatte. Er ging davon aus, dass sie aus einem gut behüteten Haus kam, so wie er es von den Iuniern seit jeher gewohnt war und wollte sie auch nicht weiter mit dem Wissen über Politik oder gesellschaftlichen Intrigen belasten.


    "Aber lass uns über etwas anderes sprechen. Was interessiert eine junge Dame wie dich, wenn du nicht gerade mit deinen Betrieben beschäftigt bist oder an eine Karriere in der Politik denkst?"

  • Gerne hätte Axilla ihm geantwortet. Gerne hätte sie ihm klargemacht, dass sie sehr wohl wusste, dass es nicht nur Triumphzüge gab. Dass die meiste Zeit harte, verschwitzte Arbeit zwischen Blut und Knochen der Freunde war, dass man Wunden und Narben davontrug, so man überlebte. Dass es nicht romantisch verklärt alles sauber und nur ruhmreich war. Sie war das Kind eines Soldaten, nicht eines Schaumschlägers. Natürlich wusste sie um die Entbehrungen und den Schmerz. Auch wenn sie noch klein war, ihr Vater hatte ihr nicht vom tollen Soldatendasein vorgeschwärmt. Sie wusste, was Sache war, auch wenn es vermutlich noch einmal etwas anderes war, wenn man es selber gesehen, gefühlt und erlebt hatte.
    Und sie holte auch bereits schon Luft, als der Senator klar machte, dass er darüber nicht reden wollte. Etwas resignierend ließ Axilla also die Luft wieder aus ihren Lungen und hörte ihm zu, was er denn statt dessen wollte. Sie sollten über sie reden? Was ihr gefiel? Axilla wusste ungefähr ein Dutzend erwünschter Antworten, die sie ihm geben könnte, aber im Moment hatte sie keine Lust, ihn anzulügen. Etwas in ihr hatte an ihrem Stolz gekratzt, und das war schon immer eine Schwäche der Iunier gewesen.
    “Naja, reicht das nicht?“ fragte sie also ehrlich erstmal zurück und wartete, bis der Senator seinen Schreck über die Gegenfrage überwunden hatte. “Ich les auch sehr gern, vor allem Gedichte. Aber ich interessiere mich auch für Schlachtpläne und historische Konfrontationen.“ Axilla schenkte ihm ein gleichmütiges Lächeln. Sollte er doch denken, was er wollte, wenigstens war sie ehrlich. “Als ich klein war, hat mir mein Vater gerne von Alexander dem Großen erzählt, und wir haben mit meinem Spielzeug die Schlachtreihen nachgestellt. Ist wohl irgendwie hängen geblieben.“ Ein wenig beobachtete Axilla aus dem Augenwinkeln, ob sie ihn damit wohl zu schocken vermocht hatte. Aber Stolz war eben eine schlechte Eigenschaft und dachte nicht über Konsequenzen nach.

  • "Eine junge Frau die mit der hohen Kunst der Kriegsführung vertraut ist! Ich muss gestehen junge Iunia, du überraschst mich immer mehr. Leider waren meine strategischen Berater bisher immer weitaus weniger bezaubernd als du es bist. Ein Umstand den ich bei einem zukünftigen Kommando überdenken sollte, sofern ich noch einmal dazu berufen werden sollte."


    Er prostete seinem Gast erneut lächelnd zu und nahm einen Schluck, ehe er weitersprach.


    "Aber auch die Dichtkunst ist eine ehrbare Freizeitbeschäftigung. Es wäre mir eine große Ehre, wenn du mir etwas rezitieren würdest. Ich selbst komme leider sehr selten dazu Gedichte zu lesen, doch höre ich immer gerne zu, wenn sich eine passende Gelegenheit bietet. Also bitte."


    Erwartungsvoll sah der Senator die junge Frau an.

  • Als er ihr Antwort gab, war sich Axilla nicht ganz schlüssig, ob es sein ernst war und er ihr schmeicheln wollte, oder ob er sie veralberte. Sie hatte auf ein wenig Entrüstung gebaut, aber entweder war er zu gesetzt, um sich so leicht aus der Reserve locken zu lassen, oder aber es störte ihn wirklich nicht. Seltsame Sache, sie hatte immer geglaubt, die römischen Männer wären da viel... pedantischer mit der Rolle der Frau.
    Ihr blieb aber nicht lange Zeit, um darüber nachzudenken, denn da wurde sie schon wieder gefordert. “Rezitieren?“ fragte sie etwas überrascht nach und überlegte auch gleich fieberhaft, was sie ihm denn vortragen sollte. Die meisten Gedichte, die sie kannte, waren Liebesgedichte, aber sie konnte ihm ja schlecht ein solches vortragen. Das schien ihr irgendwie... falsch. Nein, Liebesgedichte schloss sie aus. Was gab es da noch, was sie aus dem Stegreif konnte an römischer Literatur? Die Metharmophosen, vielleicht? Aber das war alles immer so lang, und sie brachte da sicher was durcheinander. Und irgendwelche moralischen Lehrgeschichten... neee.
    Kurz schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, einfach etwas griechisches zu nehmen. Immerhin kam sie aus Alexandria eben, da sprach man griechisch. Gut, hier war Rom, das hier war ein römischer Senator in einem römischen Haus... Sie sollte eigentlich nicht... aber andererseits...
    “Gut, dann etwas von Sappho. Aber... ich rezitiere nur, singen ist... ähm, keine so gute Idee.“
    Sie räusperte sich kurz und holte noch einmal Luft, ehe sie ein paar Zeilen der großen Künstlerin hervorbrachte.
    “Then, as the broad moon rose on high,
    The maidens stood the altar nigh;
    And some in graceful measure
    The well-loved spot danced round,
    With lightsome footsteps treading
    The soft and grassy ground.“

  • "Wunderbar Axilla! Einfach Wunderbar!"


    Livianus applaudierte mit einem erfreuten Lächeln im Gesicht und schüttelte dankend den Kopf.


    "Ich hoffe du erfreust hin und wieder auch andere Menschen mit deinem Können. Wirklich hervorragend vorgetragen. Ich bin begeistert."

  • Nun, so großartig fand Axilla sich selbst eigentlich nicht. Es war ja nicht so, als hätte sie das Gedicht geschrieben, und eigentlich musste es ja auch gesungen werden, und überhaupt war es nur kurz und doch ziemlich bekannt... aber trotzdem lächelte sie leicht bei dem Kompliment.
    “Danke“, meinte sie also etwas schüchtern und drehte ihren Saftbecher etwas schüchtern in den Händen. Irgendwie schien ihr das Gespräch etwas einseitig zu verlaufen, und sie wusste nicht, was sie ihren Gastgeber jetzt noch fragen könnte, nach allem, was sie ihn schon gefragt hatte. Oh, wobei, eine Sache gab es noch!
    “Hmm, Senator? Pompeius Imperiosus war so nett, mich auf seinem Schiff hier nach Rom mitzunehmen, so dass ich eine sichere Überfahrt hatte. Ich habe ihm versprochen, dich dafür, wenn ich dich treffe, ihm vorzustellen. Er möchte dich wohl gerne kennenlernen. Kann ich ihm etwas ausrichten?“
    Nun, eigentlich hatte sie sogar versprochen, ihn mitzunehmen, aber das ließ sie mal besser unter den Tisch fallen.

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