• "Ita'st" ~ So ist es, sagte Licinus. "Hart!"


    "Auf Flava ... und die Liebe!" sprach's und kippte den vollen Becher seine Kehle hinunter. Auf die Liebe zu trinken fiel ihm etwas schwerer, hatte sie ihm bdoch viel Schmerzen bereitet, die grade an die Oberfläche kamen. "Eine treue Seele," echote er. Oder war er einfach zu feige das ganze vielleicht nochmal erleben zu müssen, fragte er sich manchmal in dunklen Stunden. Jetzt natürlich nicht, weder war hier und heute ein dunkle Stunde noch war er nach dem geflossenen Alkohol noch zu sonderlich tiefgreifenden Gedanken fähig. "Ja, das bin ich wohl. Schon verrückt, mmh?" Fragte er in den leeren Raum, den Serapio war Sekunden vorher in der Sprechpause aufgesprungen und kam nun mit vollem Becher zurück.
    "1A Idee. Schenk ein. Und lass uns über anderes reden, ja? Lassen wir die Vergangenheit in Ruhe, auch wenn sie uns diesen Gefallen nicht tut. " Und vor allem lass uns nicht mehr über den größten Schmerz meines Lebens reden. "Lass uns Trinken, mein Freund, auf ... auf die Freundschaft und alle die wir Freunde nennen, jawohl!" Er nahm einen weiteren großen Schluck und der Becher leerte sich wieder zur Hälfte.

  • "Jawohl!" stimmte ich inbrünstig zu. Licinus hatte so recht. "Jawohl! Du hast so recht! Auf DICH! Auf Dich, auf mich, auf uns, auf dich mein Freund!" Ich durfte ihm ja nicht nachstehen, oh nein, ich hielt mit. Und das Thema Frauen und so weiter, soviel war sicher, war erledigt für heute. Ein erster Vorstoß war gemacht, aber ich würde ihn nach seiner Enthüllung heute ganz gewiss nicht weiter bedrängen, das wäre gar nicht freundschaftlich (und taktisch auch unklug).
    "Und alle, die wir Freunde nennen, und... scheiße, Licinus, jetzt muß ich doch noch mal ausholen..." Tja, das Vergangene war doch immer gegenwärtig. Es weilten eben mehr gute Freunde bereits auf der anderen Seite des Styx, als noch bei uns im Reich der Lebenden. Soldatenlos.
    "...und an äh, auf die, die immer in unseren Herzen sind, auch wenn sie nicht mehr mit uns mittrinken können! 'Die Freundschaft tanzt den Reigen um die Welt und...' ähm..." Wie ging das noch...? "...ruft uns allen zu: wach auf zur... Seligpreisung!' So!"
    Großzügige Opferschlucke für die Verstorbenen schwappten in die Laube. "Also! Lass uns trinken auf Sparsus, jawohl! Marcus Iulius Sparsus, der mir öfter den Arsch gerettet hat als ich zählen kann, nen verdammt feiner Kerl warst du, und seliggepriesen bist du von deinen Freunden! Hiermit! So!" Und großzügige Schlucke nahm ich selbst. "Und Appius Iunius Lucullus! Spötter! Held wieder willen! Prost Lucullus auf der anderen Seite!"
    Nachschenken war angesagt...
    "He, und Imperiosus, altes Haus....der Becher ist für dich!" Den hatte ich gar nicht so gemocht, den Imperiosus, aber der Augenblick verklärte die ganze alte Bande...


    ...und brachte mich jäh auf etwas ganz anderes.
    "He Licinus... hab ich dir eigentlich schonmal von dem Traum erzählt, in dem wir... hm... weiß auch nicht warum mir das jetzt einfällt, aber da kommt du auch drin vor, deswegen, und... die ganze alte Bande irgendwie, ist eigentlich ein ziemlich mieser Traum, hab ich schon ewig, also echt ewig, und der geht so, also erst jagt mich etwas, so... wilde Viecher.. und ich renne und haste... und dann... übergangslos, bin ich in so ner Art Garten, so ein ganz... merkwürdiger Garten von Mauern umschlossen, irgendwie fremd, so'n bisschen exotisch, und du bist auch da, und..."
    Mit schwerer Zunge vertraute ich ihm das an, zu ihm gebeugt, mit vorsichtig gedämpfter Stimme, den uralten, und doch immer wieder auftauchenden Albtraum, der mich stets mit einem irrsinnigen Schrecken erfüllt, und auch jetzt, nur beim Erzählen, spürte ich die Kälte und das Lauernde, das bösartig auf mich Lauernde, schlang einen Arm um mich, widerstand dem Drang hinter mich zu sehen....
    "...die anderen auch, also du und ich und... hm... mehrere, die sind nicht so klar, aber Imperiosus auf jeden Falle auch... und wir stehen irgendwie neben so ner Art... Luke... oder.... oder vielleicht ist es auch.... wie ne... Zisterne... nein... eher... ein Schacht. Also, ich sehe das nicht, er ist verschlossen, es ist eine Abdeckung drüber, aber ich weiß, es geht tief... tief runter... Und in dem Traum, da... ist Etwas da drin, also... kommt da hinauf... gestiegen oder gekrochen... und... Scheiße, naja, in dem Traum da hab ich schweinisch Angst, weil ich weiß, dass das was da ist... das Etwas... dass das...naja...mein Tod sein wird. Ich kann dann... hören wie es näherkommt... und kriecht und schabt, irgendwie so... feucht... und dann, diese Abdeckung, die fängt dann an sich zu bewegen und wird dann so... von unten zur Seite weg geschoben... und... Das ist alles. Da wache ich dann immer auf. - Ganz schöner Blödsinn, haha, nicht? Ganz schöner Schmarrn den man so zusammenträumt, was?!"
    Nervös lachend versuchte ich die Sache abzutun, aber im Grund hoffte ich inständig, dass Licinus mir etwas vernünftiges dazu sagen können würde. Denn er kam ja schließlich selbst darin vor. Ich hatte Kundige befragt, dazu, von Kamerad Musca damals bis hin zu den Priestern im Serapeion von Alexandria viel später, doch noch immer war mir dieser Traum ebenso schleierhaft wie massiv beängstigend.


  • "Auf unsere Freundschaft! Auf uns!"


    "Auf Sparsus!"


    "Auf Lucullus!"


    "Auf Imperiosus!"


    echote Licinus nach jedem der Namen und den sehr treffenden Kurzbeschreibungen. Anschließend trank auch er große Schlucke. Und war froh, dass er die Trinksprüche nicht hatte ausbringen müssen, gefühlt brachte er nicht einen verdammten Satz mehr heraus.


    "Neee, ha ... haste noch *hick* nicht. Erer" konzentrier dich Junge, konzentrier dich "Erinnertmichirgend wie an die Kloake durch die wir in... " Licinus schnipste mit den Fingern "na, wie hieß dieses parthische Kaff doch gleich?! Achja. Na, du weisch scho wo wir duch die Circesium gekroch sinn! Issauch wurscht. Das mein ich jedenfalls. Bestimmt was damit." Schließlich waren sie da alle dabei gewesen. Bis auf Lucullus natürlich, der war da schon bei den Ahnen gewesen.
    "Sonsch weisch'sch au net. Sssssoy"
    Ihr Götter war er voll, Licinus froh, dass Esquilina nicht in Rom war, die sollte ihn wirklich nicht so sehen.

  • "...meinste...?" Circesium... Eine kalte Hand tastete nach meinem Nacken. Fröstelnd zog ich die Schultern hoch. Circesium lag in einem Nebel von weit weg und zugleich unmittelbar da, manches hatte sich mir so eindringlich eingeprägt, Schnappschüsse, die mir noch immer in allen Einzelheiten vor Augen standen, in einer Intensität, die die Eindrücke meiner wahren Umgebung weit übertrafen – der faulige Gestank der Wassergräben, die bemoosten Quader am Fuße der Mauer, die gedämpften Stimmen der Kameraden - so unerschrocken und lebendig, damals – und die Hand des Terentiers, der mir anerkennend auf die Schulter klopfte, und der Schlamm, der durch die Riemen meiner Caligae quoll, sich kühl um die Zehen legte, metallisch die Furcht in meiner Kehle, und über allem: der Mond, gelblichbleich am Himmel, eine verzerrte Spiegelung in den Wassergräben.
    Und dann, wie wir am Tor angelangt waren, Licinus, ich, der Kampf. Und dann, wie wir später irgendwann alle... unser Plündergut verglichen hatte. Und dann, wie wir danach immer wieder davon erzählt hatten, von unserer großen Heldentat. Aber dazwischen... war irgendwie Nichts mehr. Und bei den Inseln meiner Erinnerung war ich mir auch gar nicht so sicher, was davon wirklich geschehen war, und was nur Erzählungen, die mir im Nachinein zu ganz echt erscheinenden Erinnerungen geronnen waren.
    "Ne! Glaubich nich!" wehrte ich etwas unsagbares ab, wedelte wegwerfend mit der Hand in der Luft herum. Bisher war ich noch immer rechtzeitig aufgewacht. Bevor das lauernde... Etwas mich erwischte. Ich fürchtete mich davor, einmal nicht rechtzeitig aufzuwachen.
    "...aber du hast ganz recht Kamerad, issaauch wurscht, un sowieso nurn verdammter Blödsinn! "


    Ich schüttelte mich, wie ein Hund das Wasser abschüttelt, noch war dieses Fest heute und jetzt und echt und farbenprächtig, und keine verblassende Erinnerung, und Licinus und ich, und alle Gäste und alle Menschen, alle würden wir irgendwann vom Strom der Zeit auf Nimmerwieder hinweggerissen, würden nur als nostalgische Erinnerungen bleiben, unser Name würde vielleicht auch einmal wehmütig bei einem Trankopfer gesprochen werden, in einen Stein gemeisselt, irgendwann zur Unkenntlichkeit verwittert, irgendwann alles vergessen – aber nicht heute, nicht heute, heute schmeckte der Caecuber, ich leerte den Krug und rülpste herzhaft.
    "Du? Solln wir malsolangsamwieda, sonst... sonsdenkt meine hooolde Valentina noch ich lieg irgentwo besoffen in derEcke un grämt sich, dabei könnte nixferner derWarheit...Uiuiui..." Beim Versuch, auf die Füße zu kommen, riss ich einen liebevoll bepflanzten Blumenkübel um, und hielt mich dann mehr schlecht als recht am Gerüst der Laube aufrecht, "Ach Herjeee..!" lachte ich, "Aber Hola...Hilfmirmal..."
    Arm in Arm, ein Bild wahrer Freundschaft, schafften wir es mit vereinten Kräften zurück zu den anderen, und stürzten uns, oder sollte ich sagen: taumelten, wieder in den Trubel.......

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • [...]


    Schweigend war ich mit Valentina durch den garten geschritten, während der Sklave und mit zwei Fackeln den Weg hin zur Dianalaube ausleuchtete. Doch durch den vollen Mond war es nicht so arg dunkel, dass man den Weg nicht mehr gesehen hätte. Hier und da deutete ich auf einige Blumen, welche ihre Kelche gen Firmament reckten. Auch ich schaute nun empor und zeigte auf die funkelnden Sterne, während Euphorbus die Fackeln an der Laube installierte. “Dort oben ist der große Wagen!“, erklärte ich meiner Geliebten. “Und dort drüben erkennt man einen Bären!“ Ich sah Valentina entegen und lächelte erneut. “Man sagt, dass der Gott Dionysos auf der Erde als Mensch wandelte. Als er ein Nachtlager suchte, wurde er nach vielen Abweisungen anderer bei diesem eingelassen. Aus Dank zeigte er dem Hirten, wie man Wein herstellte und dieser machte sich dann mit einem großen Wagen voller Wein auf den Weg zu anderen Hirten, die sich aber daran betranken und den armen Hirten erschlugen. Dionysos setzte dem jungen Mann ein Zeichen am Himmel. So hatte für immer ein Denkmal,“ erklärte ich mit weichen Worten. Wieder folgte ein Lächeln, ehe ich es wagte, mich zu Valentina hinüber zu neigen und ihr einen sachten Kuss auf die warme Wange zu hauchen. “Lassen wir uns in der Laube nieder?“, wollte ich dann beinahe schon leicht verschörerisch wissen. Inzwischen hatte auch das Mädchen den Weg in den Garten gefunden und die Klänge ihrer musikalischen Kunst drangen zu uns hinüber. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl an diesem Ort wirklich unter den Göttern zu weilen.

  • Mit klopfendem Herzen ging Valentina neben Casca durch den Garten. Alles war so schön und sie glaubte immer noch zu träumen. Sie war regelrecht überwältigt von all dem Glück, dass ihr alleine an diesem Abend zuteil wurde. Ihr schwirrte der Kopf, nicht wissend ob es vom Wein kam oder ob ihr der Zustand in dem sie sich befand, vollkommenen Glücks und umspielt von der gewonnenen Liebe des Mannes neben sich.
    Sie folgte all seinen Andeutungen, wenn er ihr eine Blume zeigte, sie wollte alles in sich aufnehmen, doch es war einfach zu viel. Wie bei einem Theaterstück bei dem auf einmal viel zu viele Schauspieler auf der Bühne tanzten, war es nicht möglich sich auf einen Tänzer zu konzentrieren.
    Erst als Casca in den Himmel deutete hob auch Valentina den Kopf. Sie hatte immer schon gern das schwarze Firmament betrachtet, besonders wenn sie alleine in ihrer Casa war und wieder einmal nicht schlafen konnte.
    Erst durch Casca wurde Valentina bewusst wie vorteilhaft es für sie war sich mit einem Mann zu umgeben, der nicht ausschließlich den Kampf zu seinem Leben gemacht hatte. Aufgewachsen zwischen Brüdern die alle früher oder später dem Militär beitraten waren ihr solche phantastischen Erzählungen viel zu oft verwehrt geblieben. Jetzt, da Casca ihr diese Geschichte vom Gott des Weines erzählte hing sie, wie jedes Mal an seinen Lippen. Er wusste so viel und er konnte so vorzüglich vortragen.


    Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und Valentina neigte ihm den Kopf entgegen. "Ich hoffe du wirst nie müde werden mir solche Geschichten zu erzählen. Du weißt so viel, kannst so wunderbar vortragen und ich möchte dir immer zuhören." Mit einem Augenaufschlag, der diese Worte nur noch unterstützte blickte sie zu ihm. In ihrer Welt schien Casca allwissend zu sein und Valentina dürstete danach auch ihr Wissen zu erweitern.
    Die Klänge der Flöte die das Mädchen so vorzüglich zu spielen wusste drangen wieder an ihr Ohr und Valentina blickte zu der eben erwähnten Laube. Sie lächelte und nickte. "Sehr gerne." Und so ließ sie sich auf der Kline direkt neben der von Casca nieder. Ihr Blick jedoch ruhte immer noch auf dem Mann, der ihr versprochen hatte von nun an für sie zu sorgen. Das Licht der Fackeln schmeichelte ihm und Valentina kam nicht umhin ihre Hand zu heben und mit den Fingern über seine Wange zu streichen.

  • Oh ja. Es war, als würde die sanfte Flötenmusik, der zuckende Fackelschein und und die weiche Hand meiner Liebsten den Himmel über uns heiligen und mit ihm gemeinsam diesen gesamten Abend. Man konnte in der Tat meinen, dass alle diese Geschichten über den Hirtenjungen, der zu den Sternen aufgefahren ist, wahr waren. Natürlich gab es noch mehr Geschichten zu der Entstehung der Sternbilder, doch wollten sie mir alle in der Kehle stocken, denn schließlich galt es hier das Zusammensein zu genießen. Und was für ein Zusammensein! Valentina wirkte betört und ich war es ebenso. Allein wenn ich mir vorstellte, um ihre Hand anzuhalten! Aber hatte ich das nicht schon – wenn auch indirekt – getan? Dennoch. Schon in den nächsten Tagen, so nahm ich mir vor, würde ich Geschenke kaufen und sie hin zum Hause meiner Geliebten tragen. Mein Herz hüpfte in meiner Brust, als ich meine Lippen an ihre zarte Wange setzte und ihr einen Kuss aufhauchte. Sie neigte sich mir entgegen, in der Hoffnung noch weitere Geschichten zu hören. Dass sie meinte, dass ich ein guter Vortragskünstler wäre, ehrte mich zutiefst, auch wenn ich sehr genau wusste, dass ich an Euphorbus Fähigkeiten keineswegs heran ragte. Doch sollte der Sklave an diesem Abend bestimmt kein Thema sein, an welchem ich mich selbst erniedrigen würde!


    Dann schaute ich in ihre wundervollen Augen und die Welt versank. Dankbar brachte ich ein Seufzen heraus und führte Valentina zur Laube hinüber, die unserer harrte. Langsam ließ ich mich auf die Band nieder, noch immer meine Liebste bei der Hand haltend, während die Flötenklänge nun eine prachtvolle, lebendige Melodie modulierten. Als Valentina ihre Hand hob, um mich an der Wange zu streicheln, schob ich ihr diese bereitwillig entgegen, wobei ich sie verliebt anschaute. Was war ich für ein Glückskind! In einer Stadt wie dieser, groß, laut und schmutzig, etwas so feines, ruhiges und reinen zu finden! Nun hielt mich nichts mehr. Ohne auch noch einmal um Erlaubnis zu fragen neigte ich mich vor, brachte meine Lippen an jene von Valentina und stahl ihr einen leidenschaftlichen, tiefen Kuss, der eine Woge des Entzückens in mir auslöste. Diese drang in alle Gefilde und mein Herz trommelte einen wilden Rhythmus, der den Kuss nur umso intensiver werden ließ. Meines Erachtens viel zu spät löste ich mich los und sah mit einem entschuldigenden Lächeln ein wenig verschämt zu Boden. “Verzeih‘! Ich wollte nicht allzu stürmisch sein!“, erklärte ich diesen kurzfristigen Verlust der Beherrschung, wobei meine Hand zaghaft über das Knie meiner Geliebten streichelte. Vielleicht war es noch zu früh für diese Art von Avancen. Immerhin hatte ich noch keine Geschenke gekauft und meine Liebe und Verlobungswünsche publik gemacht. Aber dennoch. Hier waren wir nur zu zweit! “Ganz Rom wird mich um mein Glück beneiden!“, flüsterte ich leise. “Denn ich habe seinen größten Schatz gefunden!“

  • Der Kuss kam unerwartet, war aber keinesfalls unerwünscht. Die Hand die eben noch auf seiner Wange gelegenen hatte, wanderten während des Kusses in sein dichtes, wallendes Haar. Dort vergrub Valentina ihre Finger um ihren Liebsten bei sich zu halten. Auch bemühte sie sich in den Kuss all ihre neu gewonnene Zuneigung für Casca zu legen um ihm zu zeigen wie ehrlich sie es mit ihm meinte. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die für Valentina auch noch viel länger hätte andauern dürfen, löste er sich von ihr und entschuldigte sich. Da sah ihn die junge Quintilia direkt an "Nein." Meinte sie dann entschieden und schüttelte den Kopf. Einer der wenigen Male in denen sie tatsächlich mutig ihre Meinung vertrat. "Nein, bitte entschuldige dich nicht für diesen Kuss. Er war so wunderschön und verspricht mir eine Zukunft mit dir, die ich mir nach all der Zeit der Einsamkeit nur wünschen kann. Ich möchte nicht, dass du dich dafür entschuldigst." Nun legte sie beide Hände an Cascas Gesicht und hielt ihn fest. Eine Vertrautheit, als wäre das nicht erst einer der ersten Abende an denen sie so lange und so vertraut miteinander umgingen. "Es ist so schön für mich in deiner Nähe zu sein. Da sollte es keine Entschuldigungen geben müssen."


    Sie spürte seine Hand auf ihrem Knie und ließ ihn gewähren. Wie er, so dachte auch Valentina, dass es nur sie beide waren und niemand sah sie. Zumal Valentina ohnehin nicht die strengste Verfechterin der aufgelegten Etikette war. Nachdem sie ihre Hände wieder von seinem Gesicht genommen hatte, legte sie eine Hand auf die Seine. Als sie seine Worte hörte wurde Valentina wieder rot. Sie konnte nichts dagegen machen, Casca wusste genau welche Worte er wählen musste um ihr zu schmeicheln. Größter Schatz... dabei hatte sie ihm doch so gar nichts zu bieten. Doch diese trüben Gedanken hatten jetzt keinen Platz. Er wusste es und hatte sich dennoch für sie entschieden. Darüber sollte sie einfach glücklich sein. Wie sie so zusammen saßen, dem Klang der Flöte lauschten und die Wärme der Nacht genossen kam Valentina dann allerdings doch ein Gedanke, den sie in Worte fassen musste. "Meinst du die Leute werden sehr reden, wenn sie erneut zu einer Verlobungsfeier hierher eingeladen werden und sie sehen wieder mich?" Da waren sie wieder, die Zweifel, die Valentina einfach nicht ganz ablegen konnte.

  • Wie schön es war, meiner Valentina so nahe zu sein. Wie ich hier nun so saß und ihr Knie mit der Hand berührte, meinte ich noch immer den Kuss auf meinen Lippen schmecken zu können. Süß wie Honig war er gewesen und so leidenschaftlich, dass mein Herzschlag mächtig in der Brust pochte. Ich lächelte, als meine Geliebte nun meinte, dass ich mich nicht zu entschuldigen hätte. Ihre Hände auf meinen Wangen waren warm und weich und verzückt blickte ich ihr entgegen. Oh, wie gern hätte ich mir neuerlich nun einen Kuss gestohlen. Einen Kuss und noch viel mehr! Sachte nickte ich und wagte es, meine Hand an ihrem Knie nun zu regen und dieses schöne Körperteil zu streicheln. Ganz so als wäre ich noch der jugendliche Spund, der vor vielen Jahren in Piräus hinter einem Nebengebäude mit einer hübschen Sklavin einen ersten wundervollen und ebenso körperlichen Kontakt gehalten hatte. Doch natürlich musste jede Schönheit sämtlicher Sklaven Roms vor meiner Valentina weichen. Gegen sie waren sie alle nur fad und blass!


    Die sachten, aber dennoch fröhlichen Klänge der Flöte durchwehten den Garten, während meine Geliebte mir nun ihre Bedenken eröffnete. Bisher hatte ich mich mit derartigen Fragen noch gar nicht befasst, denn immerhin ging es hier um mehr als die Gäste und deren Befinden. Mir war es egal was sie sagen würden und von mir aus würden sie sich auch das Maul zerreißen können. Vielleicht würde dies Onkel Livianus nicht passen, doch ich wollte Valentinas Zweifel vertreiben. “Die Verlobung.“ Ich seufzte. “Ich denke nicht, dass du dir darüber Sorgen machen musst,“ erklärte ich nun fest und recht selbstsicher. “Für das Schicksal von Vetter Serapio kannst du nichts und sollte jemand auch nur eine einzige Augenbraue ob dieses Umstandes erheben, so werde ich ihnen gerne sagen, dass die decimischen Männer eben den besten Geschmack haben und ich über meinen Verwandten habe triumphieren dürfen!“ Begleitet wurden meine Worte nun von einem Lächeln und ich hoffte sehr, dass Valentina meine selbstsicher gesprochenen Worte genau so auffasste, wie ich sie auch gemeint hatte. “Ich meinen Träumen würden wir die Verlobung sowieso nur zu Zweit verbringen. Wir könnten irgendwohin reisen. Ans Meer und uns dort in aller Stille verloben. Mit lediglich den schönen Wellen und Möwen als Zeugen.“ Genau genommen würde mir das auch am besten gefallen. Es würde sicherlich reichen, wenn die Ehefeierlichkeit dann ein wenig pompöser gestaltet wurde.

  • Trotz der Bedenken die sie gerade geäußert hatte, blickte Valentina auf die Hand hinab, die ihr Knie streichelte. Es war eine so vertraute Geste, die sie sehr genoss. Sie freute sich darauf in Zukunft die Aufmerksamkeit von Casca geschenkt zu bekommen. Seine Aufmerksamkeit und noch viel mehr. Die folgenden Worte taten ihr sehr gut. Sie zauberten ihr ein Lächeln auf die Lippen und schließlich nickte Valentina. Zuerst nur zaghaft, doch dann mit einer wachsenden Überzeugung. Wer hier schlussendlich triumphierte wussten nur die Götter. Serapio hatte sie auf Händen getragen, er hatte ihr den nötigen Respekt entgegen gebracht, die sie als seine Frau verdient hätte und vielleicht hätte er sie auch auf seine Weise lieben gelernt. Und Valentina war ihm dankbar für alles was er für sie getan hatte und sicherlich noch getan hätte. Doch das hier und jetzt mit Casca, das war so anders. Er war ihr gegenüber nicht nur respektvoll. Da war so viel mehr in seinem Blick, wenn er sie ansah. Und nun hielt er auch noch zu ihr als sie ihm ihre Bedenken erzählte. Dafür war sie ihm mehr als dankbar. Sehr viel mehr. Valentina hob den Kopf, beugte sich vor und gab Casca erneut einen Kuss. Anschließend erhob sie sich von ihrer Kline und kam zu seiner hinüber. Sie setzte sich neben ihn und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
    Sie hörte zu wie er von ihrer Verlobung sprach. Sie sah Casca und sie zusammen an einem sonnendurchfluteten Strand. Nur sie beide. Das klang wirklich sehr schön. Sie hatte bereits eine schöne Feier gehabt. Die hatte Serapio und ihr gehört. Mit Casca sollte es anders werden. Nur sie beide und dann... ja vielleicht hatten die Schicksalsgöttinnen dann ein Einsehen. "Das klingt wunderschön wie du das beschreibst. Ich habe sogar das Geschrei der Möwen gehört und die Wellen. Genau so sollten wir es machen. Das würde mir sehr viel bedeuten."

  • Ich konnte uns schon sehen. Irgendwo am Strand. Vielleicht in der Nähe von Ostia. Nicht dass ich es nicht schätzen würde an einen würdigeren Ort zu reisen, doch erschien Ostia mir sehr nah. Nah genug um möglichst bald aufzubrechen und auch um schnell anzukommen, um die Hand meiner Geliebten zu ergreifen und vor den Göttern zu schwören, dass ich sie stets lieben würde. Etwas verträumt lächelte ich dabei, wohl auch noch ob meiner eigenen Worte, welche nicht einmal weit hergeholt waren. Mit Valentina als Frau, die die schöneste Frau von ganz Rom war, hätte ich in der Tat zum ersten Mal über einen der ruhmreichen Decimer triumphiert. So sehr, dass der Stolz in meiner Brust rührte und sich die Gedanken in die höchsten Höhen aufschwingen wollten. Noch fühlte sich das zarte Knie unter meiner Hand, welches ich unablässig streichelte und von dem ich erst ablassen musste, als mich ein neuerlicher süßer Kuss traf, den ich gerne genoss und den ich noch einen Moment nachschmeckte.


    Ich liebte das gütige Lächeln auf Valentinas Lippen und meine Blicke folgten ihr unablässig, während sie sich sodann erhob um sich neben mich zu setzen und mir somit noch näher zu kommen. Ja, auch ich konnte bereits die Möwen hören und sie sachten Klänge des Glücks, welches an unsere Gestade schwappte. Ob es zu früh war mir die Kinder zu imaginieren, welche mit Gewissheit schon in wenigen Jahren durch diesen schönen Garten tollten? War es zu hoch gegriffen? “Auch mir bedeutet es sehr viel. Ich muss gestehen, dass ich derartiges noch nie zuvor gespürt habe!“, gab ich unumwunden zu. In Bezug auf eine würdige Dame aus einem guten, römischen Hause war dies die reine Wahrheit, denn Sklavinnen, so wusste man, zählten in keiner Weise und vielleicht war es auch keine Liebe, die einen Mann mit ihnen verband. Nicht in einem römsichen Sinne. Nicht in diesem Sinne, den ich nun von meinem Herzen ausgehend verspürte. Meine Hand fand wieder auf das liebreizende Knie und die andere zärtlich an Valentinas Wange, während ich mich neuerlich zuwandte. Nur noch einen Kuss von diesen wundervollen Lippen wollte ich stehlen, doch wollte ich nicht zu forsch erscheinen. Auch wenn meine Hand bereits ein wenig von ihrem Knie abrückte, um den Oberschenkel hinauf zu streifen. Dennoch hoffte ich dass diese Geste nicht die nötige Zucht vermisste. “Oh Valentina!“, seufzte ich schwer. “Am liebsten würde ich bereits morgen mit dir ans Meer reisen!“ Da dies kaum möglich war, erfasste mich nun eine gewisse Schwere.
    “Doch ich sehe bereits Tage bis dahin ins Land fließen und ich verspreche dir, ich werde alles tun, damit diese nicht zu lang werden!“ Vor meinem inneren Augen tauchten breits die Geschenke auf, die ich meiner Geliebten zu machen gedachte, damit sie die glücklichste Verlobte der Stadt werden würde.

  • Die Klänge der Flöte, welches das Mädchen immer noch tapfer spielte, waren in den letzten Momenten fast in Vergessenheit geraten. Jetzt, da Valentina neben Casca saß, den Kopf an seine Schulter gelegt und seine Nähe genoss, da hörte sie wieder aufmerksam zu. Es war alles wie ein Traum. Ein wunderschöner Traum, sie lauschte den betörenden Flötenklängen, saß in einem wunderschön beleuchteten Garten und hatte neben sich den Mann für den sie nun so starke Gefühle entwickelt hatte. Valentina war mittlerweile auch eine Frau geworden. Gab es in ihrem Leben nun schon einige Männer, so wusste sie jetzt dass viele von denen nur die Schwärmereien eines Mädchen gewesen waren. Sie fühlte sich angezogen von der Stärke eines Soldaten und war beeindruckt von deren Taten. Die Götter aber hatten ihr immer wieder schnell zu verstehen gegeben, dass dies nicht der Weg war den sie für sie gedacht hatten. Immer wieder musste Valentina das erkennen. Und als sie schon aufgegeben hatte, war sie einem Mann begegnet, der ihr zwar aufgeholfen hatte und sie wieder daran hatte glauben lassen, dass sie nicht einsam sterben würde. Doch auch dieser Mann war nicht derjenige gewesen der an ihrer Seite bleiben sollte. Nun saß sie hier mit Casca. Hatte sie all das durchmachen müssen um schlussendlich einen Mann zu finden der sie wirklich liebte? Als mittellose Bürgerin die nicht viel mehr ihr Eigen nennen konnte als die kleine Casa in der sie lebte.


    Valentina wollte daran glauben und hatte in den vergangenen Tagen schon so oft den Göttern gedankt. Der leichte Wind trug den Geruch der Fackeln zu ihnen hinüber, doch Valentina störte das nicht. Sie roch das Meer, die frische Briese, die vom Wasser kam und wenn sie die Zehen bewegte, glaubte sie sogar den Sand dazwischen zu spüren. Casca neben ihr drückte sein Bedauern aus, da sie nicht gleich morgen losfahren konnten und Valentina nickte leicht.
    "In meiner Casa gibt es außer mir und den Angestellten niemanden. Meine Nichten sind wieder zu den Großeltern gereist, Rom war nichts für sie. In den wenigen Betrieben die ich mein Eigen nennen kann kommen sie sehr gut ohne mich zurecht. Aber natürlich hast will so eine Reise vorbereitet sein. Und so müssen wir uns wohl ein bisschen in Geduld üben, auch wenn ich ebenfalls liebend gerne schon morgen aufbrechen würde."
    Da gab es dann doch noch einiges zusammen zu tragen und hinter Valentinas Stirn begann es bereits zu arbeiten was sie mitnehmen würde.

  • Ich neigte meinen Kopf leicht dem ihren entgegen, der sich noch an meine Schulter bettete. Von außen betrachtet musste es wohl das perfekte Bild der Zweisamkeit sein und ich wünschte mir, dass es noch zu dieser Stunde in diesem Garten einen Künstler gäbe, der es vermochte genau dieses Bild für die Ewigkeit in Stein zu bannen. Wenigstens ein Bild zu malen, welches noch nach Jahren dazu gemacht war, immer und immer wieder betrachtet zu werden. Doch war dies nur ein frommer Wunsch, auch wenn dieser noch so verlangend war. “Von deinen Nichten habe ich schon gehört,“ sagte ich sinnierend und dachte einen Moment lang an Pina, mit der mich ein großes Abenteuer mit Gefahr für Leib und Leben verband. Doch an den Sklavenaufstand wollte ich nicht mehr denken, denn der Aufruhr, der damals geherrscht hatte, sollte nun nicht den Aufruhr ersetzt werden, der mein Herz gerade jetzt ihn Hochstimmung versetzte.


    “Ja, wir müssen uns gedulden,“ gab ich wehmütig zu, weil Valentina natürlich die Wahrheit sprach. Auch wenn ein jugendlich Drang mich am liebsten sofort auf einen Reisewagen bringen wollte, so musste unser Vorhaben gut durchdacht sein. “Ich denke, dass auch die Tonstrina gut ohne mich zurecht kommt. Quix ist ein findiger, pfiffiger Sklave, der die Geschäfte gut führt und Ulcus ist noch immer begabt in dem was er tut.“ Niemand würde in dem hünenhaften Mann, der breit und schwer war wie einer der Hügel Roms wohl einen talentierten Mann des Rasiermessers vermuten. Dennoch kam mir noch ein anderer Gedanke in den Sinn. “Obwohl ich denke, dass Ulcus uns auf der Reise begleiten sollte. So weit ist Ostia nicht, aber dennoch soll unsere Fahrt nicht durch Wegelagerer gestört werden.“ Welch infamer Gedanke beraubt, verprügelt und generell niedergerungen zu werden. “Wir werden überlegen, wen wir mitnehmen!“, gab ich seufzend bekannt, auch wenn es mir ein liebes Bild war, mich reitend neben dem Wagen meiner Liebsten zu sehen, wie ein Kriegsheld, der seine Beute heimbrachte. Aber nein. Die Realitität war mühsamer als die Fantasie. Wie stets. “Auch der Tempel will gut sortiert zurück gelassen sein,“ äußerte ich den nächsten Gedanken. “Wie wäre es, wenn wir eine Taube opfern?“, wollte ich dann wissen. “Für das gute Gelingen?“

  • Obwohl Valentina den Moment voll und ganz genoss, konnte sie es nicht unterdrück zu schaudern als Casca die Wegelagerer erwähnte. In all ihren Träumen hatte sie an derlei Gefahren nicht gedacht. Und jetzt sah sie sich mit der Wirklichkeit konfrontiert. Einen Moment hielt sie Cascas Hand fester. {u"Daran habe ich noch gar nicht gedacht." Sie blieb ganz nahe bei ihm. Seit sie vor so vielen Jahren Hals über Kopf auf ein Schiff gestiegen war und so weit weggesegelt war wie nur möglich, hatte sie Rom nicht mehr verlassen. Und damals war sie viel zu leichtsinnig gewesen als sich über die Gefahren ihrer Reise auch nur einen Gedanken zu machen. Die Götter waren wohl auf ihrer Seite und ihr war nichts passiert.
    Nun auch nachdenklich geworden, strich sie Casca mit der Hand über den Arm. "Du hast Recht an unserer Sicherheit dürfen wir nicht sparen. Ich werde auch meinen hünenhaften Sklaven mitnehmen, du hast ihn schon gesehen. Er räumt für gewöhnlich die Straßen frei, damit ich bequem hinter ihm herlaufen kann. Zusammen können sie dann für unsere Sicherheit sorgen." Zwei Sklaven waren besser als einer.


    Wen sollte sie noch mitnehmen? Der Greis, der schon zum Inventar ihre Casa gehörte ganz sicherlich nicht. Nicht, weil Valentina nicht wollte, doch er würde diese Reise sicherlich nicht unbeschadet überstehen. "Nimmst du Muggel auch mit?" Sie lächelte bei dem Gedanken an den Sklaven. War er doch bei ihrem ersten, gemeinsamen Ausflug dabei. Sie konnte sich noch an die Blicke erinnern und musste wieder lächeln. Denn auch wenn es ein sehr geruchintensiver Ausflug war, so war er ein wunderschöner Tag. Und seit diesem Tag mochte sie den Sklaven gerne, der oft an Cascas Seite war.
    Bei der Erwähnung des Opfers nickte Valentina dann zustimmend. "Ja das machen wir. Das erste gemeinsame Opfer, das sie den Göttern bringen würden.

  • [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/wbrzt324.jpg| Decimianus Icarion


    Der darauffolgende Tag erfreute einmal mehr mit milder spätsommerlicher Wärme. Ein goldgrünes Licht drang durch die Laubenumrankung von Geißblatt und Jasmin, Bienen summten um die üppigen Lavendelbüsche, und Wasserläufer huschten über die Oberfläche des Teiches, der still und verwunschen neben der Dianalaube lag.
    Die Statue der Diana war ebenfalls etwas eingewachsen. Der Gärtner hatte die Zweige so zurechtgeschnitten, dass das Grün wie ein Schleier über den Schultern der jungfräulichen Mondgöttin lag. Icarion trat vor sie. Er hatte drei weiße Sommerastern gepflückt, die er nun in die Schale zu ihren Füßen legte.
    "Gewähre uns gutes Gelingen, Herrin, die du vom Berg kommst. Mögen Vers und Gesang dich erfreuen." Etwas leiser erbat er sich: "Lass es nur nicht zu gut gelingen."


    Darauf rückte er ein hispanisches Mosaiktischchen an die Steinbänke, zudem eine Fußbank, rollte die Schriftrolle mit der Medea des Seneca auf und eine weitere mit griechischer Notation zu den Chorliedern, beschwerte sie beide mit weißen Kieseln. Einen Krug mit verdünnten Wein und zwei Becher stellte er zurecht, dazu einen kleinen irdenen Honigtopf. Den Ianitor Ephialtes und die 'Laufburschin' Iphigenie hatte er instruiert, den erwarteten Besucher direkt zu ihm zu führen.
    Bis dahin stimmte er zuerst einmal seine Kithara. Dann nahm er einen Löffel Honig, ließ diesen hochkonzentriert auf der Zunge zergehen und machte einige Stimmübungen. Zuletzt griff er in die Saiten, begann ein Stück aus dem zweiten Chorlied zu spielen und sang dazu mit klangvoller Stimme:
    "Audax nimium qui freta primus
    rate tam fragili perfida rupit..."


    "~Zu kühn zerbrach er als erster den trügerischen Meeresspiegel
    auf einem so zerbrechlichen Schiff
    und während er sein Land hinter sich sah,
    vertraute er sein Herz den sanften Winden an,
    und durchschnitt auf unsicherem Kurs die See
    und konnte sich dem dünnen Holz anvertrauen
    auf schmalem Pfad an der Grenze
    zwischen Leben und Tod.


    Noch kannte niemand die Sterne
    und Gestirne, auf welche der Himmel gezeichnet ist,
    es gab keine Verwendung dafür, und das Schiff konnte
    noch nicht dem Regen unter dem Hyadensternbild ausweichen,
    nicht den Sternen der olenischen Ziege,
    und der träge Sterntreiber konnte nicht den attischen Wagen meiden,
    welchen der alte Mann steuert und lenkt,
    und Nord- und Südwind hatten
    noch keine Namen."



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    Klient - Decima Lucilla

  • Casa Furia >>>

    Tiberios war von dem wohl instruierten Ianitor der Casa Decima eingelassen und von einem reizenden kleinen Mädchen direkt in den Hortus geführt worden. Es war ein goldener Spätsommertag und eine leichte Brise bewegte die Blätter; der süße Duft von Lavendel, Geißblatt und Jasmin glich dem von Ambrosia.
    Die Casa Decima war prachtvoll. Tiberios war froh, sich hergerichtet und die Locken gesalbt und sich ordentlich, wenn auch schlicht gekleidet zu haben, um der furischen familia keine Schande zu machen.
    Er trug einen neuen wollweißen Chiton, dazu einen roten Gürtel und das Lederband mit dem Bronzeschild mit dem Namen seines Herren.
    Seine Vorbereitung auf den heutigen Nachmittag hatte darin bestanden, bis in die Nacht hinein den Text noch einmal zu lernen und bevor er losging, genug Wasser zu trinken.
    Die Schriftrolle in ihrer Hülle hielt er in seiner Rechten.


    Als ihn das kleine Mädchen alleine ließ, hörte er jemanden singen und die Kithara spielen, und die Stimme verzauberte Tiberios so sehr, dass er stehen blieb, um zuzuhören.
    Der junge Grieche erkannte das zweite Chorlied. Der Vortragende war gewiss Ikarion.


    Erst als der Sänger verstummte, trat der furische Sklave aus dem goldgrünen Schatten der Laube.
    Er hatte den Gesang und das Spiel des decimischen Libertus nicht unterbrechen wollen.


    Aber jetzt lächelte der junge Grieche ein wenig mutwillig, als er in den dritten Akt einstieg und die Anfangsworte der Nutrix, Medeas Amme, sprach; dabei legte er eine Hand in besorgter Geste auf seine Brust und wies mit der anderen auf eine unsichtbare Medea:
    „ Alumna, celerem quo rapis tectis pedem?resiste et iras comprime ac retine impetum….

    Mädchen, wohin hetzt du aus dem Haus?
    Widersteh‘ und zügle deine Wut und halte den Angriff noch zurück.
    Wie eine Bacchantin, wenn sie unsicher mit berauschten Schritten und vom Gott besessen halluziniert
    auf dem Gipfel des verschneiten Pindus oder auf dem Berg von Nysae,
    so läuft sie hin und her in wilder Bewegung auf dem Gesicht
    die Anzeichen des wahnwitzigen Zorns
    .


    Salve Decimianus Ikarion ! Verzeih mir, dass ich dich nicht schon längst gegrüßt habe.
    Aber du hast gesungen und gespielt, als gelänge es dir wie Amphion, die Steine vor Entzücken zum Tanzen zu bringen, ich jedoch blieb entzückt wie versteinert stehen, um dich zu belauschen“


    Tiberios verbeugte sich kurz.

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  • [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/wbrzt324.jpg| Decimianus Icarion


    Eine gelöste Weichheit war in die Züge Icarions getreten, während er sang. Als der erwartete Besucher hinzutrat, verschwand diese hinter seinem üblichen, höflich beherrschten Lächeln. Er stützte die Kithara auf den Knien ab und beobachtete aufmerksam den Auftritt des Tiberios, bemerkte anerkennend, dass dieser gut vorbereitet war, zudem sowohl geschmackvoll als auch seines Standes angemessen gekleidet.
    "Salve Tiberios." Icarion neigte den Kopf und blieb auch angesichts des überschwänglichen Lobs gleichmütig. "Zuviel der Ehre. Lass uns nicht vergessen, dass Amphions Kunstfertigkeit von der Grausamkeit seines Fluchs noch weit übertroffen wurde."
    Er wies auf die zweite Bank, die mit der seinen ein Halbrund bildete.
    "Bitte nimm Platz. Ich hoffe es war nicht allzu schwer, dich von deinen Pflichten loszumachen? - Flammata facies, spiritum ex alto citat, da können wir gerne beginnen. Doch zuvor - möchtest du deine Kehle befeuchten?"
    Icarion stellte die Kithara beiseite, nahm den Krug zur Hand und füllte die Becher mit einem hellen Landwein. Er zögerte fast unmerklich, bevor er fortfuhr:
    "Auch empfehle ich stets einen Löffel dieses Honigs – nicht in den Wein, direkt auf den Grund der Zunge, dann langsam zergehen lassen. Er stammt aus einem korsischen Hochtal und ist ungewöhnlich herb, doch unübertroffen um die Stimme zu pflegen."




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  • Tiberios setzte sich auf die steinerne Bank; wie in einem Traum spann ihn der Zauber dieses Hesperidengarten ein; er erblickte Diana umkränzt vom grünen Pflanzenschleier und hielt sie zunächst für Allat, zu der er als Kind bei den Palmyrenern gebetet hatte.
    Der furische Sklave neigte den Kopf in Ehrfurcht, dann schaute er zu dem Jüngling, der seine Kithara zur Seite gelegt hatte und auf dessen Gesicht das Spiel des Laubes grüne und silbrige Schatten malte.


    „Ich danke dir.“, sprach er:
    „Es ist mir eine Freude, hier zu sein.“,– Freude sagte er, nicht Ehre, denn er glaubte, dass das Gute schön und das Schöne gut sei; so hielt er auch Icarion für gut.


    Flammata facies, spiritum ex alto citat…


    Tiberios wurde ernst, nun ging es darum, nicht mehr reine Freude sondern Schmerz und dieser Melange der maßlosen Emotionen der Alten nachzugehen und in den Vortrag der Stimme zu legen:


    ….Die Augen lodern, sie schnappt tief nach Luft, sie schreit, Tränen rinnen ihr aus den Augen vor lauter Weinen, dann grinst sie wieder: die Kennzeichen aller Gefühle auf einmal trägt sie….


    Da bot Icarion Wein und Honig an, und Tiberios erwiderte:
    „Nochmals Danke“, seine schmale helle Hand fasste den Becher, und er trank einen Schluck des erfrischenden Landweines, dann sprach Icarion über die Vorzüge von Honig aus dem korsischen Hochland für die Stimme, und Tiberios nickte:
    Meli und melos* sind im Herzen verwandte Wörter“, sagte er fast scheu; gerne würde er einen Löffel Honig nehmen.


    Der junge Grieche legte die Schriftrolle nun vorsichtig neben sich, damit keinesfalls ein Honigfleck darauf käme und wartete, dass Deciamianus Icarion seinen Part wählen und ihm den seinen zuweisen würde.


    Sim-Off:

    *griech. meli = Honig, melos= Weise, Melodie, lyrischer Vortrag

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  • [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/151204/wbrzt324.jpg| Decimianus Icarion


    Um ein weniges verschmälerten sich Icarions Augen, als er Tiberios lauschte, wie dieser die nächsten Zeilen deklamierte. Er erkannte – nein, hatte bereits beim ersten Zusammentreffen erkannt – einen wahren Liebling der Musen vor sich zu haben, einen den diese um so mehr mit ihrer Gunst bedachten, da die Liebe auf Gegenseitigkeit basierte. Icarion hingegen liebte die Kunst nicht mehr als ein Töpfer den Ton, sie war sein Werkmaterial, oft spröde und widerstrebend, sie war ihm ein Mittel, die Herrschaften gut zu unterhalten und seinen Platz in der Welt zu sichern. Seine Kunstfertigkeit und seine Anmut hatte er sich hart erarbeiten müssen. Er neidete Tiberios die Leichtigkeit und den mühelosen Charme. Dessen ungeachtet war er gezwungen, das Beste aus der Zusammenarbeit zu machen. Icarion wäre es niemals eingefallen, einem Wunsch seines Patrons nicht zu entsprechen.


    Mit vordergründiger Liebenswürdigkeit beugte er sich zu Tiberios, seine Fingerspitzen berührten leicht dessen Chiton über dem Brustbein.
    "Du bist ein Liebling der Musen, Tiberios. Nichtsdestotrotz atmest du etwas zu flach. Lass das pneuma tiefer strömen," Icarions Hand legte sich bestimmt auf Tiberios' Bauch. "...bis hier. Dann vermag es deine Stimme mit mehr Kraft zu beseelen, so dass du auch die Endungen der Worte mit Prägnanz sprechen kannst."
    Icarion lehnte sich wieder zurück und reichte Tiberios lächelnd den Honig und einen Löffel dazu. Sein Ausbilder hatte auf eben jenen Honig geschworen, und obgleich Icarion mit allem anderen als Wärme an diesen Mann zurückdachte, ehrte er seine Lehren.
    Er wartete ab, bis Tiberios Zeit gehabt hatte, die Leistung der korsischen Bienen zu würdigen, dann überflog er selbst seine Schriftrolle, rollte ein weiteres Stück ab und fixierte dies wiederum mit den Kieseln.
    "Fahren wir fort. Du bist Medea, Tiberios. Mein Herr möchte dein Talent scheinen sehen, denn das meine kennt er bereits."
    Dies nüchtern festgestellt, wandte Icarion sich dem Vortrag zu, erfüllte gekonnt den nächsten Vers mit dem Schrecken und der zärtlichen Besorgnis der alten Kinderfrau:
    "Haeret: minatur aestuat queritur gemit...
    ~Sie verharrt: sie droht und brodelt und klagt und seufzt.
    Wohin neigt sich der Schwerpunkt ihrer Seele? Womit droht sie?
    Wo wird diese Welle sich brechen? Die Wut kocht über.
    Sie wälzt wohl das unbekannte Verbrechen mühselig in ihrem Herzen;
    sie wird sich selbst übertreffen: Ich kenne ihre frühere Wut.
    Etwas Großes steht bevor, etwas wildes, ungeheures, frevlerisches:
    ich sehe die Züge voll Zorn. Mögen die Götter meine Furcht vertreiben!"





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  • Tiberios atmete so, wie Icarion es ihm zeigte, etwas dazu lernen wollte er eigentlich immer. Ein ...aus und tief und jede Silbe voll erklingen lassen, nahm er sich vor; jetzt war er ernst und sehr konzentriert.


    Doch als Decimianus Icarion ihm die Rolle der Medea zuteilte, stockte ihm einen Moment lang der Atem und erstaunt blickte er seinen Lehrer an:
    „An deinem Talent sich satthören – niemals“, sagte er, denn tatsächlich hätte er dem anmutigen Jüngling stundenlang zuhören können, der so elegant und mühelos das Timbre seiner Stimme entfaltete.
    „Ich – Medea?“, er brach ab:
    „Bist du denn sicher?“
    Tiberios hatte erwartet, dass Icarion Medea sein würde.


    ...Der furische Sklave ergriff seine Chlamys und drapierte sie wie eine Stola um sich. Es kam ihm zugute, dass er manchmal für Männer, die das wünschten, Mädchenkleider getragen hatte; Tiberios wusste, wie sich ein Weib bewegte: Er nahm die Haltung der stolzen Frau ein, verletzt und zurückgewiesen und doch: Die Kraft der Erde selbst, die malefica, Zauberin und Hexe:
    Hatte sie geglaubt, Iason würde sie für immer lieben? Mit ihr alt werden wie ein Philemon mit seiner Baucis? War Iason die Opfer jemals wert gewesen; den kleinen Bruder, zerstückelt unter ihren Händen, um dem zornigen Vater zu entfliehen; Verrat am Volk der Kolcher; Verrat um der Liebe willen zu einem Schwächling, der Medea nicht verdiente.
    Iason war schwach...schwach...schwach…auf Karriere aus und den schönen Schein .und jetzt ließ er sich erpressen, eine andere zu heiraten.

    Tiberios/ Medea ballte die Fäuste und seine Stimme ertönte hell und dank der Atmung, an die er dachte, klar, wähend er auf und ab schritt:


    "Wenn du fragst: „Auf welche Weise kannst du dem Hass Grenzen aufzeigen, du Arme?“,
    täusch Liebe vor!
    Wie könnte ich die Fackelzug des Königspaars ohne Kampf ertragen?
    Wird der Tag langsam vergehen,
    der durch solchen Drang von ihm ersehnt wurde, der so gegeben wurde?
    Solange die Erde den Himmel im Gleichgewicht trägt,
    und solange die glänzende Welt sich sicher weiterdreht,
    und solange die Zahl an Sandkörnern unendlich bleibt
    am Tag die Sonne und bei Nacht die Sterne scheinen,
    solange der Nordstern die unbenetzten Bären weitertreibt,
    solange die Flüsse ins Meer fließen,
    solange wird meine Zornesgier nach Rache nicht weichen
    und immer nur wachsen!
    Welche Raserei der Bestien,
    welche Skylla, welche Charybdis,
    die das ausonische und sizilische Meer einsaugt und prustend wieder ausspuckt,
    oder wird der titanische Ätna je von solcher Bedrohlichkeit erglühen?
    Fürchtete er den Creo wie die Kriege des thessalischen Führers?
    Wahre Liebe kann niemanden fürchten!
    Aber er gab nach und heiratete sie unter Zwang:
    sicher konnte er kommen und ein letztes Wort an die Frau richten
    – auch dies fürchtete der ach so Tapfere!
    . Es wäre ihm als Schwiegersohn sicher möglich gewesen,
    die Frist für die unsanfte Flucht zu lockern;
    ein Tag ist mir gegeben für zwei Kinder!
    Ich klage nicht über die kurze Zeit: vieles wird mir offenstehen.
    Jener Tag wird das tun, was keiner jemals verschweigen kann;
    ich attackiere Götter und zerschlage alle Dinge!"

    Heimatlos war Medea, der so vieles möglich war, wo sollte sie jetzt noch hin, die Krone, den Mann, die Kinder verloren; den letzten Satz der Rebellion hervorstoßend hielt der furische Sklave inne, warf Icarion einen langen Blick voll grauer Kälte zu und fasste seinen Arm: Sprich, Amme nur zu, dagegen, hindern wirst du mich nicht.

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