"Das hat man mir nicht gesagt, aber im Grunde wird es für die Ausbildung, die Du bei mir erhalten wirst, keinen großen Unterschied machen - wir werden uns einfach ein wenig mehr auf den Kult der beiden Göttinnen konzentrieren, vielleicht fällt Dir dann die Entscheidung leichter, sie muss nicht heute oder morgen gefällt werden," erklärte ich und atmete tief ein, als wir gegen die schwüle Hitze Roms wie gegen eine Wand aus Wärme liefen. Die Tempel waren immer so angenehm kühl, dass man den Unterschied einmal mehr und deutlich bemerkte, wenn man sie wieder verließ. Vielleicht suchten sich deswegen immer wieder junge Männer und Frauen den Dienst an den Göttern aus, damit sie der Gluthitze der urbs aeterna am Tage einigermaßen entkamen ... selbst Achaia kam mir in der Erinnerung deutlich kühler vor als das sich auf den Hochsommer vorbereitende Rom.
Sie schien sicherer zu gehen, als wir hinaustraten, anscheinend war es richtig gewesen, das Innere des Tempels zu verlassen, vielleicht war sie auch nervös gewesen, ihrem zukünftigen Lehrer gegenüber zu treten, den sie nicht kannte und sich darob so einiges ausmalen mochte. Zumindest hatte ich die vage Hoffnung, nicht gänzlich wie ein furchtbarer Mensch gewirkt zu haben, immerhin war sie noch nicht schreiend weggelaufen - auch wenn das sicher interessant ausgesehen hätte und mir einen Blick auf ihre Rückseite ermöglicht hätte. "Was sollte falsch an dem Wunsch sein, alles kennenzulernen, um gut vorbereitet dann einst als sacerdos zu dienen?" erwiederte ich mit einem Lächeln auf den Lippen. "Je mehr Du lernst, je mehr Du Dich vorbereitest, desto mehr wird Deine Demut den Göttern dienen, ein Weg, den nur wenige zu beschreiten wissen, und noch wengie bestehen. Es wird einst Deine Aufgabe sein, eine Antwort für all die Fragen der Menschen zu wissen, die zu Dir kommen, weil sie Sorgen und Ängste bedrücken, und dies lernt man nur durch Erfahrung, durch immerwährenden Dienst und auch durch die Beobachtung anderer. Das Rüstzeug für die Prüfungen, denen Du Dich dann noch stellen musst, werde ich Dir mitgeben, Octavia Severa und ich hoffe, Du musst es dann nicht wie ich selbst machen, der für seine Opferprüfung im eigenen Haus übte und dem die Opfergaben abgehauen sind, bevor ich sie töten konnte - und eine riesige Blutlache im atrium hinterließen."
Ich musste bei der Erinnerung unvermittelt grinsen, fast jungenhaft, denn wie ein großer Streich war es mir damals vorgekommen, während die Sklaven, die den Dreck wegmachen mussten, sich weit weniger amüsiert hatten. "Äh, wo waren wir?" Wenigstens hatte mich die Erinnerung von ihren Augen abgelenkt, aber ich merkte recht bald, dass ich gegen dieses Grün keine allzu große Chance hatte, so, wie sie mich ansah, so aufmerksam und interessiert. Vielleicht würde sie mich irgendwann ... neiiin, Aquilius, denk an Götter und Ferkel und sowas. "Ich denke nicht, dass Dein Herangehen an Deine Ausbildung ein Fehler ist, und sollte dies einer sein, wäre es ein Fehler, der so manchem sacerdos guttun würde, der sich nur mit Ach und Krach durch seine Prüfung mogeln kann. Wir werden mit Deiner Ausbildung also am morgigen Tage beginnen, so Du keine anderen Verpflichtungen hast."