Lucius Decimus Romanus

  • Romanus schrak hoch und stellte verwundert fest, dass er am Tisch in seinem Zimmer saß. Er musste über seinen Hausarbeiten eingeschlafen sein, denn die Schriftrolle, die vor ihm auf dem Tisch lag, wies einen beträchlichen Tintenfleck auf. Der junge Römer runzelte die Stirn, rieb sich die Augen und ärgerte sich über sich selbst. Das kam davon, wenn man bis in die Nacht hinein bei funzligem Kerzenlichtn noch irgendwelche Aufzeichnungen las. Jetzt konnte er wieder von vorne beginnen, denn sein Lehrer wäre über ein verschmiertes Papyrus sicherlich nicht sehr begeistert.


    Romanus reckte seinen steifen Glieder und gähnte ausgiebig, während er sich von dem Stuhl erhob. Sein Magen begann zu knurren und er beschloss, sich etwas zu essen zu besorgen. Da ihm der Zutritt zur Culina verwehrt war, seine Tante hatte ihn schon desöfteren hinausgeworfen, wollte er einen der Haussklaven suchen und sich etwas zu essen bringen lassen. Er verließ sein Cubiculum in Richtung Attrium, da er dachte, dass er dort einen der Sklaven sicherlich treffen würde.

  • Die Nacht zuvor hatte Alessa wieder nicht geschlafen. Ihre Schlaflosigkeit, die sie schon nach dem Tod ihres Vaters erlitten hatte, war zurückgekehrt. Früh am Morgen begab sie sich durch den Flur zu Proximus' alten Zimmer als sie gerade den kleinen Romanus auf sein Zimmer huschen sah.
    "Noch jemand der nicht schlafen kann?" lächelte sie ihm zu.

  • Romanus war völlig in Gedanken versunken als er den Gang entlang zu seinem Zimmer ging und hatte Alessa deshalb erst dann bemerkt, als sie ihn ansprach. Ertappt sah er sie verlegen an und nickte.
    "Ich hatte gehofft, dass ich meinen Onkel noch treffe, aber ich habe ihn wohl verpasst" Der Junge seufzte und schob die Kapuze vom Kopf, dann sah er die junge Frau an. "Das mit deinem Bruder tut mir leid."

  • Sie lächelte den kleinen freundlich an und ging zu ihm hinüber. Sanft strich sie über seine Schulter. "Ich danke dir Romanus. Sag, warum wolltest du Meridius noch sprechen, hast du etwas auf dem Herzen?" fragte sie ihn.

  • Im ersten Moment war Romanus versucht irgendetwas zu erfinden, um Alessa nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Doch schließlich fiel ihm ein, dass sie ja selbst in Rom lebte und so wohl eine gewisse Neugier auf die mächtigste Stadt der Welt, nachvollziehen konnte. Er seufzte und deutete auf den Beutel, den er über die Schulter geworfen hatte.


    Ich wollte ihn...bitten, mich mit nach Rom zu nehmen., sagte er schließlich und blickte Alessa aus großen blauen Augen an. Das ist mein größter Wunsch. Aber leider ist er ja schon weg.


    Romanus ließ die Schultern hängen und dachte daran, wie lange sein Onkel wohl nicht mehr nach Tarraco kommen würde. Immerhin hatte man ihn ja nach Germanien geschickt. Ob er ihn wohl jemals wiedersehen würde? Schnell verdrängte der Junge den Gedanken und sah dann wieder Alessa an.

  • Aufmerksam hörte Alessa ihm zu, als er erklärte, warum er Meridius abfangen wollte. "Achso, jetzt verstehe ich." lächelte sie, legte die Hand an seinen Rücken und öffnete mit ihrer anderen Hand die Tür zu seinem Zimmer, dann trat sie mit ihm ein.
    "Komm" sprach sie sanft. "Hier draußen holst du dir noch den Tod."


    Im Zimmer angekommen setzte sie sich auf sein Bett und deutete auf den Platz neben sich. "Setz dich zu mir." bat sie ihn.
    "Du möchtest also nach Rom?" fragte sie sanftmütig und lächelte den kleinen an. "Wie stellst du dir denn das vor? Meridius ist in wenigen Tagen in Germanien und wer soll sich dann um dich kümmern? Die anderen haben ihre Berufe in denen sie fast rund um die Uhr beschäftigt sind, vor allem die, die für den Kaiser arbeiten." erklärte sie.


    Mütterlich legte sie ihren Arm um ihn und küsste sein Haar. Er tat ihr leid. Hier war er ebenso einsam. Gerade dass Lucilla da war und ein paar wenige ihrer Verwandter. Einen Lehrer würde er woanders sicher auch finden. Warum sollte er nicht ein anderes Stück des großen Reiches kennenlernen?

  • Romanus folgte Alessa in sein Zimmer und setzte sich auf das Bett, warf den Beutel achtlos auf den Boden. Er fühlte sich recht wohl in ihrer Gegenwart und dachte dann über ihre Worte nach. Darüber, dass sich niemand um ihn kümmern konnte, wenn er in Rom war, hatte er sich bisher noch keine Gedanken gemacht. Schließlich war er kein kleines Kind mehr und konnte sehr gut auf sich selbst aufpassen. Rom war zwar weitaus größer als Tarraco, dennoch traute der Junge es sich durchaus zu, in den Straßen der Weltstadt zu bestehen.


    Deshalb klang seine Stimme fest und überzeugt, als er Alessa antwortete.
    "Ich bin alt genug, um auf mich selber aufzupassen. Und wo kann ich besser für das Leben lernen als in Rom?"

  • Sie überlegte eine Weile. Mit seinen Argumenten hatte er eigentlich recht! Er war kein kleines Kind mehr, dennoch musste er zumindest eine Person haben, an die er sich immer wenden konnte. Ihr viel ein, dass sie eigentlich nur den Auftrag von Sinona hatte und der würde sich noch ein Weilchen hinziehen, bis Iunia Attica wieder mehr Zeit haben würde.


    "Weist du was?" meinte sie dann und lächelte ihn liebevoll an, während sie ihm durch seine Locken wuschelte. "Da ich sowieso so schnell wie möglich nach Rom zurück möchte und somit heute auch abreise, könnte ich dich mit mir nehmen. Eine Bedingung ist aber, dass du in Rom keinen Unfug treibst und dich an mich hältst, denn ich möchte weder von Lucilla, noch von Meridius die Leviten gelesen bekommen, verstanden?" fragte sie streng.

  • Das Gesicht des Jungen hellte sich auf und er strahlte Alessa an. "Im Ernst? Ich gelobe bei den Göttern, dass ich keinen Unfug anstelle", sagte Romanus feierlich und konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Er wäre Alessa fast um den Hals gefallen und alleine der Gedanke nach Rom zu kommen, ließ ihn vor Aufregung zappelig werden.
    "Der Blitz des Iupiters soll mich erschlagen, sollte ich mein Versprechen brechen". Zufrieden sah er Alessa an, schien ihm das doch ein überzeugender Schwur.

  • Sie lachte bei seinem Schwur und wuschelte erneut durch seine Haare, dann nahm sie ihn in den Arm und küsste seinen Kopf. Romanus würde ihr den Bruder nicht ersetzen, aber wenn sie ihn trösten konnte in seiner Einsamkeit und Sehnsucht, dann fühlte auch sie sich nicht alleine und vergaß die Trauer über ihre verstorbenen Liebsten ein wenig.
    Der Kleine würde ihr wohl immer mehr ans Herz wachsen.


    "Wir werden dir in Rom dann einen Lehrer suchen, einverstanden? Es ist nicht gut, wenn du sonst zu viel versäumst!" tadelte sie und zwickte ihn neckisch in die Wange.

  • Romanus verdrehte theatralisch die Augen, als Alessa den Lehrer erwähnte und nickte dann ergeben. Es würde wohl nie so etwas wie Ferien vom Lernen für ihn geben. Wie auch immer, für die Chance nach Rom zu kommen, würde er auch sowas in Kauf nehmen und wäre sogar bereit, mehr zu lernen. Im ersten Moment wollte er sich von ihr befreien, als sie ihn umarmte, schließlich war er kein kleines Kind mehr. Doch spürte der Junge, dass sie es wohl momentan brauchte und erwiederte dann die Umarmung. Er mochte Alessa und sie würde ihm wohl seine Schwester, die er auch schon recht lange nicht mehr gesehen hatte, ersetzen.


    "Wann geht es los?". fragte er schließlich, als er die Umarmung wieder löste und seine Augen begannen zu leuchten.

  • "Nun" meinte Alessa und spannte ihn ein wenig auf die Folter."Wenn du dich eilst mit packen und auch meine Sklaven, dann würde ich gerne noch vor dem Mittagessen aufbrechen!" erklärte sie ihm.

  • Romanus lächelte Alessa an und deutete auf das Bündel, welches er achtlos auf den Boden geworfen hatte. "Das ist alles, mehr brauche ich nicht.", meinte er und warf ihr dann einen unschuldigen Blick aus blauen Kinderaugen zu. "In Rom gibt es schließlich alles zu kaufen, was man braucht, nicht wahr?"


    Und wie um seine Worte zu entkräftigen und bevor Alessa es sich eventuell noch anders überlegen würde, fügte er hinzu "Keine Angst, ich bin bescheiden...also ich bin reisefertig."

  • Sie lachte. "Na gut, wenn du meinst, dass das alles ist, dann zieh dich schon mal an und warte im Atrium auf mich. Ich regle das noch mit meinem Gepäck und dann machen wir uns auf den Weg zum Hafen." antwortete sie ihm.

  • Romanus nickte voller Feuereifer, beugte sich plötzlich zu Alessa und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange. Bevor sie reagieren konnte, sprang er vom Bett, klaubte sein Bündel vom Boden auf und hatte schon das Zimmer verlassen.
    "Ich kanns kaum erwarten", rief der Junge als er den Gang entlang zum Atrium lief.

  • Alessa sah dem Wirbelwind hinterher und lächelte. Sie strich über ihre Wange und erinnterte sich kurz an ihren Bruder, als er noch kleiner war.
    Dann stand auch sie auf und begab sich in ihr Zimmer um auch ihre Sachen zu packen, dann würde sie Romanus im Atrium aufsuchen.

  • Eine der Türen stand offen, da gerade in einigen Cubicilii geschäftigst hergerichtet wurde. Mittels Nachfragen stand Hraban ganz zufällig vor einem der Zimmer, in die er eine der Kisten bringen sollte. Dieses hier war das Zimmer des Decimus Romanus - des Jungen. Hraban warf nur einen kurzen Blick hinein, denn es interessierte ihn nicht, wie die Römer hausten.
    Er stellte die zugehörige Kiste im Zimmer ab und ging suchend weiter.

  • Meridius trat an das Zimmer des kleinen Romanus um mit ihm zu reden.
    Er klopfte und nachdem er keine Antwort erhalten hatte trat er ein. Der Bursche musste hier irgendwo sein, soviel stand fest.


    "Romanus! Komm mal her!
    Ich muss mit Dir reden!"


    Seine Stimme klang freundlich und warm.

  • Romanus war mal wieder über einem, wie er fand, gähnend langweiligen Text eingeschlafen und schrak hoch, als die Stimme seines Onkels ertönte. Mit rotem Kopf sprang er auf und sah Meridius schuldbewusst an. Sicherlich hatte Apollonius ihm gesagt, dass er im Unterricht eingeschlafen war und er wollte ihm jetzt eine Moralpredigt halten. Doch klang Meridius alles andere als böse.


    "Ja...was gibt es denn, Onkel?"

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