Die Bestattung des Gaius Decimus Proximus

  • Viele Gäste hatten sich zusammen mit den Angehörigen in der Casa Decima versammelt. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass der junge Gaius Decimus Proximus, Centurio der Legio IX, in Germanien gefallen und hierher überführt worden war. Nun wollte man Abschied nehmen von einem Helden, dem einzigen Toten der Legio, welcher nach Tarraco zurückgekehrt war. Viele der Trauernden hatten selbst einen Sohn, oder einen Verwandten im Norden verloren und nicht das Privilieg gehabt ihren Geliebte noch einmal zu sehen, und so standen sie hier, wünschten einen Blick auf den Decimus werfen zu können, stellvertretend, gerade so, als ob er einer der ihren wäre, als ob er der ihre wäre.



    Meridius stand an der Spitze der Familie und nahm die Bekundungen entgegen, hörte sich die Worte der Versammelten an, sprach selbst sein Beileid aus, wo es angebracht schien, und leider betraf es viele der Menschen. Der Blutzoll, welchen sie in Germanien zu zahlen hatte, war furchtbar gewesen. Und niemand in Tarraco würde ihn so schnell vergessen.


    Dann, nach einigen Momenten war es so weit. Die bestellten Musiker und Klageweiber hatten sich eingefunden und der Trauerzug zum Familiengrab der Gens Decima an der Gräberstrasse konnte beginnen. Meridius blickte zum Himmel. Das Wetter war etwas bewölkt und er hoffte, dass es halten würde. Zumindest so lange, bis die Flammen in den Himmel gestiegen waren und Proximus Leichnahm verzehrt hatten...

  • Ich befand mich, wie die anderen Haussklaven unmittelbar in der Nähe der Familie und folgte der Prozession. Die Bahre mit dem schön geschmückten Leichnahm kam nur langsam voran, die Träger hatten am heutigen Tage kein leichtes Vorankommen. Mein Herr schritt ganz vorne hinter der Bahre, dann kamen die Damen des Hauses, die anderen Verwandten, ich hielt den kleinen Romanus an meiner Hand.


    "Komm, kleiner Mann."


    sprach ich immer wieder, wenn der Zug nach einer kleinen Stockung weiterzog. Die Strassen waren gesäumt von Schaulustigen und Trauernden, und nicht wenige schlossen sich hinter uns an.

  • Auch ich befand mich unter den Trauernden. Die Familie ging, anders als die Übrigen direkt hinter der Barre, auf der der Leichnam lag.
    Der Trauerzug durchquerte zahlreiche Straßen Tarracos und viele Bürger schlossen sich ihm an.
    Mit gesenktem Kopf ging ich neben den anderen Famileinmitgliedern her.

  • Mit hängendem Kopf und hängenden Schultern folgt Lucilla der Bahre inmitten der Gens Decima. Tränen fließen aus ihren Augen und verschleiern ihren Blick. Es ist unfassbar, dass sie schon wieder gemeinsam diesen Weg gehen, unfassbar, dass sie Gaius Proximus auf seinem Weg ins Elysium belgeiten. Unfassbar, dass sie nie wieder gemeinsam mit ihm im Triclinium sitzen, nie wieder gemeinsam mit ihm lachen, nie wieder gemeinsam feiern würden.

  • Nur langsam kam der Zug vorwärst. Meridius blickte immer wieder nach vorne um zu sehen, wo er schon wieder stockte, doch kaum dass er stand, ging es auch schon wieder weiter. Die Bahre bog in die Strasse ein, welche zu den Grabstätten führen würde, die Menschen folgten. Nicht mehr lange und der Verbrennungsplatz wäre erreicht, nicht mehr lange und die Menge würde sich um den aufgeschichteten, mit Blumen geschmückten Holzstoss versammeln. Meridius ging im Geiste die laudatio funibris durch, welche er halten würde. Immer wieder wiederholte er die Sätze. Und Proximus war tot.

  • Auch Livianus und Aemilia waren nach Hispania gekommen um Proximus die letzte Ehre zu erweisen. Man merkte wie bestürzt Livianus durch den plötzlichen Tod seines Cousins war.


    Livianus hatte sich entschlossen für den heutige Tag seine alte Tribunenrüstung der Legio IX anzulegen. Viele Gedanken schossen ihm während des Trauerzuges durch den Kopf. Was war in Germania passiert? Warum musste er sterben? Und viel wichtiger war die Frage - Hätte Livianus es verhindern können, wenn er nicht nach Rom gegangen wäre?


    Traurig senkte er den Kopf.






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  • Aemilia hält sich an Livianus Hand fest und schaut sich noch etwas unsicher unter den vielen Gästen um. Mit Trauer denkt sie an den jungen Mann, der viel zu früh gestorben ist. Aemilia senkt den Blick und folgt dem Trauerzug, während sie tröstend die Hand ihres Verlobten drückt.

  • Der Zug hatte seinen Bestimmungsort erreicht. Die Bahre hielt an und wurde abgestellt. Die Versammelten blickten auf Meridius, der nach vorne trat um die laudatio funebris zu halten. Lange blickte der Senator in die Gesichter der Anwesenden, bevor er zu Reden begann...


    Seine Worte waren warm. Seine Worte versuchten Trost zu spenden. Seine Worte versuchten das Leben des Gaius Decimus Proximus so zu schildern, wie er es in Erinnerung hatte. Er erzählte von dem kleinen lebhaften Sohn des Tiberius Decimus Proximus, welcher immer zu Scherzen aufgelegt war und der nichts lieber tat, als die Mädchen in der Strasse zu necken. Er erzählte von dem jungen Heranwachsenden, der keine Gefahr scheute und einmal auf der Weide einen Wolf mit einem Stecken verscheuchte. Und er erzählte von dem jungen Mann, der geschworen Mars zu dienen, in die Legionen des Imperators eintrat, zuerst in Ägypten, dann in Hispania. Er erzählte von dem tapferen und pflichtbewussten Soldaten, wie er Seite an Seite mit anderen tapferen Männern gegen die Aufständischen in Hispania kämpfte. Und erzählte von dem Centurio, der seinen Männer pfichtbewusst in Germanien vorranging und ... fiel.


    Dann blickte er zu Alessa. Und seine Worte beschrieben den Bruder. So wie er ihn kennengelernt hatte. Sie beschrieben seinen Charme, seinen Witz und seine Liebe.


    Dann endete der Sentor, blickte in die Gesichter der Anwesenden und dankte den Göttern. Dafür, dass er hatte Proximus kennen lernen dürfen, und dafür, dass sie nun bereit waren, den Leichnahm des Toten anzunehmen.


    Er trat zur Seite.

  • Ich hörte meinem Herrn gut zu. Alles was er sagte traf zu. Nicht anders hatten wir alle den jungen Verstorbenen gekannt. Ich erinnerte mich an meine Jugend zurück. Auch wenn ich Sklave war, Meridius und seine Cousins hatte mich immer als ihren Spielkameraden akzeptiert. Es war eine schöne Zeit gewesen. Einzig, es blieb Erinnerung. Die schmerzhaften und ausgweinten Augen der jungen Decima Alessa waren Realität und Gegenwart. Sie musste viel zu viel leiden. Erst vor kurzem der Vater, nun der Bruder. Ich griff nach der Hand von Calliope und das Bild meiner vorherigen Geliebten trat vor mein Gesicht. Auch sie hatte ich viel zu früh verloren. Auf eine Art und Weise, wie sie nur Unsterbliche ertragen konnten. Ich jedoch war nur allzu sterblich. Wie alle Anwesenden hier.

  • Mattiacus war ebenfalls nach Hispania, der alten Heimat, gekommen, um seinem Cousin Proximus die letzte Ehre zu erweisen.


    Sie hatten bereits seinen Vater zu Grabe getragen, nun ihn selbst.


    Mattiacus trug seine beste Toga mit einem Trauerflor. Er lauschte der Totenrede von Meridius.


    Seine Gedanken schweiften zurück zu der Zeit, als sie alle noch Kinder waren, die Kinder von Mercator, Meridius und Proximus und wie sie miteinander gespielt und gelebt hatten.


    Eine kleine Träne bahnte dabei ihren Weg über sein Gesicht.

  • Gleich hinter Meridius war Alessa gegangen. Seit dem Tage an dem sie erfahren hatte, dass ihr Bruder gefallen war, blieb ihr Auge nicht mehr trocken. Immer und immer wieder musste sie schmerzlich erkennen, dass ihr geliebter Bruder sie nie mehr in seinen Armen halten würde, dass er niemals bei ihrer Hochzeit dabei sein würde oder seine Neffen oder Nichten im Arm halten. Zu schön war das Bild in ihren Gedanken gewesen, in der die Familie vereint war und nun starben sie ihr alle weg. Einen weiteren Toten in der Familie würde sie wohl nicht verkraften können, das stand fest!


    Als Meridius zur Laudatio vortrat, nahm sie die Hand des kleinen Romanus und streichelte über seinen Kopf. Wie musste wohl ihm zu mute sein, dachte sie. Hatte er ja auch niemanden.


    Nachdem Meridius seine Rede beendet hatte streichelte sie noch einmal über Romanus' Kopf und ging dann zu Gaius. Sie küsste ihn auf die Stirn und streichelte unter Schluchzern und Tränen über sein Gesicht, dann nahm sie seine Hand, küsste diese und legte eine gravierte Münze hinein. Gaius hatte sie ihr einst geschenkt und seither hatte sie das Stück immer bei sich getragen. Sie strich an ihrem Hals entlang und tastete nach dem Amulett, dass er um seinen Hals getragen hatte und dass sie am Tag zuvor an sich genommen hatte, um ihn in Erinnerung zu behalten.
    "Ich liebe dich Gaius, pass auf Papa auf und wir sehen uns wieder, versprochen!" hauchte sie mit zitternder Stimme, dann trat sie zu Meridius und hagte sich bei ihm ein. Ihr Körper zitterte.

  • Als Calliope fühlte wie Verus ihre Hand nahm drückte sie diese sanft und tröstend. Was wohl in ihm vorging. Sicher erinnerte er sich an den Verlust seiner Liebsten, umso mehr wollte sie ihn mit ihrer Liebe überschütten und ihm zeigen, dass er nicht alleine war. Sie würde zu ihm stehen, was immer auch geschehen mochte.
    Liebevoll schmiegte sie sich an ihn und wischte sich kleine Tränen aus den Augen, da auch an ihr nicht spurlos vorbeiging, was geschehen war, allein als sie Alessa's Miene sah, die ihre engste Familie verloren hatte.

  • Livianus löste sich von Aemilia und trat nach vorne zum Holzstoß, auf dem sein Cousin Proximus aufgebahrt lag. Er stand eine Zeit lang still da, sein starrer Blick auf den Leichnam gerichtet. Als er sich wieder einigermaßen gefangen hatte, griff er nach seinem Gladius, dass er heute morgen zu seiner Rüstung angelegt hatte. Langsam zog er es aus der Scheide und betrachtete die Klinge. Es war das Schwert, mit dem er beim Ibereraufstand in Numantia gekämpft hatte. Nach dem Ende des Feldzuges, hatte er es hier in Tarraco in seinem Zimmer versperrt und nicht mehr hervorgeholt. Erinnerungen kamen in ihm hoch als er es nun betrachtete. Er erinnerte sich an Proximus Rückkehr aus Aegyptus, an die gemeinsamen Erlebnisse im Hispaniakrieg und an den Abschied, als er nach Rom ging und Proximus mit der Legion nach Germania zog. Er schloss für einen Moment seine Augen und legte dann das Schwert in Proximus kalte Hand. Es sollte ihm auf seinen Weg ins Elysium begleiten. So wollte Livianus seinen Frieden mit der Vergangenheit schließen und sich von Proximus verabschieden. Er sah ihn noch einmal an, nickte und ging wieder zurück zu Aemilia.






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  • Während die Verwandten nach vorne traten um von Proximus Abschied zu nehmen, blickte Meridius zu dem Priester, welcher dem Toten einen Finger abgenommen hatte. Dann, nachdem auch der letzte ihm seinen Gruss erwiesen hatte, trat er wieder nach vorne, gab dem Toten als Pater Familias einen Kuss und legte einen Beutel neben ihm. Er vergewisserte sich, dass die Münzen für den Fährmann an der richtigen Stelle lagen, griff nach der Fackel und setzte den Stoß in Brand. Die Flammen griffen um sich und loderten schon bald in den Himmel.

  • Ich sah gerade zu wie der Senator den Holzstoss mit der Bahre in Brand setzte und musste zu der jungen Decima blicken, die neben Lucilla stand. Ihr verweinten Augen hatten mich irgendwie ergriffen. Ich wusste nicht wie, aber am liebsten wäre ich nach vorne gegangen und hätte die beiden Frauen getröstet. Erst die mir unbekannte Decima, dann Lucilla. Sie in den Arm genommen, ihre Tränen getrocknet. Was für ein Narr ich doch war. Sie hätte es mir vermutlich nicht einmal gedankt.


    Ich hatte die halbe Nacht nicht geschlafen. Und meine Gedanken kreisten wirr in meinem Kopf herum. Es wurde Zeit, dass ich ins Bett kam.

  • Die Bestattung war schon fast vorbei, aber es konnte nicht warten. Zwei Männer mischten sich unter die Menge und hielten Ausschau. Als sie ihn entdeckt hatten traten sie langsam näher und schließlich an ihn heran.


    "Regionarius. Es tut uns leid, dass wir hier stören müssen...
    Doch es ist etwas vorgefallen. Du solltest sofort mitkommen."


    Der eine blickte mit Nachdruck, während der andere hinzusetzte:


    "Wir haben wieder einen gefunden..."



    ...

  • Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mich einer meiner Männer von der Seite ansprach. Ich nickte nur mit dem Kopf und murmelte, dass ich jeden Moment kommen würde. Dann blickte ich noch einmal zu den Flammen welche in den Himmel stiegen, zu dem Senator, den beiden Frauen und machte mich auf den Weg. Es war ein verfluchter Tag in einer verfluchten Stadt. Keine Ahnung wann das Morden aufhören würde...

  • Es dauerte lange bis das Feuer den Holzstoss, die Bahre und den Leichnahm verbrannt hatte. Als alles bis auf ein paar Kohlereste und die Glut heruntergebrannt war, löschte der Priester die heiße Asche mit Wein und Wasser, sammelte die übrig gebliebenen Gebeine und packte alles in eine Urne.


    Wieder setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Die Urne hatte an ihren Bestimmungsort gebracht zu werden. Dem Familiengrab der Gens Decima.


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