[Triclinum] Das Speisezimmer

  • Meridius nickte um zu verstehen zu geben, dass er verstand. Also hatte es auch keinen Sinn gehabt umgehend nach ihm zu schicken. Sein Leibarzt hätte niemals rechtzeitig eintreffen können um dem Kind eventuell noch zu helfen. Man konnte von Glück reden, dass Valeria diese Tragödie überlebt hatte.


    "Es tut mir leid. Wenigstens ist Dir nichts passiert."


    anwortete Meridius und sah dabei zu Valeria. Er musste daran zurückdenken, wie er sie das erstemal kennen lernte, wie er sie in die Familie als Tochter des Praetorianus aufnahm, wie sie dann gestand, wohl doch nicht die Tochter von Praetorianus zu sein, wie sie beschlossen, diese Dinge geheim zu halten, wie sie dann eine Beziehung mit seinem Sohn anfing, wie...


    Er hielt inne. Das ganze war nur noch kompliziert.

  • Valeria war Livianus unendlich dankbar, dass er ihr das Sprechen abgenommen hatte. Wenn sie versucht hätte, sich zu erklären, wäre entweder gar nichts oder aber nur Kauderwelsch dabei herausgekommen. So warf sie Livianus ein kurzes, dankbares Lächeln zu und wandte sich dann an Meridius.


    "Ja", sagte sie nur monoton und reichte Meridius den Becher Wein, den sie ihm zuvor angeboten hatte. In diesem Moment betrat ein Sklave mit der Vorspeise den Raum. Bedrückende Stille herrschte einen Moment, dann war der Sklave wieder verschwunden, um frisches Wasser und neuen Wein zu bringen. Valeria nestelte unbehaglich an der Kordel ihrer Tunika herum und wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles schien unwirklich und gestellt zu sein, auf keinen Fall aber war es locker und unbeschwert. Sie musterte Meridius flüchtig und sah dann Livianus kurz an. Danach glitt ihr Blick wieder in den Becher.

  • Im selben Moment trat ein Soldat in das Speisezimmer und grüßte beide Legaten militärisch, ehe er sich an Livianus wandte.


    “Verzeiht Legatus, aber ihr werdet in der Principia gebracht. Man bittet euch einen Moment hinüber zu kommen.“


    Das war natürlich ein ungünstiger Zeitpunkt, aber nachdem man einen Miles schickte, musste es etwas dringendes sein, das keinen Aufschub duldete. Livianus erhob sich und warf Valeria einen entschuldigenden Blick zu. Er musste sie nun mit Meridius und dieser ganzen Angelegenheit alleine zurück lassen.


    „Ihr entschuldigt mich. Ich werde einmal nachsehen was man von mir braucht.“


    Mit diesen Worten nickte er Meridius noch einmal zu und verließ dann, gefolgt von dem Soldaten, das Triclinum.

  • Meridius hatte dafür Verständnis und nickte. Nachdem Livianus gegangen war, blickte er zu Valeria, nahm dann etwas von dem Wein und stellte den Becher wieder ab.


    "Und wie geht es Dir?"


    fragte er Valeria. Sie sah nicht gerade gut aus, dachte er, und war froh, dass sie seine Gedanken nicht lesen konnte.

  • Auch Valeria war froh, dass Meridius keine Gedanken lesen konnte. Etwas wehmütig sah sie Livianus hinterher, der sie nun mit Meridius und dem Geständnis allein ließ. Sie nippte an ihrem Wasser und sah Meridius zum ersten Mal länger direkt an.


    "Inzwischen geht es mir besser. Marcus hat mir sehr geholfen...."
    Sie überlegte, ob sie die Sache mit Max zufügen sollte und entschloss sich schließlich dafür.
    "Maximian hat mich enttäuscht. Ich war am Hafen und habe mich nach dem Schiff erkundet. Der Praefectus Portuensis sagte mir, dass das Schiff, auf dessen Passagierliste Lucius stand, pünktlich angekommen sei. Er ist gar nicht an Bord gegangen. Er hat nicht geschrieben, sich nicht um mich gekümmert. Schon vor der Abreise aus Tarraco", erzählte sie leise und bedrückt.

  • Meridius hörte ihren Ausführungen zu. Sicher, Maximian hatte nichts von sich hören lassen und sein Verbleib stand in den Sternen. Aber es war nicht wirklich ungewöhnlich für den jungen Mann, der sich erst selbst finden musste und offensichtlich mit seinen neuen Aufgaben überfordert war. Noch vor Monaten war er der einfache Sohn einer iberischen Frau, der den Wunsch hatte in die Legionen einzutreten. Nun war er der Sohn eines Senators und Legaten, mit dem vermeintlichen Ziel selbst einmal Offizier oder gar Senator zu werden, zeitgleich vermeintlicher Vater eines Kindes, deren Mutter alle für seine Cousine hielten. Die Jugend war damit definitiv vorbei.


    "Du solltest ihn nicht schelten. Ich weiß selbst, in welcher Situation er sich befindet. Ihr beide tragt daran nicht gerade wenig Schuld."


    Wenn man das Wörtchen Schuld überhaupt in dieser Situation guten Gewissens verwenden durfte.


    "Nun gut, aber lassen wir das. Er hat sich auch bei mir nicht gemeldet. Ich weiß also um seine Abwesenheit."

  • Valeria verzog die Lippen. Schuld. Es war klar, dass dieses Wort früher oder später fallen würde.


    "Ich habe dir zuerst deinen Sohn genommen, nun deinen Enkel auf dem Gewissen. Verzeih mir", sagte Valeria und hielt den Kopf gesenkt. Wenn sie nun auch noch von Livianus redete, der ja nun einmal Meridius' Cousin war... Sie blickte auf und sah Meridius fest in die Augen.


    "Maximian und mich verbindet nichts mehr, Meridius. Vielleicht ist das ein kleiner Trost. Ich kann nicht mit jemandem zusammen sein, der sich einen Dreck um mich und seinen ungeborenen Sohn schert. Alter hin oder her."

  • "Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen."


    antwortete Meridius und schwieg dann für einen Moment. Sollte er mit den Vorspeisen beginnen? Irgendwie war ihm nicht mehr danach, doch es wäre äusserst unhöflich gewesen, nichts zu sich zu nehmen. Auf der anderen Seite aber auch taktlos, bei einem solchen Gespräch einfach zu essen. Verdammte Situation. Selbst in seinem Beruf als Soldat kam man hin und wieder in Situationen, welche mehr Fingerspitzengefühl erforderten als im Senat.


    "Ich bitte Dich nur darum, klar Schiff zu machen, sobald es sich ermöglicht. Wenn die Dinge geklärt sind, lassen sich die Konstellationen ordnen und das Leben geht weiter. Alles andere schmerzt zu sehr."

  • Klar Schiff machen, sobald es nötig ist. Was er damit wohl im Einzelnen meinte?


    "Sollte mir Lucius demnächst über den Weg laufen, werde ich mit ihm reden. Es...wird sicher nicht leicht sein, aber...mein Entschluss steht fest."


    Zumindest im Moment, dachte sie. Wenn Maximian ihr gegenüberstand, sie mit seinen ehrlichen Augen anblickte und ihr sagte, dass es ihr leid tat... Was würde sie dann tun, wie würde sie reagieren? Würde er alles hinnehmen, was geschehen war oder würde er um sie kämpfen? Und dann war da noch Livianus. Valeria seufzte tief. Dann fiel auch ihr ein, dass das Essen bisher nicht abgerührt worden war, und zwar in dem Moment, in dem der Sklave wiederkam und neue Getränke brachte, dabei einen irritierten Blick auf die Tafel warf und Meridius und Valeria verdutzt ansah.


    "Ähm, ja. Bitte, lang doch zu", sagte Valeria und nahm sich selbst nur etwas Brot, doch nicht um es zu essen, sondern um damit herumzukrümeln. Sie sah Meridius unsicher an und beobachtete seine Bewegungen. Nach einer Ewigkeit, wie es schien, hob sie wieder die Stimme.


    "Marcus und ich sich uns näher gekommen", erzählte sie. Nun war es raus. Was würde er sagen?

  • Meridius hatte auf ihre Aufforderung hin etwas von den Antipasti genommen, die eingelegten Oliven schmeckten vorzüglich und hatten einen sehr aromatischen Geschmack. Sicher importierte sie Livianus aus Hispania, oder zumindest aus Italia oder der griechischen Provinz. Valeria indess schine kaum Appetit zu haben und zerkrümelte ihr Brot auf dem Tisch. Er wollte gerade fragen, was los sei, als sie es ihm eröffnete. Seine Pupillen zogen sich einen Moment zusammen.


    "Krchch."


    beinahe hätte er sich verschluckt und schnell spülte er mit einem Schluck Wein nach. Dann kaute er aus und schluckte die Rest hinunter.


    "Wie nahe?"


    fragte er nur, konnte sich die Antwort jedoch denken. Schon stieg ein Verdacht in ihm auf. War der Miles aus diesem Grund vorhin in das Zimmer gekommen? Wollte Livianus einem Konflikt aus dem Weg gehen?

  • Oh Iuno, steh mir bei, dachte Valeria und schickte ein stummes Stoßgebet gen Himmel. Meridius' Ton allein verhieß schon nichts gutes. Valeria legte das Brot zu den Krumen auf den Tisch und wischte sich sorgsam die Hände ab, obwohl sie weder schmutzig noch krümelig waren - nur schwitzig. Sie wollte einfach Zeit schinden. Auch antwortete sie nicht direkt auf Meridius' Frage, sondern wich geschickt aus.


    "Marcus war der einzige, der für mich da war, als...als....."
    Sie atmete tief ein und stieß dann hervor:
    "Als mein Sohn gestorben ist. Er hat sich um mich gekümmert und...es hat sich etwas daraus entwickelt, was ich zuerst weder gemerkt habe noch wahr haben wollte. Aber es ist nun einmal so."


    Und zudem war er für sie da, wenn sie jemanden brauchte. Nicht wie gewisse andere Personen, die es vorzogen, selbst eine hochwangere Frau allein durch die Walchei reisen zu lassen. Personen, die sich nicht um ihre ungeborenen Kinder scherten und es nicht einmal nötig hatten, sich schriftlich zu melden. Kurzum: Maximian, auf den sie mittlerweile eine ziemliche Wut hatte. Nun erwartete sie das Donnerwetter.

  • Meridius nahm erneut einen Schluck. Wieder stellte er den Becher ab und wischte sich dann auch den Mund an einem Tuch ab. Nach einem Wink trat der Sklave hinzu und reichte ihm die Schale, damit er seine Hände waschen konnte. Der Appetit war ihm gänzlich vergangen.


    "Er war der was? Wenn ich mich recht entsinne, wurde ja sonst niemand informiert. Mein Cousin hätte mit Leichtigkeit einen Reiter nach Mogontiacum senden können um mich zu informieren. Ich hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt um mich um Dich zu kümmern, und zwar so, wie es sich gehört und nicht..."


    Er sprach nicht weiter.


    "Gestern warst Du noch schwanger, von meinem Sohn. Und heute, heute schläfst Du mit meinem Cousin. Ich muss schon sagen..."


    Er erhob sich.


    "Ich brauche frische Luft."


    Mit diesen Worten verließ er den Raum.

  • Valeria presste die Lippen aufeinander. Meridius mochte zwar der Pater gentis sein und das, was geschehen war, war sicherlich nicht leicht zu beschreiben, aber es war gänzlich Valerias und Marcus' Sache, nicht die Meridius'. Stumm bleib Valeria noch einen Moment sitzen, dann stand sie auf und griff im Vorbeigehen nach einer Olive, schob sie sich in den Mund und folgte Meridius, denn es bestand noch Klärungsbedarf und diesmal würde sie nicht kleinbei geben.

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