Cubiculum Marcus Matinius Metellus

  • Sie runzelte bei seiner Ansprache misstrauisch die Stirn und eine dunkle Ahnung machte sich in ihr breit. Eine dunkle Ahnung die sich bald bestätigen sollte. Niemals hätte sie erwartet, dass diese Nachricht eine solche Explosion in ihr hervorrufen würde, denn plötzlich konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie starrte ausdruckslos an die Wand, auf welche sich eben noch ihr nachdenklicher Blick gerichtet hatte. Nicht eine Träne rann über ihre Wange, sie musste ihre Tränen nicht einmal zurückhalten. Metellus rückte mit jedem Moment, mit jedem Herzschlag den sie hier saß, in weitere Ferne und sie befand sich in einem leeren Raum. Wie in Trance erhob sie sich und löste seine Hand aus ihrer. 'Publius... Publius'hallte es in ihrem Kopf immer wieder, immer weiter, immer lauter. 'Publius' dröhnte es langsam schon in ihrem Kopf und sie ging mit langsamen Schritten auf die Tür zu. Wie ineinem Traum hob sie ihre Hand um die Tür zu öffnen als sie sich selbst sah, wie sie sich wieder umdrehte. "Ich brauche Zeit." hörte sie sich selbst sprechen, wusste doch nicht woher die Worte kamen. Dann drehte sie sich langsam wieder um und lehnte sich hinter der Tür, die sie sorgfältig verschlossen hatte, an die Wand und blickte starr geradeaus. Erst nun wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn doch all die Zeit noch geliebt hatte, jeden Tag hatte sie versucht diesen Gedanken zu verdrängen. Nun sprudelten all die Eindrücke ihres letzten Tages wieder auf sie ein. 'Vergiss mich nicht' hatte sie zu ihm gesagt, ehe er sie ein letztes Mal umarmte und dann mit dem Versprechen, es nicht zu tun, zu seinen Truppen lief. Wie benommen hatte sie damals dagestanden und hinter ihm hergesehen. Damals war sie schwanger gewesen, damals vor den ganzen Jahren. Nicht ein Tag war vergangen, wo sie nicht an ihn gedacht hatte. Doch mit jedem verstrichenen Tag ward der Schmerz erträglicher. Balbus war der erste, der sie damals aufgebaut hatte, Meridius hatte ihr geholfen, Pentesilea, Maximus, Agrippa... Sie alle waren immer an ihrer Seite gewesen. Und nun fühlte es sich an, als sei sie ganz allein. Diesen Schmerz würde ihr niemand nehmen können, dieser Schmerz war unerträglich. Sie entsann sich Metellus' Worten, dass alle für sie da wären - doch brachte ihr dies Maximus zurück? Sie verfluchte sich für den einen Gedanken, den sie gedacht hatte: Maximus musste nicht mehr zurückkehren, sie würde sich zwischen den Männern nicht entscheiden können. War es ihre Schuld, dass er dahingeschieden war, nur durch ihr egoistisches Denken? Ihren Mann hatte man ihr genommen, den sie trotz Metellus immer geliebt hatte. Sie stieß sich von der Wand ab, ihre Beine waren wackelig und der Weg vor ihr durch einen Tränenschleier vollkommen verschwommen. Maximus hatte sich gewünscht, dass er vor der Geburt seiner Söhne wiederkommen würde, doch er sollte niemals mehr seine Söhne sehen können. Und doch: Tertius sollte seinem Vater zuwinken. Würde er überhaupt die Gelegenheit dazu haben? War er nicht längst nicht mehr hier? Sie schluchte laut auf. "Maximus.." flüsterte sie leis und starrte vor sich auf den Boden. "..warum..?" Doch sie verstand ihre eigenen Worte kaum mehr, so sehr hämmerte der Schmerz in ihrem Kopf. Daheim lag das Schmuckstück mit seinem Abbild, welches Messalina ihr damals auf der Hochzeit geschenkt hatte. Wie froh war sie nun über dieses Erinnerungsstück.. Sie musste wieder stehen bleiben, denn ihre Knie wollten nachgeben...

  • Er ging ihr hinterher und fand sie vor seiner Türe. Er sah Helena an, wusste aber nicht, was er nun tun sollte. Sie müsste es ertseinmal alleine erfassen können bevor er etwas tun könnte. Er musste ihr Zeit geben. In ihm kam deer Gedanke auf, dass es ihre Strafe sei, dass sie in der Abwesenheit ihres Gatten etwas mit ihm angefangen hatte. Und seine Strafe sei es, dass er mit dieser Schuld nun leben müsste. Leise sprach er:


    "Oh ihr Götter...! Das wollte ich nicht!"


    Sicher, der Tod des Senators, würde ihm den Weg mit Helena ebnen, doch das wollte er so nicht! Nein, das hatte er nicht gewollt! Was sollte er nun tun? Könnte er so mit ihr weiter zusammenleben?


    "Oh Helena, es tut mir leid! Es tut mir so leid!"


    Eine einsame Träne ran seine Wange herunter. Er musste an das Gebet an Iuno denken.


    "Helena! Wenn ich könnte, ich würde sofort mein Leben für seines geben!"

  • Sie vernahm seine Worte nicht. Doch, sie vernahm sie, allerdings erkannte sie keinen Sinn hinter diesen. Nur vereinzelte Worte wie "leid..." oder "mir.." drangen bis zu ihr durch. Sie hob unter Tränen den Kopf. "Wieso...?" fragte sie mit einem vorwurfsvollen Blick, der allerdings nicht Metellus, sondern die Welt treffen sollte. "Er..." brachte sie mühsam hervor, doch noch ehe sie begonnen hatte zu sprechen, hatte sie schon vergessen, was sie sagen wollte. Und nun senkte sie wieder den Blick auf den Boden. All das war ihre Schuld, die Wege der Götter waren klar, doch sie selbst hatte sie alle so verworren gemacht. Was hätten sie den sonst tun sollen, wenn sich der Weg für sie und Metellus ebnen sollte? War Maximus nicht das einzige Hindernis gewesen? Oh was für ein Preis, was musste sie zahlen. Was würde Messalina sagen? "Niemand..." flüsterte sie, "bringt ihn mir zurück."

  • Worte wie 'Er starb ehrenvoll für das Imperium' wollte sie bestimmt nicht hören. Er vernahm ihre Worte.


    "Das können nur die Götter, doch sie haben ihn genommen..."


    'für uns...' dachte er. Konnte er diese Last tragen, konnte sie es? Wollte sie nun noch mit ihm zusammen sein? Würde er sie daran nicht immer erinnern und ihr das Leben schwer machen?


    Seine Hand wollte nach ihr greifen, doch zuckte sie wieder zurück.


    "Es tut mir leid. Wenn du mich nicht kennengelernt hättest dann..."


    War es ein Fehler? Konnte Liebe ein Fehler sein? Hat Liebe nicht so viel großes in der Welt bewirkt? Die Liebe zu den Göttern, die Liebe zu der Heimat und zu Menschen? Doch das hat sie! Aber andererseits konnte es auch schnell umschwingen und aus Liebe konnte schreckliches geschehen. Er musste an Troja denken. Fiel diese Stadt nicht nur wegen einer Frau? Er wusste nicht weiter. Was sollte er nun tun?

  • Sie kniff die Augen zusammen, als habe sie einen heftigen Schlag erlitten. Und sie selbst fühlte sich auch wie unter starken Schmerzen stehend. Weitere Tränen suchten sich ihre leise Bahn über ihre Wange, während sie mit aller Macht versuchte, sich Maximus Gesicht in Erinnerung zu rufen. "Wir haben uns... in Germania kennengelernt... Warum wird er mir dort genommen." flüsterte sie mit brüchiger Stimme. All die Tränen ließen ihr keine andere Wahl als mit dieser verzerrten Stimme zu brechen. Sie dachte an den Tag zurück, als sie ihn vor den Stufen des Marstempels traf, sie war gerade vom Unterricht mit Taurinius gekommen. Er hatte sie gefragtob sie Venus oder gar Minervas Abbild war. Schon den Tag darauf waren sie sich vor Mogontiacums Toren wieder begegnet. Da hatte er sie mit einem Grashalm unter der Nase gekitzelt. Der Halm. Er hatte in ihr nicht zurückgebracht... "Gras..." flüsterte sie und sah mit großen Augen an die Wand gegenüber. "Mars..." Sie sah mit langsam wendenden Kopf zu Metellus. Ihr Gesicht war tränenverschmiert und ihre Augen rot, der Blick wirkte wirr.

  • Er stand immer noch neben ihr und wagte es nicht, sie anzurühren. Er wusste nicht, wie er ihr helfen konnte. Er hörte ihr aufmerksam zu, doch viel sagte sie nicht. Zumindest nichts, was für ihm einen Sinn ergab. Er wusste noch nicht einmal, ob sie mit ihm sprach oder einfach zu sich selbst. Ihr zu sagen, dass er Schuld hatte, würde ihr garantiert nicht helfen.


    "Er würde bestimmt wollen, dass du ihn so in Erinnerung hast, wie noch bei dir war. Er würde kaum wollen, dass du wegen ihm dein Leben nun zerstörst!"


    Oder wollte er das doch? Wollte er nun Rache?

  • "Er würde, er tut es aber nicht.." sagte sie bitter und wandte den so mühsam auf Metellus gerichteten Blick wieder ab. Neue Tränen rannen ihr über die Wangen, sie spürte wie das altbekannte Schwindelgefühl ihr wieder zu Kopf stieg, welches sie erst in Roma hatte erleben müssen. Damals, als sie sich von Maximus verabschiedet hatte... Und von Quintus. Er hatte sie in ihr Bett getragen und nun schien er nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen. Wie würde seine Familie den Tod auffassen? Ob Quintus nicht gar Schadenfreude empfinden würde, ob Nova's Tod? Und Livia wie Claudia? Was würden sie sagen? Kaum merklich sackte sie langsam zu Boden, ihre Beine wollten sie nicht mehr tragen und ihr war es gleich. Sollte mit ihrem Leib geschehen, was die Götter ihr wollten, ihr Herz starb.

  • "Helena, jetzt geb dich doch nicht auf!"


    Metellus wusste nicht was er tun sollte. Er konnte als Beteiligter in dieser Situation ihr kaum helfen. Er hielt es für das Beste, dass sie nach Hause kam auf neutralen Boden. Vielleicht könnte ihr Bruder Romanus ihr helfen! So holte er einige Sklaven.


    "Helena! Die Sklaven werden dich nach Hause bringen. Ruhe dich ersteinmal aus und schlafe eine Nacht darüber!"


    Ja, so wäre es wohl das beste!

  • Sie wollte nicht allein sein und schlafen wollte sie schon gar nicht. Doh was half ihr Wille schon? Darauf würde keine Rücksicht genommen. Doch wenn sie es recht bedachte: Es war ihr gleich wohin man sie brachte. Das einzige was sie momentan zu denken fähig war, war dass sie zu Maximus wollte. So sah sie die Sklaven nur mit leerem, willenlosen Blick an, bereit sich fortführen zu lassen. So mussten sich die Gladiatoren fühlen. Jeder Schritt in der Gewissheit, Maximus Tod zu verschulden, war qualvoll und vernichtend.

  • Noch einmal unternahm er den Versuch sich ihr zu nähern, sie zu berühren, doch es blieb alleine bei einem Versuch. Er zuckte unentschlossen wieder zurück. Sie wirkte so anders auf ihn und er wusste nicht, wie er ihr helfen konnte.


    "Naja, du wirst sehen: Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus!"


    Was besseres fiel ihm in diesem Augenblick nicht ein.


    "Mach es gut, Helena! Wenn du mich brauchst, weißt du, wo du mich findest!"


    Er gab den Sklaven ein Zeichen und sie halfen ihr auf und führten sie zu einer Sänfte. Metellus schaute ihnen nach und ging dann auf sein Zimmer.

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