- Officium XXVI

  • Mit einem lauten "Herein" ließ ich den Notarius ein und wies ihm den Platz gegenüber von meinem Schreibtisch zu. "Ah, Cerretanus", begann ich zunächst nüchtern. "Du hast mir zwar keine Rückmeldung mehr erstattet, aber ganz offensichtlich hast du den Cultus dazu gebracht, kurz vor Torschluss doch noch aus seinem Loch zu kriechen. In Absprache mit dem Rex Sacrorum ist die Organisation des Opfers gerade noch geglückt." Wäre das Opfer gescheitert, hätte der Kaiser mich ohne Frage einen Kopf kürzer gemacht - und ich selbst den neuen Notarius! So war ich allerdings zufrieden mit Cerretanus' Beitrag. "Wie steht es im Moment um deine Auslastung? Ich könnte dich für eine weitere Aufgabe gebrauchen."


    Sim-Off:

    SimOn wurde das mangels Spieler nicht ausgespielt, aber alles andere wäre dann wohl nicht mehr mit dem bespielten Opfer vereinbar.

  • “ Salve, Procurator.“ grüsste Cerretanus freundlich und zrst näher an den Schreibtisch des Abteilungsleiters.


    “ Ich bedaure auch mein Versäumnis dich über den Verlaif zu informieren doch hatte ich einfach darauf vergessen.“ Dabei hob er leicht die Schultern und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, als entschuldigende Geste.
    “ Es war auch sehr aufwendig da sich Flavius Graccus derzeit auf seinem Landsitz im Baia, oder wie das Nest heisst, aufhält. Also nicht greifbar. Ebenso hatte ich das gleiche Problem mit dem Rex Sacrorum.Dieser war ebenso nicht vor Ort. Also an fer Regia. Glücklicherweise fand sich ein Aeditus der sich auch gleich über den Ernst der Lage bewusst war und sofort handelte. Also Dank und Lob nicht mir allein.“ Das sollte nur mal klar gestellt werden.


    “ Die Eine oder Andere Aufgabe könnte ich einschieben, Procurator. Wie kann ich helfen?

  • "Ich frage mich wirklich, wie es um den Cultus Deorum bestellt ist, wenn die beiden höchsten Amtsträger dieser Institution nach unserem Pontifex Maximus nicht in Rom verweilen - vor allem zu dieser Unzeit!" Immerhin gingen die Ludi Palatini alljährlich mit Opferungen einher, denen man sich als Pontifex oder gar als Rex Sacrorum nicht einfach entziehen konnte. Bei Zeiten würde ich den Kaiser wohl auf diesen Missstand hinweisen müssen. "Wie auch immer, du hast deine Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erfüllt, Germanicus. Es ist gut zu wissen, dass ich einen Notarius in der Kanzlei gefunden habe, auf den ich mich auch in Zukunft hoffentlich verlassen kann." Vielleicht ergab sich auch die Gelegenheit, durch den Germanicus etwas mehr über meine Amtskollegen zu erfahren. Aber es war noch zu früh und unser Verhältnis noch nicht vertrauensvoll genug, um damit ins Haus zu fallen. Vorsicht war stets besser als Nachsicht.
    "Zu deiner neuen Aufgabe: Der Kaiser hat mich vor einiger Zeit damit betraut, die Urkunden, Erlasse und sonstigen Dokumente auf einen einheitlichen Stand zu bringen." Freilich war meine Zeit zu wertvoll, als dass ich mich mit Schreibfeder und Papyrus nun selbst dieser Aufgabe widmen konnte. "Ich will, dass du für sämtliche Angelegenheiten Vorlagen und Entwürfe erstellst, die ich dann prüfen werde. Die Zeit drängt nicht, aber wir sollten das Thema alsbald in Angriff nehmen", erklärte ich sodann in nüchternem Tonfall.

  • In Gedanken vertieft war der Decimer mit seinem Ziehsohn Primus im Schlepptau der Wache zu den Officien der kaiserlichen Administration gefolgt. Eigentlich war es eine Kleinigkeit die kaum der Rede wert war, aber es hatte ihn wieder ein wenig darüber geärgert, dass die Wache seine Einladung sehen wollte. Zuerst dieser vermaledeite Decemvir der ihm zu einer Bestechung verleiten wollte und nun wurde er hier am Palasteingang wie jeder dahergelaufene Besucher behandelt. Er war Consular und der verdammte Stellvertreter des Kaisers in der Provinz Italia. Zählte das den heut zu Tage gar nichts mehr? Was musste man sein um ein wenig mehr Respekt zu erhalten - der Kaiser persönlich? Als sie beim Officium ankamen wischte er die Gedanken rasch beiseite und konzentrierte sich auf sein eigentliches Anliegen. Die beiden Männer betraten das Officum und steuerten auf den Hofbeamten zu.


    "Salve Procurator. Ich bin Decimus Livianus und das ist Prudentius Primus."

  • Der Kaiser hatte mir aufgetragen den jungen Prudentius etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und genau das gedachte ich an diesem Tage auch zu tun. Zweifelsfrei war es auch eine gute Gelegenheit, den Consular Decimus kennen zu lernen, daher hatte ich das Feld nicht Maenius Firminus überlassen. Ich rechtfertigte meine Einladung einfach dadurch, dass die regelmäßigen Standeserhebungen zunächst in meinen Aufgabenbereich fielen, während die mögliche Erteilung eines Tribunats erst an zweiter Stelle stand.


    Als der Consular eintrat, fand er mich in meiner schwarzen Lieblingstunika bequem in meinem Stuhl sitzend vor, zur Begrüßung erhob ich ich mich allerdings respektvoll. "Salve Consular, es ist mir eine Freude dich kennen zu lernen", begann ich freudig lächelnd. "Es ist nicht alltäglich, dass ich so hochdekorierte und verdiente Staatsmänner wie dich in meinem Officium empfangen darf.", zollte ich sodann meinen Respekt. Für Schmeicheleien und Nettigkeiten waren die meisten Menschen empfänglich, das galt wohl auch oder gerade für einen Consular. "Und natürlich freue ich mich auch deine Bekanntschaft zu machen, Prudentius", wandte ich mich dem eigentlichen Grund der Unterredung zu und deutete im nächsten Schritt auf die beiden Sitzplätze, die vor meinem Schreibtisch bereitgestellt worden waren. "Kann ich euch etwas zum Trinken anbieten? Wein, Wasser, Posca?" Ich hatte mich mittlerweile in meinem Officium eingerichtet und besaß zweifellos die erlesenste und üppigste Getränkeauswahl der gesamten Administration. Immerhin war ich ein...genussvoller Trinker und schätzte guten Wein.

  • Das begann ja gut, dachte sich der Decimer. Ein Mann nach seinem Geschmack. Gute Manieren, professionelles Auftreten. Er hatte zwar seinen Namen nicht ausdrücklich genannt, aber Livianus ging davon aus das er dem Procurator Fabius Torquatus gegenüberstand.


    "Auch ich freue mich deine Bekanntschaft zu machen Fabius und danke dir für die freundliche Begrüßung. Du wirst dich vielleicht wundern, aber ich habe schon vor kurzem von dir gehört. Mein Klient Iunius Silanus hat dich bei seinem letzten Besuch erwähnt. Du heiratest wohl seine.... Cousine?"


    Mehr wusste der Consular auch schon nicht mehr über sein Gegenüber. Aber Namen konnte er sich einigermaßen gut merken, wenn sie ihm unter kamen. Den angebotenen Sitzplatz nahm er mit einem dankenden Kopfnicken an und deutete seinem jungen Begleiter sich ebenfalls zu setzen.


    "Für mich einen Becher Wein. Vielen Dank. Ich muss dir vorweg gleich gestehen, dass ich etwas verwundert war deine Einladung zu erhalten, habe ich doch mein Ansuchen direkt an den Kaiser gerichtet in der Hoffnung er würde seinem Curator rei publicae auch direkt eine Antwort zukommen lassen. Ich weiß er ist ein viel beschäftigter Mann, aber für den von ihm ernannten obersten Magistraten Italias, hätte ich mir doch eine entsprechende Ausnahme erwartet."

  • Ganz offensichtlich schien mein einflussreicher Gast recht positiv auf meine Schmeichelei zu reagieren, was ich als Bestätigung meiner Menschenkenntnis erachtete. "So ist es, ich werde Iunia Axilla heiraten", entgegnete ich mit einer gewissen Zufriedenheit. Ich hatte von der Rückkehr von Iunius Silanus gehört, hatte jedoch noch keine Gelegenheit gehabt ihn kennen zu lernen. Zweifellos war er dereinst ein einflussreicher Mann in Rom gewesen, den ich lieber zu meinen Verbündeten, als zu meinen Feinden zählen wollte. Darüber hinaus schien die Aussicht verlockend, über ihn eine Verbindung zum Consular herstellen zu können.


    Während der Senator die Konversation direkt auf das eigentliche Thema dieses Termins lenkte, begab ich mich zur Vitrine an der Seite des Officiums, in der ich ganz offen meine Weinauswahl präsentierte. "Der Kaiser weiß zweifellos um deine herausragende Stellung, Consular Decimus", versuchte ich diplomatisch zu reagieren, während ich dem Senator einen Becher Wein einschenkte. "Nichtsdestotrotz vertraut er auch auf die Einschätzung seiner Hofbeamten und explizit auf meine Einschätzung in dieser Angelegenheit. Ich habe mit dem Kaiser Rücksprache gehalten und er ist deinem Anliegen durchaus positiv gestimmt. Der Grund für dein Anliegen erschien uns beiden allerdings recht unüblich, weswegen er noch persönlichere Informationen über deinen Ziehsohn benötigt." Hatte der Senator da gerade indirekt meine Stellung in Frage gestellt? Nun, ich wollte darüber hinwegsehen, immerhin sprach ich mit einem der höchsten Beamten des Imperiums. "Beträfe deine Anfrage ein rein persönliches Anliegen, hätte er dir selbstredend auch persönlich geantwortet", versuchte ich den Decimer milde zu stimmen. Weiterhin freundlich lächelnd wartete ich derweil noch den Getränkewunsch des jungen Prudentius ab, auf den ich sogleich mein Augenmerk richtete.

  • Es war wieder typisch Livianus. Rein in das Officium und gerade noch, dass er Gaius Namen bei der Vorstellung erwähnte. Ansonsten ging es um alles andere, außer um ihn. Dabei war dieser Termin ja angeblich für ihn gedacht. Bei der Begrüßung nickte er dem hohen kaiserlichen Beamten nur zu. Was sollte er den auch schon groß sagen, was der Consular nicht schon gesagt hatte. Aber eines musste man dem alten Fuchs schon zugute halten. Er sah diesen Mann anscheinend zum aller ersten Mal, wusste aber sogar wem dieser demnächst Heiraten würde. Schon in seiner Jugend hatte Gaius vom Decimer gelernt, dass man anderen immer einen Schritt voraus sein und mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehen sollte. Dies war natürlich nur dann sinnvoll, wenn man sich dieses ganze oft sinnlose Wissen auch merkte, was bei Gaius meistens nicht so der Fall war. Als der Procurator nach etwaigen Getränkewünschen fragte, gab der junge Prudentier auch seine Präferenzen bekannt.


    "Für mich Posca bitte."


    Dann hörte er sich Livianus Laberei von wegen seiner hohen Stellung und seine Erwartungshaltung diese Angelegenheit direkt mit dem Kaiser klären zu können, sowie die aus seiner Sicht logische Antwort des Fabiers. Gaius jedenfalls war froh und erleichtert diese Angelegenheit hier mit diesem Beamten klären zu können. Schon hier war er nervös genug. Da wollte er sich gar nicht erst ausmalen, wie es ihm beim Kaiser gegangen wäre. Als der Procurator schließlich von einem ungewöhnlichen persönlichen Anliegen sprach wurde Gaius wieder hellhöriger. Warum ungewöhnlich? Was wollte der Decimer denn? Gaius dachte bisher es ging nur um seine Erhebung in den Ritterstand und eine damit verbundene Zuteilung zu einem ritterlichen Amt. Und das war soweit er wusste keineswegs etwas ungewöhnliches. Gespannt wartete er daher auf die Antwort des Decimers und ob er diese merkwürdige Anspielung des Procurators konkretisierte.

  • Als der Procurator den unüblichen Grund für das Anliegen des Decimers ins spiel brachte, wurde dieser sichtlich unruhig und warf seinem jungen Begleiter einen kurzen Kontrollblick zu, ehe er sich wieder dem Fabier widmete und diesem dabei Fast das letzte Wort abschnitt.


    "Wie du richtig sagtest, war mein Schreiben an den Kaiser von sehr persönlicher Natur."


    Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass der junge Prudentier den genauen Inhalt des Schreibens weder kannte, noch explizit wissen sollte. Livianus wusste bereits jetzt, dass dies nur einen erneuten Disput zwischen ihm und seinem Ziehsohn entfachen könnte, der gerade hier von dem Procurator zum erdenkbar ungünstigsten Zeitpunkt stattfinden würde. Wenn der Fabier den Brief kannte - und davon ging der Consular aus - dann wusste er dieses kurze Statement auch sicher richtig zu deuten. Um das Gespräch dann sicherheitshalber in die richtige Richtung zu lenken, sprach er gleich ohne auf eine Reaktion seines Gegenübers zu warten weiter und deutete auf den Jungen.


    "Also das ist eben mein Ziehsohn Gaius Primus aus dem Hause der Prudentier. Er ist der Sohn meiner verstorbenen Gemahlin Aelia Vespa, Nichte des Dives Valerianus und des Eques Tiberius Prudentius Balbus, Sohn des Consulars Prudentius Commodus. Aber das habe ich ja bereits geschrieben.


    Jedenfalls hat sich der Junge dazu entschlossen, nicht wie sein Großvater und ich eine bedeutende Karriere als Senator anzustreben und damit dem traditionsreichen Cursus Honorum zu folgen, sondern in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und den Weg eines Eques zu beschreiten. Ich denke bei seiner Ahnentafel sollte weder das eine, noch das andere ein großes Problem darstellen, auch wenn ich selbst Ersteres für sinnvoller erachtet hätte. Also verstehe das bitte nicht als Herabwürdigung deines Standes. Aber wie du vielleicht weißt geschätzter Fabius, ist es nicht immer einfach einem jungen Mann einen Ratschlag zu erteilen, der auch als solcher bereitwillig angenommen wird.


    Aber wie dem auch sei... ich habe mich mit der Entscheidung des Jungen abgefunden und werde ihm dabei so gut es geht auch unterstützen. Der Stand des Eques allein ist - wie du ja selbst weißt - nur der erste Schritt dazu, ein wertvolles und nützliches Mitglieder der römischen Gesellschaft zu werden. Daher ist mir vor allem wichtig, dass der Junge gleich im Anschluss auch einen entsprechenden Posten erhält, bei dem er sich entsprechend nützlich machen kann. Denn der Stand alleine ist nur eine leere Hülle ohne Aufgaben und ohne Ziel. Und beides ist für einen jungen Mann wichtig. Daher schlage ich auch vor, dass er, ganz wie sein Vater vor ihm, eine militärische Karriere einschlägt. Denn eine militärische Ausbildung - und das weiß ich aus eigener langjähriger Erfahrung - prägt Geist und Körper. Die Tugenden der römischen Gesellschaft."


    Während seines Monologs sah er immer wieder belehrend zu dem Jungen und man könnte fast meinen, er wäre ein Paedagogus und würde dem jungen Prudentier eine Lehrstunde erteilen.

  • Als Livianus plötzlich so betonte, dass sein Schreiben an den Kaiser privat war, wurde Gaius hellhörig. Wieso war es ihm so wichtig dies nun anzumerken? Was genau war in diesem ominösen schreiben gestanden? Gaius hatte bisher gedacht, es war lediglich eine Anfrage wegen eines Termins gewesen. Aber nun klang es so, als wollte der Consular irgendetwas vor dem jungen Prudentier verbergen. Viel Zeit um darüber nachzudenken blieb im allerdings nicht. Denn schon begann der Decimer mit einem seiner üblichen Monologe. Und da war auch dieses Wort wieder... 'Ziehsohn'! Wie er es hasste. Es kam in Gaius Rangliste der am meist gehassten Wörter von Livianus gleich nach 'Junge'! Bläh! Er konnte diese Bezeichnung schon nicht mehr hören. Warum konnte Livianus ihn nicht einfach beim Namen nennen. Nein! Er war einfach nur 'der Junge'. Und schon wieder fingen auch die üblichen Belehrungen an. Livianus hatte es offensichtlich immer noch nicht vollends verkraftet, dass Gaius kein Senator werden wollte, sondern die Laufbahn eines Eques vorzog. Innerlich äffte Gaius den Consular nach...'es nicht immer einfach einem jungen Mann einen Ratschlag zu erteilen... blablabla'


    Erst bei den letzten beiden Sätzen nahm er erst wieder so richtig den Inhalt des eben gesagten war. Militärische Karriere? Was? Von einer militärischen Karriere war in ihren bisherigen Gesprächen nie die Rede gewesen. War der alte Decimer nun ganz verrückt geworden? Gaius wollte in Rom bleiben, sich ein nettes und ruhiges Leben machen. Eine militärische Karriere führte ihn sonst wo hin. An den Arsch des Imperiums, wenn er Pech hatte. Und meistens hatte er Pech. Er hatte eher an eine ruhigen und gemütlichen Posten als Procurator gedacht - hier in Rom. Am besten einen wo man nicht viel tun musste und trotzdem ordentlich abkassierte. Vielleicht noch ein Tribunat bei den Vigiles. Aber das war es auch schon mit dem Militär. Ganz sicher wollte er nicht irgendwo am anderen Ende des Reiches Legionäre durch den Dreck scheuchen. Er versuchte sein Entsetzen einigermaßen zu verbergen, sah von Livianus dann zu dem Procurator. Wenn er etwas dagegen sagen wollte, dann musste es jetzt sein. Er spürte wie sein Herz vor Aufregung stark zu pochen begann und wie ihm warm wurde.


    "Ähmm..... Ich ..... also ich.... könnte mir auch einen Posten hier in Roma vorstellen." war alles was er in seiner Aufregung heraus brachte. Vermutliche musste er auch nicht mehr sagen, sondern konnte bereits jetzt auf die Schelte des Decimers warten.

  • Immer noch an der Vitrine stehend schenkte ich dem Prudentier einen Becher Posca und mir selbst etwas Wein ein, ehe ich den Gästen ihre Getränke reichte und selbst wieder Platz nahm. Dann nickte ich noch einmal bestätigend auf Livianus' Hinweis bezüglich seines Briefes hin und lauschte regungslos dem Monolog des Consulars, der im Wesentlichen den Inhalt seines Schreibens repetierte. Geradezu lehrerhaft wies er seinen Schützling zurecht, dessen Reaktionen ich genau beobachtete. Es fiel mir allerdings reichlich schwer, die Gedanken und Gefühle des Prudentius zu deuten, da dieser recht zurückhaltend das Feld seinem Ziehvater überließ. Livianus hatte ja betont, dass er sich einen militärischen Posten an der Grenze für seinen Schützling erhoffte, um ihn in die richtigen Bahnen zu lenken. Gleichwohl ergriff der Junge abschließend selbst das Wort, um etwas zögerlich den vorgegeben Plan seines Ziehvaters zu relativieren.


    Die verschiedenen Interessen der beiden Anwesenden waren mir nun klar und es gestaltete sich als schwierig, die passenden Worte zu finden. Mir war vor allem viel daran gelegen den einflussreichen Senator für mich zu gewinnen. Immerhin konnte man nie wissen, wann man eine gewichtige Stimme wie die seine zukünftig noch gebrauchen konnte. Der Prudentius dagegen war mir im Moment noch von keinem Nutzen und daher weitgehend gleichgültig. Trotzdem schien es mir angebracht, keinen Familienstreit anzuzetteln, der womöglich ebenfalls das Verhältnis zu Livianus überschatten konnte. Ich nahm einen tiefen Schluck Wein und strich mir nachdenklich über mein Kinn, ehe ich mich dem Prudentier zuwendete. "Was genau bewegt dich zu der Entscheidung, nicht in die Tradition deines Großvaters einzutreten und den senatorischen Cursus Honorum zu beschreiten?", fragte ich neugierig. Immerhin war dies etwas was auch der Kaiser in Frage gestellt hatte. "Prudentius Commodus ist uns allen als ehrenwerter und erfolgreicher Staatsmann im Gedächtnis, der sich um Rom in höchster Weise verdient gemacht hat." Ich kannte Commodus nicht, aber ich kannte seine Akte und hatte genug politische Bildung um seine Lebensleistung einschätzen zu können. "Wie der Consular schon sagt...der Weg eines Eques ist ebenso ehrenhaft und kann dich zu einem wertvollen Mitglied der römischen Gesellschaft machen. Gleichzeitig sind die Aufgaben oftmals andere. Ich selbst diente zum Beispiel der Flotte, zuerst in Misenum, dann im fernen Ägypten", erklärte ich und versah meine Frage mit einer persönlichen Note. Nun beobachtete ich den Prudentier ganz genau und wartete gespannt seine Reaktion ab.

  • Die Frage des Procurators hätte Gaius eigentlich spielend beantworten können, wenn es denn so leicht gewesen wäre dieses Thema auch einigermaßen in Worte zu fassen. Die Ämter des Cursus Honorum waren Ehrenämter ohne ein eigenes Einkommen und er konnte hier schließlich nicht offen und ehrlich zugeben, dass er damit weiterhin unter der Kantare des Decimers stehen würde, was er aber keinesfalls wollte. Als Eques hingegen war er unabhängig, verdiente bereits in den Einstiegsämter einen guten Sold und konnte sich so seine Selbstständigkeit einigermaßen gut erhalten. Eine gute und sinnvolle Ausrede musste also her, die Gaius bereits auf der Zunge lag. Und eigentlich war ja auch was wahres daran, also war es bestimmt nicht so verkehrt, so zu argumentieren, wie er es tat. Er holte tief Luft und begann seine hoffentlich einleuchtende Erklärung.


    "Nun ich habe dank meiner privilegierten Kindheit eine gute Ausbildung genossen und dabei recht schnell festgestellt, dass die Politik nichts für mich ist. Sie mag für bestimmte Personen gewiss eine erstrebenswerte Aufgabe sein, aber ich zähle mich da leider nicht dazu. Die Tradition der Eques ist auch weitaus stärker in meiner Familie verwurzelt. Mein Vater war einer und auch mein Großvater Commodus war vor seiner Karriere im Senat ein Eques. Ebenso wie mein Großonkel Lucius Maximus und dessen Sohn Tiberius Scipio. Sie alle haben sich für diesen Weg entschieden und es ist für mich daher also keineswegs ungewöhnlich, dass ich diese Familientradition ebenfalls so fortsetzen möchte. Mir ist bekannt, dass die Aufgaben andere sind. Aber gerade deshalb ziehe ich sie denen eines Senators vor."


    Er hoffte die Frage des Procurators damit einigermaßen zufriedenstellend beantwortet zu haben und wartete auf dessen Reaktion. Livianus würdigte er dabei jedoch keines Blickes. Er wollte hier selbst über seine Zukunft entscheiden und diese vor dem hohen Beamten auch entsprechend vertreten.

  • Ich nahm einen tiefen Schluck Wein, während ich den Knaben eindringlich musterte. Livianus' Schreiben hatte mir einen anderen Eindruck vom Prudentier vermittelt. Ich hatte einen verwöhnten Sprössling ohne jedweden Ehrgeiz oder Ambitionen erwartet, er selbst legte aber zumindest einen groben Zukunftsplan dar. Dass er sich nicht für die eintönige Politik des Senats begeistern konnte rang mir ein mitfühlendes Lächeln ab, denn auch ich hielt dieses Gremium für überbewertet. Senatoren beweihräucherten sich gerne gegenseitig und präsentierten sich in der Öffentlichkeit als Macher, stellten sich für mich aber eher als Mitglieder einer Institution vergangener Tage dar. Natürlich schmückte man sich als römischer Bürger gerne mit der Fürsprache und der Unterstützung eines einflussreichen Senators wie Livianus, die Entscheidungen wurden aber zumeist in der Nähe des Kaisers getroffen. Und als Procurator am Kaiserhof stand ich dem Princeps nach meinem Empfinden weitaus näher als jeder Senator - oder war zumindest bei seiner Entscheidungsfindung involviert.


    Immerhin konnte ich auch jetzt Einfluss auf eine Entscheidung des Kaisers nehmen und war durchaus gewillt, diese Angelegenheit positiv für den Consular und seinen Ziesohn zu gestalten. "Nun, ich kann deine Beweggründe nachvollziehen und bin durchaus bereit, den Kaiser von deiner Eignung zu berichten", erklärte ich also ganz offen. "Hinsichtlich deiner konkreten Aufgabe als Eques...", setzte ich fort. "...muss ich selbstredend noch Rücksprache mit meinen Kollegen halten. Hier wird letztlich entscheidend sein, welche Posten im Moment überhaupt vakant sind." Ich blickte kurz zu Livianus und versuchte seinen Blick zu deuten. Immerhin hatte er sich in seinem Brief für einen militärischen Posten an der Grenze ausgesprochen und ich wollte herausfinden, ob er immer noch darauf beharrte. "Hast du denn sonstige Kenntnisse oder Erfahrungen, die dich für einen bestimmten Posten oder eine Laufbahn qualifizieren?" Ein Sprössling aus so hohem Hause hatte bisher wohl kaum etwas praktisches vorzuweisen, aber vielleicht gab es ja etwas, dass bei der Postenvergabe berücksichtigt werden sollte.

  • Offensichtlich schien der Procurator es gut mit ihm zu meinen und ging auf seine Wünsche ein. Endlich jemand, der diese auch allen Anschein nach ernst nahm. Bei seinem Ziehvater Livianus war das ja nicht wirklich der Fall. Da Gaius die Antwort auf eine erneute Frage nicht wieder dem Decimer überlassen wollte, meldete er sich wieder zu Wort, gleich nachdem der kaiserliche Beamte seinen Satz zu Ende gesprochen hatte.


    "Neben der standesüblichen Grundausbildung in Grammatik, Rhetorik, Ethik und Dialektik, habe ich mich auch für das Studium der Arithmetik und Geometrie interessiert. Ebenso ist mir ein Grundwissen über das römische Armeewesen vermittelt worden."


    Viel war das freilich nicht, wenn man es so aufzählen musste und vor allem war nichts wirklich Praktisches dabei. Doch dieses Problem hatte wohl jeder junge Römer, der eine Karriere starten wollte. Und in Gegensatz zu den meisten anderen hatte Gaius als Standesmitglied der Nobilitas im Nachhinein betrachtet eine ausgezeichnete Ausbildung durch gute Privatlehrer erhalten. Auch wenn er das in jüngeren Jahren noch nicht so gesehen hatte.

  • Die Auflistung der Fähigkeiten und Qualitäten des Prudentius barg für mich weder große Überraschungen noch konnte ich besondere Kenntnisse ausmachen, die ihn für einen bestimmten Posten qualifizierten. Er hatte die Bildung erhalten, wie es für Senatorensöhne Sitte und Tugend war, allerdings konkurrierte er als Ritter auch mit langjährigen Beamten, die sich ihren Stand durch ihre Verwaltungslaufbahn verdient hatten. "Ich werde in Absprache mit den anderen Procuratores prüfen, welche Position für dich geeignet sein könnte, so der Kaiser meiner Empfehlung folgt", war also meine neutrale Antwort. "Gibt es ansonsten irgendeinen Grund, warum ich den ab epistulis von einer Einteilung in Rom überzeugen sollte?" Wohl jeder junge Mann, der in Rom aufgewachsen war - noch dazu unter diesen privilegierten Umständen - würde die Hauptstadt nicht gegen ein dreckiges Moloch im kalten Germanien oder Britannien eintauschen wollen - ich selbst hätte alle Mittel genutzt, um solche Provinzen zu meiden. Das alleine war für mich allerdings kein Grund. Und da der Consular in seinem Schreiben ohnehin ein Tribunat an der Grenze anempfohlen hatte, würde ich dem wohl Folge leisten, um ihn auf meine Seite zu ziehen. Es sei denn der Knabe hatte irgendetwas zu bieten, was mir von Nutzen war.

  • Für Livianus Geschmack hatte das Gespräch eine nicht gerade wünschenswerte Richtung eingeschlagen. Er wollte schließlich, dass sein Ziehsohn das echte Leben kennenlernte und nicht als Tribun bei der Vigiles landete, wo er jeden Abend gemütlich zurück in die Casa Prudentia marschieren konnte. Noch bevor der Junge auf die abschließende Frage des Procurators antworten konnte, mischte sich daher der alte Decimer wieder ein.


    "Nein, den gibt es nicht. Ich danke dir für deine Zeit und deine Mühe. Bitte lass uns zeitnah wissen, wie die Entscheidung ausgefallen ist. Gern auch schriftlich oder per Boten. Wie du weißt bin ich auf Grund meines Amtes nicht immer in Roma, sondern eher in der Provinz unterwegs."

  • "Gut, gut, dann werde ich den Kaiser und meine Kollegen über meine Einschätzung informieren." Da es keine Gründe gab, die gegen einen Posten in der Provinz sprachen, würde sich wohl auch ein solcher ergeben. Die Posten in Rom waren rar und begehrt - und standen noch dazu meist nicht am Beginn einer ritterlichen Karriere. Ein bisschen Provinzerfahrung konnte dem Knaben aber sicher nicht schaden. "Mich hat es gefreut, deine Bekanntschaft zu machen, Consular Decimus. Und natürlich auch deine, Prudentius. Ich werde deinen Weg sicher verfolgen." Mit einem freundlichen Nicken entließ ich meine Gäste, denn es war wohl alles gesagt.

  • "Mich auch Procurator! Einen schönen Tag noch."


    Der Decimer erhob sich und deutete seinem Ziehsohn es ihm gleich zu tun. Alles in Allem war dies ein gutes Gespräch gewesen, dass auch in die von Livianus gewünschte Richtung gegangen war. Wenn der Fabier Wort hielt, dann würde Gaius demnächst seine Ernennungsurkunde samt Versetzungspapiere zu einer Einheit in den Provinzen erhalten. Nun musste er dem Jungen nur noch klar machen, dass er sich davor einen Patron suchen sollte. Doch dazu hatten sie hoffentlich später noch Zeit. Er nickte dem Beamten zu und verließ gemeinsam mit dem Jungen das Officium.

  • Nun wo sich Silanus aufgrund seines neuen Postens frei im Palast bewegen konnte, war es an der Zeit auch dem zukünftigen Ehemann seiner Verwandten Axilla einen Besuch abzustatten. Persönlich war man sich bisher noch nicht begegnet, aber der Iunier kannte aus Erzählungen den Namen und das Amt des zukünftigen angeheirateten Familienmitglied. Er war Procurator a memoria und arbeitete hier in der Administratio Imperatoris. Gespannt hatte er sich Silanus daher auf den Weg in die Administratio gemacht, um dem Fabier einen Besuch abzustatten. Als er am Officium ankam klopfte er an und trat ein.


    "Salve Fabius! Ich bin Iunius Silanus! Hast du einen Moment zeit? Ich dachte wir sollten uns einmal kennenlernen."

  • Normalerweise war ich über unangekündigten Besuch selten erfreut, dieser jedoch kam mir gar gelegen! Ich setzte ein freundliches Lächeln auf und grüßte die zukünftige Verwandtschaft enthusiastisch. "Ah, salve, Iunius! Welch angenehme Überraschung, ich hatte schon länger denselben Gedanken." Natürlich hatte ich nicht nur von Silanus Rückkehr nach Rom gehört, sondern auch von seiner neuerlichen Position. Innerhalb der Kanzlei machten solche Dinge schnell die Runde, wenn man sich aktiv nach Informationen aus anderen Abteilungen bemühte. Ein Prätorianer in der Familie - das kam mir aufgrund der aktuellen Ereignisse zweifellos wie gerufen. Offensichtlich hatte ich in den letzten Monaten viel gutes geleistet, denn Fortuna stand mir mit Tatkraft zur Seite. "Gratulation zu deinem neuen Posten. Willst du vielleicht darauf anstoßen?" Während ich sprach war ich bereits bei meiner Vitrine angelangt und hatte einen meiner besten Weine geöffnet.

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