- Officium XXVI

  • Varenus füllte den Becher von Fabius unverzüglich auf. Wer weiß wie anfällig sein Gegenüber für Alkohol war. "Nun ja, die Seeleute würden meinen. Nur eine Ratte verlässt das sinkende Schiff." Okay. "Vergiss bitte schnell meine letzte Aussage." Im Grund wollte eine lässige Redewendung von sich zu geben, doch misslang es ihm seiner Auffassung nach. Das Alter eben. Früher war es ihm wie ein Pfeil nur so herausgerutscht doch nun, war so einiges im Argen was seine Schlagfertigkeit anging. "Sagen wir mal so. Kurz und knapp. Ein Ziel haben sie jedoch alle gemeinsam. Ohne Kapital ist nicht besonders viel los. Legionen, Standeserhebungen, Ernährung des Volkes, Spiele und so weiter. Solange genügend Sesterzen flossen interessierte es niemanden so wirklich, was wir Erbsenzähler am Palatin taten." Leider, denn dies war die Ursache dafür, dass Varenus nicht in den Ordo Equester erhoben wurde. Aber jeder war sein Glückes Schmied. "Und wie trieb es dich wieder zurück? Frau und Kind?"

  • Hatte dieser Varenus mich gerade als Ratte bezeichnet? Bei Iunos... Kurz war ich gewillt, ihn zurechtzuweisen, doch ich korrigierte meine beinahe entglittenen Mundwinkel schnell zu einem verschmitzten Grinsen.

    »Ich befürchte, das Ansehen der Ratte leidet zu Unrecht unter seinem allgemein als ekelerregend und schmutzig empfundenen Äußeren. Ratten sind gewiefte Tiere. Sie kommen immer nur dann aus ihren Verstecken, wenn es eine Chance auf Essen gibt, ohne erwischt zu werden«, gab ich meinem Gegenüber zu verstehen und war mir sicher, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstand. Immerhin war ich derjenige, der nun als Procurator die Karriereleiter erklomm, während er noch Erbsen zählte. Aber ich war nicht darauf aus, mir einen persönlichen Feind zu machen. Der Decimus schien mir als Verbündeter weitaus nützlicher, allein schon weil seine lange Kanzleizugehörigkeit ein gutes Maß an Gerissenheit offenkundig machte.

    »Nicht unbedingt. Ich war der orientalischen Verführungen schlichtweg überdrüssig und erkannte nach einigen Jahren in Ägypten, dass die Hauptstadt weit mehr Chancen für mich bot«

    Außerdem war über vergangene Machenschaften mit der Zeit genug Gras gewachsen.

  • Pompeius Madarus


    Mit dem Ergebnis meiner Nachforschungen und einer Tabula, auf der sich lediglich zwei Namen befanden, klopfte ich an die Tür des Officium XXVI.

    Lucius Pompeius Cavarinus

    Gaius Pompeius Imperiosus.

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  • Ich bat den Anklopfenden herein und erblickte meinen Informanten Furius, auf den ich bereits gewartet hatte.

    »Ah, Furius, sehr gut. Was hast du herausgefunden?«

    Mit einer Handbewegung deutete ich ihm Platz zu nehmen.

  • "Salve Procurator Torquatus", sagte ich:

    "Zur Gens Pompeia der Madaruii: Nahezu fast alle Mitglieder dieser bedauernswerten Gens hatte ein zweifelsohne früher Tod ereilt. Zwei Namen habe ich gefunden, die vielleicht etwas mehr Nachforschung verdienen: Von Lucius Pompeius Cavarinus ist seit elf Jahren nichts bekannt, und er hat sich auch nie hervorgetan, soweit der Eintrag im Bürgerverzeichnis vollständig ist.

    Gaius Imperius Pompeius jedoch war sogar vor fünf Jahren kurzzeitig auf deiner Position, Procurator. Als Klient von Salinator hat er vermutlich aufs falsche Pferd gesetzt. Seit sechs Jahren befindet er sich im Exil und seitdem gibt es ebenso wenig ein Lebenszeichen von ihm."


    Letzerer hatte wohl Gründe, sich bedeckt zu halten, selbst wenn er noch am Leben sein sollte, was unwahrscheinlich war. Aber da konnte ich nur spekulieren, daher sagte ich nichts dazu.

    Ich fragte auch nicht nach, warum Torquatus sich für diese Gens interessierte. Im Moment lief es so, dass er anforderte und ich lieferte. Falls etwas unklar war, würde er mich fragen.

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  • Der Bericht des Furiers entsprach in großen Teilen dem, was ich erwartet hatte. Die Pompeier hatten ihren einstigen Glanz eingebüßt und waren darob keine Gefahr für meine Erbangelegenheit. Vor allem Pompeius Imperiosus hatte wohl allen Grund, sich weiterhin bedeckt zu halten - so wie Axilla über ihn berichtet hatte und wie ich mich erinnerte war er ohnehin ein Lebemann, der vermutlich im sonnigen Hispania oder im Orientalen die süßen Verführungen des Lebens genoss.

    »Hm, sehr gut. Vielen Dank für deinen Bericht.«

    Ich hatte keinen Anlass, den Furier über den Beweggrund meiner Nachforschungen zu informieren, so er denn nicht danach fragte. Ohnehin war Diskretion aber etwas, das den Jungen in meiner persönlichen Gunst nur weiter nach oben beförderte.

    »Gibt es sonst Neuigkeiten oder Entwicklungen, über die du mir berichten kannst?«

    Unser letztes Treffen lag bereits einige Zeit zurück und vielleicht gab es ja das ein oder andere verwertbare Gerücht.

  • "Nur das Übliche" , sagte ich, denn über die meisten Angelegenheiten wußte Torquatus ebensogut wenn nicht besser als ich Bescheid:

    "Ach ja, ein Manius Octavius Gracchus wurde umgehend ins Officium beim Augustus geladen. Noch nie von ihm gehört."

    Die Octavier waren tüchtig, ohne Frage; die meisten dienten beim Militär. Aber das rechtfertigte keine kaiserliche Audienz. Also gab es wohl andere Pläne mit dem jungen Manius, von denen ich erfahren würde, wenn eine Tabula mit einem kaiserlichen Befehl auf meinem Schreibtisch landete:

    "Und ich kenne nun auch den jungen Ravilla, diesen Seius aus der Provinz näher, der der hier bei der Audienz war Brennt vor Ehrgeiz, konnte aber wohl...."

    ...keinen Stich machen, wollte ich sagen, das war sehr salopp:

    "...noch keinen Förderer überzeugen." Vielleicht war das jemand für Torquatus.

    Noch etwas fiel mir ein ,und ich grinste etwas süffisant:

    "Der Caesar Augustus glaubt, wir gehen alle etwas aus und sind auch schlecht in Form. Er will etwas für unsere Körperertüchtigung tun. Bin gespannt."

    Bei mir hatte er nicht unrecht, dem drahtigen Jüngling, der ich in Griechenland und Alexandria gewesen war, wuchs so langsam ein Kanzlei- Spitzbauch, wenn er nicht aufpasste.

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  • Ich nippte gemächlich an meinem Weinbecher, während der junge Furius mir seine neuesten Erkenntnisse mitteilte. Octavius Gracchus war der Sohn von Octavius Victor, soviel war mir zu Ohren gekommen. Ein privilegierter Schnösel zweifellos, zu dem man wohl nur schwerlich vordringen konnte. Der Seier dagegen war ein unbeschriebenes Blatt, ein Rohdiamant vielleicht, der bei Gelegenheit womöglich einer persönlichen Musterung bedurfte.

    In meinen Spinnereien wurde ich allerdings just unterbrochen, als der Furier mir eine fast schon närrische Idee des Kaisers offenbarte. Ich verschluckte mich am Wein und brach dann in lautes Gelächter aus.

    »Körperliche Ertüchtigung für die Kanzlei? So schlecht kann es doch um unsere Legionen gar nicht stehen!«

    Den alten Erbsenzähler Varenus mit Scutum und Gladius tänzeln zu sehen war eine durchaus amüsante, aber doch recht abwegige Vorstellung. Letztlich würde sich der Großteil des Hofstaats nur lächerlich machen. Ich selbst war militärisch erfahren und hatte darob keine Berührungsängste, hatte aber nicht umsonst vor vielen Jahren das Schwert gegen den Federhalter getauscht. Vermutlich zielte der Kaiser mit seinem Ansinnen ohnehin jedoch mehr auf die Jugend ab.

    »Ein gewisses Maß an Athletik und Ausdauer stünde den ambitionierten Jünglingen am Hofe aber sicher gut zu Gesicht. Vor allem, wenn deren Karrieren früher oder später auch über das Exercitus führen. Sag mir, Furius, was sind deine Pläne?«

    Ein furchteinflößender Krieger war der Furier zweifelsohne nicht. Aber als Tribun musste man ja nicht unbedingt an vorderster Front im Schlamm kriechen, sondern konnte auch im Hintergrund die schönen Dinge des Lebens frönen - ich selbst war in meinen Augen ein glänzendes Exempel für diesen unbeschwerlicheren Weg.

  • Ich zog eine Grimasse, denn die Arbeit würde nicht liegen bleiben, sondern musste dann vor oder nach der Körperertüchtigung erledigt werden, was bedeutete, dass ich die Casa Furia dann gar nicht mehr zu Gesicht bekommen würde:

    „Ich halte mich da für Durchschnitt, auch wenn ich lieber Wagenrennen bestreite als auf eigenen Füßen renne.“, gab ich zu. Aber noch war ich in dem Alter, in dem man auch beim Ballspielen auf der Palaestra Freude hatte:

    „Meine Pläne nun. Der Cursus Honorum kommt aus verschiedenen Gründen kaum in Frage.“


    Die Wahrheit war: Ämter in Roma brachten kein Geld, sie verschlangen welches. Ich war auf ein geregeltes Einkommen angewiesen. Es sei denn, ich würde jemanden finden, der mich finanzierte, dann wäre ich aber dessen Strohmann und jede Abstimmung würde in seinem Namen erfolgen.

    Der zweite Grund, und das wusste Fabius Torquatus gut, war dass ich keinen Patron hatte, seit der meinige, mit dem mich
    verwandtschaftliche Bande über seine Exfrau verbunden hatten, in Ungnade gefallen war.

    Das war kein ewiger Hindernisgrund, nur solange bis Gras über die Sache gewachsen war – und kein Schaf kam, um das
    Gras wieder hinunterzufressen.


    „In ein paar Jahren sehe ich mich auf dem Posten, auf dem mein Vorgesetzter heute sitzt.“, fuhr ich fort.

    Procurator ab epistulis Cornelius Lentulus war solch ein zuverlässiger Pedant, selbst wenn ich gewollt hätte, war er nicht zu stürzen:

    „Aber ich habe selbstverständlich noch viel zu lernen, und ja, ich werde mir die Zeit dafür nehmen. Außerdem müsste ich etwas
    Beeindruckendes leisten, einen Vorschlag machen, der die Res Publica wirklich weiterbringt, damit man auf mich aufmerksam wird. Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.“

    Schon wieder Gras...ich hatte es heute mit den acricultoren Metaphern. So gab ich mich gegenüber dem Erfahrenen bescheiden und lernwillig.

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  • Ein Bote überbrachte die Wachstafel.



    Salve Fabius,


    ich bitte dich, in deiner Funktion als Procurator a Memoria, gemäß Lex Iulia et Papia, zu prüfen. Ob mir das Ius Liberorum zusteht. Wenn ja, das Recht mir umgehend zu erteilen.


    Vale bene,

    Decimus

  • ...


    Ich lächelte verschmitzt, als der Furier mir seine Pläne darlegte. Nur allzu gerne wollte ich dereinst einen Günstling wie den Furier auf dem Stuhl des ab epistulis wissen. Der pedantische Cornelier war mir zwar bei weitem nicht so ein Dorn in Auge wie der alte Axius, der trotz oder gerade wegen meinen Flüchen noch immer auf seinem Posten verweilte, gleichwohl mir aber auch keinen wirklichen Vorteil einbrachte. Ganz im Gegenteil, ich glaubte zu spüren, dass der Cornelier mich mied - arrogantes Patrizierpack.

    "Nun, ich bin ein großer Freund davon Vorgänge, soweit möglich und erforderlich, zu beschleunigen. Wenn deine Zeit gekommen ist, werde ich ein gutes Wort beim Kaiser für dich einlegen. Bis dahin solltest du dir keine Fehler leisten und jede günstige Möglichkeit ergreifen. Vielleicht kann ich dich in der Zwischenzeit etwas mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken - ich werde darüber nachdenken".

    Natürlich wurde ich nicht müde davon, ein weiteres Mal mein Lebensmotto zum Besten zu bringen:

    "Eine Hand wäscht die andere, wie du weißt."

  • ...


    Absichtlich oder unabsichtlich - ich wusste nicht mehr genau, warum ich die Wachstafel des alten Varenus verlegt und seinem Anliegen bisherig keine besondere Aufmerksamkeit hatte zuteil werden lassen. Aus zweierlei Gründen schien es mir allerdings angezeigt, mich diesem nun anzunehmen: Zum einen war der in meinen Augen recht griesgrämige und schwer durchschaubare Varenus zum Eques ernannt worden, was zweifellos ein Abbild der gesteigerten Gunst des Kaisers für seine Person war. Zum anderen geisterte eine Ernennung des Annaeer-Sprösslings zum Legatus Augusti durch die Gänge der Administratio, die für mich nichts anderes als eine Entmachtung im Aquädukt-Bauprojekt bedeutete! Ich sah folglich gleich in doppelter Hinsicht meine Felle wegschwimmen. Wohl oder übel musste ich mich also mit Varenus günstig stellen, wenn ich die Kontrolle am Kaiserhof nicht vollständig verlieren wollte. Für eine Verleihung des Ius Liberorum, angestoßen durch meine Empfehlung, würde sich der (ehemalige) Erbsenzähler sicher erkenntlich zeigen.

    Von einem Notarius ließ ich mir eine Abschrift der Lex Iulia et Papia bringen, um überhaupt wieder einen Einblick in die Rechtsgrundlagen zu bekommen.

  • Ich lächelte verschmitzt, als der Furier mir seine Pläne darlegte. Nur allzu gerne wollte ich dereinst einen Günstling wie den Furier auf dem Stuhl des ab epistulis wissen. Der pedantische Cornelier war mir zwar bei weitem nicht so ein Dorn in Auge wie der alte Axius, der trotz oder gerade wegen meinen Flüchen noch immer auf seinem Posten verweilte, gleichwohl mir aber auch keinen wirklichen Vorteil einbrachte. Ganz im Gegenteil, ich glaubte zu spüren, dass der Cornelier mich mied - arrogantes Patrizierpack.

    "Nun, ich bin ein großer Freund davon Vorgänge, soweit möglich und erforderlich, zu beschleunigen. Wenn deine Zeit gekommen ist, werde ich ein gutes Wort beim Kaiser für dich einlegen. Bis dahin solltest du dir keine Fehler leisten und jede günstige Möglichkeit ergreifen. Vielleicht kann ich dich in der Zwischenzeit etwas mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken - ich werde darüber nachdenken".

    Natürlich wurde ich nicht müde davon, ein weiteres Mal mein Lebensmotto zum Besten zu bringen:

    "Eine Hand wäscht die andere, wie du weißt."

    Ich grinste und dachte daran, dass die Alexandriner: ...und beide waschen das Gesicht...anfügten. Wer das Gesicht in diesem Fall wäre, war noch herauszufinden. Ein Pakt mit dem eloquenten und geschickten Torquatus kam mir sehr entgegen.


    "Sehr einverstanden", sagte ich auf das Motto des Procurators hin: "Ich werde tun, was ich kann, deine Erwartungen zu erfüllen und wenn möglich zu übertreffen.

    Ich danke Dir für dein Entgegenkommen, und hoffe, dass ich sobald wie möglich etwas für dich tun kann. "


    Tatsächlich war ich gespannt, wohin uns dieser Weg führen würde. Ich wartete darauf, dass er mich als Höhergestellter und Älterer aus dem Gespräch entlassen würde.

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