Als Scato die Stimme seines Kameraden Pullus vernahm, ließ er die frisch eingetroffenen Kräuter, die er gerade entlaubte, auf die Arbeitsfläche fallen und eilte zum Eingangsbereich. Als er sah, was Pullus da im Schlepptau hatte, wurde Scato rot und eine Zornesader schwoll an seiner Schläfe, während Cassivellaunus alle Farbe aus dem Gesicht wich. Jedoch waren beide klug genug, nun so zu tun, als wären sie sich noch nie begegnet.
"Ihr zwei, mitkommen", kommandierte Scato und führte sie in einen freien Behandlungsraum für chirurgische Notfälle. "Setz dich auf die Pritsche, Junge. Was ist mit dir passiert?"
Das fragte er, während er hin und her eilte, um alle notwendigen Behandlungsutensilien auf einem Tablett bereitzulegen. In dem Fall konnte er keinen Miles medicus oder gar einen noch höheren Rang mit der Verletzung behelligen, denn Scato wusste, dass er hier einen entlaufenen Sklaven vor sich sitzen hatte. Wenn das rauskam, war Cassivellaunus des Todes, zumal Sklaven nichts in der Castra Praetoria zu suchen hatten. Normaler Weise müsste er den Buben stante pede melden, anstatt ihm das Ohr - wo war sein Ohr hin?! - das ehemalige Ohr zu flicken. Er hoffte, dass der picklige Bursche schlau genug war, die Klappe zu halten, bis Scato ihn verarztet hatte, damit auch Scato sich guten Gewissens dumm stellen konnte.
Mit abgekochtem Wasser, das - genau wie das noch sterilere frisch aufgefangene Regenwasser - immer im Valetudinarium bereitstand und einem weichen Lappen reinigte Scato die Wunde, bis er überhaupt etwas erkennen konnte. Es dauerte, weil da Blut teilweise verkrustet war, zudem musste Scato den Patienten mit einer Schere um einen Teil seiner Haarpracht erleichtern, die sich mit der Wunde verkleben wollte. Etwas hilflos schaute er hernach den klaffenden Schnitt an. Wie man so etwas verarztet, hatte er noch nicht gelernt. Aber hier musste er selbst tätig werden und konnte niemanden um Hilfe bitten. Zu nähen war da scheinbar ohnehin nichts ...
"Es gibt keine Haut, die wieder anwachsen könnte, die Wunde ist komplett offen. Ich mach dir einen Druckverband und gebe dir mehrere Kompressen mit. Der Verband muss anfangs zwei Mal am Tag gewechselt werden. Hat die Wunde aufgehört zu nässen, wechselst du nur noch einmal am Tag. Lass den Verband drauf, bis sich eine schützende Schicht über der Wunde gebildet hat, damit kein Dreck hinein gelangt. Danach kannst du sie offen lassen und legst den Verband nur noch zum Schutz an, wenn Gefahr besteht, dass du sie dir zum Beispiel bei der ARBEIT aufreißt."
Das Wort zu betonen, konnte er sich nicht verkneifen. Er hoffte, dass seine Behandlungsversuche Erfolg haben würden, tat aber, als wäre er sich dessen absolut sicher. Während Scato mit dem Druckverband die Mullkompresse fixierte, erzählte Cassivellaunus, was ihm im Blinden Esel zugestoßen war.
"Lurco hat dir also beim Verhör das Ohr abgeschnitten", wiederholte Scato. "Da du sowieso schlecht gehört hast, ist es kein Verlust. Ich werde ihn bitten, dir auch das andere abzuschneiden, damit es symmetrisch ist. Aber wo ist Lurco jetzt?"
Fragend sah er Pullus an.