• So wie Deandra auf ihre Frage reagierte, dachte Iulia im ersten Moment, sie hätte sie wohl besser nicht gestellt. Da sie eine baldige Heirat verneint hatte, konnte die Ursache für all dass nur darin liegen, dass sie heiraten wollte aber nicht durfte oder konnte.


    "Warum glaubst, du dass dir die Götter nicht gewogen sind? Du kannst nicht wissen welches Schicksal sie noch für dich vorgesehen haben.


    Iulia lächelte aufmunternd.


    "Meridius und ich haben auch geheiratet, obwohl ich schon dachte das es dazu nie mehr kommen würde."

  • Mein Blick wanderte über Severas Gesicht. Sie besaß ein sympathisches Lächeln, wirkte aufrichtig und vertrauenswürdig. Also fasste ich Mut. Aber wie anfangen? Immer wieder schob ich imaginäre Ringe die Finger rauf und runter; mal sah ich mir dabei zu, mal betrachtete ich den Boden. Nach einem tiefen Atemzug blickte ich sie an.


    „Amor hat mit geschlossenen Augen gezielt, als er vor langer Zeit getroffen hat. Zwar fiel seine Wahl auf einen wundervollen Mann, es könnte kein besserer sein, aber …“ Ich blickte verlegen zur Seite. „Es wird nicht gern gesehen" deutete ich an und hoffte, es würde ausreichen, damit sie verstand.


    „Mein Vater möchte, dass ich heirate und erst in diesem Frühjahr habe ich mich bei einem von ihm befürworteten Kandidaten wirklich bemüht, aber …“ Ich zuckte resignierend mit den Schultern. „Ich kann es nicht ertragen, wenn mich ein anderer berührt.“ Plötzlich erschien mir der Raum kalt, fröstelnd schlang ich die Arme um den Körper.


    „Möchtest du mir erzählen, was deine Heirat zunächst schwierig gemacht hat?“, fragte ich hoffnungsvoll, beseelt von dem Wunsch, erfreuliche Wendungen zu hören. Wieder entspannt, legte ich die Hände auf den Schoß.

  • Es wurde nicht gerne gesehen? Entweder war der von ihr Auserwählte nicht standesgemäß, aber hätte sie dann gesagt es könnte keinen besseren geben? Oder er war mit ihr verwandt. Sollten sie wirklich blutsverwandt sein, wäre eine Heirat im Grunde unmöglich. Als Deandra davon berichtete, dass sie sich ernsthaft um jemand anderes bemüht hatte, schwieg Iulia und sah auf ihre Hände, sie musste an ihre erste Begegnung mit Damian denken. Sie sah ihre Gesprächspartnerin wieder an, ob ihre Geschichte in der Hinsicht, dass war was Deandra sich erhoffte...


    "Ich verstehe dich. Mein Vater war dagegen, dass ich Meridius heirate, er konnte damals noch nicht ahnen, dass Meridius eine solche Karriere machen würde und hatte für mich eine seiner Meinung nach vorteilhaftere Verbindung im Auge. So musste ich also jemand anderes heiraten. Diese Ehe ging nach über 16 Jahren auseinander und danach traf ich Meridius wieder"


    Sie hatte sich nur auf das wesentliche beschränkt, aber sie wollte lieber nicht auf die genauen Einzelheiten eingehen, Deandra machte zwar einen vertrauenvollen Eindruck, aber es saßen noch mehr Leute im Raum.


    "Besteht dein Vater auf eine Heirat?"

  • „Du hast also der Götter Segen als Unterstützung gehabt“, sagte ich leise, als sie von der Begegnung nach immerhin 16 Jahren erzählte. „Mögen sie dich und dein Glück auch weiterhin beschützen.“


    Über ihre anschließende Frage dachte ich zunächst kurze Zeit nach, dann schüttelte ich den Kopf.


    „Zunächst war mein Vater hart. Als er aber gesehen hat, wie ich durch seine Entscheidung fast krank geworden bin, hat er eingelenkt. Er ist nun der Auffassung, dass meine Familie ihre Frauen nicht irgendwelchen Vorteilen zuliebe verheiraten muss, aber natürlich heißt er es nicht gut, wenn ich unverheiratet bleibe. Er würde … also, er hätte … äh … vielleicht sogar …“


    Hilfe suchend sah ich zu meinem Bruder hin. Alle in meiner Familie waren sehr verständnisvoll, aber so richtig leicht machte das die Situation für mich trotzdem nicht.

  • Ja der Götter Segen, auch wenn ihre Begegnung nach 16 Jahren nicht zufällig stattgefunden hatte. Und ohne Meridius Großzügigkeit und Güte, wäre es ebenfalls anders gekommen...


    "Eine Lösung für dein Problem?"


    Versuchte Iulia ihr zu helfen, sah Deandra dabei aber fragend an.. Sie konnte sich nicht so recht vorstellen, was Deandra sagen wollte. Wenn sie ihre Andeutung vorhin richtig verstanden hatte, würde ihr Vater aber wohl keiner Hochzeit mit einem Verwandten zustimmen.


    "Du hast jedenfalls Glück, dass dein Vater nicht auf die Heirat bestand, denn auch wenn deine Familie nicht auf Grund von Vorteilen heiraten muss, verzichtet er sicher nur ungern auf eine solche Verbindung. Die Götter sind dir also doch gewogen."

  • "Von der Warte habe ich es noch nie gesehen", gestand ich zögerlich. Aber wenn man mehr haben könnte, wie sollte man dann nur Glückseligkeit mit wenig erlangen? Offensichtlich hatten meine Eltern versäumt, mir ausreichend Bescheidenheit beizubringen. Ja, und da war auch eine Portion Trotz in mir, die sich gegen die aktuelle Situation auflehnte.


    Schließlich zuckte in mit den Schultern, atmete einmal tief durch und wechselte flugs das Thema.


    "Ist dir die klimatische Umstellung schwer gefallen? Auch die Mentalität der Menschen dürfte hier eine andere sein als die in deiner Heimat. Wie kommst du zurecht?"

  • Deandra wechselte ziemlich abrupt das Thema. Iulia fragte sich ob sie es einfach nur nicht weiter vertiefen wollte oder sie selbst vielleicht unwissentlich etwas falsches gesagt hatte, ging dann aber auf den angebotenen Gesprächsfaden ein.


    "Ich komme recht gut zu recht, bis jetzt hatte ich allerdings noch keinen intensiven Kontakt zu Germanen. Wie es mit der klimatischen Umstellung ist wird sich glaube ich erst noch zeigen, ich habe nur den Sommer in Germanien erlebt und auch wenn es hier häufiger geregnet hat als in Hispania um diese Zeit, gab es andere Dinge an die ich mich mehr gewöhnen musste."

  • Ich hob erstaunt die Brauen. Was konnte das wohl sein? Die fremde Mentalität und das Klima waren damals für mich die augenfälligsten Hürden gewesen.


    "Hm, ich kann mir nicht so recht denken, was das für "Dinge" gewesen sein könnten. Willst du sie mir verraten?"

  • Gut Deandra war eine Patrizierin, lebte in Rom, vermutlich war sie an solche Dinge viel eher gewöhnt beziehungsweise besser darauf vorbereitet als Iulia, die bislang nie im Interesse der Öffentlichkeit gestanden hatte.


    "Ich meine an meine Rolle als Gattin des LAPP, die damit verbundenen Verpflichtungen und auch zusätzliche Gefahren. Zu der Zeit als Meridius und ich noch verlobt waren, plante man mich zu entführen, um ein Lösegeld von ihm zu erpressen, irrtümlicher Weise traf es aber meine Sklavin, wir haben nie wieder etwas von ihr gehört, sie ist vermutlich tot..."


    Die letzten Worte waren Iulia deutlich schwerer gefallen. Jedes Mal musste sie daran denken, das es ihr eigenes Schicksal hätte sein können, ja im Grunde sein sollen.

  • Zitat

    Original von Iulia Severa
    "Gattin des LAPP"


    Und schon hatten die Frauen wieder seine Aufmerksamkeit. Meridius neigte sein Ohr in die entsprechende Richtung, da die anwesenden Herren am Tisch nicht sehr gesprächig waren und einzig hin und wieder nur von den üblichen Themen wie Landwirtschaft, Spiele und Verwaltungsangelegenheiten sprachen. Da hörte er doch lieber seiner Gemahlin zu.

  • Ich bemerkte im Augenwinkel, dass der Hausherr herüberschaute, blickte ihn kurz an, wandte mich dann aber wieder Severa zu. Bevor ich ihren Ausführungen folgte, stellte ich überrascht fest, dass Meridius eine seltene Mischung aus respektablem Mann und gleichzeitig aufmerksamen Gatten darstellte. Meine Erfahrung besagte hingegen, dass Männer beruflich wie privat entweder energisch oder von weicher Natur waren. Differenzieren konnte kaum einer.


    Als Severa von einer Entführung erzählte, wurde meinen Augen groß. Ich beugte mich ungläubig vor, so als könne ich auf diese Weise besser verstehen. Irgendwie fehlten mir die Worte, alles kam mir so unglaublich vor.


    „Uff“, sagte ich schließlich. „Wer macht denn so was? Wilde? Oder waren es gar Römer?“


    Nein, irgendwie war ich jetzt hilflos. Tröstende Worte wollten mir nicht einfallen.

  • Iulia hatte Deandra im Grunde nicht schockieren wollen, aber jetzt war es zu spät um zu unverfänglichen Anekdoten aus dem Alltag zu wechseln. Iulias Gedanken waren inzwischen auch schon zu sehr von dem Thema gefangen genommen worden, sie bemerkte nicht mal das Meridius ihnen zu hörte.


    "Man hat nie heraus gefunden wer dahinter steckte."


    Während sich das flaue Gefühl dass sich eingestellt hatte, jetzt da sie wieder darüber nachdachte weiter ausbreitete fuhr sie etwas leiser fort.


    "Das beunruhigt mich auch am meisten, dass die gleichen Leute es wieder versuchen könnten."

  • "Ja, verständlich. Das würde mich auch beunruhigen", erwiderte ich mit abgewendetem Kopf und gerunzelter Stirn. Ich führte nachdenklich meine Hand zum Mund und strich - ohne es zu merken - wiederholt mit dem Zeigefinger über die Lippen. Währenddessen arbeitete es heftig hinter der Stirn. Schließlich suchte ich erneut den Blickkontakt.


    "Ich verstehe das nicht", gestand ich schulterzuckend. "Sind unsere zuständigen Stellen denn derart inkompetent, dass sie solche Verbrechen nicht aufklären können? Schließlich handelte es sich ja nicht um eine unbedeutende Putzfrau, die im Visier der Verbrecher stand. Wer war denn mit den Ermittlungen beauftragt gewesen?"


    Interessiert schaute ich zwischen Meridius und Severa hin und her.

  • "Iulius Caesar wurde ebenfalls entführt und musste eine Lösegeld bezahlen um wieder frei zu kommen. Er war nicht der erste und auch nicht der letzte. Das mag kein Trost sein, doch die Täter wollen Geld. Wenn Du einmal in einer entsprechenden Stellung bist und Geld hast, musst Du auf Deine Familienmitglieder aufpassen. So ist leider das Leben..."


    Nun schaltete sich auch Meridius in das Gespräch ein.


    "In diesem Fall schnappten sie sich das falsche Opfer, zu unserem Glück. Was jedoch aus der Sklavin wurde, kann ich schlecht sagen. Vermutlich kam irgendwann raus, dass sie eben nur eine Sklavin war, und da man dafür kein Lösegeld erhalten kann, wurde sie einfach an einen Sklavenhändler weiterverkauft. Die risikoloseste Variante um in dieser Situation noch an Geld zu kommen."

  • Ich vergaß die Speisen und selbst das Kauen des soeben genossenen Hähnchenstücks. Hastig schluckte ich das viel zu große Stück hinunter.


    "Verzeih die erneute Nachfrage: Wer war denn nun mit der Untersuchung beauftragt gewesen? Und ist das in Germania oder noch in Spanien geschehen?"

  • "Ich befand mich bereits in Germanien, während Iulia noch in der Casa in Tarraco lebte. Zum Glück irrten sich die Täter. Allerdings kann ich ihnen nicht viel Sachverstand anrechnen, Iulia ist dunkelhaarig und die entführte Sklavin hatte blondes Haar..."


    Meridius schmunzelte ein wenig, auch wenn das Thema ein ernstes war.


    "Ich selbst konnte mich kaum um den Fall kümmern. Der damalige Regionarius von Tarraco kümmerte sich meines Wissens um den Fall. Allerdings sind solche Fälle kaum aufzulösen, wenn die Täter nicht ein zweitesmal in Erscheinung treten. Das Imperium ist einfach zu groß und die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche erleichtern die Arbeit nicht unbedingt."


    Nun hatte Meridius ein Thema gefunden.


    "So etwas geht schon mit den Provinzgrenzen los. Es ist keine Seltenheit, dass kleinere Banden von entlaufenen Sklaven und Räubern sich in den Grenzbereichen bewegen und dann nach einem Überfall in die andere Provinz zurückziehen. Die Ordnungskärfte sind da meist hilflos. Und es ist ja auch nicht primär Aufgabe der Legionen Räuber zu fangen, sondern die Grenzen zu sichern. Verbrechen ist ein Geschäft, das sich für manche Leute lohnt. Das ist eine Tatsache. Das fängt bei einem Verres an, der eine komplette Provinz plündert und endet bei den Tempelräubern von Mogontiacum. Und das Entführen und Erpressen von Lösegelder ist nur ein Aspekt in einer ganzen Liste an möglichen kriminellen Energien."

  • „Die geographischen Kompetenzgrenzen leuchten mir als Ursache für eine stockende Ermittlung ein“, gestand ich und nickte. „Wäre denn nicht aber ein solcher Vorfall geeignet, genau diese zu verbessern? Bitte verzeih, wenn dir meine Äußerungen naiv vorkommen. Ich habe wenig Einblick in behördliche Vorgänge, meine Gedanken entspringen einzig meinem normalen Menschenverstand.“


    Ich lächelte mit einer Spur Verlegenheit.

  • "Nun, Rom ist die eine Sache, Aurelia, die Provinzen sind die andere, die Aufgaben sind unterschiedlich, die Strecken sind gewaltig."


    Meridius lächelte.


    "Wir haben zum einen die Stadt Rom selbst. Dann haben wir das italische Umland. Wir haben Provinzen, die über den Senat verwaltet werden und Provinzen die von Legaten des Kaisers verwalten werden und in Äegpyten gar eine Provinz, wo ein Praefect die Arbeit macht. In den Provinzen selber sind dann die einzelnen Gemeinden weitgehend unabhängig, das ganze System ist ein notwendiges Geflecht aus Eigenverantwortung, delegierter Verantwortung, Zuständigkeiten. Rom ist bisher damit gut gefahren, doch Rom kann nicht immer überall sein. Das Imperium ist gewaltig, umfasst viele Länder, doch auch wenn der Herrschaftsanspruch Roms und das Gesetz übearll zu gelten haben, ist es mit der Umsetzung etwas anderes. Jeder der einmal in der Suburba war, weiß wovon ich spreche, und wenn es selbst in Rom Gebiete gibt, wo der Arm des Gesetzes zu kurz greift, so gibt es dies auch in den Provinzen."


    Er hielt inne.


    "Die zuständigen Stellen machen ihre Arbeit, keine Frage. Doch manchmal verläuft die Arbeit im Sande. Man kann schlichtweg nicht überall sein. Ein Ding der Unmöglichkeit."

  • Iulia hatte Meridius bis jetzt das Reden überlassen, da er sich sicher besser mit den Ermittlungen auskannte als sie selbst.


    "Ja natürlich, alles andere wäre leichtsinnig. Ich verlasse die Regia nur mit Begleitung die zu meinem Schutz ausreicht und meide abgelegene, einsame Straßen. Viel mehr kann man wohl nicht machen, die Regia gar nicht zu verlassen wäre auch keine akzeptable Lösung. Aber du denkst vermutlich auch an deine Sicherheit, wenn du das Haus verlässt oder? "

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!