Cubiculum | Iulia Severa

  • Nach dem kurzen Spaziergang begeleitete er Iulia noch bis zu ihrem Zimmer und blieb dann an ihrer Türe stehen. Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht, hob kurz seine Hand, um ihre eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen.


    "Es war eine schöner Spaziergang.
    So etwas sollten wir öfter tun."


    Er verstummte und lächelte dann.

  • Eine weile sagte niemand etwas, sie schauten sich einfach nur an. Keiner wich dem Blick des anderen aus.


    "Hol mich einfach ab, wenn dir danach ist."


    Sie umarmte ihn kurz und öffnete ihre Zimmertür einen Spalt breit ohne sich von ihm abzuwenden.

  • "Werde ich tun."


    antwortete er und lächelte, als sich ihre Augen noch einmal für einen endlosen Moment trafen. Ihre Umarmung war flüchtig gewesen und dennoch hatte ihn die Wärme, welche in ihr lag, beinahe überwältigt. Wäre er kein Römer, er hätte sich ihr zu Füßen geworfen.


    Dann wandte er sich ab und ging ohne sich noch einmal umzudrehen. Jetzt wo Iulia hier in der Fremde bei ihm zu Hause war, schien er alles in seinem Leben erreicht zu haben.

  • Einen Moment blieb Iulia noch in der Tür stehen und sah ihm nach. Die sicheren Bewegungen, die Haltung waren eindeutig die eines Soldaten. Als er um die nächste Ecke bog, ging Iulia noch immer lächelnd ins Zimmer, entkleidete sich für die Nacht und legte sich hin. Es war herrlich wieder ein eingenes Bett zu haben. Nur das Gefühl, dass der Abend bei ihr hinterlassen hatte war schöner. Im Grund erstaunte es sie noch immer, dass Meridius sich so um sie kümmerte und ihr solche Aufmerksamkeit schenkte. Es war selten...Weiter kam sie nicht, sie schlief ein.

  • Iulia setzte sich an ihren Schreibtisch und holte Papyrus heraus. Sie wollte zwei Briefe schreiben.Was Maximian in Hispania wohl gerade machte? Oder vielleicht war er auch schon selbst nach Germanien aufgebrochen, dann würde ihn der Brief gar nicht erreichen.


    Lieber Maximian


    Nach meiner Ankunft in Germanien habe ich mich nun hingesetzt um dir ein paar Zeilen zu schreiben. Meine Reise war von den üblichen Unannehmlichkeiten bei einer solchen einmal abgesehen ohne besondere Zwischenfälle und ich bin gut hier angekommen.


    Ich hoffe, dass es dir gelingt zu unserer Hochzeit zu kommen, denn es ist mein sehnlichster Wunsch diesen Tag gemeinsam mit dir zu feiern. Es werden zwar auch unzählige andere Gäste kommen, aber keiner von ihnen ist mein Sohn. Deinem Vater geht es vermutlich so ähnlich wie mir.


    Ich werde dich hoffentlich bald wieder sehen.


    In Liebe


    deine Mutter

  • Der letzte Brief sollte an ihre drei anderen Kinder gehen, die bei Damian in Valentia lebten. Iulia starrte auf das leere Blatt. Sie hatte ihnen immer noch nicht mitgeteilt, dass sie demnächst heiraten würde und wusste auch nicht Recht wie sie es machen sollte. War Damian inzwischen wieder verheiratet? Vorallem wie würde sich diese Frau ihren Kindern gegenüber verhalten? Würde es jedesmal wenn die Kinder etwas angestellt hatten heißen, "bei so einer Mutter ist auch nichts anderes von euch zu erwarten"? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Ex-Mann sehr positiv von ihr sprechen würde. Sie griff nach ihrer Schreibfeder. Es brachte nichts sich so ein Szenario auszumalen, solche Gedanken machten es nur schwerer nicht in Valentia sein zu können. Der einzige Trost war, dass sich eine Sklavin die ihr schon früher mit den Kindern geholfen hatte und der sie vertraute nun um sie kümmerte und die beiden Ältesten schon fast erwachsen waren.



    Meine Lieben,


    Ich hoffe es geht euch gut, ihr fehlt mir so sehr. Vorallem seitdem ich nun in Germanien bin ist die Entfernung zwischen uns noch viel größer geworden.
    Ich weiß, dass sich Aretha gut um euch kümmern wird, trotzdem würde ich euch so gern selbst für euch dasein, euch trösten, euch helfen, euer Lachen sehen. Quintus ist vermutlich schon wieder größer geworden, vermisst er mich noch sehr? Ich weiß er ist der Jüngste und für ihn ist es am schwersten. Natürlich ist es für euch auch nicht leicht, aber ihr versteht besser was passiert ist.


    In naher Zukunft werde ich meinen Jugendfreund heiraten, er hat mich in der Zeit nachdem ich aus Valentia fort musste, in seinem Haus aufgenommen und sich um mich gekümmert. Denkt aber bitte nicht, dass das der wahre Grund ist aus dem ich euch verlassen habe, wenn nicht heraus gekommen wäre das Maximian nur euer Halbbruder ist, wenn ich eine Wahl gehabt hätte ich wäre bei euch geblieben.


    Vergesst nicht was ich euch beim Abschied versprochen habe, ich werde immer für euch da sein, auch wenn es jetzt durch die Entfernung schwieriger ist. Ich liebe euch.


    Eure Mutter


    Iulia wischte sich ein paar Tränen von der Wange, doch sofort kamen neue, schon während des Schreibens hatte sie deswegen einige Pause einlegen müssen. Seit einem Jahr hatte sie sie nicht mehr gesehen. Wie lange würde das noch so gehen? Erst nach einiger Zeit konnte sie die Briefe versiegeln.

  • Den Weg zu ihrem Zimmer hatten sie schweigend zurückgelegt. Trotzdem war die Zeit schnell vergangen während sie darüber nachdachte, was sie Maximian vielleicht sagen könnte. In ihrem Zimmer standen zwei Korbstühle um einen kleinen Tisch. Iulia wählte den Linken der beiden und warf Maximian einen ermutigenden Blick zu.


    "Also was liegt dir auf dem Herzen?"

  • Maximian nahm also auf dem rechten der beiden Stühle platz, seufzte und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen. Der sichere Hafen war immer die Heimat, und auch wenn das, Germania, Mogontiacum, das Domus Legati Augusti, nicht die wahre Heimat war, so hatte es der Plan zu einer zweiten machen sollen. Er ließ die Hand fallen und sah seine Mutter an, lächelte.


    "In erster Linie, dass ich nicht dabei war, als meine Mutter mit meinem Vater vermählt wurde." Jetzt, da so viel Kummer auf seinem Herzen ruhte, hätte er sich gerne in dieses große Ereignis versetzt, um die Freude zu erleben. "Ich hatte euer Geschenk bei mir und hätte es mit Romanus zusammen so gern überreicht. Es hat einfach nicht sein sollen."


    Der junge Mann schluckte einen dicken Kloß herunter. Es fiel ihm schwer, angesichts einer traurigen Nachricht seinem Vater gegenüber stark zu bleiben. Aber Iulia gegenüber kam es einer Herausforderung gleich, die erstmal genommen werden wollte. Sicher hatte sie bemerkt, wie bitter und abwesend der Blick ihres Sohnes geworden war. Er hatte die Trauer um seinen Adoptivbruder bislang nicht zugelassen und doch musste die Begegnung mit dem Tod für einen noch so jungen Menschen wie ihn eine schwere Lektion gewesen sein.

  • Bisher hatte sich Iulia Romanus fehlen, damit erklärt das er vielleicht in Tarraco geblieben war oder später ankommen würde. Aber seine Worte gaben keinen Hinweis darauf und sein Blick... Ein beklemmender Verdacht setzte sich in ihr fest.


    "Warum ist Romanus nicht hier?"


    fragte sie vorsichtig, Körper und Sinne angespannt, zwischen der Erwartung einer schlechten Nachricht und der Hoffnung es gäbe doch eine harmlose Erklärung für alles schwebend.

  • Er antwortete nicht gleich, aber dann entschied er sich, die Worte einfach so auszusprechen, wie sie ihm in den Kopf kamen.


    "Als wir gerade einige Tage unterwegs waren, ist er eines schönen Morgens nicht wie sonst immer als erster wach gewesen. Als ich nach ihm sah, schlief er noch tief und fest. Ihm standen Schweißperlen auf der Stirn und seine Hände... glühten. Ein Medicus gab ihm etwas gegen das Fieber, aber Romanus behielt es nicht bei sich. Es ging ihm rasch schlechter. Immer häufiger konnte er nicht mal mehr sprechen, wenn ich ihm Mut machte und ihm sagte, er würde in Germania viele neue Dinge kennenlernen und erforschen können. Und dann... Ich weiß schon nicht mehr, der wie vielte Tag es war, denn ich hatte mich bei ihm angesteckt, reagierte er nicht mehr, als ich ihn versuchte aufzuwecken. Der Medicus kam und hörte ihn ab, aber.... Er lag... einfach da, als würde er schlafen."


    Romanus hatte die Augen nicht mehr geöffnet, er war füt tot erklärt worden. Maximian hatte neben ihm gelegen und seinen Adptivbruder angestarrt, versucht eine flache Atembewegung auszumachen, aber er hatte sich nicht mehr gerührt.
    Wieder standen Maximian die Tränen in den Augen. Er sah die Hand seiner Mutter und ergriff sie.


    "In meinen Träumen kam er zu mir und sprach mit mir. Er bat mich, euch seine Glückwünsche auszurichten und erinnerte mich daran, dass ich dafür durchhalten und das Fieber bekämpfen müsse. Aber jetzt.... jetzt spricht er nicht mehr zu mir", berichtete Maximian mit einem bitteren Lächeln und dann brachen die Tränen hervor. Der junge Mann barg das Gesicht hinter beiden Händen und weinte um seinen kleinen Bruder und einen seiner größten Schabernackkomplizen.

  • Langsam sickerten Maximians Worte in ihr Bewusstsein. Sie hatte das Bild von ihrem Abschied in Hispania vor Augen. Er hatte noch so voller jugendlicher Energie gesteckt, umso schwerer begreiflich war es das er jetzt einfach tot sein sollte.


    "Ich kann es gar nicht glauben..."


    Dabei konnte es jeden jederzeit treffen. Der Tod machte keinen Unterschied zwischen alt und jung. Iulia liefen nun auch Tränen über die Wangen,nicht nur wegen der Trauer um Romanus, sondern auch wegen Maximian. Im Gegensatz zu ihrem war sie froh, dass Romanus ihm nun nicht mehr im Traum erschien, in ihren Augen zeigte es nur wie Nahe er selbst dem Tod gewesen war. Sie legte den Arm um ihn und strich ihm beruhigend über den Rücken. Etwas tröstendes konnte sie ihm in diesem Moment sowieso nicht sagen.

  • Wie gut es war, dass jemand da war, der mit ihm trauerte. Die Zeit, in der er allein gereist war, war der reinste Albtraum gewesen. Er war nur noch vor der Trauer geflüchtet.
    Jetzt durfte sie an die Oberfläche kommen und tat es auch. Maximian konnte Romanus loslassen, denn jetzt war er bei seinen Eltern und nicht mehr allein.


    Bald schon stellte sich Linderung ein, allmählich versiegten die Tränen. Auch er hatte um seine Mutter einen Arm gelegt, den er dann zurück zog, als es ihm ein bisschen besser ging. Mit den Ärmeln wischte er seine Tränen fort und stand auf, um für seine Mutter ein Tuch zu holen. Er sah sie ja so ungern weinen.


    "Geht es?", fragte er und sah sie besorgt an, seine Trauer in den Hintergrund stellend. "Er sollte inzwischen in Rom angelangt sein. Vater sagt, er wird neben Praetorianus begraben werden. Sicherlich sind sie schon vereint." Wie die Römer eben dachten.

  • "Ja" antwortete sie mit einem leichten Nicken, wischte sich die letzten Tränen mit dem Tuch ab, dass er ihr gereicht hatte und gab sich Mühe, dass keine weiteren folgten. Es gelang ihr, abgesehen davon das ihre Augen noch ein wenig feucht gläntzen recht gut. Abgesehen von solchen Momenten versuchte sie nach Möglichkeit ohnehin nicht in der Gegenwart ihrer Kinder zu weinen, da sie das Gefühl hatte, dass es sie noch mehr belastete und bekümmerte.Mit dem prüfenden Blick einer Mutter betrachtete sie Maximian, ging es ihm wirklich etwas besser oder riss er sich nur wegen ihr zusammen?


    "Ich bin froh, dass er ein ordentliches Begräbnis bekommt, so wird sein Geist wenigstens Ruhe finden und ich bin froh, dass wenigstens du hier bist, es ist egal das du die Hochzeit versäumt hast."


    Er stand immer noch neben ihr, so dass sie aus ihrem Korbstuhl zu ihm herauf lächeln musste, so gut sie es in diesem Moment vermochte, bevor sie sich erhob und ebenfalls aufstand. Möglicherweise war das noch nicht alles gewesen worüber er mit ihr reden wollte oder andernfalls hätte sie ihm etwas trauriges mitzuteilen.


    "Wie geht es dir sonst?"

  • Maximian lächelte seiner Mutter dankbar zu. Ja, er war dankbar, dass er nun hier sein durfte und seinen Eltern noch einmal sah. Vor einigen Wochen hatte er versucht sich das letzte Bild von ihnen vorzustellen, weil er dachte, er würde sie nie wieder sehen oder erst in einigen Jahren im Jenseits wiedertreffen.


    Dann fragte sie, wie es ihm sonst so ging. Der junge Mann brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, dann seufzte er, sah seine Mutter nicht an und öffnete und schloss seine Hände ein paar mal zu Fäusten, einfach nur weil er dann etwas tat.


    "Vater erzählte mir eben..... er erzählte mir...." Max schluckte. "Valeria. Es sei viel geschehen, während ich nicht ankam." Das war keine Feststellung, eher eine Frage und so sah er hinterher auch seine Mutter an. Das schlimmste erwartend, das beste hoffend aber schon das traurigste wissend.

  • Sie nahm ihren Sohn noch einmal in die Arme, um ihn so etwas zu trösten ihm auf diese Weise etwas halt zu geben, aber so musste sie den Blick ihres Sohnes auch nicht sehen, der es ihr schwer machte zu antworten.


    "Ja es stimmt, es ist viel geschehen...Ich weiß nicht was er dir genau erzählt hat..."


    Es war traurig, dass Valeria ihr Kind verloren hatte und sie konnte selbst nur zu gut nachfühlen, wie es ihr gehen musste. Aber das Valeria sich gleich darauf auf eine neue Beziehung mit jemand anderem eingelassen hatte...Für Maximian machte es nun alles nur noch schwerer.


    "Aber er hat dir sicher gesagt, dass Valeria ihr Kind verloren hat."

  • Maximian erhielt mütterliche Zärtlichkeit, für die er in diesem Moment zu gleichem Maß dankbar, aber auch unempfänglich war. Er war steif und nicht imstande, die tröstende Umarmung zu erwidern, auch wenn seine Mutter für Valerias Benehmen keine Schuld tragen konnte - oder für den Tod ihres Kindes.


    "Auch davon hat er mir erzählt.", antwortete Maximian und nickte wie ein geprügelter, vor Angst erstarrter Hund und senkte wieder den Blick.
    "Es ist töricht, aber ich hatte gehofft, es sei nicht wahr.", war Maximian ehrlich und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger massierend über die Schläfen. Er war total niedergeschlagen, das konnte man nicht übersehen.


    "Hast du ihr beigestanden? War irgendjemand bei ihr?"

  • Maximian schien teilweise unter Schock zu stehen. Iulia wusste nicht recht was sie noch für ihn tun sollte. Aber es war vielleicht besser wenn er saß. Sanft drängte sie ihn Richtung des Korbstuhls. Beschwichtigend antworte sie ihm.


    Es ist nicht töricht, keiner will so etwas glauben. Aber dein Vater würde dich in einer solchen Sache nicht anlügen." Dann schüttelte sie bedauernd den Kopf."Nein, ich konnte ihr leider nicht beistehen, sie war gar nicht hier, als sie ihr Kind zur Welt brachte, sondern in Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Darum kann ich dir auch nicht sagen, wer stattdessen bei ihr war."


    Vielleicht hätte Valeria auch nicht so viel reisen sollen, zu große Anstrengungen und Stress waren nicht gut für Schwangere. Aber es brachte nichts sich jetzt über so etwas Gedanken zumachen, darum erwähnte sie es auch Maximian gegenüber nicht.

  • Nein, würde er nicht, das wusste Maximian sicherlich. Aber er hätte wahrscheinlich nicht anders reagiert, wenn Mattiacus oder sonst jemand aus der Familie es ihm zuerst gesagt hätte. Nun hörte er es zum zweiten Mal und allmählich musste er verstehen.


    Ehe er sich versah, saß Maximian wieder im Korbsessel und sah beinahe verstört in die Leere. Dann riss er sich so gut es ging zusammen und sah auf seinen Schoß hinab, schluckte einen dicken Kloß herunter. Da saß er nun und er wusste gar nicht mehr, wo im Leben er stand.


    "Weißt du, was es.... hätten wir einen Sohn oder eine Tochter bekommen?", fragte er aus dem Nichts heraus. Er dachte nicht darüber nach, dass es doch nichts brachte, wenn er das nun erfuhr, aber in diesem Moment war es ihm das Wichtigste, das er noch wissen wollte. Mal abgesehen von der Frage, was er nun tun sollte. Das wusste er nicht, nicht mehr.

  • Es war nur natürlich das er danach fragte, und er würde sich vermutlich noch manches mal fragen, was sein Kind nun machen würde, wenn es überlebt hätte. Iulia war zwar nie sonderlich begeistert gewesen, dass ihr Maximian so früh Vater wurde, aber sie hatte nie gewollt das es so endete. Iulia schaute kurz auf ihre Hände, dann wieder zu Lucius.


    "Ihr hattet einen Sohn."


    Und ich einen Enkel dachte sie bei sich.

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