Cubiculum | Ein Gästezimmer

  • Meine Augen fingen an, ratlos über sein Gesicht zu wandern, als mir klar wurde, dass besagter Mann mein Bruder sein sollte - er, der stets untadelig war, so wie viele meiner Verwandten.


    „Ja … ich … natürlich sage ich es niemanden.“ Schreck und Anteilnahme standen gleichzeitig in meinen Augen. Ich realisierte den Sklaven erst, als er die Tür bereits wieder schloss. Dann ergossen sich auch schon die bedauernden Worte meines Bruders über mich, ich spürte das Streicheln auf der Wange und blickte ihm verständnislos nach, als er ebenfalls den Raum verließ.


    Irritiert wanderte mein Blick anschließend über Wände und Fußboden, weil ich das soeben Gehörte nicht verarbeiten konnte – mir fehlten ja die entscheidenden Details. Bei den Göttern! Was meinte er bloß? Hat er sich etwa mit einer Sklavin eingelassen? Hat er womöglich eine Gottheit beleidigt? Was, zum Hades, konnte es denn sonst noch sein?


    Ich führte die aneinander gedrückten Hände vor den Mund und saß lange Augenblicke regungslos da. Etwas wie Angst wollte aufsteigen, aber ich drückte sie tapfer beiseite. Vielleicht würde er mich brauchen und dann wollte ich ihm helfen. Also erhob ich mich und suchte das Triclinium auf.

  • Bereits am Abend, als wir im Triclinium zusammen gesessen hatten, fühlte ich ein leichtes Unwohlsein, führte es aber auf die Erschöpfung nach der Reise zurück. Die Mattigkeit nahm aber während der Pferderennen zu und als ich mit meinem Bruder in die Regia zurückkehrte, musste ich mich sofort hinlegen.


    Am nächsten Tag verabschiedete ich ihn tapfer, denn ich selbst war nicht reisefähig und Corvinus musste nach Italia zurück. Ich winkte ihm noch, dann schleppte ich mich auf mein Zimmer, rollte mich auf dem Bett zusammen und sank in einen Dämmerschlaf.

  • Als ich aus meinem Dämmerzustand erwachte, war es hell – noch immer oder schon wieder? Auf meinen Lidern lag eine schwere Last und der Körper schmerzte. Mein Kopf erschien mir doppelt so groß wie sonst und ich hatte erhebliche Mühe, mich im Oberkörper aufzurichten. Vielleicht lag es aber auch an der Kraftlosigkeit, die mich plötzlich befallen hatte. Am liebsten wäre ich wieder auf das Laken gesunken, aber ich hatte ein unaufschiebbares Bedürfnis und zudem verspürte ich erheblichen Durst.


    In mühevoller Kleinarbeit richtete ich mich auf, rutschte an den Bettrand und wagte die Gewichtsverlagerung auf die Füße. Noch bevor ich kippte, erfasste eine Hand irgendein Möbelstück und die andere legte sich auf die schmerzende Stirn. Bloß langsam durchatmen, damit das Gesichtsfeld wieder zu normaler Größe gedieh. Aber langes Abwarten war ebenfalls unzweckmäßig, denn ich spürte, wie die Beine schwächer wurden. Also ich musste jetzt unbedingt an einen gewissen Ort und schwankte drauflos.


    Noch bevor ich die Tür erreichte, verschwamm der Raum, es wurde schwarz. Das Aufschlagen auf einer Möbelkante spürte ich bereits nicht mehr und ebenso wenig die harte Landung auf dem Fußboden.

  • Ein Sklave hatte dem Hausherrn gemeldet, was geschehen war und so traf dieser wenige Momente später mitten in dem Trubel ein und sprach schnell ein paar ordnende Befehle. Der erste Sklave rannte nach dem Medicus Apollonius, welcher sich zum Glück wieder im Hause befand, ein anderer in die Küche um entsprechende Getränke und heißes Wasser vorzubereiten, wer konnte schon wissen, was man alles gebrauchen würde. Wieder zwei andere packten die zusammengebrochene Aurelierin und trugen sie behutsam zu ihrem Bett zurück. Während Meridius in den Vorraum trat und auch nach einer Sklavin schickte, welche sich um den Gast kümmern sollte.


    Was für ein Glück, dass er hier gewesen war. Und es war höchste Zeit, dass er einen fähigen Sklaven anschaffte, der das ganze im Haus ordnete. Iulia war offensichtlich zu sehr eingespannt, um überall zu sein.

  • Von all dem bemerkte die Aurelierin nichts. Ihr Bewusstsein war nicht auf dieser Seite des Flusses. Sie erblickte einen Park, in den verschlungene Wege führten. Ein Bach rann gemächlich eine sanfte Böschung hinab, nur ab und an sprang er über große Kieselsteine. Vögel zwitscherten, Käfer surrten und eine Rehkuh mit Kitz kaute bedächtig frisches Gras.
    Überall war es hell, aber eine Sonne stand nicht am Himmel. Weder Wärme noch Kälte war zu spüren und ebenso wenig ein Hauch von Wind. Menschen fehlen an diesem Ort, denn sie hätten den Frieden nur gestört.

  • "Wo bleibt Apollonius?"


    rief Meridius und ging dann wieder in das Zimmer zurück, als ihm ein Sklave mitteilte, dass der Gast nun recht leblos im Bett liegen würde. Recht leblos? Er machte einen fast panischen Eindruck. Meridius gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er zurück in das Zimmer solle und trat dann auch selbst ein.


    "Mach mal einer das Fenster auf, damit hier frische Luft rein kommt. Und Du..." er sprach einen Sklaven direkt an "...rennst ebenfalls nach Apollonius und richtest ihm aus, dass es ERNST ist."


    Er trat an das Bett der Aurelierin. Sie sah so aus, als weilte sie nicht mehr unter den Lebenden. Aber sicher war sich Meridius nicht und er hoffte inständig, dass Apollonius etwas tun konnte.

  • Jahreszeitenwechsel: Aus der feuchten Erde traten Dunstwolken hervor, Tau tropfte von den Blättern und vorwitzige Lichtstrahlen suchten einen Weg, unter das dichte Blätterdach einer Baumgruppe zu finden. Ein von den Anstrengungen erhitzter Körper krampfte sich in immer kürzer werdenden Abständen zusammen. Kaum hörbares, gepresstes Atmen drang über die samtigen Lippen jener Ricke, als sie in einem letzten angestrengten Akt, einem Kälbchen das Leben schenkte. Selbst noch geschwächt, zittrig in den Gliedern, wandte sie sofort ihren Kopf und begann Haut und Schleim von dem zarten Wesen zu schlecken. Mit sanftem Stupsen forderte sie Atmung und Überlebenswille des Kleinen.


    Wolken hetzten am Himmel dahin, Tageslicht wurde von Dunkelheit abgelöst, aus Knospen wurden Blätter, das eisige Wasser erwärmte sich.


    Da stand sie wieder, die Rehkuh. Sie zupfte saftige Blätter und kaute anschließend bedächtig das frisch gesprossene Gras. In ihrem Rücken das Kitz – bereits sicher auf den Beinen und mit allerhand Unsinn im Kopf. Ein friedlicher Anblick, doch was beide nicht wussten: Längst hatte ein Bär das junge Leben als Mahlzeit ins Auge gefasst. Gäbe es Wind an diesem Ort, hätte die Ricke den auf leisen Sohlen schleichenden Feind bemerkt. So aber graste sie bis zu jenem Moment, als der Angreifer mittels kurzem Spurt aus den Bäumen brach, das Kalb in ihrem Rücken anvisierte und sprang.


    Erschrocken brach die Ricke zur Seite aus, aber ihr Kitz besaß noch nicht jene lebensnotwendige Schnelligkeit. Hilfloses Entsetzen sprang aus ihren Augen, als mächtige Krallen nach ihrem Kälbchen griffen, es rissen und gelbe Zähle in den schlanken Hals eindrangen.

  • Corvinus war abgereist, seine Sachen hatte ich verladen und das konnte ich der Herrin melden. Ich ging in die Richtung wo das Zimmer lag und es herrschte ein chaotische Unruhe in der ganze Bude. Na ja dachte ich, kommt bestimmt ein hohes römisches Tier zu Besuch. Dann hörte ich was von Fenster öffnen und irgend etwas ernstem. Der Besuch kommt wohl in ein paar Minuten und es sieht bestimme noch aus wie Sau. Aber als ich dann ans Zimmer kam stand die Tür offen und der Hausherr und einer seiner Sklaven standen am Bett der Herrin und ich konnte sie nicht sehen. Das roch nach Ärger. Ich hechtete zum Bett, stieß den Sklaven zur Seite, sah die Herrin mit bleichem Gesicht im Bett liegen und brüllte in ihre Richtung blickend und nach ihrer Hand greifend:


    „Wat is hier los?“

  • Iulia war im Vorratsraum gewesen und so hatte es eine Weile gedauert, bis Ansatzweise zu ihr durchgedrungen, dass irgendetwas im Haus passiert war. Die Sklaven im Haus waren aufgeregt wie in einem Bienenstock und man konnte nicht viel von ihnen erfahren. Vielleicht hatten sie auch einfach Angst man könnte ihnen die Schuld an dem geschehenen geben. Darum war Iulia einfach dem Lärm nach gefolgt. Sie stand nun mitten in der Tür und betrachtete das Bild das sich ihr im Zimmer bot. "Beim Herkules" murmelte sie nur. Die Frage des Mannes der am Bett kniete war laut genug gewesen um auch noch auf dem Gang gehört zu werden , so brauchte sie sie nicht selbst zu stellen.

  • Zitat

    Original von Assindius
    Ich hechtete zum Bett, stieß den Sklaven zur Seite, sah die Herrin mit bleichem Gesicht im Bett liegen und brüllte in ihre Richtung blickend und nach ihrer Hand greifend:


    „Wat is hier los?“


    Der Leibsklave der Aurelierin war in der Zwischenzeit erschienen und auch Iulia trat in das Zimmer. Halb zu dem Sklaven, halb zu Iulia sprechend beantwortete Meridius die Frage, auch wenn sie nicht direkt an ihn gerichtet gewesen war.


    "Man fand sie zusammengebrochen. Ich weiß nicht wie lange sie schon hier rumlag, als jedoch ein Sklaven den Raum betrat, fand er sie am Boden liegend."


    Meridius machte einen besorgten Eindruck und wandte sich dann an den Sklaven.


    "Ich habe schon nach dem Medicus geschickt. Hat Deine Herrin öfters Schwächephasen? Hat sie eine Krankheit? Hat sie über irgendetwas geklagt?"


    Er sah den Sklaven eindringlich an.

  • Iulia war schließlich doch ganz ins Zimmer gekommen, war aber in Tür Nähe stehen geblieben, denn es hielten sich bereits einige Personen in dem Raum auf und ein zu großer Pulk an Menschen war in diesem Moment sicher nicht förderlich.


    Hat man schon ihren Puls gefühlt?Fügte sie Meridius Fragen hinzu und sah zu dem Sklaven der Deandras Hand hielt. Vielleicht hatte er es bereits getan.


    "Hat sie sichtbare Verletzungen? Habt ihr schon mal versucht sie mit einem stark riechenden Öl oder einer Salbe ins Bewusstsein zurück zuholen?"


    Von Iulias Platz aus war es schwer Deandras Zustand genau festzustellen und Meridius Antwort war nur zum Teil hilfreich gewesen.

  • Krankheiten, hat so was ma erwähnt, ne hat sie nich. Ich antwortete nervös in des Hausherren Richtung:


    "Ne hat si alles nich"


    und kreischt dann vorwurfsvoll in die Richtung der Herrin:


    "Warum sollte man sowas auch seinem Leibklaven verraten"


    und dann wieder nervös in den Raum hinein:


    "Wo bleibt der scheiß Heiler?"

  • Der Blick erfasste Grashalme in großer Nähe; Ameisen turnten an ihnen herum. Unweit davon kroch eine kleine Schnecke aus ihrem Haus. Sie stülpte die Fühler aus, an deren Ende sich je ein winziger dunkler Punkt befand. Fast konnte man meinen, es wären Augen.


    Eine schmale Frauenhand näherte sich vorsichtig, sie berührte jene Tastorgane. Flugs zog die Schnecke sie ein, doch im nächsten Augenblick hob sie ihren Kopf. Sie hatte ausgerechnet jenen vorwitzigen Finger als nächsten Kletterplatz auserkoren. Tastend prüfte sie zunächst die Tragfähigkeit der Fläche, dann wagte sie sich mutig vor. Ihr Haus holte sie jeweils ruckweise nach. Als sich der neue Untergrund jedoch nach mehrmaligem Raspeln als ungenießbar erwies, hob sie – innehaltend und sichtlich unzufrieden – den Kopf.
    Also erbarmte sich der Finger und hielt ihr ein sattes Blatt als Abstiegstelle hin. Wieder prüfte sie die Tragfähigkeit, befand sie zwar als labil, beschritt dann aber doch die verlockende Speisefläche. Sodann zog sich die Hand wieder zurück.


    Momente später senkte sich ein globiger Stiefel auf jene Fläche und begrub die kleine Schnecke. Eine grobe Hand rückte ins Blickfeld – gelbe Nägel mit schwarzen Rändern. Nur zögerlich glitt der Blick nach oben, erfasste untersetzte Schultern, einen schmutzigen Hals, ein grobschlächtiges, aufgedunsenes Gesicht und wüste Haare. Augen wie Magneten zogen alle Aufmerksamkeit auf sich, sodass Stoppelbart, Zahnruinen und Gesichtswarzen in der Bedeutungslosigkeit versanken.
    Wie unter Bann – ängstlich, aber dennoch – legte sich die schmale Hand in die ausgestreckte Pranke.

  • Herzklopfen wie Paukenschläge dröhnten in Brust und Ohren, als jene Pranke die zartgliedrige Hand nach oben riss. Der eben noch gefüllte Brustkorb wurde gähnend leer, denn Angst fraß jedes Gefühl. Obwohl die Augen umherirrten, nahmen sie keine Umgebung wahr, weil Füße stolperten, Knie zitterten und Panik, nichts außer Panik, während des Mitschleifens im Herzen saß.

  • Es tat sich nichts, die Herrin rührte sich nicht. Ob es helfen würde wenn ich ihr eine knalle? -.^Wahrscheinlich nicht. Aber wegen der Unruhe in mir legte ich sanft ihre Hand aufs Bett, stand auf sah mich um und krallte mir diesen Sklaven der da rumstand. Ich zerrte an seiner Kleidung, schüttelte in kräftig und böse blickend durch und fauchte ihn an:


    „Spuck’s aus, was hat sie gegessen“

  • Deandra lag immer noch blaß und reglos auf dem Bett. Atmete sie noch? Was wenn es nicht nur eine einfache Ohnmacht oder vorrübergehende Bewußtlosigkeit war? Jäh wurde Iulia in ihren Gedanken unterbrochen. Assindius hatte einen der Sklaven gepackt. Glaubte er etwa Deandra sei vergiftet worden? Vom plötzlichen Angriff überrascht stammelte der Sklave mit ängstlichem Blick."Ich...ich weiß es nicht. Ich...glaube sie hat heute Morgen noch, noch gar nichts gegessen." Bevor Assindius den Sklaven noch ein weiteres mal schütteln konnte oder etwas anderes tun, fasste sich Iulia ein Herz.

    Lass ihn los. Deiner Herrin wird es davon auch nicht besser gehen."


    Sie deutete auf den Sklaven.


    "Er kann sicher nichts für ihren Zustand."


    Zumindest hoffte Iulia es, ließ sich davon allerdings nichts anmerken.


    "Ich gehe jetzt und werde nach einem Arzt suchen"


    Weiter hier stehen und nur warten, konnte sie nicht. Je mehr Zeit verging, desto mehr konnte es sich zuspitzen und jetzt verlor Assindius auch noch langsam die Nerven. Wer wusste schon was er als nächstes tun würde? Bevor sie ging, warf sie Meridius noch einen Blick zu, er war noch am ehesten in der Lage dem Sklaven einhalt zu gebieten, auch körperlich.

  • Unvermittelt stoppte der rasante Lauf. Ein Mann – nicht minder Furcht einflößend – war urplötzlich aufgetaucht und versperrte den Weg. Er streckte seine knochige Hand aus und forderte die Übergabe.


    Machtlos ausgeliefert war sie ja ohnehin, aber hätte sie eine Wahl gehabt, sie wäre bei dem ersten dieser Männer geblieben. Aber sie hatte keine Wahl und niemand fragte sie nach ihren Wünschen, bemerkte ihre Ängste, heilte ihre Wunden.

  • Iulia war nach eigener erfolgloser Suche inzwischen wieder ins Gästezimmer zurückgekehrt. Erleichtert stellte sie fest, dass wenigstens der Sklave, den sie los geschickt hatte, Erfolg gehabt hatte. Zumindest ging sie davon aus, dass der Mann im Zimmer der Medicus war.


    "Ihr seid der Arzt? Deandra liegt dort drüben auf dem Bett."


    Sie deutete in die Richtung, kein Wunder das Raeticus sie nicht gleich gesehen hatte, es standen immer noch viel zu viele Leute im Zimmer herum.

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